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Venatrix

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Veröffentlicht am 12.02.2023

Drei Frauen und ihre Geheimnisse

Als Großmutter im Regen tanzte
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Auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann zieht sich Juni in das Haus ihrer verstorbenen Großmutter Tekla zurück. Hier, auf der kleinen norwegischen Insel Kragerø will sie zur Ruhe kommen und über ...

Auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann zieht sich Juni in das Haus ihrer verstorbenen Großmutter Tekla zurück. Hier, auf der kleinen norwegischen Insel Kragerø will sie zur Ruhe kommen und über ihr weiteres Leben nachdenken.

Beim Aufräumen findet sie unter anderem ein Foto, das die junge Tekla mit einem unbekannten, deutschen Soldaten zeigt, sowie die Heiratsurkunde, die besagt, dass Lilla, ihre Mutter lange vor der Hochzeit geboren wurde. An sich, während der Nachkriegszeit kein ungewöhnliches Schicksal. Doch das Verhältnis Tekla zu Lilla war immer genauso konfliktbeladen wie ihre Junis, Beziehung zu ihrer Mutter Lilla. Juni kann weder Tekla noch Lilla fragen, da beide inzwischen verstorben sind.

In ihre Unschlüssigkeit, die Rätsel der Vergangenheit lüften oder auf sich beruhen zu lassen, platzt Georg, der neue Nachbar hinein. Die beiden fühlen sich zueinander hingezogen. Juni vertraut sich ihm an und die beiden begeben sich auf Spurensuche in die Vergangenheit, die so manches bittere Geheimnis zutage fördert. Die verworrenen Wege führen von Norwegen aus nach Berlin und in die ehemalige DDR, nach Demmin.

Meine Meinung:

Trude Teige nimmt sich in diesem Roman eines nach wie vor heiklen Themas an: Liebesbeziehungen zwischen deutschen Besatzern und norwegischen Frauen im Zweiten Weltkrieg. „Tyskertøs“ - Deutschenmädchen oder Deutschenhure werden jene genannt, die sich mit den Besatzern einlassen. Dass ihnen ihr Haar geschoren wird, ist nur ein Teil der Rache. Viele von ihnen werden von ihren Familien verstoßen, vor allem, wenn sie schwanger wurden. Diese Einstellung belastet familiäre Beziehungen bis heute.

In zwei großen Erzählsträngen werden die Familienbeziehungen zwischen den drei Frauen aufgerollt.

Die Suche nach Teklas Vergangenheit, die auch eng mit Junis Herkunft verwoben ist, gestaltet sich als Reise in die Nachkriegszeit, mit allen ihren Facetten wie zerbombten Städten, Hunger und Kälte, den unzureichenden Entnazifizierungen im Westen Deutschlands sowie der Errichtung der DDR im Osten. Interessant ist, dass Juni und Georg zahlreiche Zeitzeugen und Dokumente finden, die Auskunft über Tekla geben können.

Dabei stoßen sie auf die Geschichte von Demmin, wo sich aus Angst vor den Gräueltaten der Russen, mehrere Hundert Einwohner, vorrangig Frauen ihre Kinder getötet und anschließend Selbstmord begangen haben.

Die einzelnen Erzählstränge sind penibel recherchiert und fesselnd erzählt. Die Perspektiven wechseln mehrmals, was die Spannung beträchtlich erhöht.

Tekla kann auf ein erfülltes Leben zurückblicken. Ihre Erlebnisse verarbeitet sie in ihren Bildern und manchmal tanzt sie, wohl in Erinnerung an Otto, im Regen. Lillas Schicksal kommt fast ein wenig zu kurz, obwohl sie eine Leidtragende der Ereignisse ist. Als herauskommt, dass ihre Mutter eine „Tyskertøs“ war, wird sie von ihrem Verlobten verlassen.

Fazit:

Das Buch ist, weil es an einem Tabu-Thema kratzt, keine leichte Kost. Gerne gebe ich diesem berührenden Buch, das penibel recherchiert und fesselnd geschrieben ist, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 11.02.2023

Horvath ermittelt diesmal in eigener Sache

Horvath auf der Flucht
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„Horvath auf der Flucht: Des Lehrers dritter Fall“ ist die Fortsetzung der humorvollen Krimi-Reihe von Autor Marc Hofmann. Diesmal muss der sympathische wie kauzige Deutsch- und Geschichtelehrer des Freiburger ...

„Horvath auf der Flucht: Des Lehrers dritter Fall“ ist die Fortsetzung der humorvollen Krimi-Reihe von Autor Marc Hofmann. Diesmal muss der sympathische wie kauzige Deutsch- und Geschichtelehrer des Freiburger Gymnasiums Gregor Horvath in eigener Sache ermitteln, denn er findet den Orthopäden Dr. Stiehler erschlagen in der Praxis. Blöderweise hat der Vater zweier missratener Schüler einen Prozess gegen Horvath angestrebt. Somit ist der Lehrer dringend tatverdächtig, hat er doch die Möglichkeit und ein Motiv.

Ausgerechnet Kommissar Masic, der Intimfeind seines Zwillingsbruders Martin, der wie man aus den Vorgängern weiß ebenfalls Kriminalbeamter ist, führt die Ermittlungen und schießt sich, natürlich um Martin Horvath ans Bein zu pinkeln, auf Gregor als Mörder ein. Nur beweisen kann er es (noch) nicht.

Horvath hat aber noch an anderen Fronten zu kämpfen: Die Schulen haben wegen der Corona-Pandemie geschlossen und es muss mittels Distance Learning unterrichtet werden, was ihm gar nicht leicht fällt. Handy, Moodle, TikTok & Co könn(t)en ihm weiterhin gestohlen bleiben. Lieber zitiert er seine Lieblingsschriftsteller.

Im Moment allerdings fühlt er sich wie einst Josef K. in Franz Kafkas Werk „Der Prozess“. Da Horvath nicht willens ist, für eine Tat, die er nicht begangen hat, vor Gericht zu stehen, beginnt er mithilfe einiger Schüler, zu ermitteln. Unerwartete Unterstützung erhält er von Stiehlers Witwe, die ihm ein Notizbuch ihres Mannes übergibt.

Meine Meinung:

Auch der dritte Fall für Gregor „Pauker“ Horvath ist flüssig und locker geschrieben. Man kann sich den Deutsch-Lehrer, der eher konservativ, aber dennoch unkonventionell ist, recht gut vorstellen. Dieser vermeintliche Widerspruch führt zu humorvollen Szenen. Horvath ist ein Lehrer, den man vermutlich mit der Lupe suchen muss. Er geht auf seine Schüler ein. Schrullig seine seine Angewohnheiten, jedes Gegenüber zu korrekter Grammatik zu bekehren, sowie ständig ein passendes Zitat auf den Lippen zu haben. Ähnlich wie sein liebster Krimi-Held Hercule Poirot bedient er sich allerlei Gedankenspielereien.

Autor Marc Hofmann weiß, worüber er schreibt, ist er doch im Brotberuf selbst Lehrer an einem Freiburger Gymnasium. Sein trockener Humor, mit dem er das Chaos des Schulalltags während der Corona-Pandemie beschreibt, hat mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht.

Das orangerote Cover passt zu den beiden Vorgängern (knallgelb und giftgrün) und hat mit der Brille einen hohen Wiedererkennungswert.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem dritten, sehr persönlichen Fall 4 Sterne.

Veröffentlicht am 10.02.2023

Ein penibel recherchierter hist. Roman

Die Herrin der Farben
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Autor Peter Dempf entführt uns in diesem historischen Roman in das Augsburg des 18. Jahrhunderts.

Anna Barbara Koppmair ist die Tochter eines Goldschlägers und wächst neben dem Formenschneiderbetrieb ...

Autor Peter Dempf entführt uns in diesem historischen Roman in das Augsburg des 18. Jahrhunderts.

Anna Barbara Koppmair ist die Tochter eines Goldschlägers und wächst neben dem Formenschneiderbetrieb der Familie Gignoux auf. In der Augsburger Textilbranche haben die beiden Gewerke immer wieder Berührungspunkte, sodass die wissbegierige Anna Barbara ihre Zeit mit Johann Friedrich Gignoux verbringt, um mit den Farben für die Textilfärberei zu experimentieren. Dabei gelingen ihr einige Rezepturen, die Farben mit besonderer Leuchtkraft und Haltbarkeit hervorbringen.

Nach Johann Friedrichs Walz wird geheiratet und die beiden bauen, unter äußerster Auslegung der Zunftregeln eine Kattunfärberei auf. Das Unternehmen floriert. Nach nur wenigen gemeinsamen Jahren stirbt Johann Friedrich an einer Lungenkrankheit, die durch die giftigen Dämpfe beim Farbenmischen hervorgerufen worden ist.

Obwohl das Testament Anna Barbara bis zur Volljährigkeit des Sohnes als Betriebsleiterin vorsieht, ficht der Zunftmeister Anna Barbaras Position an. Absprachen werden nicht mehr eingehalten, denn Frauen sind keine Vertragspartner. Natürlich spielt hier der Neid auf die geschäftstüchtige Witwe eine große Rolle. Man beginnt Intrigen zu spinnen, in denen sich Anna Barbara verheddert und letztlich mit Georg Christoph Gleich, einen Mann heiratet, der sie nicht nut über sein eigenes (nicht vorhandenes) Vermögen täuscht, sondern sich das Unternehmen Gignoux unter den Nagel reißen will. Allerdings hat er nicht mit der Zähigkeit von Anna Barbara gerechnet. Um den Betrieb für ihren Sohn zu retten, beschreitet sie ungewöhnliche Wege ...

Meine Meinung:

Peter Dempf, der den eigenen Worten nach, „immer neugierig und wissen wollend, woher Gebäude stammen und wer die Menschen auf Bildern und Gemälden waren, was die Schriften auf Wänden und Steinen bedeuteten, wie und was die Menschen ehedem bewegt haben“, Geschichte studiert hat, hat mir diesem historischen Roman einer starken Frau ein Denkmal gesetzt. Denn Anna Barbara Gignoux, geborene Koppmair (1725-1796) ist eine fortschrittlich denkende Frau, die es mit dem verkrusteten Denken der Zünfte aufnimmt. Dabei denkt die Unternehmerin nicht ausschließlich an Gewinnmaximierung, sondern zeigt auch soziales Gewissen. erst als sie ihren Betrieb beinahe verliert, rückt ihre Anteilnahme an der Belegschaft, die vorrangig aus Frauen und Kindern besteht, in den Hintergrund.

Wir erfahren einiges über die strenge Zunftordnung, die noch aus dem Mittelalter stammt und für damalige Manufakturen geschaffen wurde und längst nicht mehr zeitgemäß ist. Vieles davon ist mir bekannt. Nicht gewusst habe ich, dass gerade in Augsburg die „Gerechtigkeiten“ (also die Betriebsgenehmigungen) streng paritätisch, nach Religionszugehörigkeit vergeben wurden: Je acht für Protestanten und Katholiken. Das gefällt mir an Peter Dempfs Romanen. Wir Leser bekommen Geschichtsunterricht, ohne es zu bemerken. Die historischen Zahlen, Daten und Fakten werden subtil in die Handlung eingebaut.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem penibel recherchierten und opulent erzählten historischen Roman rund um Anna Barbara Gignoux 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 10.02.2023

Ein penibel recherchierter hist. Roman

Das Haus der Perlen – Schimmern der Hoffnung
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In diesem historischen Roman, der Auftakt zu einer Trilogie ist, begeben wir uns auf die Spuren des Münchener Juwelier und Goldschmieds Carl Thomass.

Man schreibt das Jahr 1844 und die 21-jährige Marie ...

In diesem historischen Roman, der Auftakt zu einer Trilogie ist, begeben wir uns auf die Spuren des Münchener Juwelier und Goldschmieds Carl Thomass.

Man schreibt das Jahr 1844 und die 21-jährige Marie Thomass, die von ihrer Mutter ein Paar Ohrringe mit heimischen Flussperlen geerbt hat, kommt mit ihrem Bruder Carl, der eine Lehrstelle beim Goldschmied Neustätter antreten soll, nach München. Mehr als zufällig erhält sie bei Neustätter eine Anstellung als Schmuckverkäuferin, die sie zu den Perlenfischern ins Vogtland bringt. Dort lernt sie den attraktiven Moritz kennen, der letztlich den väterlichen Betrieb verlässt, da er als zweitgeborener Sohn keine Chance hat, das Unternehmen zu übernehmen. Das steht, seit Generationen, dem jeweils Erstgeborenen zu, auch wenn der kein Interesse oder Können dafür hat. So will es die Tradition der Perlenfischer.

Doch bis aus dem Goldschmied Neustätter das „Haus der Perlen“ wird, müssen Marie und Moritz noch einige Turbulenzen des Lebens hinnehmen.

Meine Meinung:

Hinter dem Autorennamen Charlotte Jacobi steht das Autorm-Duo Eva-Maria Bast und Jørn Precht. Die beiden haben sich auf die Spuren des Hofjuweliers und Goldschmieds Carl Thomass geheftet, dessen Geschäft auch heute noch am Münchner Marienplatz floriert. Von der Familie Thomass lebt niemand mehr, aber die jetzigen Eigentümer Werner und Sybille Blessing führen ihr Geschäft mit Leidenschaft weiter. Sie verbinden in ihren Kreationen traditionelle Handwerkskunst mit moderner Sachlichkeit - ganz im Sinne der (fiktiven) Marie Thomass.

Während in Sabine Weiß‘ Roman „Die Perlenfischerin“ die Tradition des Perlenfischens in den Mittelpunkt gestellt wird, bildet die Perlenfischerei hier, neben der Goldschmiedekunst, einen zweiten, gleichwertigen Handlungsstrang. Wir erfahren wie die Flussperlen leben, welche Gefahren ihre Bestände bereits um 1850 ausgesetzt waren und wie sie geerntet wurden.

Der Erzählstrang rund um die Goldschmiede Neustätter gibt einen Einblick in das Zunftwesen, das nach wie vor, strenge Auflagen für die Betriebe vorgibt. Besonders Frauen sind davon betroffen, denn die dürfen keine Geschäfte unter ihrem eigenen Namen und auf eigene Rechnung betreiben, auch wenn sie geschäftstüchtiger und/oder kreativer als die Männer sind. Als Witwe dürfen sie das Geschäft unter dem Namen des verstorbenen Ehemanns fortführen.

Wie schon in den anderen historischen Romanen des Autoren-Duos sind die Zahlen, Daten und Fakten, die der Geschichte zugrunde liegen, sehr gut recherchiert. Wir erhalten auch einen Einblick in die Turbulenzen rund um das Jahr 1848, als mehrere Revolutionen Mitteleuropa erschüttern.

Der Schreibstil ist flüssig und farbenprächtig, sodass sich die Leser die damaligen Ereignisse gut vorstellen können.

Ich freue mich schon auf die beiden Fortsetzungen, die demnächst erscheinen werden.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem penibel recherchierten und opulent erzählten historischen Roman 5 Sterne.

Veröffentlicht am 10.02.2023

1923 - Ein Jahr des Umbruchs

1923
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Das Jahr 1923 ist durch eine Vielzahl von politischen Konflikten, national bzw. bilateral, geprägt. Für viele Menschen ist das Jahr die Endstation ihres bisherigen Lebens.

Es beginnt mit einem Knalleffekt: ...

Das Jahr 1923 ist durch eine Vielzahl von politischen Konflikten, national bzw. bilateral, geprägt. Für viele Menschen ist das Jahr die Endstation ihres bisherigen Lebens.

Es beginnt mit einem Knalleffekt: Französische und belgische Truppen besetzen Anfang Jänner das Ruhrgebiet, da man den Reparationszahlungen an Frankreich nicht nachkommen will und kann. Unterschiedliche politische Gruppen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Anstatt den Ernst der Lage zu begreifen und gemeinsam eine Lösung herbeizuführen, wird versucht, durch Gewalt die eine oder andere Gruppe an die Macht zu bringen.

Während der Großteil der Bevölkerung arbeitslos ist und hungert, frönt eine Minderheit dem Luxus. Es wird geprasst, als gäbe es kein Morgen. Man tanzt die Nächte durch, nimmt Drogen wie die Tänzerin Anita Berger. Das Filmgeschäft boomt, damit Menschen wenigstens für ein paar Stunden ihr Elend vergessen können.

Männer kämpfen mit ihren Fäusten, um zu überleben, Frauen setzen ihre ganzen Körper ein.

Neben Berlin ist auch München ein Zentrum dieses Rückblicks, in dem Autor Peter Süß zahlreiche Ereignisse wie in einem Kalendarium nach Monaten geordnet, aufzählt. Neben Berichten über die knallharte Wirklichkeit erzählt das Buch auch Anekdoten und blickt in die Wohnungen (noch nicht) bekannter Künstler. Wir dürfen der Familie Mann, Franz Kafka, Bert Brecht, Lotte Lenya sowie Oskar Kokoschka begegnen. Die einen vermögend, die anderen von der Hand in den Mund lebend.

Den Titel finde ich interessant, denn normalerweise heißt es ja „Endstation, alles Aussteigen“.

Fazit:

Diesem Rück- und Überblick in/auf das Jahr 1923 gebe ich 4 Sterne.