Zähe Geschichte in teils holpriger Übersetzung
EveNachdem „A Gentleman in Moscow“ eines der hinreißendsten Bücher ist, das ich je las, war ich auf Amor Towles‘ neues Werk schon gespannt. Der Charakter der „Eve“ hat mir im (ansonsten wenig überzeugenden) ...
Nachdem „A Gentleman in Moscow“ eines der hinreißendsten Bücher ist, das ich je las, war ich auf Amor Towles‘ neues Werk schon gespannt. Der Charakter der „Eve“ hat mir im (ansonsten wenig überzeugenden) Vorgänger „Rules of Civility“ gut gefallen, was sich in dem nun ihr gewidmeten Buch aber leider nicht fortsetzte.
Der Anfang des Buches ist herrlich – Towles‘ elegante Sprache erfreut, die Handlung macht neugierig, wir tauchen in die späten 1930er ein, erleben farbig geschildert eine Zugfahrt, das Beverly Hills Hotel und Einblicke in die damalige Welt Hollywoods. Das ist ein leserisches Vergnügen und ich war neugierig, wie es weitergehen würde und was wir über Eve erfahren würden. Nach den ersten Kapiteln fiel das Buch für mich dann aber sehr stark ab und gefiel mir bis zum Ende hin mit jeder Seite weniger.
Das liegt überwiegend daran, daß sich die Handlung sehr zäh dahinschleppt. Nun ist Towles nicht für eine rasante Erzählweise bekannt, sein Metier sind die atmosphärisch dichten Gesellschaftsschilderungen, und im „Gentleman“ wird es nie langweilig, weil das Eintauchen in diese Welt so faszinierend ist. Hier in „Eve“ aber hat sich dieser gesellschaftliche Einblick recht schnell abgenutzt, auch wird er nicht mehr so gekonnt dargeboten wie im „Gentleman“. Ähnlich wie in „Rules of Civility“ wiederholt sich vieles und schleppt sich gar zu sehr dahin. Der Charme reicht nicht, um das Buch zu tragen.
Auch die Sprache überzeugte mich weitaus weniger, als ich es am Anfang noch gedacht hatte. Das kann natürlich auch an der Übersetzung liegen (die anderen Bücher las ich im Original). Anfangs erschien mir die Übersetzung gut, wies aber dann zunehmende Fehler auf. Immer wieder stutzte ich über falsche Wörter und seltsame, am Englischen klebende, Satzstellungen – beides ein Zeichen für einen wenig sprachvertrauten Übersetzer oder eine KI. Ich war überrascht, zu lesen, daß die Übersetzerin bereits Preise gewonnen hat, denn die Übersetzung ist häufig holprig und eben teilweise falsch. Das eklatanteste (aber leider keineswegs einzige) Beispiel ist die Übersetzung des englischen „pest control“ (Schädlingsbekämpfer) mit „Pestkontrolle“. An der Stelle kam ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus, denn eine solche Übersetzung ist so offensichtlich völlig falsch (und textlich unsinnig), daß es mir ein Rätsel ist, wie diese überhaupt entstand und dann offensichtlich von keinem Korrektorat entdeckt wurde.
Der Inhalt überzeugte mich leider auch nur wenig. Die schleppenden Beschreibungen Hollywoods im ersten Teil haben ihre unterhaltsamen Momente, aber leider nicht mehr. Es wird aus der Perspektive mehrerer Charaktere erzählt, von denen die meisten mit ihrer eigenen Hintergrundgeschichte daherkommen. Das ist manchmal interessant, manchmal eher zäh und wirkt insgesamt eher zusammengestückelt als wie eine Geschichte aus einem Guss. Über Eve erfahren wir nur sehr wenig und das bleibt auch bis fast am Ende so. Das ist intendiert, ließ sie aber leider sehr farblos wirken, was für eine namensgebende Protagonistin weniger günstig ist.
Im zweiten Teil geht es dann um eine Art Krimihandlung, mit der ich wenig anfangen konnte. Mehrere Szenen (wie die der Geldübergabe) schwappten leider ins Alberne über – von Towles‘ leichtfüßiger Eleganz war gerade da nichts mehr spürbar. Auch zog sich die Handlung sehr, was u.a. daran liegt, daß wir mehrere Ereignisse mehrfach erfahren – aus verschiedenen Perspektiven, aber trotz vereinzelter neuer Einblicke sehr wiederholend. Ich empfand diese Geschichte außerdem als zunehmend überzogen und zu plump, auch hier fehlte mir Towles‘ sonstige Finesse.
Die Idee eines Blicks in das Hollywood jener Zeit, auf seine sehr unterschiedlichen Charaktere, auf eine Enthüllung der dortigen Falschheit und mit Einblicken ins Filmgeschäft ist eigentlich ausgezeichnet. Die letzte Szene des Buches schildert, wie beim Drehen von „Vom Winde Verweht“ die Tara-Kulisse verändert wurde, um die kriegsbedingten Veränderungen der Plantage zu zeigen. Das waren spannende Einblicke, ebenso wie die Gedanken des ehemaligen Schauspielers – davon hätte es gerne mehr sein können. Das Material für eine elegant-tiefgründige Geschichte wäre vorhanden gewesen und eigentlich hat Towles das Können, es zu nutzen. Aber gelungen ist ihm das meiner Meinung nach leider nur in wenigen Ansätzen.