Erzählweise und Inhalt passen für mich nicht zusammen
Aus dem HausVom Anfang dieses Buches war ich begeistert. Miriam Böttger schreibt flott und mit herrlich trockenem Humor, dazu noch sehr treffend. Enervierend wurden allerdings zunehmend die Bandwurmsätze, derer sie ...
Vom Anfang dieses Buches war ich begeistert. Miriam Böttger schreibt flott und mit herrlich trockenem Humor, dazu noch sehr treffend. Enervierend wurden allerdings zunehmend die Bandwurmsätze, derer sie sich im Übermaß bedient. Ich mag lange Sätze, aber hier wurde es übertrieben, was mir im zweiten Teil des Buches besonders stark auffiel.
Ich erkannte beim Lesen so vieles wieder – die „Zeitangst“ der Mutter, die ich erschreckend gut nachempfinden kann, aber auch die Macht, die Familie über uns ausüben kann, und die oft so weit geht, daß man gänzlich ungesunde Muster als völlig normal betrachtet, weil man damit aufgewachsen ist, oder schlicht resigniert hat, weil man weiß, man kann sich nicht daraus befreien. Auch die Mutter, die durch ihr Verhalten Mann und Tochter geradezu manipuliert, kennen wohl viele Leser so oder ähnlich. (Erst nachher stellt sich heraus, dass dieses Verhalten keineswegs nur das einer Drama Queen war, wie uns der Anfang glauben läßt.) Insofern hatte dieses Buch anfänglich noch viele Aha-Momente, die zudem noch gut geschildert waren. Ich freute mich nach dem ersten Kapitel richtig auf die weitere Lektüre.
Allerdings läßt das Buch dann leider nach. Mich störten unnötige ausführliche Einschübe, so eine Abhandlung über die Kasseler und das Autofahren oder überhaupt mehrere der ziemlich arrogant klingenden Darstellungen der Kasseler oder kontemplativen Einschübe, weil diese zur Geschichte nichts beitrugen. Auch der am Ende noch schnell auf zwei Seiten geschilderte Lebenslauf einer Freundin der Mutter war von einer Informationsfülle, die schlichtweg nicht relevant war. Die „Was möchte uns die Autorin damit eigentlich sagen?“-Momente kamen mir in diesem Buch doch zu häufig.
Und letztlich war das auch das Grundgefühl des ganzen Buches: was möchte die Autorin mit dieser Geschichte eigentlich sagen? Warum hat sie sie geschrieben? Das Buch wirkt insgesamt unentschlossen. Es ist keine humorige Darstellung, wie man nach dem ersten Kapitel glauben könnte. Das Geschehen ist dunkel, denn das Verhalten der Familie geht weit über die kleinen Macken hinaus, die man von den meisten Familien kennt – hier liegt starke Dysfunktionalität vor, gerade bei der Mutter deutet alles auf eine tiefe, unbehandelte Depression hin. Und das wäre als Geschichte interessant gewesen, aber dafür ist es zu lapidar und oberflächlich erzählt und der trockene Humor, die Darstellung der Eltern als lächerlich wirken vor diesem Hintergrund unpassend. Ist es eine Abrechnung? Dagegen spricht das letzte, liebevolle Kapitel.
„Es ist, was es ist“, schreibt die Autorin als Schlusssatz, der entgegen ihrer Ankündigung, schlecht bei Schlusssätzen zu sein, durchaus gelungen ist. Und genau so hat sie ihre Geschichte auch erzählt – sie berichtet die Geschehnisse, die mit Verlauf des Buches zunehmen skurriler werden, einfach so. Es ist ein größtenteils emotionsloser Bericht über tief verstörende Handlungsweisen, die anscheinend einfach von allen als gegeben hingenommen werden. Erst im letzten Kapitel dringt die Traurigkeit der Tochter über das vergeudete Leben der Eltern durch, wendet sich die Erzählweise von ihrem manchmal genervten Unterton ab.
Auch erfahren wir seltsam wenige Hintergründe. Mit dem Umzug der Familie nach Kassel scheinen im Wesen der Eltern ungute Dinge hervorgebrochen zu sein, und jeder der beiden leidet auf eigene Art sehr stark. Aber auch das scheint als gegeben hingenommen zu werden, was in einer – dysfunktionalen –Familie durchaus der Fall sein kann, für Leser aber unbefriedigend und verwirrend ist. Kassel ist furchtbar und das titelgebende Haus die Hölle, darüber sind sich Vater, Mutter, Tochter aus irgendwelchen Gründen einig, nur für die Leser ist es nicht nachvollziehbar.
Und so mäandert man beim Lesen durch allerlei Erlebnisse und wartet irgendwie auf eine Auflösung, eine Erklärung, auf irgendetwas, das erklärt, was die Autorin mit diesem Buch eigentlich sagen möchte. War ich am Anfang noch fasziniert, einen so unverstellten, teils humorvollen Blick in jene Schwierigkeiten zu bekommen, mit denen viele Familie auf ihre Art zu tun haben, fand ich die weiteren Vorgänge so befremdlich und dunkel, daß sie nicht mehr zur Erzählweise paßten. Auch diese Thematik hätte mich sehr interessiert, dann aber mit mehr Tiefe und einigen Erklärungsansätzen. So passen Erzählweise und Geschichte für mich schlichtweg nicht zusammen.