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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.06.2017

Aufgesetzt und bemüht

Axolotl Roadkill
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Erst vom Feuilleton frenetisch gefeiert, dann kamen die Plagiatsvorwürfe: Vor ein paar Jahren ging Helene Hegemanns Debütroman „Axolotl Roadkill“ ja ziemlich durch die Medien und spaltet seither die Meinungen. ...

Erst vom Feuilleton frenetisch gefeiert, dann kamen die Plagiatsvorwürfe: Vor ein paar Jahren ging Helene Hegemanns Debütroman „Axolotl Roadkill“ ja ziemlich durch die Medien und spaltet seither die Meinungen. Ich wollte mir jetzt auch endlich einmal eine eigene Meinung zu diesem Buch bilden und habe versucht möglichst vorurteilsfrei an die Sache heranzugehen. Mein Fazit: Wie leider fast schon befürchtet, ist „Axolotl Roadkill“ nicht mein Fall und wäre das Buch länger als die knapp 200 Seiten gewesen, hätte ich es wahrscheinlich sogar abgebrochen. Meine Hintergründe: Im Grunde hat mich schon die Thematik genervt. Geschichten über wohlstandsverwahrloste Jugendliche, die Drogen-, Sex- und Partyexzesse feiern und mit ihrem Leben nicht mehr klarkommen, sind doch wirklich nichts neues mehr. Und gibt es denn wirklich so viele Menschen, deren Jugend nur von Frust und Wut und Ziellosigkeit geprägt ist? Im Fall von „Axolotl Roadkill“ kommen dann noch andere Komponenten dazu, die mir die Lektüre vergällt haben. Hegemann wirft mit wirren Worthülsen, Phrasen und vielen, vielen Fremdwörtern um sich und bedient sich recht gern und oft der Fäkalsprache. Sogar die paar Passagen im Buch, die tatsächlich klug und originell waren, bekommen dadurch einen unerträglich aufgesetzten pseudorebellischen und pseudointellektuellen Klang. Dieses Bemühte, Aufgesetzte ist glaub ich auch der größte Kritikpunkt, den ich an dem Buch habe. Dass die Geschichte überhaupt keine Struktur hat und die Passagen wie Fragmente daherkommen, ist zwar anstrengend, fand ich aber eigentlich gar nicht mal so schlecht, da das ja das Leben der Hauptfigur Mifti widerspiegelt, der es im Leben auch an Struktur fehlt. Zwischen den Zeilen kann man ahnen, dass Hegemann auf jeden Fall Talent hat und auch etwas kann, ihr Debüt fand ich aber weder sprachgewaltig, noch besonders, noch frisch. Im Bezug auf die Plagiatsvorwürfe musste ich gleich zu Beginn des Buches übrigens sehr schmunzeln, denn da gibt Miftis Bruder Edmond zu, dass er sich für seine Sätze überall bedient, wo er „Inspiration findet und beflügelt wird“ und dass einer seiner Sprüche nicht von ihm sondern „von so ´nem Blogger“ ist.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Faszinierender Einblick in eine fremde Kultur

Die Geisha
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Trotz der vielen guten Kritiken hat mich der Roman „Die Geisha“ jahrelang nicht wirklich interessiert. Den Film habe ich damals, als er rauskam, gesehen und fand ihn nur mittelmäßig. Nun hat es mich aber ...

Trotz der vielen guten Kritiken hat mich der Roman „Die Geisha“ jahrelang nicht wirklich interessiert. Den Film habe ich damals, als er rauskam, gesehen und fand ihn nur mittelmäßig. Nun hat es mich aber irgendwie doch gepackt und ich wollte mal sehen, was an den ganzen Lobeshymnen so dran ist. Und ja, ich muss sagen, dass es sich wirklich gelohnt hat, das Buch zu lesen. Golden ist mit „Die Geisha“ ein sehr feinfühliger, epischer Roman gelungen, der den Leser ins Japan der 1930er/40er Jahre entführt und einen faszinierenden und facettenreichen Einblick in eine verlorene Kultur gibt. Das neunjährige Fischermädchen Chiyo und ihre ältere Schwester Satsu werden, als die Mutter schwer erkrankt, nach Kyoto verkauft. Chiyo landet in einem Geisha-Haus und wird zunächst gegen ihren Willen zur Geisha ausgebildet. Mit der Zeit wird sie zu einer der begehrtesten Geishas Japans. Ihr privates Glück findet sie aber erst nach dem Untergang der alten Geisha-Kultur – gegen Ende des zweiten Weltkriegs. Die Geschichte ist nicht nur historisch interessant und äußerst informativ, sondern auch einfach nur schön geschrieben. Golden legt seiner Chiyo – die sozusagen ihre Lebensgeschichte in Ich-Form erzählt – zum Teil sehr bildgewaltige, zum Teil sehr durchdringende Formulierungen in den Mund. Trotzdem klingt kein Satz gestelzt oder übertrieben. Der Schreibstil ist durchaus angenehm und flüssig. Ein sehr empfehlenswertes Buch für alle, die mehr über die Geisha-Kultur erfahren wollen.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Mehr als nur Romantik und Mord

Sehnsucht der Unschuldigen
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Eine knisternde Liebesgeschichte, atemlose Spannung und das alles vor idyllischer Südstaaten-Kulisse. Mein erster Roman von Nora Roberts hat mir gar nicht mal so schlecht gefallen und mich extrem gut unterhalten. ...

Eine knisternde Liebesgeschichte, atemlose Spannung und das alles vor idyllischer Südstaaten-Kulisse. Mein erster Roman von Nora Roberts hat mir gar nicht mal so schlecht gefallen und mich extrem gut unterhalten. In „Sehnsucht der Unschuldigen“ zieht sich die berühmte Geigerin Caroline Waverly nach einem Burnout in das verschlafene Städtchen Innocence im Bundesstaat Mississippi zurück. Sie hat dort das Haus ihrer verstorbenen Großmutter geerbt, das sie nun renovieren möchte. Vor allem aber möchte sie in Innocence wieder zu sich selbst finden. Allerdings trügt die Idylle, denn in dem kleinen Südstaaten-Ort geht ein wahnsinniger Mörder um, der junge Frauen verstümmelt und tötet. Hauptverdächtiger ist bald Carolines attraktiver Nachbar Tucker, reicher Erbe einer Plantage. Doch gerade der hat ein Auge auf Caroline geworfen und auch sie entwickelt Gefühle für ihn. Der Roman ist eine gelungene Mischung aus Thriller und Liebesgeschichte, der zudem eine unverwechselbare Atmosphäre schafft. Roberts schreibt angenehm und leicht, aber vor allem auch sehr szenisch. So wird man von Anfang an in die Geschichte hineingezogen und regelrecht in dieses typische Südstaaten-Städtchen gebeamt. Jedes Haus, jeden Weg sieht man bildlich vor Augen. Gelungen sind Roberts auch ihre Charaktere: Von den Haupt- bis zu den Nebenfiguren sind ihre Figuren sehr individuell gezeichnet. Natürlich ist „Sehnsucht der Unschuldigen“ keine super anspruchsvolle Literatur, dennoch versteckt sich hinter der Geschichte noch ein bisschen mehr als nur Romantik und Mord. Die Figuren sind psychologisch ausgeklügelt, die Handlung wird schlüssig erzählt und ich wusste tatsächlich bis zum Showdown nicht, wer der Mörder ist. Ein unterhaltsamer, spannender Roman mit der richtigen Portion Herz-Schmerz, super geeignet für heiße Sommertage.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Beliebige Geschichte, austauschbare Figuren

Das Erbe der Fonteroys
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Die Geschichte einer Pariser Pelzhändlerdynastie vom Ersten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre – voller bewegender Schicksalsschläge, zwischen Geheimnissen, politischen Verstrickungen und unerfüllten Lieben. ...

Die Geschichte einer Pariser Pelzhändlerdynastie vom Ersten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre – voller bewegender Schicksalsschläge, zwischen Geheimnissen, politischen Verstrickungen und unerfüllten Lieben. Stoff also, aus dem man echt etwas hätte machen können. Révay ist mit „Das Erbe der Fonteroys“ allerdings trotzdem nur eine mittelmäßige Familiensaga gelungen. Der Schreibstil ist dabei wirklich ansprechend. Das Buch lässt sich sehr angenehm lesen und man kann den Roman definitiv als kurzweilig bezeichnen. Wie Révay allerdings die Handlung entwirft, ist einfach nur lieblos. Der Roman beginnt 1921: Valentine heiratet eher unfreiwillig André, den Erben der Pelzhändlerdynastie Fonteroy. Über zwei Generationen hinweg wird dann die Geschichte der Familie und des Unternehmens erzählt – zwischen Aufstieg und Fall, zwischen Kriegswirren, Weltwirtschaftskrise und Friedenszeiten, zwischen Paris, Leningrad und Leipzig. Es gibt auch immer mal wieder kleine Rückblenden in die Zeit um den Ersten Weltkrieg. Dabei rast Révay wie ein Schnellzug durch die Zeit. Nach vier Seiten sind dann oft schon mal wieder zwei Jahre vergangen. Und ehe man sich versieht, ist auch der Zweite Weltkrieg schon wieder vorbei. Kaum hat man sich mit den Protagonisten der ersten Generation angefreundet, muss man sich schon an die Protagonisten der zweiten Generation und deren Geschichten gewöhnen. Oft wusste man tatsächlich nicht, in welchem Jahrzehnt man sich gerade befindet. Auch viele wichtige Dinge hat man eher so nebenbei erfahren: Da hat Valentine plötzlich auch noch einen kleinen Sohn und in einem Nebensatz bekommt man dann mit, dass sie für den Widerstand arbeitet. Das alles hat zur Folge, dass der Roman total oberflächlich ist und man gar keine Chance hat, an die Protagonisten heranzukommen und an ihrem Schicksal Anteil zu nehmen. Die Geschichte wird total beliebig und die Figuren einfach austauschbar. Ich konnte überhaupt nicht richtig in die Geschichte eintauchen, weil einfach alles so an mir vorbeigeplätschert ist. Diesen Roman kann man sich meiner Meinung nach echt sparen. Lieber sollte man Révays Zweiteiler „Die weißen Lichter von Paris“ und der „Himmel über den Linden“ lesen. Da geht es um eine ziemlich ähnliche Thematik, allerdings hat Révay da ihr Handwerk besser verstanden.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Erholsam ruhig

Ein Elefant im Mückenland
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Eine Reise durch Finnland, kuriose und liebenswerte Charaktere, ein bisschen Gesellschaftssatire und hier und da blitzt der typische finnische Humor auf: skurril, schwarz, aber trotzdem irgendwie immer ...

Eine Reise durch Finnland, kuriose und liebenswerte Charaktere, ein bisschen Gesellschaftssatire und hier und da blitzt der typische finnische Humor auf: skurril, schwarz, aber trotzdem irgendwie immer in Moll. „Ein Elefant im Mückenland“ ist ein typischer Paasilinna. Vielleicht ist der Roman nicht sein humorigster, trotzdem hat mich das Buch wieder gut unterhalten. Paasilinna erzählt die Geschichte der Elefantendame Emilia, die von heute auf morgen kein Zuhause mehr hat. Im finnischen Zirkus kann sie nicht bleiben, da ein neues EU-Gesetz die Haltung von wilden Tieren zum Gelderwerb verbietet. Damit Emilia nicht getötet werden muss, nimmt sich Tierpflegerin Lucia Lucanda der Elefantendame an und möchte sie nach Afrika verschiffen. Bis es soweit ist, müssen sich Emilia und Lucia auf eine ereignisreiche Odyssee quer durch Finnland begeben und gegen einige Widrigkeiten kämpfen, wie etwa gegen militante Tierschützer oder den finnischen Lebensstil. Paasilinna erzählt die Geschichte auf eine sehr ruhige Art, schweift auch mal ein bisschen ab und vermittelt dem Leser Wissen über die finnische Geschichte oder eben Elefanten. Paasilinnas Sprache ist sehr einfach, aber vor allem angenehm. Natürlich ist „Ein Elefant im Mückenland“ kein rasanter Roadtrip, auch nicht übermäßig witzig oder extrem spannend – mir gefällt dieses Buch gerade aber, weil es irgendwie so erholsam ruhig ist. Wie ein finnischer Sommerurlaub. Und man bekommt auch wieder ein stückweit mehr die finnische Lebensart näher gebracht.