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Veröffentlicht am 03.02.2019

Einfühlsamer und interessanter Blick auf ein vielseitiges Genie

Goethe - Kunstwerk des Lebens
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Wieder einmal hat Safranski es geschafft, mich mit einer Biographie in Bann zu ziehen. "Goethe - Kunstwerk des Lebens" ist eine umfangreiche Goethebiographie, betrachtet Goethe von vielen Seiten. Der ...

Wieder einmal hat Safranski es geschafft, mich mit einer Biographie in Bann zu ziehen. "Goethe - Kunstwerk des Lebens" ist eine umfangreiche Goethebiographie, betrachtet Goethe von vielen Seiten. Der Schreibstil von Safranski ist wie immer angenehm zu lesen, an vielen Stellen fast so unterhaltsam wie ein Roman. Manche Sätze sind so herrlich formuliert, daß ich sie mehrfach gelesen habe. Er hält eine gute Balance aus eigenem Text und Zitaten, so daß diese die Stimmen von Goethe und seinen Zeitgenossen hervorragend in de Text integrieren und dadurch für ein noch runderes Bild sorgen, ohne daß zu lange Zitate den Text zu sehr unterbrechen (wie ich es in anderen Büchern schon erlebt habe).

Safranski berichtet über die Geschehnisse in Goethes Leben, aber auch, wie sie ihn beeinflußt haben, wie er dachte und empfand. Wir erleben Goethes Verwandlungen im Laufe seines langen Lebens mit, sehen die Lebenskrisen und auch die Selbstzweifel, die sogar einen Goethe nicht verschonen. Die Beziehungen zu Schwester, Mutter, dem Herzog, Anna Amalia, natürlich Schiller und anderen wichtigen Freunden sind gut dargestellt. Die Beziehung zu seinem Sohn kommt leider viel zu kurz, hier hätte es viel mehr zu berichten gegeben.

Ganz ohne Philosophiererei geht es bei Safranski nicht, aber die manchmal recht trockenen und theoretischen Ausflüge hielten sich hier - anders als bei seiner Schiller-Biographie - zum Glück in Grenzen. Die wichtigsten Werke Goethes werden vorgestellt, hier erfolgte wie auch in der Schiller-Biographie immer auch ein informativer Blick auf Lebensumstände und Gedanken Goethes zur Zeit des jeweiligen Werkes, was das Bild gut abrundet. Das Kapitel zu Faust bietet eine hervorragende Einführung auch gerade in die Komplexität von Faust II - für den Leser, der das Werk nicht kennt ist es informativ und nicht überfordernd; für den Leser, der mit Faust II vertraut ist, ist es immer noch eine gute Zusammenfassung mit interessanten Punkten.

Zum Ende hin kann Safranski sehr gut vermitteln, wie der alternde und immer wieder kränkelnde Goethe mit dem Verrinnen seiner Lebenszeit hadert, wie einsam es manchmal gewesen sein muß, nachdem die Weggefährten starben und Goethe merkte, daß seine große Zeit, die Freundschaft und das Arbeiten mit Schiller, für viele nur noch nicht besonders relevante Vergangenheit waren. Auch die Tatkraft dieses Goethe der letzten Lebensjahre kommt hervorragend rüber. Das letzte Kapitel, in dem Goethe sein Lebenswerk ordnet und zusammenstellt, die Plätze seiner Jugend besucht, ist unglaublich berührend.

Ein tiefgehendes, menschliches und anrührendes Werk ist Safranski hier gelungen.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Facettenreiches und berührendes Panorama

Suite française
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Suite Francaise umfaßt die ersten zwei von fünf Teilen, die Irène Némirovsky als auf 1000 Seiten angelegtes Werk über Frankreich im Zweiten Weltkrieg schreiben wollte. Sie wußte während des Schreibens, ...

Suite Francaise umfaßt die ersten zwei von fünf Teilen, die Irène Némirovsky als auf 1000 Seiten angelegtes Werk über Frankreich im Zweiten Weltkrieg schreiben wollte. Sie wußte während des Schreibens, daß sie als konvertierte Jüdin im besetzten Frankreich in großer Lebensgefahr war und so erlitt sie 1942 auch das grausame Schicksal von Deportation und Tod. Ihr Manuskript überstand die Kriegswirren und so blieb ihr wundervolles Panorama für heutige Leser zum Glück erhalten. Diese ersten zwei Teile sind in sich abgeschlossen genug, um nicht wie ein Fragment, sondern wie ein vollendetes Werk zu wirken.

Im ersten Teil wird die Panik beim Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich im Sommer 1940 beschrieben. In kurzen lebhaften Kapiteln wird berichtet, wie verschiedene Einwohner von Paris auf die Gefahr reagieren, wie sie flüchten und was ihnen widerfährt. Die Charaktere sind unterschiedlich und bieten somit einen interessanten Überblick über verschiedene Menschen und Situationen - die wohlhabende elitäre Familie, der alternde hedonistische Schriftsteller, der weltfremde Porzellansammler, der opportunistische Bankdirektor und seine Geliebte, das anständige und oft übervorteilte Paar der Mittelschicht. All diese Menschen werden hervorragend dargestellt und es ist faszinierend, wie sie im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten das gleiche Ziel - die Flucht aus Paris - völlig verschieden angehen. Irène Némirovsky berichtet über diese Menschen in einem wunderschön zu lesenden Stil, mit herrlichen Details, die so viel über die Charaktere aussagen. Sie mischt leisen Humor mit tiefer Melancholie, stellt deutlich dar, wie der Überlebensinstinkt oft die Menschlichkeit vertreibt. Ich habe es genossen, von einem Charakter zum nächsten zu reisen, die Wechsel zwischen den Schicksalen waren gut gestaltet, hielten die Geschichte abwechslungsreich und lebendig.

Ein Charakter schlägt die Brücke zu Teil 2, der währen der deutschen Besetzung in einem kleinen französischen Dorf spielt. Die Charaktere des ersten Teils kommen hier nur noch in vereinzelten Randbemerkungen vor - geplant war, sie im dritten Teil wieder zusammenzuführen. So lernt man also hier ganz neue Charaktere kennen und wieder schafft es Irène Némirovsky, die Atmosphäre wundervoll zu gestalten. Man sieht die einfachen Bauernhöfe genau so deutlich vor sich, wie das elegantere Haus einer der reichsten Familien des Dorfes, spürt die Natur, die Stimmung in den kleinen Läden. Es ist ganz meisterhaft geschrieben (um so beeindruckender, da dies ein erster Entwurf war, den Irène Némirovsky noch überarbeiten wollte). Auch hier sind die Charaktere echt und lebendig. Mit wenigen Worten werden ihre Gedanken, Sorgen, Wünsche bemerkenswert dargestellt. Ausgesprochen interessant ist auch die Entwicklung zwischen Dorfbewohnern und den deutschen Besatzungssoldaten über drei Monate hinweg. Die anfängliche Feindseligkeit gegenüber den "Boches" läßt bei vielen Dorfbewohnern recht schnell nach, als sie sehen, daß diese deutschen Soldaten sich angemessen, durchaus höflich verhalten, daß sie ebenso Individuen mit eigenen Wünschen und Sorgen sind. Häufig wird erwähnt, wie jung diese Männer sind, gerade mal um die Anfang 20, daß sie Heimat, Eltern, Ehefrau, Kinder vermissen. Dieser seltsame Zwiespalt zwischen dem Menschen, der einem gar nicht unsympathisch ist und dem Feind, der Teil der Besatzungstruppen und einer grausamen Macht ist, wird hier feinfühlig und vielfältig aufgezeigt. Es ist fazinierend zu sehen, daß die Deutschen manchmal gar nicht verstehen, warum ihnen keine echte Freundschaft entgegengebracht wird, also ob sie selbst vergessen, in welcher Rolle sie in diesem Dorf, diesem Land sind. Manchen ist es wohl bewußt und so wird von einem Deutschen darauf hingewiesen, daß es nach dem ersten Weltkrieg genau umgekehrt war und die Franzosen da nicht verstehen konnten, daß das besiegte Deutschland Groll gegen die Sieger hegte. So wird gut gezeigt, daß es meistens nicht die Menschen sind, die Feindschaft hegen, sondern es ihnen von ihren jeweiligen Ländern aufdiktiert wird. Berührend hier auch der Abzug der Besatzungssoldaten, die nach Russland abkommandiert werden - man weiß, was ihnen dort widerfahren wird, und sie ahnen es auch schon. Die einzelnen Schicksale zeigen auch gut, wie der Krieg Leute zusammenbringen kann, sie in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen aber dennoch oft an Krieg und Politik scheitern müssen.

Es hat Spaß gemacht, die verschiedenen Schicksale zu verfolgen, mit einigen Leuten mitzufiebern, die Situationen auf beiden Seiten zu sehen, dies in einer wundervollen, leichten Sprache, die gerade dadurch oft sehr eindringlich wirkt. Ein bemerkenswertes Buch, daß mich tief berührt hat.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Sehr trocken geschriebene Übersicht

Die Staufer
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Man erhält in diesem Staufer-Büchlein auf rund 120 Seiten eine gute Übersicht über die Jahre der Staufer-Herrschaft und ihrer Könige und Kaiser. Knapp, wie es dem Format der Reihe entspricht, werden die ...

Man erhält in diesem Staufer-Büchlein auf rund 120 Seiten eine gute Übersicht über die Jahre der Staufer-Herrschaft und ihrer Könige und Kaiser. Knapp, wie es dem Format der Reihe entspricht, werden die wichtigsten Geschehnisse und ihre Hintergründe erläutert. Knut Görich schafft es gut, auch relevante Hintergründe zu erläutern. Die Bedeutung und sorgfältige Planung sowie Choreographie der damals so beliebten symbolträchtigen Unterwerfungsgesten werden gut dargestellt, ebenso wie der ständige Balanceakt, den die Kaiser zwischen ihren eigenen Interessen, denen des Papstes und denen der Reichsfürsten vornehmen mußten. Man erfährt hier schon einiges darüber, wie dieses Kaiserreich angelegt war, wie es funktionierte, was relevant war. Auch weist Knut Görich gut darauf hin, daß unser heutiger Blick und unser Verständnis nicht anzuwenden sind, wenn man die Aktionen und Entscheidungen der Staufer-Herrscher verstehen möchte. Das unterschiedliche Verständnis des italienisch geprägten Friedrich II und der deutsch geprägten anderen Staufer-Herrscher wird ebenfalls gut erklärt und trägt zum Verständnis mancher Konflikte und Entscheidungen bei.

Leider aber ist das Buch enttäuschend trocken geschrieben. Ich lese die meisten geschichtlichen Werke mit Freude und Spannung, denn Geschichte ist spannender als jeder Roman. Wenn sie aber so dargestellt wird wie hier, dann ist die Wirkung leider eine andere. Recht zäh wird hier chronologisch abgearbeitet, was zur Stauferzeit geschah, es liest sich manchmal fast wie eine kommentierte Zeittafel. Die einzelnen Herrscher bleiben völlig blaß, erst bei Friedrich II kommt endlich ein wenig Leben und Persönlichkeit zum Vorschein, während alle anderen, inklusive Barbarossa, blasse und bloße Namen bleiben. Die stur chronologische Vorgehensweise reißt auch manche Themen auseinander, die vielleicht besser in einem Stück behandelt worden wären. So hat es viel von "Im Jahre x machte y das und im Jahre z machte y dies." Es gehen interessante Themenkomplexe in der Aufzählung unter oder werden zerstückelt. Viele Themen - Kunst und Kultur zB - finden kaum Erwähnung, was aber auch dem knappen Format geschuldet sein mag.

So wurde hier den Staufern und ihrer Zeit, die so viel Vielfältiges zu
bieten hat, kaum Leben eingehaucht, ich habe mich ohne viel Vergnügen durch das Buch gearbeitet. Als reine Informationsquelle ist es nicht schlecht, aber Geschichte ist doch so viel mehr und das kam hier nicht einmal ansatzweise zum Vorschein.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Eher Manifest als Entdeckungsreise

Der Wald
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Gut, es mag am irreführenden Klappentext liegen, aber ich hatte mir von diesem Buch etwas anderes erwartet. Eine Entdeckungsreise wird angekündigt und " Peter Wohlleben lässt uns den Zauber der Natur ...

Gut, es mag am irreführenden Klappentext liegen, aber ich hatte mir von diesem Buch etwas anderes erwartet. Eine Entdeckungsreise wird angekündigt und " Peter Wohlleben lässt uns den Zauber der Natur wiederentdecken und vermittelt ein tiefes Verständnis vom Leben und Zusammenleben der Bäume." Nachdem ich "Das geheime Leben der Bäume" vom gleichen Autor mit viel Vergnügen gelesen habe, erhoffte ich mir auch hier ein informatives und unterhaltsames Buch darüber, wie der Wald so "funktioniert", wie alles zusammenspielt - eine Entdeckungsreise eben. Diese Information findet sich in einem Kapitel auch - allerdings ist dieses Kapitel schon in "Das geheime Leben der Bäume" recyclet worden und so gab es da nichts Neues für mich.

Sonst berichtet Wohlleben sehr ausführlich über sich und seinen Werdegang, was wesentlich kürzer möglich gewesen wäre und drängt sich auch sonst im ganzen Buch immer ein wenig zu sehr in den Vordergrund. Dann erklärt er im Buch alles, was seiner Ansicht nach in der Forstwirtschaft und dem Umgang mit den Wäldern falsch gemacht wird. Er hat gute, nachvollziehbare Meinungen (gerade bei der ganzen verlogenen Jagdpraxis), aber ich wollte etwas über den Wald erfahren und kein Manifest lesen. Dieses Buch ist anscheinend auch als "Der Wald - ein Nachruf" erschienen, was wahrheitsgemäßer auf den Inhalt hinweist. So enthält das Buch einfach nicht das, was man erwartet, wenn man es kauft und die etwas arrogante Art, in der Wohlleben seine (wie gesagt: mit meinen durchaus übereinstimmenden) Meinungen vertritt, die Abwertung aller anderen, die leichte Heldenstilisierung, wenn er von seinen diversen Auseinandersetzungen mit Behörden uä berichtet - das las sich alles nicht besonders angenehm. Dabei hat er an sich einen sehr angenehmen Schreibstil und wenn er über die Zusammenhänge der Natur schreibt oder auch unterhaltsam von seinem Experiment mit Wald-Survival-Trainings berichtet, dann ist das lesenswert.

Letztlich ist in diesem Buch nicht enthalten, was angekündigt wird und so war es enttäuschend. Für mich wären es eigentlich nur zwei Sterne gewesen, aber unabhängig vom irreführende Klappentext sind hier tatsächlich gute Meinungen und Hintergründe enthalten. Vielleicht sollte man bei der sehr starken Vermarktung von Wohlleben und seinen Büchern ein wenig darauf achten, daß die Texte sich nicht wiederholen und nicht angekündigt wird, was gar nicht im Buch enthalten wird. So wird es hier gerade zu der Art von Kommerz-Hype, den Wohlleben doch laut seiner Texte gerade nicht schätzt.

Veröffentlicht am 03.02.2019

Ungewöhnlich, aber auch unentschlossen und etwas halbherzig

Die Leuchtturmwärterin
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Die Geschichte ist ungewöhnlich, dies schon alleine daher, daß sie Anfang des letzten Jahrhunderts auf einem abgelegenen Leuchttum spielt - das war vielversprechend, denn das ist eine Welt, von der ich ...

Die Geschichte ist ungewöhnlich, dies schon alleine daher, daß sie Anfang des letzten Jahrhunderts auf einem abgelegenen Leuchttum spielt - das war vielversprechend, denn das ist eine Welt, von der ich gar nichts weiß. Natürlich wird auf dem Klappentext noch ein "Geheimnis" angekündigt - ohne Geheimnis scheint es bei historischen Romanen kaum noch zu gehen.

Es läßt sich alles recht vielversprechend an - die Protagonistin Trudy berichtet als Ich-Erzählerin und das in einem flotten Schreibstil, durch den immer wieder mal intelligenter, gut beobachtender Humor durchblitzt. Man merkt schnell, Trudy ist ein helles Köpfchen, offen für Ungewöhnliches. In der ersten Hälfte des Buches erfahren wir abwechselnd von Trudys neuem Leben auf dem Leuchtturm und in Rückblenden von ihrem Hintergrund als Tochter aus gutem Hause. Das ist abwechslungsreich und der stetige Wechsel ist gut gemacht und liest sich angenehm. Wie diese aufgeweckte aber behütete junge Frau sich mit ihrem neuen Ehemann auf dieser einsamen Leuchttuminsel und mit den dort wohnenden Kollegen zurechtfindet, ist interessant, auch die Lebensumstände sind gut erklärt. Bei Trudys Rückblicken auf ihr früheres Leben merkt man dann aber schon das, was letztlich das Lesevergnügen immer mehr beeinträchtigt: die Geschichte plätschert ein wenig unentschlossen vor sich hin. Man liest ein wenig über Trudys Collegedasein, ein wenig über das Leben mit ihren Eltern, ein wenig über ihre Pläne, aber alles kommt nicht richtig in Gang, nirgendwo wird wirkliches Interesse geweckt. Was sie genau möchte, was sie antreibt, erfahren wir eigentlich nicht. In einer Szene möchte sie ganz dringend lernen, wie man ein Schiff fährt - warum sie das möchte, erfährt oder spürt man nicht. Als sie auf dem Schiff ist, langweilt es sie eigentlich und man fragt sich während der ganzen Szene, welchen Sinn diese nun eigentlich hat (abgesehen von dem, daß man erfährt, daß Trudy eine gute Beobachtungsgabe hat).

Trudy hat einen Verlobten, aber man weiß schon aus den Leuchtturmkapiteln, daß sie diesen letztlich nicht geheiratet hat. Nun sind aber sowohl ihr Verlobter als auch der Mann, den sie letztlich heiratet so blaß gestaltet, daß man weder sieht, warum sie den einen verläßt, noch warum sie sich zu dem anderen hingezogen fühlt. Den Charaktern fehlt das Leben, sie sind halbherzig gestaltet. Auch der Wechsel von einem Mann zum andren geschieht nebenbei - vorher wird zwar angedeutet, was für einen furchtbaren Skandal Trudy damit ausgelöst hat, aber beim Lesen merkt man davon nichts.
Weitere Erlebnisse Trudys auf dem Weg zum Leuchtturm, wo ihr Ehemann arbeiten wird, werden zwar ausführlich erzählt, eine lange Zugfahrt, einig Tage Aufenthalt in San Francisco, aber auch hier geschieht letztlich nicht viel, alles plätschert vor sich hin und trägt auch zur eigentlichen Geschichte sehr wenig bei.

In der zweiten Hälfte des Buches findet die Handlung nur noch auf der Leuchttuminsel statt. Hier sind nun aber die neuen Lebensumstände auch schon hinreichend geschildert und es schleicht sich auch hier dieses Halbherzige, Unentschlossene ein. Trudys Ehemann bleibt blaß, ihre Beziehung zueinander ebenfalls. Trudy macht ein wenig hiervon, ein wenig davon. Sie beginnt, sich für die Meereslebewesen zu interessieren, was eine große Leidenschaft von ihr werden soll, aber auch hier merkt man diese Leidenschaft überhaupt nicht. Sie erleidet eine Fehlgeburt, auch dies eigentlich nebenbei. Dann wird allmählich das so groß angekündigte Geheimnis aufgedeckt und auch hier liest man und denkt "Aha. Und nun? Das ist jetzt das Geheimnis?" Der blasse Ehemann ist plötzlich Feuer und Flamme und zeigt im letzten Viertel des Buches endlich etwas Profil, aber auch hier kann man seine plötzliche Leidenschaft für ein Thema nicht wirklich nachempfinden. Man bekommt mitgeteilt, welche Emotionen die Charaktere haben, aber man fühlt sie nicht. Ganz zum Ende kommt tatsächlich dann mal für einige Seiten ein wenig Spannung auf, aber so richtig fühlt man auch da nicht mit. Wenn man das Buch schließt, denkt man nur, daß hier eine Geschichte mit Potential so halbherzig erzählt wurde, daß die Möglichkeit verschenkt ist. Das ist besonders schade, da der Schreibstil zeigt, daß hier eigentlich mehr möglich gewesen wäre.