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Veröffentlicht am 05.06.2017

Fehlende Mosaiksteinchen

Schattenschrei
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Mit „Schattenschrei“ beendet das Autorenduo Erik Axl Sund seine sehr kontrovers diskutierte Victoria-Bergman-Trilogie. Die Handlung knüpft nahtlos an den zweiten Band an. Nach einer Mordserie an ausländischen ...

Mit „Schattenschrei“ beendet das Autorenduo Erik Axl Sund seine sehr kontrovers diskutierte Victoria-Bergman-Trilogie. Die Handlung knüpft nahtlos an den zweiten Band an. Nach einer Mordserie an ausländischen Jungen in Stockholm und grausamen Morden an Erwachsenen, die alle irgendwie miteinander in Verbindung gestanden haben, sucht Jeanette Kihlberg immer noch fieberhaft nach dem Täter. Wie in den ersten beiden Bänden auch, wird die Geschichte in recht kurzen Kapiteln und aus der Sichtweise verschiedener Personen erzählt. Es gibt auch wieder etliche Rückblicke. Allerdings finden nun die vielen unterschiedlichen Handlungsstränge langsam zusammen und ergeben nach und nach ein Bild. Weil mich „Krähenmädchen“ und vor allem „Narbenkind“ sehr fasziniert und regelrecht mitgerissen haben, hatte ich natürlich recht hohe Erwartungen an den dritten Band. Leider wurden sie nicht ganz erfüllt. Gerade der psychologische Aspekt und die tiefen Blicke in die Seele von Tätern und Opfern zugleich bleiben in „Schattenschrei“ etwas auf der Strecke. Man erfährt zwar von einer sehr dubiosen Behandlungsmethode in der Neurochirurgie, aber auch das Thema bleibt eher an der Oberfläche. Zudem hat der dritte Band unnötig viele Längen. Richtig unzufrieden bin ich aber mit der Auflösung der Geschichte: Angesichts der vorausgegangenen Ereignisse und der aufgebauten Spannung gerät das Ende fast ein wenig dürftig. Auch das Motiv für die vielen Morde an den Kindern kann man nicht richtig nachvollziehen. Man hat regelrecht das Gefühl, dass hier noch ein Mosaikstein fehlt oder vergessen wurde. Die Reihe endet recht offen und lässt den Leser mit einer Gänsehaut zurück. Fazit: Eine sehr düstere Psychothriller-Trilogie voller Schmerz, Brutalität und Grausamkeiten, die viele starke Momente hat, zum Ende hin aber sehr schwächelt.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Was geht in einer misshandelten Seele vor?

Narbenkind
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„Narbenkind“ ist der zweite Teil der derzeit sehr gehypten Victoria-Bergman-Trilogie und schließt nahtlos an den ersten Teil „Krähenmädchen“ an. Jeanette Kihlbergs Ermittlungen in einer Mordserie an Jungen ...

„Narbenkind“ ist der zweite Teil der derzeit sehr gehypten Victoria-Bergman-Trilogie und schließt nahtlos an den ersten Teil „Krähenmädchen“ an. Jeanette Kihlbergs Ermittlungen in einer Mordserie an Jungen in Stockholm geraten ins Stocken und werden vorübergehend auf Eis gelegt. Da wird ein Geschäftsmann brutal ermordet – alles deutet auf Rache hin. Jeanette bittet die Psychologin Sofia Zetterlund, ein Täterprofil zu erstellen und stößt selbst bei ihren Nachforschungen immer wieder auf den Namen Victoria Bergmann. Doch diese scheint wie vom Erdboden verschluckt. Mich hat ja schon der erste Band sehr gepackt und auch den zweiten Teil konnte ich kaum mehr aus der Hand legen. Im Grunde hat mich „Narbenkind“ sogar noch ein bisschen mehr mitgerissen als sein Vorgänger. Klar, die Thematik bleibt hart und gnadenlos: Noch immer geht es um Kindesmissbrauch und der wird in all seiner Brutalität geschildert. Manche Szenen haben mich wirklich geschockt und auch sprachlos gemacht. Ich kann auch verstehen, dass das Buch gerade deswegen sehr kontrovers diskutiert wird. Dennoch finde ich nicht, dass das Autorenduo hier Gewalt zelebriert oder möchte, dass sich der Leser an den Grausamkeiten weidet. Es geht vielmehr um die Fragen: Was passiert mit den Opfern? Was geht in der Seele missbrauchter Menschen vor? Und genau dieser psychologische Aspekt der Trilogie ist es, der mich so fasziniert. Wie das Autorenduo den Zerfall und die Zersplitterung einer misshandelten Seele beschreibt, finde ich verstörend und beeindruckend zugleich. Die Figurenzeichnung fand ich im ersten Teil ja schon sehr gelungen, im zweiten Teil dringt man noch tiefer in das Leben der Charaktere ein und baut dadurch eine noch intensivere Beziehung zu ihnen auf. Generell sind die Charaktere sehr gelungen, weil sie einfach auch etwas Besonderes an sich haben, interessante Entwicklungen durchmachen und im Gedächtnis hängen bleiben. Ab und zu ist die Handlung vielleicht etwas verworren, aber so bleibt die Geschichte spannend und im dritten Teil wird sich ja hoffentlich alles auflösen.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Reise in eine grausame Welt

Krähenmädchen
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Unfassbare Grausamkeiten, schwerpsychotische Menschen, tief verletzte Seelen und Gewalt wohin man schaut: der Stoff, den das Autorenduo Erik Axl Sund für den Auftakt ihrer Psychothriller-Trilogie gewählt ...

Unfassbare Grausamkeiten, schwerpsychotische Menschen, tief verletzte Seelen und Gewalt wohin man schaut: der Stoff, den das Autorenduo Erik Axl Sund für den Auftakt ihrer Psychothriller-Trilogie gewählt hat, ist schon reichlich harter Tobak. Gleich zu Beginn wird in Stockholm die Leiche eines Jungen gefunden. Er wurde mehrere Tage gefoltert und aufs schlimmste misshandelt, seine Genitalien wurden ihm bei lebendigem Leib entfernt. Er wird nicht der letzte Tote bleiben. Kommissarin Jeanette Kilhberg und Psychologin Sophia Zetterlund nehmen die Ermittlungen auf und versuchen den Mörder der Kinder zu finden. Dabei tut sich dem Leser eine furchtbare Welt auf, in der Kindermord, Pädophilie und Vergewaltigung an der Tagesordnung zu stehen scheinen. Der Fokus liegt dabei auf Flüchtlingskindern, die ohne Begleitung in Schweden sind (ein Teil der Geschichte führt auch zu Kindersoldaten in Sierre Leone). „Krähenmädchen“ ist eigentlich ein schlimmer Albtraum und zeitweise schon hart am Limit, trotzdem hat mich das Buch irgendwie gepackt. Man fliegt nur so durch die Seiten und kann das Buch wirklich nur sehr schwer zur Seite legen. Die Autoren springen beim Erzählen durch verschiedene Zeiten und lassen die Geschehnisse aus der Sicht verschiedener Personen erzählen – das macht die Geschichte unglaublich spannend. Besonders gelungen ist dem Autorenduo auch die Figurenzeichnung. Man erfährt relativ viel aus dem Privatleben der Figuren und kann so besser in deren Gefühlswelt eintauchen. Zudem sind die Charaktere sehr besonders und bleiben im Gedächtnis hängen. Unglaublich interessant ist auch die Täterstudie und überhaupt der psychologische Aspekt des Romans. Leider waren für mich ein paar Dinge etwas vorhersehbar. Zum Ende hin gibt es beispielsweise eine eigentlich sehr grandiose Wendung. Allerdings war mir schon ab der Hälfte des Buches klar, dass das so sein wird. Liegt aber vielleicht auch daran, dass ich mich schon öfter mit dem Thema beschäftigt habe. Der Roman endet mit einem fiesen Cliffhanger, weswegen ich mir Teil 2 (Narbenkind) schon bereit gelegt habe.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Ausflug ins England der 60er Jahre

Miss Blackpool
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Nick Hornby hat einen historischen Roman geschrieben: In „Miss Blackpool“ greift der Popliterat die Geschichte der 60er Jahre in England auf – ein Jahrzehnt voller Umbrüche, Reformen und Konflikten – und ...

Nick Hornby hat einen historischen Roman geschrieben: In „Miss Blackpool“ greift der Popliterat die Geschichte der 60er Jahre in England auf – ein Jahrzehnt voller Umbrüche, Reformen und Konflikten – und schafft gleichzeitig eine Hommage an die goldenen Fernsehjahre in dieser Zeit. Titelheldin des Romans ist Barbara aus Blackpool. Barbara ist ein „funny Girl“ (so lautet der Originaltitel des Romans). Sie möchte eine berühmte Komikerin werden und sie weiß, dass sie Talent hat. So lehnt sie den Titel zur Schönheitskönigin in ihrem nordenglischen Heimatkaff ab und verschwindet nach London. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten: Vom Fleck weg wird sie für eine Comedy-Serie engagiert, die bald Kultstatus erreicht und Barbara wird zu einem Fernseh-Star. Allerdings dreht sich der Roman nicht allein um Barbara und ihre Karriere. Im Zentrum der Geschichte steht vielmehr die fiktive Sitcom „Barbara (and Jim)“. Eine für die damalige Zeit sehr fortschrittliche Serie, die immer wieder moderne Themen und auch politische Diskussionen aufgreift. Die Macher der Serie versuchen immer wieder, sich gegen alte Konventionen und Moralvorstellungen durchzusetzen. Daneben gewährt Hornby seinen Lesern einen Blick in das Privatleben des Serienteams (angefangen von den Schauspielern über den Produzenten bis hin zu den Drehbuchautoren) und fängt somit ganz gut den Zeitgeist der 60er Jahre ein. Ein Jahrzehnt, das auch eine Zeit des Aufbruchs in England war: Homosexualität wird legalisiert, das „Nacktmusical“ Hair wird uraufgeführt und der „Theatres Act“ hat vorher noch verfügt, dass es erlaubt sei, bei Bühnenaufführungen Brüste zu zeigen. Hornby erzählt sehr alltagsnah; die Dialoge sind zum Teil recht rasant, schlagfertig und spitzfindig. Garniert ist alles mit einem sehr feinen Humor. Zum Teil liest sich der Roman tatsächlich wie eine Sitcom. Schade fand ich, dass ein Großteil der Figuren doch recht blass bleibt – zu sehr hat sich Hornby darauf konzentriert ein ganzes Milieu zu beschreiben. Im Großen und Ganzen aber ein guter, auch unterhaltsamer Roman über die 60er Jahre in England aus Sicht der Fernsehbranche. Ein Hornby, der mal ein bisschen anders ist.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Tolle Weihnachtserzählung

Sechs silberne Saiten
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Holger ist frisch getrennt, hat ein schwieriges Verhältnis zu seinen Eltern und muss sich – weil er knapp bei Kasse ist – im Supermarkt als Weihnachtsmann verdingen. Nach Dienstschluss an Heilig Abend ...

Holger ist frisch getrennt, hat ein schwieriges Verhältnis zu seinen Eltern und muss sich – weil er knapp bei Kasse ist – im Supermarkt als Weihnachtsmann verdingen. Nach Dienstschluss an Heilig Abend trifft er auf einen Weihnachtsmann-Kollegen, der eine seltsame Gitarre mit sechs silbern bespannten Saiten dabei hat und wunderbare Country-Songs singt. Und plötzlich scheint für Holger der öde, graue Heilig-Abend-Nachmittag doch noch ganz schön zu werden. „Sechs silberne Saiten“ ist eine wunderbare Weihnachtskurzgeschichte auf 91 Seiten. Goosen erzählt lässig, auf dem Boden geblieben, ganz ohne Kitsch und immer mit einem Augenzwinkern, trotzdem aber auch feinfühlig. Eine tolle, rührende Geschichte, die manchmal zum brüllen komisch ist, aber auch zum nachdenken anregt und einfach das Herz erwärmt. Gelungen sind auch die farbigen Illustrationen von Peter Schössow.