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Veröffentlicht am 23.01.2019

Bewegende Geschichte, meisterhafter Umgang mit Sprache

Der Weg zurück
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In jedem Buch Remarques bin ich voller Begeisterung und Bewunderung über seinen Umgang mit Sprache. Es ist ein so eigener Stil, voller Können und doch so eingängig. "Der Weg zurück" hat mich in dieser ...

In jedem Buch Remarques bin ich voller Begeisterung und Bewunderung über seinen Umgang mit Sprache. Es ist ein so eigener Stil, voller Können und doch so eingängig. "Der Weg zurück" hat mich in dieser Hinsicht ebenfalls wieder sehr erfreut.

Es ist das Folgebuch zum tief berührenden "Im Westen nichts Neues" und wir treffen einige Charaktere wieder. In den letzten Tagen des Ersten Weltkrieges begegnen wir ihnen und begleiten sie durch die erste Nachkriegszeit. Wie auch schon im Vorgängerbuch kann Remarque die Grausamkeit des Krieges, die Sinnlosigkeit und erschreckende Beiläufigkeit des Sterbens ganz hervorragend vermitteln. Er tut dies ohne jegliches Pathos, eher sogar lakonisch und gerade dadurch wirkt es noch viel stärker. Auch als der Friedensschluß greifbar nahe ist, wird noch reichlich Leben verheizt, es graust einen beim Lesen. Die Erschöpfung und Resignation dieser jungen Männer - die hier größtenteils direkt von der Schulbank ins große Morden beordert wurden - ist greifbar. Sie wirken viel älter.

Diese letzten Tage des Krieges, die ersten Tage nach dem Friedensschluß, die beschwerliche Rückreise in die Heimat berichtet Remarque mit vielen interessanten Details. Immer wieder blitzt sein trockener Humor durch. Es gibt so meisterhaft amüsante Passagen, die dann ein paar Absätze später von eindringlicher Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit abgelöst werden.

Die Revolutionswirren in Deutschland mit ihren teils absurden Auswüchsen werden gut dargestellt, ebenso wie am Ende des Buches die Verherrlichung von Krieg und Gewalt, als in einem friedlichen Wald eine Gruppe Jungs militärisch gedrillt wird. Sehr gut hat Remarque zu diesen Zeitpunkt, 1930/31, erkannt, daß auch der grausame Krieg zu keinem Umdenken geführt hat. Da wird Pazifist als Schimpfwort benutzt; wer sich gegen die Gewalt ausspricht, ist ein Bolschewist, ein Vaterlandsverräter. Zum Glück gibt es auch Leute, die so denken: "Ich will meinen Jungens da beibringen, was wirklich ihr Vaterland ist. Ihre Heimat nämlich und nicht eine politische Partei. Ihre Heimat aber sind Bäume, Äcker, Erde und keine großmäuligen Schlagworte." Leider lehrt uns die Geschichte, daß nur allzubald die Großmäuler mit ihren Parolen die Welt wieder in Schutt und Asche legen werden (und manche Großmäuler auch bis heute nicht dazugelernt haben). Eine dunkle Vorahnung dessen ist in diesem Buch schon spürbar.

Remarque verfolgt den Weg verschiedener Kriegsrückkehrer, einst größtenteils Schulkameraden. Ich muß gestehen, daß ich die vielen Namen nicht immer ganz zuordnen konnte, aber das tat dem Lesen keinen Abbruch. Durch die Vielfalt der Personen bekommen wir einen guten Überblick über die verschiedenen Arten, in der die Heimkehrer versuchten, mit ihrem Leben fertigzuwerden. Das gelingt manchen, die zu erfolgreichen Schiebern werden oder günstig heiraten. Andere müssen feststellen, daß Ehe und Familie sie nicht mehr auffangen können. Wieder andere merken, daß sie keinen Anschluß mehr im zivilen Leben finden - Arbeitslosigkeit, schlechtbezahlte Stellen treffen mehrere in der Gruppe.

Sehr deutlich, an manchen (wenigen) Stellen für meinen Geschmack etwas zu plakativ, scheint aber das grundlegende Problem durch: diese Jungen wurden aus ihrer Jugend, ihrem Schülerdasein herausgerissen und zu Tötungsmaschinen geformt. Außer dem Töten haben sie nichts gelernt. Jahrelang bewegten sie sich im Krieg abseits der Normen, lösten Probleme ohne das Gesetz, wurden für erfolgreiches Töten belohnt. Nun sollen sie sich einfinden in ein bürgerliches Leben, sich dessen Regeln unterwerfen, ohne auf sie vorbereitet worden zu sein. Sie kommen aus dem Krieg und man wirft sie ins Leben und ist überrascht, daß diese Umgewöhnung nicht mal eben so geht. Hilfestellung bekommen sie keine. Und so ist es nicht überraschend, daß viele von ihnen daran zerbrechen, auf vielfältige Weise. Das Buch endet, entgegen der ersten Version der Manuskriptes, mit einer leicht hoffnungsvollen Note zumindest für den Ich-Erzähler, aber das ganze geschehene Leid bleibt. Fast am Ende findet sich diese eindrückliche Passage: "Hier stehen die verlorenen Jahre, die nicht erfüllt worden sind, wie ein gespenstischer Nebel über den Gräbern, hier schreit das ungelebte Leben, das keine Ruhe findet, in dröhnendem Schweigen zum Himmel, hier strömt die Kraft und der Wille einer Jugend, die starb, bevor sie zu leben beginnen konnte, wie eine ungeheure Klage durch die Nacht."

Remarque ist, wie Walter Kempowski, ein ganz großer Chronist der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Dieses Buch läßt mich beeindruckt und bewegt zurück.

Veröffentlicht am 23.01.2019

Tragische Schicksale sehr gut erzählt

Ungeliebte Königin
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Über nahezu vier Jahrhunderte lang begleiten wir hier, wie es im Untertitel heißt, "Ehetragödien an Europas Fürstenhöfen". Unglückliche Ehen gab es unter den Monarchen Europas zuhauf, wurden die Ehen ...

Über nahezu vier Jahrhunderte lang begleiten wir hier, wie es im Untertitel heißt, "Ehetragödien an Europas Fürstenhöfen". Unglückliche Ehen gab es unter den Monarchen Europas zuhauf, wurden die Ehen doch fast immer aus dynastischen und politischen Erwägungen geschlossen, die Ehepartner von anderen ausgesucht.

Helga Thoma greift sieben dieser Monarchen heraus und betrachtet deren Ehen genauer. Sie tut dies in einem sehr gut zu lesenden Schreibstil, schafft es, durchaus unterhaltsam zu erzählen, ohne aber je den Ernst und die Tragik der von ihr beschriebenen Ehen aus den Augen zu verlieren. Quer durch Europa und sogar bis nach Brasilien geht es. Natürlich darf Henry VIII nicht fehlen, in jedem Buch über gescheiterte royale Ehen hätte er den (Un)Ehrenplatz verdient. Aber auch weniger bekannte Verbindungen sind hier Thema.

Sehr schön betrachtet die Autorin beide Seiten und man sieht, welche Bürde eine solche aufoktroyierte Ehe auch oft für den Ehemann war, selbst wenn er wesentlich mehr Freiheiten hatte, als seine Ehefrau. Historische und familiäre Hintergrundfakten geben zudem nützliche Informationen über die Motivationen und besonderen Schwierigkeiten der Beteiligten. Die unterschiedliche Art, in der gerade die meist noch sehr jungen Frauen auf ihre Situation reagierten, ist interessant, ebenso wie die diversen Entwicklungen der Ehen. So konnte sich auch aus einer erzwungenen Ehe zwischen zwei Fremden in manchen Fällen durchaus zu Anfang eine Liebesbeziehung entwickeln, in anderen Fällen war die Abneigung von Anfang an vorhanden und dann gab es Ehen, in denen der eine Ehepartner den anderen tief und unerwidert liebte. Die charakterlichen Facetten der Beteiligten werden gut dargestellt und erklären viele tragische Entwicklungen.

So haben wir hier ein sehr abwechslungsreiches Buch, in dem geschichtliche und persönliche Faktoren gleichermaßen zur Geltung kommen und informativ beschrieben werden. Ich habe einiges zur Geschichte mir bis dahin geschichtlich nicht so vertrauter Länder gelernt und auch bei mir bereits "bekannten" Paaren noch Neues erfahren. Das Buch gleitet nie in skandalreiche Klatschereien ab, sondern bleibt stets sachlich, nutzt Zeitzeugenaussagen, insbesondere Briefe der behandelten Ehepartner, sehr anschaulich und ist somit durchweg erfreulich zu lesen.

Veröffentlicht am 23.01.2019

Prächtig illustrierter und gut geschriebener Detail-Überblick

Deutsche Geschichte
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Die Bücher von Dorling Kindersley sind bekannt für ihre herausragend bildhafte und farbige Ausstattung. Jedes Buch, das ich bisher von DK las, war schon ein visuelles Vergnügen. So ist dies genau der ...

Die Bücher von Dorling Kindersley sind bekannt für ihre herausragend bildhafte und farbige Ausstattung. Jedes Buch, das ich bisher von DK las, war schon ein visuelles Vergnügen. So ist dies genau der richtige Verlag für eine Bild-Enzyklopädie der deutschen Geschichte. Das Buch ist recht groß und schwer, so soll sich ein richtiges Buch anfühlen. Jede Doppelseite widmet sich chronologisch einem Thema der deutschen Geschichte; unterteilt ist das Buch in sieben Hauptabschnitte, die meines Erachtens eine gute Gliederung der historischen Epochen darstellen. Jedem dieser sieben Abschnitte ist eine Zusammenfassung dieser Epoche vorangestellt, gefolgt von einer chronologischen Zeitleiste. Auch diese ist sehr schön gestaltet und bereits mit zahlreichem Bildmaterial versehen.

Selbstverständlich strahlt auch jede Doppelseite dem Leser schon farbenfroh entgegen. Zahlreiche Abbildungen auf jeder Seite sorgen für Anschaulichkeit, passende Zitate im Großdruck oder biographische Übersichten reichern den Haupttext weiter an. Jede dieser Doppelseiten verfügt über eine "Vorher" und eine "Nachher"-Box, die das Thema historisch einordnet, einen Ausblick und Rückblick bietet und auch Zusatzinformationen liefert. Manche Doppelseiten sind fast ausschließlich großformatigen Abbildungen mit kürzeren Erklärungen gewidmet, wie zB eine Limes-Rekonstruktion, der Westfälische Frieden oder der Kniefall Willy Brandts in Warschau. Andere Doppelseiten enthalten Biographien bedeutsamer Deutscher, wieder andere bieten einen Fotoüberblick über prägende Gegenstände der Epoche. So hat man ein gut zusammengestelltes Kaleidoskop aus verschiedenen Informationen. In den doppelseitigen Artikeln geht es vorwiegend, aber nicht nur, um die historischen Entwicklungen, Herrscher, Kriege. Auch Lebensbedingungen, gesellschaftliche Entwicklungen, Kultur oder andere Alltagsthemen haben hier ihren Platz, wie es im Vorwort auch versprochen wird ("Geschichte ist aber viel mehr als das, weil sie letztlich von menschlichen Existenzen berichtet, von Höhen und Tiefen, Großem und Kleinem.").

Natürlich kann ein Buch, das auf 400 Seiten die gesamte deutsche Geschichte behandeln möchte, kein Detailwissen liefern. An manchen (wenigen) Stellen fehlen leider Erklärungen und/oder Hintergründe zu Erwähntem - eigentlich möchte ich nach der Lektüre nicht im Internet nachschauen müssen, worum es genau ging. (Und warum in den Artikeln über die Nachkriegskultur neben zahlreichen Schriftstellernamen einer der wirklich großen literarischen Chronisten unserer neueren Geschichte, Walter Kempowski, überhaupt nicht erwähnt ist, würde mich sehr interessieren).
Für einen Überblick aber ist das Buch hervorragend gelungen, letztlich ist es durchaus mehr als ein Überblick, bietet erstaunlich viele Hintergrundinformationen, Details und erklärt vor allem Zusammenhänge oft prägnant einleuchtend. Ich habe hier sogar zu einigen Themen, mit denen ich mich schon eingehender beschäftigt habe, noch neue Informationen erhalten; zu mir nicht so vertrauten Themen eine erstklassige Einführung.

Deshalb kann ich dieses sowohl informative wie auch wunderbar gestaltete Buch jedem empfehlen - dem Geschichtsneuling, der sich informieren möchte, wie auch dem tiefer Geschichtsinteressierten, der hier immer noch Neues finden wird, oder eben auch Vertrautes, gut dargestellt.

Veröffentlicht am 23.01.2019

Wundervoll, einzigartig, geistreich - perfekt

Ein Gentleman in Moskau
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Das Lesen dieses Buches war für mich ein kleines Experiment. Ich war besorgt, dass es eines dieser "style over substance" Bücher sein würde, die nur aus prätentiöser Sprache bestehen. Dieses Buch aber ...

Das Lesen dieses Buches war für mich ein kleines Experiment. Ich war besorgt, dass es eines dieser "style over substance" Bücher sein würde, die nur aus prätentiöser Sprache bestehen. Dieses Buch aber ist wirklich in wundervollem Stil geschrieben, ohne dabei je prätentiös zu sein. Es zu lesen ist wie ein luxuriöser Genuß; schafft es der Autor doch, die Welt des Grafen, des Hotels und des Sowjetrusslands so zu gestalten, dass man sich darin verlieren kann.

Der Großteil des Buches findet über 32 Jahre in einem Hotel statt. Um jedoch aus dem Buch zu zitieren: "Es war ohne Frage der kleinste Raum, den er in seinem Leben eingenommen hatte, aber irgendwie war die Welt innerhalb dieser vier Wände gekommen und gegangen." Und wir sehen wirklich die ganze Welt im Hotel. Während der Hauptcharakter, der Graf, es im Laufe dieser 32 Jahre nur zweimal hinterlässt, hat er unzählige Begegnungen und Beziehungen zu den Menschen, die im Hotel arbeiten oder wohnen. Einige geben nur einen kurzen Einblick in das Leben anderer Menschen, wie das junge Paar auf einem Rendezvous, andere begleiten den Grafen - und uns - durch die ganze Geschichte. Es gibt hart arbeitende Hotelangestellte, internationale Journalisten, eine Filmschauspielerin, Genossen (einige wahre Gläubige, einige opportunistische) und Touristen, und Amor Towles webt ein wunderbares Netz, das sie alle zu einer erfreulichen Geschichte verbindet.

Der Graf ist eine absolut charmante Hauptfigur. Er zeigt, dass der Adel von Herzen kommt, nicht vom Titel, und das Wort Gentleman war so noch nie so passend. Er ist von Anfang an liebenswert und hatte mich schon bald ganz auf seiner Seite. Die Anmut, mit der er seine Umstände akzeptiert, der von Natur aus kultivierte und warmherzige Charakter, den er in der gesamten Geschichte zeigt, seine Fähigkeit, stets auf dem Laufenden zu bleiben und schnell zu handeln - aber niemals ohne Stil - ist bezaubernd.

Der Schreibstil schafft es, die ernsten und traurigen Aspekte des Lebens im Sowjetrußland mit einem feinen, witzigen Humor in Einklang zu bringen - eine schwierige Balance und so gut gestaltet. Ich wurde vom Kichern zur Traurigkeit geleitet, von Müßiggang zur Spannung. Fußnoten geben gelegentlich einen historischen Hintergrund oder informieren uns über das Schicksal einer Figur, wodurch sie die äußeren Ereignisse gut mit einbringen, ohne die weltabgeschiedene Umgebung des feinen Hotels zu stören.

Dieses Buch ist so eine feine Komposition aus erfahrenem und erfreulichem Schreibstil, lebendigen Charakteren, Geschichte und Stil. Sobald ich es beendet hatte, wollte ich alle meine Freunde anrufen und ihnen sagen, dass sie es sofort lesen müssen. In einer Zeit, in der schlecht geschriebene, billige Fanfiction zu einem Bestseller werden kann, ist es gut, Bücher wie "Ein Gentleman in Moskau" zu haben, die den Glauben an das gute Gefühl wiederherstellen, dass es immer noch gute Bücher gibt.

Veröffentlicht am 22.01.2019

Dunkler, intensiver Blick auf unsere schlimmste Zeit

Zeit zu leben und Zeit zu sterben
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Remarque entwickelt sich immer mehr zu meinem Lieblingsschriftsteller. Auf unnachahmliche Weise berichtet er in seinen Romanen über das Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sein Stil ...

Remarque entwickelt sich immer mehr zu meinem Lieblingsschriftsteller. Auf unnachahmliche Weise berichtet er in seinen Romanen über das Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sein Stil ist schnörkellos, ohne Pathos und dadurch besonders eindringlich. "Zeit zu leben und Zeit zu sterben" befasst sich mit der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte. 1944 ist der Krieg so gut wie verloren, was die fanatische menschenverachtende Diktatur nicht davon abhält, weiterhin Millionen zu opfern.

Von allen Büchern Remarques, die ich bisher gelesen habe, inklusive des bereits sehr beklemmenden "Im Westen nichts Neues" ist dies hier das Dunkelste. Remarques zielsicherer trockener Humor, der in den anderen Büchern manchmal eine Atempause vom Geschehen gibt, oder die Inflation in "Der schwarze Obelisk" teilweise fast sarkastisch-heiter darstellt, fehlt hier ganz. Es gibt keine Atempausen vom Schrecken, keinen Ausweg und genau das paßt zu der Zeit, zum Erzählten. Wir begleiten den 23jährigen Ernst Graeber, bereits in jungen Jahren ein Kriegsveteran, der den Feldzug auf Frankreich mitmachte, in Afrika verwundet wurde und nun in der Hölle auf Erden festsitzt: an der Ostfront, die sich gerade im Rückzug befindet. Sehr gut gelingt es Remarque bei den Szenen des Frontlebens zu zeigen, wie vielfältig die Soldaten der Wehrmacht waren. Da ist der überzeugte Nazi, gerade 20, stolz darauf, wie viele Menschen er bei der SS schon brutal ermordet hat, mit gieriger Freude am Töten und einem genau durchdachten arischen Fortpflanzungsprogramm mit der so perfekt arisch-blütigen Verlobten. Es gibt den Kommunisten, der von einem Strafbatallion kam und im Gegensatz zu den anderen kein Blatt vor den Mund nimmt. Zum Ende des Buches eine treffende Bemerkung von Graeber, daß der Kommunismus genau so menschenverachtend ist. "Alles, was ich im Leben einmal möchte, ist denken, was ich will, sagen, was ich will, und tun, was ich will. Aber seit wir Messiasse von rechts und links haben, ist das ein weit größeres Verbrechen als jeder Mord.".
Der Großteil der Soldaten sind aber ganz normale Männer, die einfach nach Hause zu ihren Familien wollen, die hoffe, irgendwie zu überleben, und die immer mehr merken, daß sie für nichts verheizt werden.

Der dreiwöchige Heimaturlaub, den Graeber dann erhält, bringt ihm auch nicht die erhoffte Atempause und hier merkt man den Unterschied zu "Im Westen nichts Neues". In beiden Fällen können die Soldaten ihren Gedanken zwar nicht entkommen, aber Graeber bemerkt zudem schnell, daß er sich in seiner Heimatstadt immer noch im Feindesland befindet - die Diktatur verfolgt ihre eigenen Bürger, alle haben Angst, denunziert wird rasch. Dazu kommen ständige Bombenangriffe, alle paar Tage wird die Stadt angegriffen, Sicherheit gibt es nirgendwo. "Drohend und hoffnungslos stand die Dunkelheit um ihn herum, und es schien kein Entkommen zu geben." Man spürt diese Ausweglosigkeit auf jeder Seite, in jedem Satz, ganz hervorragend kann Remarque diese Atmosphäre darstellen. Graeber erkennt auch allmählich die Schuld, die fast jeder auf sich geladen hat, die Monumentalität des Bösen, der Grausamkeit, die hier stattfindet. So gerne möchte er anders sein, aber er ist letztlich auch Gefangener des Systems. Der Gedanke an Desertion kommt öfter auf, bei seiner Rückkehr nach dem Urlaub wird er von anderen Soldaten sogar ganz offen gefragt, warum er überhaupt zurückgekommen ist. Graeber weiß aber, daß Desertion nicht erfolgreich wäre, in einem Land eifriger Denunzianten würde er gefunden werden und selbst, wenn er es in die Schweiz schaffen würde, würde die ihn gleich zurückschicken oder ausliefern. Selbstverstümmelung wird ebenfalls schnell entdeckt...auch hier gibt es keinen Ausweg, er muß wieder an die Front, muß für eine Diktatur kämpfen, deren Grausamkeiten ihn erschrecken und anwidern.

Die Thematik und diese allumfassende Dunkelheit machen das Buch an manchen Stellen schwer zu lesen, weil man ein fast zu gutes Gefühl für die Ausweglosigkeit und die allenthalben vorhandene Grausamkeit bekommt und auch weiß - das ist nicht ausgedacht, das ist tatsächlich so passiert. Das Buch ist ein eindringlicher, schonungsloser Blick in diese Zeit und unbedingt lesenswert.