Interessante Themen, viel zu oberflächlich betrachtet
Ein erhabenes KönigreichIch habe sehr lange gebraucht, mich durch dieses Buch zu kämpfen, weil ich immer wieder versuchte, es zu mögen und es mir immer wieder misslang. Hier gibt es gleich mehrere Thematiken, die mich ansprechen: ...
Ich habe sehr lange gebraucht, mich durch dieses Buch zu kämpfen, weil ich immer wieder versuchte, es zu mögen und es mir immer wieder misslang. Hier gibt es gleich mehrere Thematiken, die mich ansprechen: Wie lebt es sich als schwarze Frau in den USA? Wie kommt jemand aus Ghana mit dem amerikanischen Leben zurecht - welche interkulturellen Erlebnisse/Gedanken stellen sich ein? Die Depression der Mutter und der naturwissenschaftliche Ansatz der Tochter - welche Einsichten ergeben sich daraus? Ich war also sehr gespannt auf dieses Buch.
Schon zu Beginn erfreute mich der Schreibstil. Er ist eingängig, der Umgang mit Sprache erfreulich, vom Stil her läßt es sich ausgezeichnet lesen. Es ist der Inhalt, der mir das Lesen zur schweren Aufgabe machte. Die Ich-Erzählerin Gifty berichtet distanziert und bleibt dadurch sehr blass, fast wie eine Nebengestalt ihrer eigenen Geschichte. Sie interessierte mich schlichtweg nicht und das beeinträchtigt bei einer Ich-Erzählerin auch das Interesse am Buch. Sie grübelt ausführlich über vieles nach, wie den Umgang mit ihrer Mutter, ihr eigenes Balancieren zwischen der traditionellen, extrem christlich geprägten Welt, aus der sie kommt, und dem naturwissenschaftlichen Ivy-League-Umfeld, in dem sie sich bewegt. Sie betrachtet die Depression ihrer Mutter fast klinisch, sucht aber auch Zuflucht im Altvertrauten, wie z.B. den ghanaischen Gerichten. Dieses Balancieren zwischen den Welten wäre ausgesprochen interessant, wenn es nicht so dahinschleppend erzählt würde. Yaa Gyasi berichtet mäandernd, detailreich und leider oft belanglos. Das Buch ist ein Sammelsurium aus Anekdoten, die Autorin springt zwischen den Zeiten umher, so daß sich ein Abend mit einem Kollegen nahtlos an eine Geschichte aus ihrer frühen Kindheit reiht. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber originell und könnte das Geschehen durchaus gelungen auflockern. Es ändert aber nichts daran, daß diese Anekdoten größtenteils uninteressant sind. Kleine Alltagsgeschehnisse werden durch viele Worte aufgebauscht; man liest und wartet auf den Moment, der verdeutlicht, warum uns dies erzählt wird, welches Licht es auf das Ganze wirft, und muß zu oft erkennen: es ist nicht viel dahinter. Die ganzen interessanten Themen werden nur oberflächlich angekratzt. Man merkt beim Lesen: hier wäre so viel Aufregendes zu entdecken, aber man erhascht nur einen raschen Blick durch einen Türspalt, bevor einem die Tür vor der Nase geschlossen wird.
Auch viele Wiederholungen und einander ähnliche Anekdoten tragen zur Trägheit des Buches bei. Alles stellt sich in austauschbaren Episoden ohne viel Tiefe dar. Es gibt so viele Abschnitte, bei denen meine Gedanken abschweiften, weil ich mich beim Lesen einfach nur langweilte. Es werden sehr viele Worte gemacht, aber es wird wenig gesagt. Andere Abschnitte machten mich ziemlich wütend: zu Giftys Beruf gehören Tierversuche mit Mäusen. Sie unterzieht diese Tiere unnötigen Operationen, pflanzt ihnen Apparate ins Gehirn, unterzieht sie Versuchsreihen, in denen sie sich verletzen, macht sie süchtig und setzt sie auf Entzug. Diese abscheulichen Dinge berichtet sie, als ob sie normal und akzeptabel wären. Normal sind sie in einer Welt, die sich anderer Lebewesen mit dem brutalen Recht des Stärkeren bedient, ja leider. Diese völlig unkritische Art, über diese abstoßenden Praktiken zu berichten, hat einen großen Teil dazu beigetragen, mir dieses Buch zu verleiden. Gifty, die sonst alles endlos zerdenkt, erlaubt sich zwischendurch einen kurzen Gedanken daran, daß sie hier Lebewesen mit Gefühlen und Schmerzempfinden quält, schiebt diesen Gedanken aber schnell zur Seite – das fällt ihr im Gegensatz zu allen anderen Gedanken dann auch sehr leicht. Sie beschreibt dann sogar noch, wie „sorgfältig“ sie auf die Tiere achtet, die sie quält, und wie „leid“ ihr eine Maus tut, die durch ihre Versuche bereits dauerhaft verletzt ist. Diese Heuchelei war abstoßend.
Über die Themen, die mich interessierten, habe ich erstaunlich wenig erfahren. Die Autorin hätte uns so viele wertvolle, aufschlußreiche Einblicke geben können, aber sie springt von einem Thema zum nächsten, ergeht sich in banalen Nebensächlichkeiten und Details. Wenn ich auf die zähe Lektüre zurückblicke und mich fragte: Was habe ich aus diesem Buch mitgenommen?, so ist die Antwort recht überschaubar.