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Veröffentlicht am 10.01.2020

Weniger wäre mehr gewesen

Schwert und Krone - Zeit des Verrats
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Dem letzten Band der "Schwert und Krone"-Saga habe ich mit Freude 4,5 Sterne gegeben, ihn sehr genossen. Nun war ich besonders gespannt darauf, wie die ersten Jahre von Friedrich "Barbarossas" Herrschaft ...

Dem letzten Band der "Schwert und Krone"-Saga habe ich mit Freude 4,5 Sterne gegeben, ihn sehr genossen. Nun war ich besonders gespannt darauf, wie die ersten Jahre von Friedrich "Barbarossas" Herrschaft geschildert sein würden. Es gibt in der Zeit so viele aufregende Geschehnisse und Entwicklungen. Leider hat mich dieser Band aber doch enttäuscht.

In diesem dritten Band der Saga sind die Jahre von 1152 bis 1157 behandelt - fünf Jahre in über 600 Seiten, das läßt schon auf Detailfreude schließen. Mir war es wesentlich zu viel der Detailfreude. Die Ereignisse um Friedrich selbst sind gewohnt spannend und farbig geschildert, ich war auf den ersten Seiten schon begeistert. Wir sind dabei, wie Friedrich sich in seine neue Rolle hereinfindet, wie er wichtige neue Weggefährten wie Rainald von Dassel kennenlernt und sich seiner ungeliebten Ehefrau entledigt. Wir reisen mit Friedrich nach Italien, erleben kluge Diplomatie und eine Politik des Ausgleichs, andererseits harsches Durchgreifen. Das alles las sich spannend und es ist auch herrlich, bekannte historische Ereignisse in Romanform zu lesen und sie gut umgestzt zu finden.

Leider aber ist für eine Barbarossa-Saga in Band 3 recht wenig Barbarossa drin. Fast hätte man es für eine Wettiner-Saga halten können, denn diese Familie nimmt hier den größten Teil ein. Da gibt es sicher auch interessante Entwicklungen, aber es werden leider auch so viele historisch nicht relevante Familienquerelen berichtet, dass ich mich manchmal eher wie in einer Seifenoper fühlte, nicht wie in einem historischen Roman. Hinzu kommen einige rein fiktive Personen, die für mich nicht durchweg interessant waren und die manchmal die eigentliche Geschichte auch eher unterbrachen. So wird in Italien sehr viel Zeit auf einen Übersetzer verwendet, der weder vorher noch nachher eine Rolle spielt. Es gibt doch ohnehin schon so viele spannende Themen und Geschehnisse, dem Buch mangelt es nicht an Seiten - war es da notwendig, noch so viel Zusätzliches hineinzuquetschen und die Geschichte so zu überfrachten? Ich hatte ohnehin öfter das Gefühl, daß die Autorin die Vielzahl der Charaktere nicht immer gut unter einen Hut bekommt. So haben wir bei den Wettinern den dritte Sohn Dedo, der vielleicht irgendwann einmal eine Rolle spielen wird und deshalb wohl immer mal wieder erwähnt wird. Allerdings tut er nichts, außer übergewichtig zu sein und dafür gehänselt zu werden. Dann haben wir bei den Piasten Jacza und Agatha, die in diesem und dem letzten Band immer nur am Rande vorkamen und zu denen es ebenfalls nicht wirklich eine zu berichtende Geschichte gibt, so daß sie immer mal wieder mit Belanglosigkeiten erwähnt werden, bis sie dann mit Friedrich zu tun bekommen. Durch diese gelegentlichen belanglosen Kapitel, in denen sie in diesem und letzten Band vorkamen, sind sie aber - jedenfalls für mich - nicht hinreichend präsent, um innerhalb dieser sehr vielen Charaktere und Geschehnisse Anteil an ihnen zu nehmen, dafür bleiben sie auch zu blass.
Die hochinteressante Wechselbeziehung zwischen Friedrich und Heinrich, überhaupt den Welfen und Staufen, erfährt dagegen eher stiefmütterliche Behandlung. Friedrichs Erlebnisse in Italien brechen abrupt ab, die sehr aufregende Rückreise wird dann von Friedrich halbherzig in einem kurzen Gespräch geschildert - dabei hätte es so herrliches Material für lebhafte Szenen abgegeben! Dafür führt Friedrich mit seinem Schwager Ludwig, der überhaupt nur einmal auftaucht, ein völlig überflüssiges Gespräch, das nur dazu zu dienen scheint, dessen Beinamen "der Eiserne" so oft wie möglich zu erwähnen. Die Gewichtung stimmte für mich an mehreren Stellen überhaupt nicht.
So wäre in diesem Band weniger mehr gewesen: weniger fiktives Beziehungsgezacker, weniger am Rande vorkommende Nebencharaktere, weniger für die Geschichte nicht wirklich wichtige Handlungsstränge. Mehr Fokussierung auf die spannenden Ereignisse um Friedrich, sowie in Dänemark, die doch nun wirklich genug Stoff hergaben, ohne noch mit so viel Drumherum aufgepolstert zu werden.

Ein weiterer Kritikpunkt, den ich schon zum Vorgängerband hatte und der hier noch stärker wurde, waren die ständigen Wiederholungen und Erklärungen des Offensichtlichen. Zu Beginn erfahren wir, daß Friedrich nun neue, junge Leute um sich schart. Die Zeiten ändern sich, eine neue Generation übernimmt. Das ist nicht schwer zu verstehen, wird uns aber im ersten Teil des Buches alle paar Seiten erneut mitgeteilt. Die Scheidung Eleonore von Aquitaniens und die damit verbundenen Gerüchte werden uns auch gleich mehrfach mitgeteilt, ebenso der Mord am Schwager Albrecht des Bären. Dann zwei fast gleichlautende Sätze über/von Ludwig, der angeblich nur noch in Rüstung herumläuft. Friedrich sagt, als er davon erfährt: "Im Gambeson und Kettenhemd? Das wird meiner Schwester nicht gefallen." 35 Seiten später sagte Ludwig zu Friedrich: "Sie (also Friedrichs Schwester) würde deutliche Einwände erheben, wenn ich mich in Kettenhemd und Gambeson zu ihr legte."
Auf Seite 494 über Heinrichs Frau Clementia: "Bald darauf war sie wieder schwanger geworden. Und noch ein drittes Mal. Zwei Töchter. Kein Sohn mehr." - Eine halbe Seite später: "Zumal Clementia keinen Jungen mehr gebar."
Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele und zumindest mich stören solche ständigen Wiederholungen beim Lesen sehr und ich frage mich auch, wie diese zustandekommen.

Ein kleinerer Kritikpunkt, der leider aber auch mit jedem Band etwas anstrengender wird, ist die etwas pubertierende Denkweise der meisten Charaktere. Immer wieder erfahren wir, daß die Männer auf Gespielinnen zurückgreifen, alle scheinen bei Ehen ausschließlich ans Bett zu denken, wir erfahren auch, daß Friedrich beim Anblick seiner neuen Ehefrau ständig, auch in wichtigsten politischen Augenblicken, von Begehren erfasst wird. Das ist schön für ihn, aber für uns nicht wirklich relevant, jedenfalls nicht in der Häufung.

So hab ich einerseits die Geschehnisse um Friedrich "Barbarossa" mit Vergnügen gelesen, fand den Handlungsstrang um den gestürzten dänischen König ausgesprochen spannend, da ich davon noch gar nichts wusste und erfreute mich auch im dritten Band daran, wie Geschichte lebendig wurde. Andererseits aber gab es einfach zu viele Wiederholungen und zu viele Szenen, die ich nicht interessant fand. Der vierte Band ist ein gutes Stück dünner. Ich hoffe sehr darauf, daß er sich wieder auf die Stärken der Reihe konzentriert und weniger überfrachtet daherkommt.

Lobend zu erwähnen ist auch hier wieder die gute Ausstattung mit Karten und Stammbäumen, sowie die schlicht-elegante Einbandgestaltung, die den gebundenen Ausgaben dieser Serie eigen ist und mir wesentlich besser gefällt, als die leicht angekitschten Taschenbuchtitelbilder.

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Veröffentlicht am 08.01.2020

Interessante Themen, die Erzählweise ließ mich leider kalt

Die Wunderheilerin
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Ich habe mich gefreut, einen in Leipzig spielenden historischen Roman zu entdecken. Leider vermerkt die mir vorliegende Ausgabe nirgendwo, dass es Band 3 einer Trilogie ist, das habe ich nur zufällig beim ...

Ich habe mich gefreut, einen in Leipzig spielenden historischen Roman zu entdecken. Leider vermerkt die mir vorliegende Ausgabe nirgendwo, dass es Band 3 einer Trilogie ist, das habe ich nur zufällig beim Lesen anderer Rezensionen entdeckt. Das erklärt, warum das Buch gleich mit einem Mordversuch beginnt, dessen Hintergründe nachher nie erklärt werden. Ansonsten aber merkt man im positiven Sinne nicht, daß es schon zwei Vorgängerbände gibt. Notwendige Hintergründe werden - leider sehr wiederholt - erklärt, ansonsten ist es eine eigenständige Geschichte.

Wir befinden uns in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts und es werden mehrere interessante Themen jener Zeit behandelt. So heiratet die Hauptperson Priska den Arzt Adam, der so seine Homosexualität verbergen möchte. Priska und Adam befassen sich mit gesundheitlichen Fragen, so die Behandlung der Syphilis und Möglichkeiten der Empfängnisverhütung. Auch die Anfänge der Reformation und ihre Auswirkungen werden geschildert. Dies ist eine gute Themenvielfalt, die auch nicht schon in zahllosen anderen historischen Romanen behandelt wurde.

Leider aber hat mich das Buch trotz dieser Themen nicht packen können. Es liest sich recht leicht, der Stil ist einfach. Historische Hintergründe sind teils gelungen eingebracht und, soweit ich das beurteilen kann, gut recherchiert. Allerdings ließen mich alle Charaktere kalt. Es gibt eigentlich nur fünf Hauptpersonen, aber denen wird kein Leben eingehaucht. Man liest beschreibend über sie, nimmt die Informationen zur Kenntis, aber die Charaktere bleiben fast durchweg Namen auf Papier. Auch tragische Geschehnisse konnten mich so nicht berühren. Die Geschehnisse selbst sind irgendwie blutleer berichtet. Es werden keine Emotionen erweckt. Symptomatisch ist unter anderem auch der Tod eines noch halbwüchsigen Charakters. Er kommt im Buch nur in Nebensätzen vor, hat selbst keine eigene Dialogzeile. Irgendwann, nach über 200 Seiten, findet er einen gewalttätigen Tod. Das kann kaum anrühren, da er kaum Teil der Geschichte war.

Auch sind viele Handlungen und Motivationen nicht nachvollziehbar. Das zeigt sich inbesondere an der Hauptperson Priska. Diese ist schon fast zu gut für diese Welt. Ihre Schwester, Regina, von Anfang an eher schablonenhaft dargestellt, ist Priska übel gesonnen. Das hindert diese aber nicht, die Schwester regelmäßig zu besuchen, ihr Dinge zu bringen und sich dabei beleidigen zu lassen. Sie zeigt darauf kaum eine Reaktion, setzt ihre Besuche fort - ein weiteres Beispiel für die blutleere Erzählweise. Auch nachdem Regina ihr etwas wirklich Schlimmes, Gravierendes antut, beeinflusst das Priskas Verhalten ihr gegenüber nicht nachhaltig. Später bedroht, erpresst Regina Priska - die ergreift weder Gegenmaßnahmen noch Konsequenzen, überlegt sogar noch, wie sie der Schwester eine kleine Freude machen kann und entschuldigt sich am Ende, Regina keine gute Schwester gewesen zu sein. Da konnte ich beim Lesen nur mit dem Kopf schütteln.

So gab es hier sicher gute Ansätze, gelungen ausgewählte Themen, über die zu lesen hier teilweise interessant war. Aber ich kann mich an wenige Bücher erinnern, deren Charaktere und Ereignisse mich emotional so wenig berührt haben.

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Veröffentlicht am 30.12.2019

Ein durchwachsenes Leseerlebnis

Die Erbin der Teufelsbibel
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Das Buch beginnt mit einer ausgezeichnet geschilderten Szene, die dem Leser jene schrecklichen Jahre des 30jährigen Krieges sehr nahe bringt – die absolute Verrohung der Soldaten, die Menschen aus purem ...

Das Buch beginnt mit einer ausgezeichnet geschilderten Szene, die dem Leser jene schrecklichen Jahre des 30jährigen Krieges sehr nahe bringt – die absolute Verrohung der Soldaten, die Menschen aus purem Vergnügen quälen und abschlachten; das Ausgeliefertsein der Zivilisten. Im Laufe dieses dritten Bandes der Teufelsbibel-Trilogie finden sich viele weitere solcher farbig und gut geschriebenen Szenen. Ich habe durch das Buch viel über den 30jährigen Krieg gelernt, man merkt die genaue historische Recherche. Neben den größtenteils fiktiven Charakteren begegnen uns auch historische Personen, die gut in die Geschichte eingeflochten werden. In einem informativen Nachwort berichtet der Autor von seiner Recherche und seinen Quellen – auch hier merkt man, daß viel Arbeit und Sorgfalt in das Buch geflossen sind. Das ist erfreulich. Was angesichts dieser Sorgfalt verwundert, sind die oft viel zu modernen Dialoge. Im Nachwort schreibt der Autor daß er „kein Freund künstlich rustikal gefärbter Dialoge“ ist. Da bin ich ganz bei ihm, solche Dialoge wirken gestelzt und manchmal sogar albern. Das ist aber kein Grund für vorgreifend anachronistische Dialoge, die mir im Buch immer wieder ärgerlich aufgefallen sind. Da wird historisch falsch gesiezt und bei manchen Dialogen fühlte ich mich eher wie im 20. denn im 17. Jahrhundert. So fragt an einer Stelle ein Charakter: „Alles klar?“ und auch sonst gibt es immer wieder solche Beispiele. Das ist für mich ein Schwachpunkt. Zwischen „künstlich rustikal gefärbten“ und viel zu modernen Dialogen gibt es eine Menge Spielraum und viele andere Autoren zeigen, wie man dies gut umsetzen kann.

Ich bin erst mit diesem dritten Band in die Trilogie eingestiegen. Das klappte erstaunlich gut; viele relevante Geschehnisse aus den früheren Bänden werden kurz erklärt, auch die Verwandtschafts- und Beziehungsverhältnisse werden ab und an erläutert. Teilweise geschieht dies leider auch etwas zu häufig, an manchen Stellen wäre weniger mehr gewesen. Dafür sind andere Teile der Handlung nur unzureichend erklärt. So werden Charaktere in einem Dorf gefangengesetzt, nachdem ihnen zunächst Begleitschutz angeboten wurde. Warum sie plötzlich Gefangene sind, erfährt man nie. Die sinistren Absichten einer Feldherrengattin werden angedeutet, aber nie aufgelöst. Viele Stellen waren einfach verwirrend, was nichts damit zu tun hatte, daß es der dritte Band ist.

Es gibt im Buch zahlreiche Schlachten- und Kampfszenen, oft sehr ausführlich. Diese mögen gut geschildert sein, waren mir aber zu häufig und zu lang. Das ist natürlich absolut persönlicher Geschmack – wer solche Szenen mag, wird hier viel Lesefreude haben.

Ärgerlich fand ich es, daß zu oft der Zufall zu Hilfe kommt. Die Charaktere begegnen sich auf dem doch großen Areal zwischen Würzburg und Prag immer wieder zufällig und im richtigen Moment. In einem Fall kommen so viele Zufälle zusammen, daß ich mich als Leser nicht ernst genommen fühlte. Auch die Charaktere sind oft nicht glaubhaft. Ein Charakter erledigt spielend ganz alleine vier oder fünf Wachmänner. Auf eine Person wird im Laufe des Buches mehrere Male aus kurzer Entfernung geschossen. Sie überlebt jedes Mal, kann auch mit einer frischen Schußwunde herumlaufen und viel erledigen, und das im Alter von weit über 70 Jahren. Überhaupt sind die älteren Herrschaften (zwischen 70 und 80 Jahren) bemerkenswert fit, flink und kampftüchtig. Das wär schon heute überraschend, im 17. Jahrhundert ist es in dieser Häufung unglaubwürdig.

Die Charaktere sind vielfältig, was mir gut gefiel. Einige haben mich angerührt und wir bekommen Einblick in die Gedanken und das Seelenleben sehr unterschiedlicher Personen. Ungewöhnliche Freundschaften und Schicksalsgemeinschaften bilden sich in jener alles durcheinanderwerfenden Zeit und werden vom Autor ausgezeichnet geschildert. Ich bin kein großer Fan von Liebesgeschichten, hier aber wird eine solche gelungen geschrieben, ohne Kitsch und Pathos, sehr berührend. Eine andere Liebesgeschichte dagegen findet fast nur durch erotische Handlungen und Gedanken statt, was schnell langweilte. Wie man merkt, hinterläßt das Buch in mir zwiespältige Eindrücke; das setzt sich auch weiter fort: in manchen Szenen ist der Humor herrlich, an anderen Stellen kippt er ins Alberne. Es gibt Szenen, die ich großartig fand, aber auch viele, die zur Geschichte nichts beitrugen und überflüssig oder zu lang waren. Es gibt tolle Sätze, die ich mehrfach las, beeindruckende Handlungsstränge, eine Vielfalt spannender historischer Themen. Aber auch sich ständig wiederholende Motive, eine umständliche Vielzahl von Handlungsorten und Personen, eine unnötige Komplexität und Detailverliebtheit. So war für mich „Die Erbin der Teufelsbibel“ ein eher gemischtes, durchwachsenes Leseerlebnis.

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Veröffentlicht am 22.12.2019

Wieder wird Geschichte lebendig

Schwert und Krone - Der junge Falke
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Diesen zweiten Teil der Schwert-und-Krone-Saga habe ich mit überwiegend großem Vergnügen gelesen. Hier stehen die Jahre 1147 – 1152 im Fokus, wir begleiten die Kreuzfahrer auf einen desaströsen Kreuzzug, ...

Diesen zweiten Teil der Schwert-und-Krone-Saga habe ich mit überwiegend großem Vergnügen gelesen. Hier stehen die Jahre 1147 – 1152 im Fokus, wir begleiten die Kreuzfahrer auf einen desaströsen Kreuzzug, ein paar gewitztere Burschen auf den Wendenkreuzzug und erleben dann, wie Friedrich „Barbarossa“ die höchste Macht erreicht. Viele spannende Ereignisse also und sie werden lebhaft geschildert.

Wieder einmal gelingt es Sabine Ebert, die historischen Charaktere zum Leben zu erwecken. Das ist schon sehr beeindruckend, wie man sie wirklich alle richtig vor sich sieht. Wenn man dazu noch bedenkt, welche Vielfalt an Charakteren hier auf den knapp 600 Seiten behandelt wird, kann man nur den Hut ziehen. Auch die Ereignisse steigen von den Seiten der Geschichtsbücher empor und entfalten sich farbig vor den Leseraugen. In jeder Zeile merkt man die akribische Recherche und geschickt eingestreute Details sorgen dafür, daß man die Szenerie vor sich sieht. Das kann so etwas Banales wie Regenfall sein; eine kleine historische Information, wie die Rückgabe eines erbeuteten Schwertes und die Bedeutung dieser Geste; oder die ausführliche Beschreibung eines byzantinischen Palastes. Weniger relevant fand ich, daß uns ständig mitgeteilt wurde, welche Farbe, welchen Besatz oder welche Stickerei die Kleidung der beteiligten Personen hatte und auch manche anderen Details wiederholten sich manchmal, aber das sind nur Kleinigkeiten.

Weniger erfreulich fand ich die Neigung der Autorin, uns manche Dinge mehrfach zu erklären. Das kam das ganze Buch hindurch vor und wurde manchmal doch entnervend. Ein Beispiel, weil es so schön kompakt ist. Friedrich wird beim Kreuzzug ins französische Lager geführt. „Natürlich vorbei am Lager der Templer, die gerade mit harten Waffenübungen beschäftigt waren. (…) Es war sicher kein Zufall, dass er an ihnen vorbeigeführt wurde. Die Franzosen wollten prahlen mit ihrer Eliteeinheit, Kraft und Stärke demonstrieren.“ Dreimal die gleiche Aussage. Man versteht es nach dem ersten Satz, dem „Natürlich“ schon. Trotzdem wird es uns noch einmal erklärt und im direkt folgenden Satz dann sicherheitshalber noch einmal.

Ähnlich ist es bei den Ereignissen um das weitere Schicksal einer kinderlosen Witwe. Daß eine solche Frau in jener Zeit keine gewinnbringende „gute“ Partie ist, wird uns auf etwa zehn Seiten etwa fünfmal erklärt. – Daß der während des Kreuzzuges als König fungierende Sohn des Königs gerade erst zehn (später elf) ist, wird uns auch unablässige Male mitgeteilt.

Ebenfalls anstrengend fand ich die Tendenz, die Namen all jener aufzuzählen, die im Raum waren, nicht im Raum waren, den Raum verließen oder betraten. Jedem Abschnitt ist schon vorangestellt, welche relevanten Charaktere uns begegnen werden, was völlig ausreicht. Wenn später fünf Zeilen lang Namen aufgezählt werden, trägt das nichts bei. Wenn das in einer Szene gleich wiederholt geschieht und dann zum Abschluß, nachdem wir die Namen der anwesenden Damen mehrfach erfahren haben, dem völlig ausreichenden „Die Damen (…) verließen die Kammer“ noch folgt: „Sophia mit der Gräfin von Hillersleben (…), Mathilde und die beiden jungen Piastinnen“, dann ist das eine unnötige Wiederholung.

Da sich die diversen Wiederholungen so häufen, hat es mein Lesevergnügen schon beeinträchtigt und war auch einer der Gründe dafür, daß ich bei der Bewertung fast zu vier Sternen tendierte.

Erfreulich dagegen ist, daß das ständige Dialog-Infodumping, das ich im Vorgängerband richtig ärgerlich fand, hier kaum noch stattfindet.

Die diversen Ereignisse sind ausgezeichnet verknüpft, durch die Vielzahl der Charaktere und Handlungsorte erleben wir ein vielfältiges Panorama jener Jahre. Manche Charaktere und Abschnitte fand ich nicht notwendig, manche überflüssig, manche Szenen sind sich zu ähnlich, aber überwiegend wird hier viel Spannendes erzählt. Den Großteil des Buches las ich sehr gebannt und mit Vergnügen.

Lobenswert ist auch die Ausstattung des Buches (Beschreibung bezieht sich auf das gebundene Buch). Vorne und hinten ist je eine farbige Karte des Reiches zu finden, die ich nützlich fand; der Auflistung der Personen folgt eine Karte des Kreuzfahrergebietes (die ich leider etwas spät entdeckte). Hinten im Buch vervollständigen ein Glossar und eine Zeittafel gelungen den informativen Teil und besonders gefreut habe ich mich über die Literaturliste. Umfangreiche Stammbäume schließen sich an. Diese hatten für mich nur ein kleines Manko: dadurch, daß Staufer und Welfen zusammengefaßt werden und Friedrich „Barbarossa“ der erste dort angezeigte Staufer ist, findet sich sein Vorgänger Konrad mit dessen Kindern auf keinem einzigen Stammbaum im Buch, obwohl er gerade in diesem Band eine größere Rolle spielt und die Vorgängergenerationen Barbarossas ohnehin hier ihren Platz verdient hätten. Für die Geschichte wesentlich unwichtigere Familien sind da detailreicher aufgeführt. Insgesamt aber sind die historischen Zusatzinformationen des Buches ausgezeichnet und angesichts der Komplexität des Geschehens hilfreich.

So ist es der Autorin also auch hier wieder gelungen, Geschichte auf spannende, unterhaltsame Weise aufleben zu lassen, historisch Gesichertes wunderbar wiederzugeben und historisch nicht Bekanntes (in einem Nachwort gibt sie dazu weitere Informationen) literarisch spannend auszufüllen. Ich bin auf den nächsten Band gespannt.

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Veröffentlicht am 20.12.2019

Spannendes Thema, gut recherchiert, nicht nach meinem Geschmack umgesetzt

Wir sehen uns unter den Linden
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Der Einstieg in dieses Buch war perfekt. Im Frühling 1945 begleiten wir Suse von der Schule nach Hause, wo sie zu ihrem Entsetzen nicht nur ihre Eltern, sondern auch die Gestapo vorfindet und eine Katastrophe ...

Der Einstieg in dieses Buch war perfekt. Im Frühling 1945 begleiten wir Suse von der Schule nach Hause, wo sie zu ihrem Entsetzen nicht nur ihre Eltern, sondern auch die Gestapo vorfindet und eine Katastrophe passiert. Ich habe auf diesen Seiten mit Suse gezittert, war gerührt von ihren Erinnerungen an eine behütete Kindheit, ein liebevolles Elternhaus. Es war also alles da – Spannung, eine Protagonistin, mit der man mitfühlte, geschichtlicher Hintergrund. Nach dem gelungen-dramatischen Einstieg reisen wir ins Jahr 1928 und eine ganz andere Welt – das Berlin der Weimarer Republik, das vielfältige Kunstleben und die Liebesgeschichte von Suses Eltern. Auch hier ist der historische Hintergrund hervorragend geschildert, überhaupt ist die historische Recherche im ganzen Buch bemerkenswert. Eine Zeittafel und ein Glossar am Ende des Buches bieten weitere nützliche Informationen. Es ist immer eine Freude, wenn historische Romane so sorgfältig konzipiert sind.

Charlotte Roth gelingt es auch gut, die historischen Ereignisse mit den persönlichen Schicksalen ihrer Charaktere zu verbinden. Schon im 1928-Kapitel erkennt der aufmerksame Leser abgesehen von dem offensichtlichen Thema des sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergrundes von Suses Eltern (leider verpufft dieses Thema nach seiner ausführlichen Einführung rasch und wird nicht genutzt) noch weitere Themen, die auf tragische Entwicklungen hindeuten. Im Laufe des Buches arbeitet die Autorin mit den Zeitsprüngen, ohne die fast kein historischer Roman mehr auszukommen scheint. Während der Haupterzählstrang die mittlerweile erwachsene Suse zwischen 1952 und 1961 begleitet, gibt es immer wieder Kapitel, die in die Nazizeit zurückblicken und uns so die Hintergrundgeschichte Stück für Stück nahebringt. Das funktioniert gut und ist interessant. Im Hauptstrang gibt es ebenfalls einige Zeitsprünge, zwischendurch werden immer mal zwei, drei Jahre übersprungen. Leider gehen dadurch auch einige Fragen und Themen unter. Eine Person, die uns zu Beginn des Buches sehr ausführlich geschildert und uns somit als einer der Hauptcharaktere nahegebracht wird, versinkt schon bald zur Randnote, deren Tod dann schließlich nur noch in einem Nebensatz erwähnt wird. Das fand ich unerfreulich. Auch andere Entwicklungen erhalten nicht die notwendige Aufmerksamkeit, während es dagegen zahlreiche langatmige Passagen gibt, die wesentlich kürzer gehalten (oder ausgelassen) hätten werden können. So fehlte mir beim Lesen die Ausgewogenheit.

Es war interessant, einen Roman zu lesen, der den Hauptfokus auf die frühen Jahre des Lebens in der DDR richtet. Dazu gibt es nicht viele Bücher und ich habe mich gefreut, hierzu mehr zu erfahren. Gelernt habe ich auch eine ganze Menge – ich kann nur noch einmal die historische Recherche und Einbindung loben, wenn auch vieles zu oft wiederholt wird. Allerdings war der „DDR-Strang“ leider für meinen Geschmack insgesamt nicht gelungen. Das liegt zum einen daran, daß Suse, mit der man am Anfang so noch mitfühlt, sich zu einer unsympathischen Protagonistin entwickelt, an der ich wenig Anteil nehmen konnte und über die ich nicht gerne las. Sie ist von der DDR absolut überzeugt, was ein wenig durch ihre Erfahrungen in der Nazizeit erklärt wird. (Warum ein Familienfreund so überzeugter Genosse wird und zudem noch problemlos bis in die höchsten Partei- und Stasilevel aufsteigt, wird leider nicht hinreichend erklärt, was ich sehr schade fand). Sie ist dabei schon fast fanatisch, sogar ein einfacher Ausflug von Ost- nach West-Berlin kommt für sie nicht in Frage und bei jeder Gelegenheit betet sie DDR-Parolen herunter. Die dunklen Seiten des Regimes blendet sie aus – es fällt ihr zwar auf, wie menschenverachtend die DDR agiert, aber es findet keine innere Entwicklung bei ihr statt (anders als der Klappentext es darstellt). Sie verliebt sich dann ausgerechnet in einen West-Berliner, Kelmi, und das war für mich die zweite Schwäche dieses Strangs. Von Anfang an ist nicht verständlich, was die beiden aneinander finden. Suse behandelt Kelmi wie den letzten Dreck, während er ihr wochenlang hinterherrennt, ohne daß wir Leser verstehen, warum er das tut, was sie für ihn so anziehend macht. Es wird uns als Fakt präsentiert, daß die beiden einander lieben, ohne daß es uns auch nur einmal glaubhaft dargestellt wird. In den neun Jahren der „DDR-Handlung“ streiten sie sich immer und immer wieder über die ewiggleichen Themen – Suse hat ihre festgefahrenen Meinungen über den Westen, Kelmi kann mit dem Osten nichts anfangen. Neun Jahre lang die immer gleichen Auseinandersetzungen, bei denen Suse alle Argumente wegwischt und ihre Parolen runterbetet. Das war beim Lesen langatmig und enervierend, auch wurde immer weniger klar, warum diese beiden eigentlich zusammenbleiben, denn außer zu streiten tun sie nicht wirklich viel.
Insofern war der Hauptteil der Geschichte für mich unglaubwürdig, sich wiederholend (auch das „Wir sehen uns unter den Linden“-Motiv wird als Satz im Buch überbenutzt) und hielt sich zudem bei Nebensächlichkeiten detailverliebt auf. Ich hatte zwischendurch keine große Lust, weiterzulesen.

Die Rückblicke waren vielfältiger und interessanter, manchmal aber so distanziert berichtet, daß man zu den Emotionen der Charaktere kaum Zugang bekommt. Das Ende ist originell und unerwartet, aber auch ziemlich distanziert. So war „Wir sehen uns unter den Linden“ einerseits zwar ein Buch mit ausgesprochen interessanter Thematik und beeindruckender historischer Recherche, das einige wundervoll geschriebene Abschnitte enthielt, die mich fesselten und emotional berührten. Leider aber war der Hauptteil für mich nicht überzeugend, die Gewichtung der Erzählweise nicht nach meinem Geschmack, die Nähe zu den meisten Charakteren, insbesondere der Protagonistin Suse, nicht vorhanden.

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