Profilbild von Winter-Chill

Winter-Chill

Lesejury Profi
offline

Winter-Chill ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Winter-Chill über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.06.2017

Unverfälscht und offen

Expect nothing!
0

68er-Ikone, Ex-Model, Ex-Kommunardin und Geliebte zahlreicher Rockstars: so kennt man Uschi Obermaier aus den Medien. Und auch ihre erste Biografie „High Times: Mein wildes Leben“ behandelte genau die ...

68er-Ikone, Ex-Model, Ex-Kommunardin und Geliebte zahlreicher Rockstars: so kennt man Uschi Obermaier aus den Medien. Und auch ihre erste Biografie „High Times: Mein wildes Leben“ behandelte genau die Jahre ihres Lebens, als sie durch die Welt jettete, mit Drogen experimentierte und Mitglied der Kommune 1 war. In Uschi Obermaiers neuer Biographie „Expect Nothing“ sollte das daher kein Thema mehr sein. Hauptsächlich wird in diesem Buch die Zeit nach dem Unfalltod ihres Lebensgefährten Bockhorn behandelt, mit dem sie zuvor jahrelang durch die Welt gereist war. Nach diesem Ereignis fiel Uschi tief und musste im Grunde wieder fast von vorne anfangen. Wie sie es geschafft hat, beinahe mittellos und auf sich allein gestellt, ihr Leben wieder zu ordnen, erzählt sie in diesem Buch. Dabei bringt sie dem Leser auch ihre Lebensphilosophie näher, gewährt einen Einblick in ihr jetziges Leben und erzählt auch vom Verhältnis zu ihren Eltern. Das Buch setzt sich aus Passagen zusammen, in denen Uschi Obermaier selbst aus ihrem Leben erzählt und zwar sehr unverfälscht und so, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Dann gibt es aber auch wieder Passagen, die von der Co-Autorin Anna Cavelius stammen – das sind meist kleine Interviews mit Uschi. Mich fasziniert die Person Uschi Obermaier ja schon lange und ich hab auch die Vorgänger-Biografie gerne gelesen. Dieses Buch hat mir aber noch besser gefallen. Es ist auf jeden Fall das ehrlichste, persönlichste und auch offenste Buch, das über Uschi Obermaier je geschrieben worden ist. Sie blickt sehr reflektiert auf ihr Leben zurück und scheint auf jeden Fall eine starke Persönlichkeit zu sein. Eine wirklich lesenswerte Biografie, die einem auch ein bisschen zeigt, wie man mit Schicksalsschlägen fertig wird und wie man seinen inneren Frieden findet.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Lyrik und Mord

Blinde Vögel
0

Das Salzburger Ermittler-Duo Beatrice Kaspary und Florin Wenninger haben es wieder mit einem prekären Fall zu tun: Auf einem Campingplatz werden zwei Tote gefunden. Die Frau wurde erwürgt, der Mann erschossen. ...

Das Salzburger Ermittler-Duo Beatrice Kaspary und Florin Wenninger haben es wieder mit einem prekären Fall zu tun: Auf einem Campingplatz werden zwei Tote gefunden. Die Frau wurde erwürgt, der Mann erschossen. Die einzige Verbindung zwischen dem Pärchen ist eine Lyrik-Gruppe auf Facebook, in der beide Mitglied waren. Beatrice schleust sich unter falschem Namen in der Facebook-Gruppe ein und bald stirbt ein weiteres Mitglied der Gruppe. Mir hat auch der zweite (Erwachsenen-)Thriller von Ursula Poznansik sehr gut gefallen. Sie hat wirklich ein gutes Gespür für außergewöhnliche Plots, erzählt sehr fesselnd und lebendig und weiß einfach, wie man einen spannungsgeladenen und durchdachten Thriller schreibt. Mir fiel es wieder extrem schwer, das Buch zur Seite zu legen und ich hatte tatsächlich bis zur Auflösung keine Ahnung, wer der Täter oder was sein Motiv ist. Sehr intensiv beschreibt Poznanski auch ihre beiden Hauptfiguren Beatrice und Florin. Man bekommt einiges aus dem Privatleben der Ermittler mit und gerade Beatrice ist sehr sympathisch und wächst einem sehr ans Herz. Nebenbei lernt man bei „Blinde Vögel“ auch noch viele wunderschöne Gedichte kennen. Ich freue mich schon auf den nächsten Fall mit Beatrice und Florin.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Über das Scheitern

Spinner
0

Seit zwei Jahren haust der 20-jährige Jesper Lier nun schon in einer heruntergekommenen Kellerwohnung in Berlin und versucht seinen Traum zu verwirklichen: ein großer Schriftsteller zu werden. Völlig zurückgezogen ...

Seit zwei Jahren haust der 20-jährige Jesper Lier nun schon in einer heruntergekommenen Kellerwohnung in Berlin und versucht seinen Traum zu verwirklichen: ein großer Schriftsteller zu werden. Völlig zurückgezogen feilt Jesper an seinem Mammutroman „Der Leidensgenosse“. Das Projekt überfordert ihn aber mehr und mehr. Er ernährt sich schlecht, hat kaum Geld und trinkt zu viel. Eines Tages scheint Jesper an einem Wendepunkt im Leben angelangt zu sein und es beginnt für ihn eine turbulente Woche, in der er eine wilde Odyssee quer durch die Hauptstadt erlebt und lernt, wieder zu sich selbst zu finden. Mit „Spinner“ ist Benedict Wells ein sehr authentischer, unterhaltsamer und auch weiser Roman gelungen, der sich auf jeden Fall aus der Masse der Romane über orientierungslose Jugendliche abhebt. Wells erzählt sehr dynamisch und ihm gelingt es leise Töne mit einem sehr feinen, vielleicht auch manchmal zynischen Humor zu vermischen. Ein wunderbarer Roman über das Scheitern, über Hoffnungen und die Frage, welche Entscheidungen im Leben die richtigen sind. Ein bemerkenswerter Roman, wenn man bedenkt, dass Benedict Wells gerade mal 19 Jahre alt war, als er ihn geschrieben hat.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Abgedreht, spannend, originell

Du
0

Zugegeben: Leicht macht es dieses Buch dem Leser nicht gerade. Das fängt schon mit der Erzählperspektive an. Das Buch ist nämlich durchgehend in der zweiten Person Singular Präsens geschrieben. Drvenkar ...

Zugegeben: Leicht macht es dieses Buch dem Leser nicht gerade. Das fängt schon mit der Erzählperspektive an. Das Buch ist nämlich durchgehend in der zweiten Person Singular Präsens geschrieben. Drvenkar spricht den Leser also ständig an und lässt ihn somit in verschiedene Rollen schlüpfen: Wir sind ein Massenmörder, der während eines Schneesturms in einem Stau auf der Autobahn stecken bleibt und ein Massaker anrichtet; ein Berliner Großkrimineller, der die gefrorene Leiche seines Bruders findet; ein jugendlicher Nachwuchsdealer; ein reicher Berufsjugendlicher und fünf 16 Jahre alte Mädchen, die an ein paar Kilo Heroin geraten und eine Gewaltspirale auslösen. Letztendlich entwirft Drvenkar zehn verschiedene Handlungsstränge, die fast bis zur Hälfte des Buches fast nichts miteinander zu tun haben. Lange wird viel erzählt, aber nichts erklärt. Irgendwann bewegen sich aber die einzelnen Handlungen aufeinander zu und man erkennt, dass Drvenkar hier eigentlich eine brillant konzipierte Geschichte mit einem extrem gut ausgeklügelten Spannungsbogen vorgelegt hat. Auch sprachlich hat der doch recht stattliche Roman einiges zu bieten: Drvenkar schreibt klar, oft schonungslos und schafft doch auch immer wieder sehr elegante, fast schon kunstvolle Formulierungen. Die Handlung ist nicht unbedingt realistisch und zum Teil echt abgehoben. Aber gerade das macht die Geschichte aus. Sehr oft musste ich beim Lesen übrigens an Quentin-Tarantino-Filme denken. Letztendlich hat mir der Roman trotz einiger zu vielen „Dus“ wirklich gut gefallen.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Unterhaltsame Familiengeschichte

Das Haus der vergessenen Träume
0

Theosophie, Frauenrechtsbewegung und ein Justizirrtum: Katherine Webb hat ihren Roman „Das Haus der vergessenen Träume“ mit sehr vielen Themen gespickt und somit nicht nur eine sehr unterhaltsame, sondern ...

Theosophie, Frauenrechtsbewegung und ein Justizirrtum: Katherine Webb hat ihren Roman „Das Haus der vergessenen Träume“ mit sehr vielen Themen gespickt und somit nicht nur eine sehr unterhaltsame, sondern auch vielschichtige Geschichte geschaffen. Der Roman beginnt im Jahr 2011. Die Journalistin Leah Hickson wird von ihrem Ex-Freund Ryan nach Belgien eingeladen. Ryan arbeitet für die Kriegsgräberfürsorge und sein Team hat die Leiche eines Soldaten aus dem 1. Weltkrieg gefunden. Das Interessante: Der Soldat trägt zwei Briefe bei sich, in denen eine schlimme Tat angedeutet wird. Leah wittert eine Story und beginnt zu recherchieren. Ihre Nachforschungen führen in eine englische Kleinstadt, in den Haushalt eines Pfarrers im Jahr 1911. „Das Haus der vergessenen Träume“ ist ganz klar eine der typischen Familiengeschichten, in denen es um ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit geht, das in der Gegenwart aufgedeckt wird. Mir hat der Roman sehr gut gefallen und ich finde auch, dass Webb eine klare Steigerung gegenüber ihrem Erstling „Das geheime Vermächtnis“ gelungen ist. Webb erzählt lebendig, angenehm und schlüssig, auch die Komposition der beiden Handlungsstränge (einmal Gegenwart und einmal Vergangenheit) sind ihr gut gelungen. Die Charaktere sind vielschichtig, stark gezeichnet und bleiben einem einfach im Gedächtnis hängen. Neben den bereits erwähnten Themen „Theosophie“ und „Frauenrechtsbewegung“ wird vor allem auch die Situation der Dienerschaft um 1911 behandelt, die ja sozusagen fast wie Leibeigene behandelt wurden, sich aber nach und nach aus dieser Rolle befreiten. Ein Roman, den ich vor allem Fans von Familiengeschichten sehr ans Herz legen kann.