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Veröffentlicht am 11.04.2018

Ein großartiges Buch zum Thema Integration. Unbedingte Lesepflicht.

Integration
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Es ist das beste Buch zum Thema Integration, das es in der letzten Zeit zu lesen gab. Abdel-Samad (AS) beschäftigt sich mit dem Thema allumfassend, sagt dabei viele goldrichtigen Dinge: kurz, prägnant, ...

Es ist das beste Buch zum Thema Integration, das es in der letzten Zeit zu lesen gab. Abdel-Samad (AS) beschäftigt sich mit dem Thema allumfassend, sagt dabei viele goldrichtigen Dinge: kurz, prägnant, just auf den Punkt, für jeden klar und verständlich.

Klappentext beschreibt den Inhalt recht treffend. AS analysiert die gegenwärtige Situation, nennt dabei die Dinge beim Namen, ohne in die Falle der „politischen Korrektheit“ zu tappen, und präsentiert zum Schluss zwei mögliche Entwicklungsszenarien: Utopie und Dystopie.

Man sieht, dass dieses Thema dem Autor sehr am Herzen liegt. Er hat selbst Migrationshintergrund. Über seinen eigenen Weg in Deutschland schreibt er hier auch paar Seiten. Seine Geschichte ist beeindruckend, zudem großartig erzählt. Er wollte vom ganzen Herzen Deutscher werden, sich integrieren, dennoch gestaltete sich dieses Vorhaben schwierig. AS erzählt auch über andere Migranten. Die Schicksale dieser Menschen, die diesen Weg gegangen waren und trotz aller Widrigkeiten, die es nicht wenige und von beachtlichem Schwierigkeitsgrad gab, sich integriert haben und eine Bereicherung für die dt Gesellschaft geworden sind, sind sehr spannend. „Wir haben uns Mühe gegeben, uns zu integrieren. Das war unsere individuelle Leistung, keine strukturelle. Mit anderen Worten: Wir haben uns nicht wegen einer guten Integrationspolitik integriert, sondern trotz einer schlechten oder kaum vorhandenen.“ S. 87.

AS hat etliche Gespräche geführt, auch mit den neu Angekommenen, und teilt seine Erkenntnisse mit den Lesern. Manchmal stehen einem dabei die Haare zu Berge, wenn man hört, dass die Flüchtlingsheime oft Brutstätten des radikalen Islamismus sind: Dort treffen sich sowohl die aus den Kriegsregionen geflohenen Zivilisten, als auch diejenigen, die auf Seiten des IS gekämpft haben und nun in Deutschland ihre „Arbeit“ fortsetzen, indem sie die Mitbewohner im Heim einschüchtern und die ersten Keime, die zaghaften Versuche der Integration zu verhindern suchen.
Aber nicht nur dort sieht AS die Gründe für die heutige unerfreuliche Situation. „Die Integration scheitert an Versäumnissen in den Bereichen Bildung, Erziehung und Wertevermittlung. Sie scheitert an Identitätshygiene, an Ab- und Ausgrenzung. Die rückwärtsgewandten Utopien im Kopf vieler Migranten, aber auch die nationalistischen Vorstellungen des rechten Randes in Deutschland gefährden das Zusammenleben und die innere Sicherheit. Die Integration scheitert an der Politisierung und Institutionalisierung des Islam in Deutschland, an der Naivität der Politiker und an der Passivität der friedlichen Muslime. Sie scheitert an konkurrierenden Wertesystemen und Zukunftsvisionen, an Opferhaltung und Anspruchsmentalität. Sie scheitert an Radikalisierung und Ge- walt, an gegenseitiger Angst und Misstrauen. Sie scheitert an der starken Emotionalisierung der Debatte um Islam und Migration und am Fehlen einer offenen Streitkultur. Sie scheitert am Begriff Integration selbst, der für die einen ein Reizwort ist und für die anderen ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir sehr viel ändern müssen. Deutschland schafft sich mit Sicherheit nicht gleich ab, aber dem Land droht eine große Spaltung, die später vielleicht nicht mehr rückgängig zu machen ist. Der Staat und seine Organe, die Zivilgesellschaft, die bislang weitgehend schweigende Masse aus Deutschen und liberalen Muslimen müssen endlich handeln!“ S. 65-66.
Man kann noch viel über dieses Buch schreiben, besser man liest es selbst.

Es ist unterhaltsam und spannend geschrieben. Bis zur letzten Seite mochte ich das Buch nicht aus der Hand legen. AS hat nicht nur das Insiderwissen, er weiß es prima zu vermitteln. Seine Analysen sind scharfsinnig und auf den Punkt.

Fazit: Wer mehr zum heute so akuten Thema Integration erfahren möchte, ist hier an einer sehr guten Adresse. 5 hell leuchtende Sterne und unbedingte Lesepflicht.

Veröffentlicht am 10.04.2018

Krieg der Köche.

Cherringham - Folge 28
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Die neue, die Gourmet-Folge, mittlerweile Nr. 28, des Cherringhamer cosy Krimis fand ich ganz nett. Für Fans ein Muss.

Klappentext beschreibt den Inhalt ganz gut: „Das "Spotted Pig" bekommt Konkurrenz! ...


Die neue, die Gourmet-Folge, mittlerweile Nr. 28, des Cherringhamer cosy Krimis fand ich ganz nett. Für Fans ein Muss.

Klappentext beschreibt den Inhalt ganz gut: „Das "Spotted Pig" bekommt Konkurrenz! Bislang unangefochten das beste Restaurant in Cherringham verspricht das neu eröffnete "Bayleaf" nun ebenfalls ganz besondere Gaumenfreuden - und das mit einer sternegekrönten amerikanischen Küchenchefin. Doch dann wird das Bayleaf Ziel immer dreisterer Anschläge und aus der belebenden Konkurrenz wird eine verhängnisvolle Feindschaft. Jack und Sarah wollen herausfinden, was und vor allem wer hinter den Angriffen auf das neue Spitzenrestaurant steckt. Und entdecken, dass Küchenchefin Anna ein dunkles Geheimnis mit nach Cherringham gebracht hat, das nicht nur sie in Gefahr bringt ...“

Die amerikanische Küchenchefin legt am Anfang einen imposanten Auftritt im „Spotted Pig“. Und so gerät sie in Focus von Sarahs Mutter, die gerade dort zusammen mit der reichsten Lady der Stadt die Speisen für das kommende Gala-Dinner verkostet. Sie hat gute Gründe dazu, denn sie sieht ihr Restaurant bedroht und macht den Chef von „Spotted Pig“ dafür verantwortlich. Aber ob das so ist, wie es zunächst scheint, das gilt für Sarah und Jack herauszufinden.

Insg. ein ganz netter cosy Krimi, Jack und Sarah sind sympathisch nach wie vor. Sie sind ein gutes Team und klären wieder mal einen Fall, der sonst evtl. ohne Folgen für den Verursacher geblieben wäre.

Für Jack eröffnen sich evtl. neue Perspektiven. Mehr sage ich nicht, um nicht zu spoilern, aber das wird man erst in den nächsten Folgen sehen, das konnte doch eine spannende Wendung werden.

Die Folge kann man auch ohne all die vorherigen hören, denn die wichtigen Dinge der Vergangenheit werden nochmals erzählt, was so langsam doch recht viel Platz einnimmt, da bleibt für den Fall an sich nicht mehr viel übrig.

Sabina Godec hat wieder sehr schön gelesen. Ob Männer oder Frauen, alles gelingt ihr prima. Diese Reihe verbinde ich nun fest mit ihrer Stimme.

Fazit: Eine nette Folge. Vll ein wenig naiv, etwas einfach gestrickt, aber das kennt man schon bei dieser Reihe. Nebenbei beim heimischen Werkeln kann man ganz gut hören.

Veröffentlicht am 09.04.2018

Aufschlussreich, spannend und unterhaltsam. Sehr lesenswert.

Die Angst der Eliten
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Die Angst der Eliten habe ich sehr gern gelesen und empfehle das Buch gern auch weiter, v.a. an die Leser, denen es nicht egal ist, wie der Stand der Dinge in Sachen Demokratie in Deutschland und Europa ...

Die Angst der Eliten habe ich sehr gern gelesen und empfehle das Buch gern auch weiter, v.a. an die Leser, denen es nicht egal ist, wie der Stand der Dinge in Sachen Demokratie in Deutschland und Europa ist, und wie es weitergehen soll. Auch diejenigen, die sich gefragt haben, warum es die Schere zw. dem Grundgesetz und der gelebten Realität gibt, finden hier gute Erklärungen.

Klappentext passt sehr gut: „Ist unsere Demokratie noch zu retten?
Das System steckt in der Krise. Liegt der Ausweg in mehr direkter Demokratie? Oder ist das Volk zu "dumm", um in wesentlichen Fragen selbst zu entscheiden? Lässt es sich zu leicht manipulieren und geht rechten Populisten auf den Leim? Wenn Außenseiter bei Wahlen erfolgreich sind, heißt es oft, die Bürger hätten "falsch" abgestimmt. Aber wer entscheidet, was "richtig" ist? In Deutschland gibt es freie Wahlen für alle erst seit gut hundert Jahren. Doch reichen Abstimmungen über die Zusammensetzung eines Parlamentes aus, um ein demokratisches System zu schaffen und eine Oligarchie, also eine Herrschaft der Reichen, zu verhindern? Oder gibt es vielleicht noch weitere, ganz andere wichtige Voraussetzungen für eine Demokratie, die bislang nicht erfüllt sind - weder in Deutschland noch anderswo?“

Auch die Meinung von Prof. Rainer Mausefeld ist sehr treffend: „Paul Schreyer gibt eine kundige und engagierte Einführung in Facetten der gegenwärtigen Zerstörung demokratischer Substanz und stellt in gute lesbarer Form reiches Material zum eigenständigen Nachdenken bereit.“

Rund 170 Seiten des Textes sind in 14 Kapiteln gegliedert. Nach einem kurzen Vorwort geht es gleich gut los mit „Reichtum regiert“, indem Schreyer wohl begründet darlegt, dass genau das der Fall ist, und dass politisches Desinteresse der Armen durchaus seine handfesten Ursachen hat. Kap.2 „Die Wahrheit über den Populismus“ ist auch spannend. Der Autor geht dem Phänomen auf den Grund. Er stellt vier Gründe vor, was daran am häufigsten als störend allg. genannt wird, und bringt eigene Meinung dazu. Zudem überlegt er u.a., warum so eine Partei wie AfD momentan Erfolg hat. Im Kap. 8 gibt er seinen Recherchen preis, wer da an der Spitze steht und wessen Interessen die Herrschaften zu verfolgen suchen. Mit „‘Hate Speech‘ und Meinungsfreiheit“ in Kap. 3 bringt Schreyer auch hier paar gute Dinge zur Sprache, v.a. all das, was man dazu in sog. Leitmedien vergeblich sucht. Im Kap. 4 „Traum von der Gemeinschaft“ spricht er über die Entstehung der EU, anfangend bei den Ursprüngen in der Nachkriegszeit. So dargelegt, sind diese Ausführungen ein Augenöffner, was EU eigentlich ist, kraft welcher Interessen und von welchem Geld diese Idee vorangetrieben wurde. Da wird einem anders bei. Sehr aufschlussreich ist auch das Kap. 7 „Die Angst vor dem Volksentscheid“, in dem Schreyer u.a. darlegt, warum man in Deutschland Volksentschiede nicht so gern durchführt. Im Kap. 13 „Vorsicht, Querfront!“ sagt er u.a. paar klare Worte über die Leitmedien, ihre Funktion und ihr bereitwilliges Einschwenken auf den Kurs der Eliten. „Der Mythos von der ‚neuen Zeit‘“, Kap. 14, ist auch gut. Da schaut Schreyer genauer, wer die neugewählten Jungdynamiker wie Sebastian Kurz, Emmanuelle Macron, etc. sind, v.a. wessen Interessen sie tatsächlich vertreten. Dabei ist Kap. 9 „Milliardäre machen Politik“ eine gute Grundlage dazu.

Wer jetzt denkt, es wären langwierige Abhandlungen, der irrt sich aber gewaltig. Es sind knappe, aussagekräftige Ausführungen, von feiner Ironie durchdrungen, in einer starken, griffigen Sprache. Schon allein deshalb stellte dieses Buch für mich Lesevergnügen dar: dicht erzählt, stets auf den Punkt, nichts Überflüssiges, nur das, was eigene Argumentation begründet und die Ausführungen vorantreibt. So etwas legen heute nur wenige Hochprofies an den Tag. Schreyers Analysen, die oft historische Bezüge haben und einen prima Überblick verschaffen, sind echt stark.

Fazit: Aufschlussreich, spannend und unterhaltsam bis zur letzten Seite. Definitiv kein 08/15 Zeitungszeug. Genau das Gegenteil davon. Paul Schreyer liefert mit seinen Darstellungen und just auf den Punkt gespitzten Fragen den reichhaltigen Boden für eigene Überlegungen zum heutigen Zustand der Demokratie uvm. Man sagt, ein gutes Buch ist gut auf jeder Seite. Hier trifft es voll und ganz zu.

5 Sterne und unbedingte Lesepflicht.

Lesen Sie auch:
„Fassadendemokratie und Tiefer Staat“, Ulrich Mies und Jens Wernicke (Hrsg.)
„Lügen die Medien?“, Jens Wernicke.
„Wir sind die Guten“, Mathias Bröckers, Paul Schreyer.
Werke von Noam Chomsky.





Veröffentlicht am 08.04.2018

Spannende Sicht der Dinge, die man gern näher kennenlernen sollte.

Pfeif drauf!
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„Pfeif drauf!“ ist ein kleines Büchlein, hat es aber in sich. Diese Sicht der Dinge, gemäß dem längst vergessenen Stoizismus, hat was. Diese sollte man kennenlernen.

Klappentext auf der Buchrückseite ...

„Pfeif drauf!“ ist ein kleines Büchlein, hat es aber in sich. Diese Sicht der Dinge, gemäß dem längst vergessenen Stoizismus, hat was. Diese sollte man kennenlernen.

Klappentext auf der Buchrückseite beschreibt den Kern der Ausführungen sehr treffend: „Ständig jagen wir dem Optimum hinterher, um erfolgreicher, besser und schöner zu werden. Doch die Hatz hat ihren Preis: Stress, Haltlosigkeit, Burn-out. Der dänische Psychologe und Philosoph Svend Brinkmann bläst zum Gegenangriff: Mit Witz und Verstand zeigt er, wie wir das zurückgewinnen können, was auf der Strecke geblieben ist: Standhaftigkeit, Zufriedenheit und Glück.

• Hören Sie auf, in sich selbst hineinzublicken
• Fokussieren Sie sich auf das Negative in Ihrem Leben
• Setzen Sie den Nein-Hut auf
• Unterdrücken Sie Ihre Gefühle
• Feuern Sie Ihren Coach
• Lesen Sie einen Roman – kein Selbsthilfebuch und auch keine Biographie
• Besinnen Sie sich auf die Vergangenheit.“

Es ist eine philosophische Auseinandersetzung eines Psychologen mit dem Thema Selbstoptimierungswahn, gewiss nicht ohne gute Prise von Leichtigkeit und Humor.

Spätestens nach 60 Seiten war der Knoten geplatzt und ich musste einfach dem Sog dieses Buches nachgeben.

Gute fragen stellt der Autor, über die man gern nachdenken sollte. Manchen Schmu nennt er beim Namen: „Die Vorstellung, dass dem Menschen heute „alle Möglichkeiten offenstehen“ (eine Idee, die hauptsächlich jungen Menschen vermittelt wird), ist natürlich eine Illusion. S. 17.

Und sagt: „Bei ihr [der Denkweise und Philosophie des Stoizismus, Anm. d. A.] stehen Selbstbeherrschung, innerer Frieden, Würde, Pflichtgefühl und Besinnung auf die Endlichkeit des Lebens im Mittelpunkt. Diese Tugenden können eine viel tiefere Lebensfreude hervorrufen, als eine oberflächliche Konzentration auf konstante Veränderung und Entwicklung ermöglicht.“ S. 21.

Der Autor stellt die Punkte dieser Lebensphilosophie vor, s.o., und schlägt am Ende eines jeden Kapitels vor, wie das im Leben umzusetzen wäre. Z.B.: Die Zornausbrüche kann man, so Brinkmann, prima mit Humor in den Griff bekommen. Die ständige Ja-Sagerei, die einem absolut nicht guttut, kann man mit „Ich muss darüber nachdenken“ erstmal aus dem Weg schaffen.

Manch steile These hört sich vllt im ersten Ansatz als solche an, aber wenn man darüber nachdenkt, da könnte man meinen, dass er doch recht hat, z.B. „Gern wird behauptet, dass Selbstverwirklichung zu erwachsenen, in sich selbst ruhenden Individuen führe, doch tatsächlich werden infantile, abhängige Erwachsene geschaffen, die glauben, die Wahrheit liege in ihnen selbst.“ S. 116. Man muss dazu am besten die Seite in Gänze lesen.

Manch seiner Ausführungen hört sich recht lustig an, aber da ist auch Sinn dahinter: Feiern Sie Ihren Coach und ersetzen Sie ihn durch einen Freund. Da gibt es noch paar sehr gute Gedanken, was Freundschaft ist. S. 109.

Interessant ist auch der nächste Punkt, warum man Romane lesen soll. Er nennt auch seine Lieblinge und erklärt, was ihn da so fasziniert.

Je weiter ich las, desto besser gefiel mir das Ganze. Man muss vllt nicht zu allem Ja und Amen sagen, zumal ist seine Argumentation stellenweise nicht so ganz einwandfrei: etwas tendenziös, einer seltsamen Logik folgend und vllt doch insg. eher weltfremd, aber allemal eine Haltung, die man dem Selbstoptimierungswahn entgegensetzen kann.

Fazit: Spannende Sicht der Dinge, die man gern näher kennenlernen sollte.

Veröffentlicht am 08.04.2018

Ein großartiges Buch. Bitte mehr davon!

Vom Einfachen das Beste
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„Vom Einfachen das Beste“ von Franz Keller habe ich sehr gern gelesen und empfehle es auch gern weiter. Für manche wird es ein Augenöffner. Auch für diejenigen, die nicht so ganz in Sachen gutes Essen ...

„Vom Einfachen das Beste“ von Franz Keller habe ich sehr gern gelesen und empfehle es auch gern weiter. Für manche wird es ein Augenöffner. Auch für diejenigen, die nicht so ganz in Sachen gutes Essen und Herstellung von Lebensmitteln unbeleckt sind, hält der Autor einige wissenswerte Dinge parat.

Das Buch las sich sehr angenehm, war sowohl voller sehr guter Fragen bezüglich des heutigen Essens, als auch Einsichten, spannenden Geschichten aus dem Leben, wohl gewürzt mit Ironie und klaren Worten, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte. Es wirkt auch nach. Paar Tage sind vergangen, als die letzte Seite umgeblättert wurde, ich muss gedanklich oft zurückgreifen, indem ich oft denke: Wie recht er doch hat!

Franz Keller zeigt deutlich, dass die Industrialisierung der Lebensmittelherstellung ein großes Problem ist, das viele unliebsame Konsequenzen wie Umweltprobleme, Artensterben, Krankheiten, uvm. nach sich zieht: „Die Massentierhalter und Großproduzenten machen die Gewinne, aber die Folgen für Umwelt und Gesundheit bezahlen die Bevölkerung und der Steuerzahler. Würde man nach dem Verursacher-Prinzip alle Kosten ehrlich aufrechnen, könnte auch die vollautomatische Mastfabrik niemals ein Kilo Schweinefleisch zu einem Erzeugerpreis von derzeit gerade mal 1,60 Euro produzieren.“ S. 33.

Franz Keller ist durchaus Fürs Fleischessen. Wie Frage ist, um welchen Fleisch geht es? Von welcher Qualität, wie hergestellt, und in welchen Mengen? Er räumt mit so manchem neumodischen Schmu auf, er erzählt z.B. ganz klar, wie Dry Aged Beef industriell produziert wird. Er weiß, was es ist und wie es gemacht wird: Er hält Rinder bei sich auf dem Hof, produziert das Fleisch für sein Restaurant selbst. Er ist zudem auf dem Bauernhof aufgewachsen und vom Klein auf mit Rinderzucht und Tierhaltung insg. vertraut. Franz Keller schildert, was heute im Bereich Lebensmittelproduktion schiefläuft: Zum übermäßigen Zuckerkonsum, Eier- und Milchproduktion sagt er auch paar klare Worte, nennt die Dinge beim Namen, stellt sehr gute, kritische Fragen und sagt, dass auch die Politik einige gute Dinge gern in Lauf hätte setzen können.

Beim Lesen musste ich oft denken: Von solchen Büchern gibt es wahrlich nicht viele. Mehr davon wäre toll.

Sehr spannend sind auch seine Geschichten aus dem Leben um sein Sternekochdasein, insb. die als Franz Keller beim Grundig (Der mit Fernsehern &Co. mal ein Vermögen gemacht, seine Firma dann aber verkauft hat), als Sternekoch in seinem neu ausgestalteten Hotel gearbeitet hatte. Da wird schnell klar: Mehr Schein als Sein - das kann nicht lange gut gehen, wenn’s nach Franz Keller geht.

Seine Bodenständigkeit, seine Ehrlichkeit, seine klaren Worte haben mich beeindruckt. Dabei war es nicht sein Anliegen, Eindruck zu schinden, vielmehr mit seinen Lesern über die akuten Themen rund ums gutes Essen zu sprechen. „Im Grunde ist die Sache doch ganz einfach. Der Mensch ist, was er ist. Doch wenn ich über die Qualität und Inhaltsstoffe unsere sogenannten Lebensmittel nachdenke, dann mache ich mir ernsthafte Sorgen. Wir produzieren Unmengen fast inhaltsleere Nahrungsmittel und davon landen allein in Deutschland achtzehn Millionen Tonnen pro Jahr gleich wieder im Müll… Als Zyniker könnte ich sagen, „gut, so, da gehört ein Großteil des Industriefoods auch hin“. Doch ich bin kein Zyniker. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich den Niedergang unserer Ess- und Kochkultur in den letzten Jahren so beobachte.“ S. 17.

An einer anderen Stelle nennt er Industriefoods nicht Lebens- sondern Sterbemittel. Das gibt zu denken. Ich habe angefangen, die Regale in den Supermärkten von diesem Standpunkt aus zu betrachten. Der nächste Schritt ist klar: lieber zum Bauernmarkt und dort mein Gemüse& Co. holen.

Einige ganz einfache Rezepte gibt der Sternekoch seinen Lesern auch mit auf den Weg: Lauchgratin, Endiviensalat mit Kartoffel, Speck und Ei, Pot-au-feu, Champignonragout, Bratkartoffeln mit Garnelen, usw. Er hat die Rezepte auch ganz toll beschrieben, sodass jeder, auch Anfänger sie nachkochen kann. „Selber kochen und gemeinsam essen stärkt unsere zwischenmenschlichen Beziehungen und es stellt auch unsere Verbindung zu Natur und Umwelt wieder her. Klimawandel, Artensterben, Umweltschutz, Energiewende – für all diese drängenden Probleme werden wir andere und bessere Lösungen finden, wenn wir häufiger kochen.“ S. 193.

Fazit: Ein großartiges Buch. Eine bemerkenswerte Mischung aus persönlicher Geschichte und akuten Fragen rund um die Herstellung von Lebensmitteln. Sehr lesenswert. 5 wohl verdiente Sterne.