Drei Frauen und ihre Geheimnisse
Als Großmutter im Regen tanzteAuf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann zieht sich Juni in das Haus ihrer verstorbenen Großmutter Tekla zurück. Hier, auf der kleinen norwegischen Insel Kragerø will sie zur Ruhe kommen und über ...
Auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann zieht sich Juni in das Haus ihrer verstorbenen Großmutter Tekla zurück. Hier, auf der kleinen norwegischen Insel Kragerø will sie zur Ruhe kommen und über ihr weiteres Leben nachdenken.
Beim Aufräumen findet sie unter anderem ein Foto, das die junge Tekla mit einem unbekannten, deutschen Soldaten zeigt, sowie die Heiratsurkunde, die besagt, dass Lilla, ihre Mutter lange vor der Hochzeit geboren wurde. An sich, während der Nachkriegszeit kein ungewöhnliches Schicksal. Doch das Verhältnis Tekla zu Lilla war immer genauso konfliktbeladen wie ihre Junis, Beziehung zu ihrer Mutter Lilla. Juni kann weder Tekla noch Lilla fragen, da beide inzwischen verstorben sind.
In ihre Unschlüssigkeit, die Rätsel der Vergangenheit lüften oder auf sich beruhen zu lassen, platzt Georg, der neue Nachbar hinein. Die beiden fühlen sich zueinander hingezogen. Juni vertraut sich ihm an und die beiden begeben sich auf Spurensuche in die Vergangenheit, die so manches bittere Geheimnis zutage fördert. Die verworrenen Wege führen von Norwegen aus nach Berlin und in die ehemalige DDR, nach Demmin.
Meine Meinung:
Trude Teige nimmt sich in diesem Roman eines nach wie vor heiklen Themas an: Liebesbeziehungen zwischen deutschen Besatzern und norwegischen Frauen im Zweiten Weltkrieg. „Tyskertøs“ - Deutschenmädchen oder Deutschenhure werden jene genannt, die sich mit den Besatzern einlassen. Dass ihnen ihr Haar geschoren wird, ist nur ein Teil der Rache. Viele von ihnen werden von ihren Familien verstoßen, vor allem, wenn sie schwanger wurden. Diese Einstellung belastet familiäre Beziehungen bis heute.
In zwei großen Erzählsträngen werden die Familienbeziehungen zwischen den drei Frauen aufgerollt.
Die Suche nach Teklas Vergangenheit, die auch eng mit Junis Herkunft verwoben ist, gestaltet sich als Reise in die Nachkriegszeit, mit allen ihren Facetten wie zerbombten Städten, Hunger und Kälte, den unzureichenden Entnazifizierungen im Westen Deutschlands sowie der Errichtung der DDR im Osten. Interessant ist, dass Juni und Georg zahlreiche Zeitzeugen und Dokumente finden, die Auskunft über Tekla geben können.
Dabei stoßen sie auf die Geschichte von Demmin, wo sich aus Angst vor den Gräueltaten der Russen, mehrere Hundert Einwohner, vorrangig Frauen ihre Kinder getötet und anschließend Selbstmord begangen haben.
Die einzelnen Erzählstränge sind penibel recherchiert und fesselnd erzählt. Die Perspektiven wechseln mehrmals, was die Spannung beträchtlich erhöht.
Tekla kann auf ein erfülltes Leben zurückblicken. Ihre Erlebnisse verarbeitet sie in ihren Bildern und manchmal tanzt sie, wohl in Erinnerung an Otto, im Regen. Lillas Schicksal kommt fast ein wenig zu kurz, obwohl sie eine Leidtragende der Ereignisse ist. Als herauskommt, dass ihre Mutter eine „Tyskertøs“ war, wird sie von ihrem Verlobten verlassen.
Fazit:
Das Buch ist, weil es an einem Tabu-Thema kratzt, keine leichte Kost. Gerne gebe ich diesem berührenden Buch, das penibel recherchiert und fesselnd geschrieben ist, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.