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Venatrix

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Veröffentlicht am 21.08.2023

Einblick in ein fremdes Land

Neue Weltmacht Indien
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Klappentext:

„An Indien scheiden sich die Geister. Obwohl oder gerade weil kaum jemand im Westen dieses widersprüchliche Land versteht. Zwischen Slums und Prunk, zwischen Yoga und Hightech, zwischen Bollywoodkultur ...

Klappentext:

„An Indien scheiden sich die Geister. Obwohl oder gerade weil kaum jemand im Westen dieses widersprüchliche Land versteht. Zwischen Slums und Prunk, zwischen Yoga und Hightech, zwischen Bollywoodkultur und Kastenwesen ist uns das Land, dessen Bedeutung für die Weltgemeinschaft immer größer wird, ein Rätsel geblieben. Oliver Schulz liefert einen tiefen Einblick in die verschiedenen Facetten der indischen Gesellschaft und Kultur und gibt uns einen Überblick über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsperspektiven der neuen Supermacht, die immer deutlicher ihre Ansprüche auf eine Führungsrolle in der Welt erhebt. Wie tickt dieses Land wirklich? Was hält es zusammen? Wie verlässlich ist es als Partner? Und wie bedrohlich könnte sein Aufstieg für die Weltgemeinschaft werden?“

Dieses Sachbuch hat mir sehr gut gefallen, obwohl meines Erachtens der Autor seine eigenen Fragen nicht erschöpfend beantwortet hat. Es ist ihm aber hier wenig Vorwurf zu machen, denn niemand kann voraussehen, was die Politiker eines so komplexen Landes vorhaben.

Für mich sehr interessant war der geschichtliche Rückblick, der gut zwei Drittel der 224 Seiten in Anspruch genommen hat. Ich finde ja, man muss die Vergangenheit kennen, um in der Zukunft bestehen zu können. Die Schilderung der aktuellen Situation in Indien und ein möglicher Ausblick in die Zukunft hätten von mir aus gerne jeweils ein wenig länger ausfallen dürfen.

Der komplexe Staat Indien, der selbst jede Menge Zündstoff für Konflikte in seinen unterschiedlichen Ethnien, Religionen und dem zwar verbotenen, aber dennoch nach wie vor existierenden Kastenwesen, birgt, wird sich im Zweifelsfall immer auf seine eigene Seite schlagen und jene Allianzen schließen, die Indien im Augenblick am meisten nützlich erscheinen. Auch wenn das tags darauf schon wieder anders sein könnte. Das hat mit Unzuverlässigkeit nicht viel zu tun, sondern mit dem ehernen Gesetz, „das Hemd ist mir näher denn der Rock“.

Fazit:

Ein interessanter Einblick in ein Staatengefüge, das für uns Mitteleuropäer doch ziemlich fremd erscheint. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 20.08.2023

Eine Hommage an eine große Künstleriin

Artemisia Gentileschi
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Diese Biografie der Barockmalerin Artemisia Gentileschi ist schon längst überfällig. Da es nur wenige authentische Quellen gibt, ist es nicht einfach, sich auf Artemisias Spuren zu heften. Susanna Partsch ...

Diese Biografie der Barockmalerin Artemisia Gentileschi ist schon längst überfällig. Da es nur wenige authentische Quellen gibt, ist es nicht einfach, sich auf Artemisias Spuren zu heften. Susanna Partsch gelingt es hervorragend, aus den wenigen Dokumenten und Briefen der Malerin ein fesselndes Buch zu schreiben.

Wer war sie nun, die Artemisia Gentileschi?

In zwölf Schritten zeichnet Susanna Partsch den Lebensweg der Barockmalerin nach, die von sich selbst sagte:

„Ich arbeite schnell und ununterbrochen.“

1. Rom um 1600
2. Kindheit und Jugend in Rom
3. Der Prozess
4. Artemisia in Florenz
5. Rückkehr nach Rom
6. Venedig
7. Neapel
8. Zwischenspiel London
9. Rückkehr nach Neapel
10. Nachleben
11. es werden immer mehr - Künstlerinnen der Barockzeit
12. Literarische, filmische und künstlerische Rezeption

Autorin Susanna Partsch ist Kunsthistorikerin. Sie lässt alte (männliche?) Deutungsansätze hinter sich und präsentiert uns hier eine außergewöhnliche Künstlerin. Aufgrund der dürftigen Quellenlage bleibt hier und da ein weißer Fleck im Leben der Artemisia Gentileschi bestehen. Der Mut zur Lücke ist jedenfalls besser, als mit Halbwahrheiten ein verzerrtes Bild zu zeichnen.

Bei der Betrachtung von Artemisia Gentileschis Bildern ist mir aufgefallen, dass die von ihr gemalten Hände besonders sorgfältig dargestellt werden. Die Proportionen der Hände und die Feingliedrigkeit der Finger passen sehr gut zur Gesamtkomposition der Figuren, was bei anderen berühmten Malern nicht so ist. Da kümmert sich der Maestro eher um das Porträt oder die Landschaft im Hintergrund und die Hände, die doch einiges einer Persönlichkeit aussagen, werden stiefmütterlich behandelt.

Artemisia Gentileschis Biografie reiht sich als 6. nahtlos in die Serie „Reihenweise kluge Frauen“ der Verlagsgruppe Styria Verlag Molden ein.

Fazit:

Eine gelungene Biografie einer außergewöhnlichen Frau und Künstlerin, die ihrer Zeit weit voraus war. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 19.08.2023

Eine gelungene Fortsetzung

Mörderwalzer
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Das malerische Ambiente des geschichtsträchtigen Schlosses Leopoldskron ist diesmal der Schauplatz eines Mordes, der Martin Merana und sein Team auf den Plan ruft und ziemlich fordert.

Ausgerechnet während ...

Das malerische Ambiente des geschichtsträchtigen Schlosses Leopoldskron ist diesmal der Schauplatz eines Mordes, der Martin Merana und sein Team auf den Plan ruft und ziemlich fordert.

Ausgerechnet während einer Benefizveranstaltung wird die Aufdeckerjournalistin Leona Trill ermordet am Weiher im Schlosspark erschlagen gefunden. Die Anzahl der potenziellen Täter und Zeugen liegt bei 163, was Merana und Co. ziemliches Aufstöhnen verursacht, ist doch ein Teammitglied, nämlich Othmar, gerade auf Urlaub.
Welchem Skandal im Dunstkreis der Salzburger Musikszene ist die Trill auf der Spur? Oder hat ihre journalistische Arbeit rein gar nichts mit ihrem Tod zu tun?

Martin Merana und sein Team stellen die Frage, wer vom Tod der Journalistin profitiert. Die missgünstige Kollegin, die allerdings niemals als Nachfolgerin infrage kommen wird, weil ihr das journalistische Rüstzeug fehlt oder ist der Täter doch im privaten Umfeld der Trill zu finden?

Methodisch und akribisch nehmen die Polizisten die Teilnehmer der Benefizveranstaltung vor. Daneben darf das Schloss Leopoldskron, das 1918 von Regisseur Max Reinhardt, dem Mitbegründer der Salzburger Festspiele, in desolatem Zustand gekauft und penibel restauriert worden ist, eine gewichtige Rolle spielen.

Meine Meinung:

Ich bin ja ein Merana-Fan der ersten Stunde. Nicht nur wegen Meranas umsichtiger Ermittlungsarbeit, sondern vor allem wegen seiner Wertschätzung, die er seinem Team entgegenbringt. Wie wir es von Manfred Baumann gewöhnt sind, wird penible Polizeiarbeit als Team geleistet. Martin Merana kehrt nicht den besserwissenden Chef heraus. Er hält seinen Mitarbeitern den Rücken frei. Wären nur alle Chefs so!

Ein besonderes Merkmal dieser Krimi-Reihe sind auch die penibel recherchierten Schauplätze. Autor Manfred Baumann erzählt, dass er zuerst den Tatort entdeckt, sich von einer Location inspirieren lässt, um anschließend die Tat rundherum zu entwickeln.

Das Schloss Leopoldskron eignet sich ob seiner eigenen dramatischen Geschichte hervorragend als Tatort. Prunk- und geheimnisvoll steht es im Schlosspark. Leopoldskron ist bekanntlich eng mit Max Reinhardt verbunden. Der Regisseur und Mitbegründer der Salzburger Festspiele hat das Schloss 1918 in schlechtem baulichen Zustand gekauft, saniert und wieder zum Leben erweckt. Man feierte rauschende Feste bis die Nazis das Schloss 1938 konfiszierten. Max Reinhardt, der wegen seiner jüdischen Herkunft in die USA geflohen ist, wurde enteignet. Max Reinhardt sollte sein Lebenswerk nicht wiedersehen. Er stirbt 1943 im Exil.

Wer, angeregt durch diesen Krimi, mehr über Schloss Leopoldskron und seine bewegte Geschichte wissen will, dem sei Johannes Hofingers Buch „Die Akte Leopoldskron“ empfohlen.

Fazit:

Auch in seinem elften Krimi ist der Spannungsbogen hoch. Der Blick hinter das Offensichtliche lässt mich wieder eine Leseempfehlung aussprechen und 5 Sterne vergeben.

Veröffentlicht am 16.08.2023

Ein penibel recherchierter hist. Roman

Der Zauberer vom Cobenzl
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Dieser historische Roman, der im Wien des 19. Jahrhunderts spielt, beginnt ein wenig makaber: Carl Ludwig Friedrich Freiherr von Reichenbach (1788 bis 1869) spaziert mit seiner Tochter Hermine und einem ...

Dieser historische Roman, der im Wien des 19. Jahrhunderts spielt, beginnt ein wenig makaber: Carl Ludwig Friedrich Freiherr von Reichenbach (1788 bis 1869) spaziert mit seiner Tochter Hermine und einem sensitiven Medium nächtens über den Grinzinger Friedhof, um das „Od“, das den Toten entweichende Fluidum des Lebens zu erforschen.

Reichenbach ist Forscher und Erfinder, der unter anderem das Paraffin entwickelt hat. Neben Handfestem erfindet er auch diverse Wortschöpfungen. Seine Töchter Hermine und Ottone wachsen für diese Zeit recht unkonventionell auf. Während Hermine in des Vaters Fußstapfen tritt und sich der Botanik widmet, ist Ottone eine begnadete Musikerin. Doch irgendwann, die Familie zieht aus dem Böhmischen nach Wien, kippt Reichenbachs fortschrittliches Denken. Die Töchter sollen unverheiratet bleiben und ihm den Haushalt führen und Gesellschaft leisten. Die aufmüpfige Ottone bricht als Erste mit dem Vater und verlässt das Elternhaus.

„Das Wichtigste, das ich von Vater lernte, war jedoch nicht das Botanisieren und Mikroskopieren, das Studieren und Analysieren, die Arbeit im freien Feld, in Labor und Herbar, sondern etwas ganz anderes, das ich erst viel später verstand: Rückschläge durften niemals Endpunkte sein, wer vom Pferd fiel, saß sofort wieder auf (S. 160)“

Als Hermine mit dreißig Jahren dann doch heiratet, muss sie ihre Mitgift einklagen - eine für damalige Zeiten ungehörige Aktion. Außerdem widerlegt sie die Vorhersage des Vaters und eines behandelnden Arztes, dass sie infolge einer schweren Erkrankung im Kindesalter, selbst keine Kinder bekommen kann. Als quasi „beschädigte Ware“hat sie doch im Haushalt des verwitweten Vaters zu bleiben, oder? Allen zum Trotz schenkt sie einer gesunden Tochter das Leben.

Spät aber doch, wird ihre wissenschaftliche Arbeit (als Hermine Schuh) anerkannt, „man fand, dass man für mich eine Ausnahme machen müsse, manchmal lebe der Geist der Wissenschaft eben auch in einer Frau.“

Meine Meinung:

Wie ich es von Bettina Balàka gewöhnt bin, verwendet sie ein wunderschöne, beinahe poetische Sprache, um ihre Protagonisten in Szene zu setzen.

Die Geschichte zu diesem Buch liest sich selbst schon wie ein Roman: Bei ihren Recherchen zu „Die Tauben aus Brünn“ ist sie über die Persönlichkeit Carl Ludwig Friedrich Freiherr von Reichenbach (1788 bis 1869), der als „Zauberer von Schloss Cobenzl“ bekannt war, quasi gestolpert.

Die Autorin lässt Hermine die Familiengeschichte erzählen und gibt ihr damit eine Stimme. Hermine Schuh erlebt die Revolutionen des Jahres 1848 mit, die auch von bürgerlichen Frauen getragen wird. So begegnen wir hier Karoline Perin-Gradenstein und ihrem Lebensgefährten, dem Herausgeber der revolutionären Zeitung „Der Radikale“ Alfred Julius Becher, der im November 1848 standrechtlich erschossen wurde.

Warum die Figur des Carl Ludwig Friedrich Freiherr von Reichenbach nicht mehr in unserer Erinnerung ist? Wie aus der Familiengeschichte unschwer zu erkennen ist, ist er „nur“ ein Selfmademan, der trotz Nobilitierung in der Wiener Gesellschaft nicht anerkannt wird. Zunächst hat er mit seinen Erfindungen seine Arbeitgeber reich gemacht, sein eigenes Vermögen mit allen seinen Liegenschaften schließlich verloren und das Schloss Cobenzl ist nach Jahren des Verfalls im Jahr 1966 abgerissen worden.

Fazit:

Wer gerne historische Romane und Familiengeschichten in geschliffener Sprache lesen will, ist hier genau richtig. Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 13.08.2023

Ein eindrucksvolles Zeitzeugnis

Mattanza
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Germana Fabiano entführt uns auf die kleine sizilianische Insel Katria. Sie ist so klein, dass es keine Straßen für Autos gibt, nur unbefestigte Wege für Motorräder.

Seit Jahrhunderten leben die Menschen ...

Germana Fabiano entführt uns auf die kleine sizilianische Insel Katria. Sie ist so klein, dass es keine Straßen für Autos gibt, nur unbefestigte Wege für Motorräder.

Seit Jahrhunderten leben die Menschen vom Fischfang, genauer gesagt von den Thunfischen, die auf dem Weg zu ihren Laichplätzen in die „Tonnara“, einem ausgeklügelten System von Netzen geraten und in der „Kammer des Todes“ von den Tonnaroti getötet werden. Das Kommando zum Beginn der „Mattanza“ gibt traditionell der Raís, der seit Jahrhunderten aus einer bestimmten Familie stammen muss.

Doch nun, im Jahr 1960 gibt es keinen männlichen Nachfolger, weder Neffe noch Cousin. Also bestimmt der regierende Raís, seine Enkelin Nora als seine Nachfolgerin. Nirgends, so argumentiert er, steht geschrieben, dass nicht eine Frau die verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen kann. Nora widmet sich der Ausbildung, wird aber gleichzeitig von den Dorfbewohnern scheel angesehen. Sie lebt wie „hinter Glas“.

Als er 1979 einen Schlaganfall erleidet, muss Nora die schwere Arbeit übernehmen und sie meistert die Aufgabe mit Bravour. Der Fang ist überaus üppig. Doch langsam gehen die ertragreichen Jahre zu Ende, bis es 2003 nur mehr weniger als ein Dutzend Thunfische sind, die den Fischern ins Netz gehen. Denn die großen Fangflotten haben durch Überfischung den Thunfischbestand fast ausgerottet.

Meine Meinung:

Germana Fabianos Erzählstil ist fesselnd und ich konnte das Meer und die blutige Arbeit riechen. Die Menschen sind von Wind und Wetter gegerbt, tief in ihren Traditionen verwurzelt und nehmen dennoch ihr Schicksal in ihre eigenen Hände, als der Verkauf der Konservenfabrik droht. Leidenschaftlich und äußerst eindrucksvoll schildert die Autorin die Ereignisse vom Höhepunkt bis zum Niedergang des traditionellen Fischfangs.

Das Buch kann einige Leser verstören, denn die „Mattanza“ ist eine blutige und archaische Angelegenheit, die mehrmals genau geschildert wird.

Fazit:

Ein grausames, aber eindrucksvolles Stück Zeitgeschichte, das es wert ist, gelesen zu werden.