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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.06.2017

Nicht besonders raffiniert, dennoch unterhaltsam

Die Täuschung
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Nichts ist, wie es scheint: Peter Simon, ein erfolgreicher Geschäftsmann und Familienvater aus Frankfurt am Main, verschwindet während einer Reise in die Provence spurlos. Eigentlich wollte er dort wie ...

Nichts ist, wie es scheint: Peter Simon, ein erfolgreicher Geschäftsmann und Familienvater aus Frankfurt am Main, verschwindet während einer Reise in die Provence spurlos. Eigentlich wollte er dort wie jedes Jahr seinen besten Freund besuchen und mit ihm zu einem Segelturn aufbrechen. Laura, seine Frau, reist ihrem verschollenen Mann kurzerhand nach und versucht ihn zu finden. Vor Ort stößt sie jedoch auf viele Widersprüche und findet vor allem heraus, dass ihr Mann anscheinend nicht der war, für den sie ihn gehalten hat. Und plötzlich schwebt Laura in tödlicher Gefahr. „Die Täuschung“ ist vielleicht nicht der beste Roman von Charlotte Link und hat ein paar Schwächen, dennoch ist es ein kurzweiliger, unterhaltsamer und auch spannender Roman, den ich durchaus empfehlen kann. Links Schreibsteil ist einerseits sehr leicht und angenehm, hat andererseits aber auch etwas sehr elegantes. Ihre Figuren sind facettenreich und wie sie deren verschiedenen Geschichten miteinander verwebt ist durchaus gelungen. Ein wenig schade ist, dass man schon recht bald weiß, wer was zu verbergen hat und Link enthüllt auch selbst ziemlich früh im Buch wer Täter und Opfer ist. Trotzdem ist der Roman keine Sekunde langweilig, weil der Roman psychologisch so ausgefeilt ist, dass man von den Geschehnissen im Buch regelrecht mitgerissen wird und dennoch wissen will, warum die Figuren so handeln. Auch die Idee hinter der Geschichte hat mir gefallen. Fazit: Ein Roman, der nicht besonders raffiniert und für einen Thriller zu schwach ist, der aber trotzdem gut unterhält. Ein perfektes Buch für den Urlaub oder für Zwischendurch.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Erwachsene Jungs und kleine Männer

About a Boy
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Ein zwölfjähriger Junge, der nie richtig Kind sein durfte und ein 36 Jahre alter Mann, der nie richtig erwachsen geworden ist. Als sich Marcus – ein ernster Junge, dessen Eltern sich getrennt haben und ...

Ein zwölfjähriger Junge, der nie richtig Kind sein durfte und ein 36 Jahre alter Mann, der nie richtig erwachsen geworden ist. Als sich Marcus – ein ernster Junge, dessen Eltern sich getrennt haben und der in der Schule gemobbt wird – und Will – versessen auf Partys und Frauenbekanntschaften – zufällig begegnen, setzt diese Bekanntschaft einen interessanten Prozess in Gang. „About a boy“ zählt ja zu den bekanntesten Romanen von Hornby und hat mir wieder sehr gut gefallen. Denn Hornby ist einfach ein Meister im Erzählen von Alltagsdingen. Das liegt vor allem an seinem Erzählstil: unbeschwert und pointiert, aber doch auch nachdenklich und gefühlvoll. Auch ernste Themen bekommen so eine gewisse Leichtigkeit. Der lockere Ton wirkt dabei aber nie aufgesetzt oder erzwungen. Ein gelungener Roman über das Erwachsenwerden, das Leben und wie Generationen voneinander lernen können

Veröffentlicht am 05.06.2017

Hoffnung, Leid und Freundschaft

Stadt der Diebe
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Leningrad im Winter 1942: die Stadt wird von den deutschen Truppen belagert, es herrschen Kälte, Hunger und Not. Mittendrin in der umzingelten, ausgebombten Stadt befinden sich der 17 Jahre alte Lew und ...

Leningrad im Winter 1942: die Stadt wird von den deutschen Truppen belagert, es herrschen Kälte, Hunger und Not. Mittendrin in der umzingelten, ausgebombten Stadt befinden sich der 17 Jahre alte Lew und der 20 Jahre alte Kolja. Die zwei unterschiedlichen jungen Männer treffen im Gefängnis aufeinander, beide stehen kurz vor ihrer Hinrichtung, denn Kolja ist ein Deserteur und Lew wurde beim Plündern erwischt. Doch dann bekommen beide eine Chance auf Begnadigung, wenn sie eine schier unlösbare Aufgabe bewältigen: Im belagerten, ausgehungerten Leningrad sollen sie ein Dutzend Eier für die Hochzeitsfeier der Tochter des befehlshabenden Oberst auftreiben. „Die Stadt der Diebe“ ist ein sehr außergewöhnlicher Roman, der mir aus mehrerlei Gründen sehr gut gefallen hat. Da ist zum einen der Schreibstil: Benioffs Ton ist leicht und voller Humor, obwohl er eine tragische, brutale und sehr aufwühlende Geschichte erzählt. Wie er dieses Gräuel mit Humor und leise, ernste Momente mit unbeschwerten vermischt, ist einfach großartig. Die Charaktere sind extrem gut gezeichnet und selbst die Nebenfiguren hat Benioff so ausgearbeitet, dass sie einem sehr nah sind. Gelungen sind auch Stimmung und Szenario: man bekommt richtig Gänsehaut, wenn Kolja und Lew durch das zerbombte, klirrend kalte Leningrad streifen und kann das ganze Leid gar nicht richtig fassen. Nebenbei erfährt man einiges über den russischen Kriegswinter 1942 – aus Sicht der Russen. Klar, wer natürlich einen detailliert ausgearbeiteten historischen Roman über die Belagerung Leningrads lesen will, ist mit diesem Buch vielleicht falsch beraten. „Die Stadt der Diebe“ ist nur eine kleine Momentaufnahme aus jener Zeit und sagt aber dennoch so viel. Ein toller, empfehlenswerter Roman: Benioff erzählt über Freundschaft und Liebe und über unfassbare Grausamkeiten, ohne dabei anklagend zu werden. Und am Ende ist so viel Hoffnung.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Ein Stück Zeitgeschichte

In Zeiten des abnehmenden Lichts
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Aufmerksam auf das Buch bin ja tatsächlich durch den Titel geworden, den ich einfach toll finde. Und er gibt wirklich gut die Stimmung des Buches wider. Aber auch der Roman hat es mir letztendlich angetan ...

Aufmerksam auf das Buch bin ja tatsächlich durch den Titel geworden, den ich einfach toll finde. Und er gibt wirklich gut die Stimmung des Buches wider. Aber auch der Roman hat es mir letztendlich angetan und mich sehr begeistert. Es ist ein Familienroman und auch ein Stück Zeitgeschichte. Über fast vier Generationen hinweg schildert Ruge den schleichenden Untergang der DDR-Diktatur und das Schicksal einer Familie in der DDR. Von den Großeltern, die noch für den Kommunismus brannten und nach der Machtergreifung Hitlers ins Exil nach Mexiko gehen mussten über den Sohn, der ins russische Arbeitslager geriet und nach Jahren mit einer russischen Frau heimkehrt bis hin zum Enkel, der noch vor dem Mauerfall in den Westen flieht – zurück lässt er einen Sohn im Teenager-Alter, der bereits zu einer ganz anderen Generation gehört. Erzählt wird der Roman nicht chronologisch, sondern vielmehr in Montagetechnik. Zentrum der Geschichte ist der 90. Geburtstag des Großvaters im Jahr 1989. Faszinierend fand ich es, wie Ruge es schafft diese komplexe Geschichte, die ja immerhin um die 50 Jahre umfasst und in drei Ländern spielt, auf eigentlich recht wenigen Seiten zu erzählen. Man vermisst inhaltlich nichts und kann der Geschichte trotz der vielen Zeitsprünge sehr gut folgen. Den Schreibstil fand ich anfangs ein wenig eigenwillig, viele Stellen lesen sich wie eine Art innerer Monolog. Aber genau das macht den Roman aus. Die Stimmung des Romans ist sehr melancholisch, fast schon morbide und ein wenig negativ – ganz leicht meint man aber hier und da auch ein wenig Ironie zu spüren. Das passt natürlich wieder gut zum Inhalt. Ein ganz toller, interessanter Roman über ein Stück neuere Geschichte, der nichts verherrlicht, nichts beschönigt, aber auch keine Schuldigen sucht.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Zu wenig Handlung für zu viele Seiten

Die fernen Stunden
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Ich sage es gleich mal vorneweg: „Die fernen Stunden“ konnten mich leider nicht in gleichem Maß begeistern wie Kate Mortons erste beiden Romane „Das geheime Spiel“ und „Der verborgene Garten“. Dabei ist ...

Ich sage es gleich mal vorneweg: „Die fernen Stunden“ konnten mich leider nicht in gleichem Maß begeistern wie Kate Mortons erste beiden Romane „Das geheime Spiel“ und „Der verborgene Garten“. Dabei ist der Roman nach gewohntem Morton-Rezept gestrickt. Wir haben zwei Handlungsstränge – einen in der Gegenwart und einen in der Vergangenheit – und es gilt wieder ein dunkles Familiengeheimnis aufzudecken. Diesmal handelt die Geschichte von Edith Burchill, die als Lektorin in einem kleinen Londoner Buchverlag arbeitet. Zu ihrer Mutter hat sie zwar Kontakt, das Verhältnis ist aber eher frostig. Da erhält ihre Mutter eines Tages einen Brief, der längst als verschollen galt. Der Inhalt dieses Briefes bringt die sonst so kühle und beherrschte Frau zum weinen. Da beschließt Edith, sich auf die Suche nach dem Absender zu machen und kommt nach Milderhurst Castle, wo sie auf drei exzentrische Schwestern trifft, die seit Jahrzehnten in dem Schloss leben und die ein dunkles Geheimnis verbindet. Mortons Schreibstil ist gewohnt angenehm, sie schreibt sehr szenisch, mit viel Liebe zum Detail. So kann man als Leser wirklich gut in die Szenerie eintauchen und erforscht mit Edith das etwas düstere, verfallene Schloss. Auch die Charaktere und deren Gefühle und Entwicklungen hat Morton eigentlich ganz gut beschrieben. Was den Roman aber wirklich nur mittelmäßig macht ist die Geschichte an sich. Dafür, dass der Roman über 700 Seiten dick ist, war kaum Handlung vorhanden. Gerade die erste Hälfte des Romans ist sehr langatmig und fast schon zäh, nach 200 Seiten hat man immer noch das Gefühl, dass die Geschichte noch gar nicht richtig begonnen hat. Erst zum Schluss wird die Geschichte ein wenig interessant und hat sogar spannende Momente. Zu kurz kommt mir auch die historische Komponente. Zwar spielt der Handlungsstrang, der in der Vergangenheit angelegt ist, während des zweiten Weltkriegs, doch obwohl Morton durchaus historische Fakten einbindet, bleibt die Thematik irgendwie auf der Strecke und trägt eigentlich auch nicht wirklich etwas zur Geschichte bei. Auch mit den Charakteren bin ich überhaupt nicht warm geworden und ihre Schicksale haben mich nicht berührt. Die Idee hinter der Geschichte war nett, aber nichts Besonderes und im Ganzen gesehen fast ein wenig banal. Schade, weil Morton ja schon bewiesen hat, das sie gute Geschichten schreiben kann.