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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.08.2017

Eindrücklich aber auch frustrierend

The Hate U Give
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Allgemeines:

Titel: The Hate U Give
Autorin: Angie Thomas
Verlag: cbt (Juli 2017)
Genre: Jugendroman
ISBN: 978-3570164822
Originaltitel: The Hate U Give
Seitenzahl: 512 Seiten
Preis: 17,99€

Inhalt:

Die ...

Allgemeines:

Titel: The Hate U Give
Autorin: Angie Thomas
Verlag: cbt (Juli 2017)
Genre: Jugendroman
ISBN: 978-3570164822
Originaltitel: The Hate U Give
Seitenzahl: 512 Seiten
Preis: 17,99€

Inhalt:

Die 16-jährige Starr lebt in zwei Welten: in dem verarmten Viertel, in dem sie wohnt, und in der Privatschule, an der sie fast die einzige Schwarze ist. Als Starrs bester Freund Khalil vor ihren Augen von einem Polizisten erschossen wird, rückt sie ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Khalil war unbewaffnet. Bald wird landesweit über seinen Tod berichtet; viele stempeln Khalil als Gangmitglied ab, andere gehen in seinem Namen auf die Straße. Die Polizei und ein Drogenboss setzen Starr und ihre Familie unter Druck. Was geschah an jenem Abend wirklich? Die Einzige, die das beantworten kann, ist Starr. Doch ihre Antwort würde ihr Leben in Gefahr bringen...



Meine Meinung:


Starr wächst in einem verarmten Schwarzenviertel auf. Als sie eines Tages nach einer Party als einzige Zeugin mit ansehen muss, wie ihr bester Freund ohne ersichtlichen Grund erschossen wird, verändert sich ihr Leben schlagartig. Starr muss entscheiden, ob sie sich lieber versteckt oder den Mund aufmacht, damit Khalil Gerechtigkeit wiederfährt.


Die Protagonistin Starr hat in ihrem Leben schon so einiges durchmachen müssen. Nicht nur war ihr Vater während ihrer Kindheit für drei Jahre im Gefängnis - nein, sie musste auch schon mit ansehen, wie jemand von einem Gangmitglied erschossen wurde. Sie erfährt schon in jungen Jahren, was es bedeutet schwarz zu sein und diskriminiert zu werden. Trotzdem ist sie ein lebensfrohes Mädchen, das ihre Familie über alles liebt. Sie geht zudem auf eine Schule außerhalb wo sie das einzige dunkelhäutige Mädchen ihrer Stufe ist. Unter ihren ganzen weißen Freunden ist sie komplett anders, als zuhause in ihrem Viertel. Sie versucht bestimmte Wörter und Gesten zu vermeiden, damit niemand sie für ein Mädchen aus dem Ghetto hält. Sie ist ein totaler Fan der Serie "The Fresh Prince of Bel Air", sammelt Sportschuhe und hört gerne Rapper wie Tupac, von welchem auch einige Zitate im Buch zu finden sind. Ich finde, dass Starr ein sehr beeindruckender Charakter ist, da sie sich nie unterkriegen lässt und das obwohl sie große Angst hat.

Angie Thomas beschreibt in diesem Buch sehr eindrücklich, wie es ist, als Schwarzer in Amerika aufzuwachsen und wie viel Diskriminierung es immer noch gibt. Dank ihrem sehr guten Schreibstil, wirkt alles zu hundert Prozent authentisch und man kann sich als Leser richtig gut in die Hauptperson hineinversetzen. Auch wenn die Handlung nicht mega spannend ist, kann man sich einfach nicht von dem buch losreißen, da die Geschichte von Starr so berührend aber auch total frustrierend ist. Ich als jemand, der noch nie wirkliche Diskriminierung erfahren hat, fand es einfach nur total schockierend und traurig, was so hinter den Kulissen abgeht. Jeder hat schon mal gehört, dass ein Schwarzer ohne Grund erschossen wurde aber was sich hinter den Kulissen abspielt ist noch zehn mal krasser und trauriger. Es wird auch viel darüber gesprochen, dass es niemanden wirklich kümmert, wie es den Menschen in diesen Vierteln geht und dass sie kaum Möglichkeiten bekommen um ihr Leben zu verbessern. Viele fangen an Drogen zu dealen, weil zum Beispiel ihre Verwandten krank sind, sie aber keine Möglichkeit haben, irgendwie sonst Geld zu verdienen. Auch krass fand ich, dass Starrs Vater ihnen immer eingebläut hat, wie man sich verhalten muss, wenn man von der Polizei angehalten wird. Er erklärt ihr, dass sie die Hände immer in Sichtweite halten und keine ruckartigen Bewegungen machen soll. Außerdem soll sie alles tun, was der Polizist sagt und ganz ruhig seine Fragen beantworten. Auch das zeigt wie viel Misstrauen zwischen Polizei und den Menschen herrscht.

Das Buch schildert ausdrücklich die Situation der schwarzen Minderheit in Amerika und hilft zu verstehen, dass nach all den Jahren immer noch keine Gleichheit herrscht und dass wir einfach nur zu blind oder zu blöd sind das zu verstehen.



Fazit:

Eine sehr eindrückliche aber auch sehr frustrierende Geschichte, die jeder mal gelesen haben muss!

Veröffentlicht am 04.08.2017

Eine süße kleine Reihe

Keylam
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Allgemeines:

Titel: Keylam - Die Ankunft / Keylam und der Stachel des Bösen
Autor: Anne Schmitz
Verlag: neobooks (1. März 2016)
Genre: Kinder-Fantasy
ASIN: B01BL125S6 / B01N7COT9W
Seitenzahl: 49 Seiten ...

Allgemeines:

Titel: Keylam - Die Ankunft / Keylam und der Stachel des Bösen
Autor: Anne Schmitz
Verlag: neobooks (1. März 2016)
Genre: Kinder-Fantasy
ASIN: B01BL125S6 / B01N7COT9W
Seitenzahl: 49 Seiten / 67 Seiten
Preis: 1,99€ (Kindle-Edition)



Inhalt Teil 1:

Es ist stockfinster. Romi die Fledermaus saust durch einen Tunnel und gelangt in eine große Höhle.
„Ah! Romi!“, donnert plötzlich eine tiefe, grollende Stimme. „Kommst du, um mir von den Ereignisse draußen im Tallingtal zu erzählen?“
Zustimmend gibt Romi einige piepsende Laute von sich. Gut, dass das Felsenwesen die Sprache der Fledermäuse versteht.
„Was war denn heute los? Den Neuen habe ich schon kennengelernt. Er scheint ein mutiger Talling zu sein,“ meint das Felsenwesen.
Romi fliegt zur Decke der Höhle und hängt sich kopfüber an einen Felsvorsprung. Dann berichtet sie von fremden Kreaturen und magischen Kristallen, vom bösen Zauberling Skarkorok und seinem ebenso bösen Drachen Feuersturm und von zwei mutigen Tallingen, die gemeinsam in ein spannendes Abenteuer geraten.


Inhalt Teil 2:

Das prasselnde Kaminfeuer taucht die Wohnhöhle des Zauberers in ein geheimnisvolles Licht.
„Dann erzählt mal!“, Zauberer Nu lehnt sich in seinem Ohrensessel zurück und deutet auf zwei große, weiche Sitzkissen, die vor dem Kamin liegen. Die Tallinge Keylam und Saomi machen es sich bequem.
„Eigentlich wollten wir zu den Elfen, um ein magisches Band aus Elfenhaar zu besorgen …“, beginnt Keylam.
„Doch wir gerieten in eine Falle …“, unterbricht ihn Saomi aufgeregt.
„Eigentlich waren es zwei Fallen!“, verbessert Keylam sie.
„Ein oder zwei, das macht doch keinen Unterschied. Es war auf jeden Fall sehr gefährlich!“
„Gefährlich? Nachher wurde es erst richtig gefährlich, als wir den Drachen …!“
„Stop, Stop, Stop! Ich verstehe kein Wort!“, Zauberer Nu hebt abwährend die Hände. „Jetzt mal langsam und bitte immer der Reihe nach.“
Lachend nickt Saomi Keylam zu: „Fang du an!“
„Also, alles begann damit, dass wir auf der Klippe den Steingong geschlagen haben …!“


Bewertung:


Nur ein Kinderbuch? Dieses "nur" in diesem typischen Satz hat mich schon immer aufgeregt. Meiner Meinung nach müssen gerade Kinderbücher besonders gut sein, um schon die kleinsten begeistern und ihnen ein gutes Gefühl für Sprache vermitteln zu können. Außerdem - an Kinderbüchern müssen auch Erwachsene Spaß haben können - beim Vorlesen, Testlesen oder Familienlesen - deshalb reicht es nicht, den kleinen eine einfach gestrickte, oberflächliche Geschichte hinzuklatschen, stattdessen ist es nötig, sich niveauvoll eine Story zu überlegen, die Kinder verstehen. Besonders gut ist es, wenn für die Leser verschiedener Generationen die Geschichte anders wirkt, Anspielungen versteckt sind und eine stimmige Grundaussage erzeugt wird. Ab und zu lese ich deshalb sehr gerne aktuelle Kinderbücher, um auch diese ein bisschen auf die Probe zu stellen. Da mich das letzte Kinderbuch, dass ich meinem kleinen Cousin vorgelesen habe, ziemlich angekotzt hat, bin ich mit einem etwas kritischeren Gefühl an diese Geschichte gegangen - wurde aber wunderbar unterhalten. Deshalb eine kurze Vorstellung dieser wunderbaren Story.

"Keylam- Die Ankunft" ist der erste Teil einer Kinder Fantasy Reihe, die von aufgeweckten Tallingen in ihrem Kampf gegen den bösen Zauberling Skarkorok erzählt. Mit "Keylam und der Stachel des Bösen" wird diese Reihe fortgesetzt. Ein weiterer Teil wird bald erwartet. Da die Geschichten beide sehr kurz sind und meine Gedanken dazu sich überschneiden, habe ich mich dazu entschlossen, eine zusammenfassende Rezension zu schreiben. Ein wenig wurde ich von dieser Idee an die Schlümpfe erinnert, so müssen auch die Tallinge ihre Lebeliapflanzen beschützen, leben in einer kleinen Siedlung - Tallingheim - und werden von Skarkorok durch böse Listen ständig auf die Probe gestellt. Süß ist, dass die Tallinge alles nach verschiedeneren "Lingen" kategorisieren, so wie es bei den Schlümpfen den "Leckerschlumpf" und den "Gammelschlumpf" gibt, so gibt es hier "Bäckerlinge", "Häuptlinge", "Gärtnerlinge", "Wächterlinge", "Freilinge" und so weiter.


Erster Satz: "Pst, so seid doch bitte leiser!" Verzweifelt bemühte sich Häuptling Romwald, die Tallinge zu beruhigen, die auf der Dorfwiese beisammen standen und sich aufgeregt unterhielten."


In Tallingheim herrscht große Aufregung, denn die Ankunft eines neuen Tallings steht kurz bevor. Seit zehn Jahren, haben sie keinen Nachwuchs bekommen, so versammeln sich alle gespannt um den Lebensbaum und spekulieren auf den Neuen. Sie hoffen auf einen starken Neuankömmling, der ihnen im Kampf gegen den bösen Skarkorok und seinem Drachen helfen kann! Ein Kämpferling oder ein Wächterling vielleicht? Doch der Junge Keylam weiß nicht, was er für eine Aufgabe übernehmen wird. Ein Dümmling, pah, so was brauchen die Tallinge nicht. So begibt sich Keylam mit der jungen Saomi auf eine Reise, um seine Bestimmung herauszufinden. Auf die beiden jungen Tallinge wartet ein fantastisches Abenteuer voller guter und böser Magie, denn der böse Zauberling Skarkorok hat einen fiesen Plan ausgeheckt ...

Das erste Buch hat in der Kindle-Version zwar nur 56 Seiten und das zweite 65 Seiten, es passiert aber so einiges in Tallingheim. Viele innovativen Ideen, liebenswürdige Wesen, schöne Beschreibungen und viele Abenteuer reißen uns mit in die kleine Welt der Tallinge. Die Geschichte wechselt seine Schauplätze ständig, sodass wir einen guten Überblick über die Fantasy-Welt bekommt. Wir lernen neben Tallingheim zum Beispiel noch die Insel der Elfen, den Wächterwald und den einsamen Berg kennen.
Der Schreibstil der Autorin ist kindgerecht aber dennoch niveauvoll. Sehr einladend, beschreibend und flüssig leitet sie uns durch das kurze Abenteuer und kreiert dabei kurz und bündig eine eigenen Welt. Das Buch ist zum Vorlesen geeignet sowie zum Abtauchen aus dem Alltag.

Die Charaktere sind allesamt liebenswürdig dargestellt. Keylam ist der junge Protagonist, welcher durch Standhaftigkeit und viele schlaue Ideen beeindruckt. An seiner Seite steht die Baumling Saomi, die Keylam tatkräftig unterstützt und in ihre Welt einweist. Die beiden sind ein tolles Team, gegen die der böse Zauberling Skarkorok keine Chance hat.
Die Handlung ist durch die Kürze ein wenig oberflächlich, aber auch flott und spannend. Als kurze Gute-Nacht-Geschichte eignet sich das Buch also, ist aber eher weniger für Schmöker-Nachmittage gedacht.

Die Covergestaltung ist noch einmal extra hervorzuheben. Beide Cover sind absolut passend und strahlen eine kindliche Mystik aus, die fesselt und begeistert. Auf dem Cover zu Band 1 ist der Lebensbaum bei Nacht zu sehen, somit ist der Grundton ein schönes, dunkles Blau. Im Hintergrund schimmert der Mond groß und silbern, wovon sich die dunkle Silhouette eines Drachen abhebt. Im Mittelpunkt steht ein Mädchen mit einer Lampe - vermutlich Saomi mit ihrer Kristalllampe - welches erwartungsvoll auf den Baum blickt. Wirklich sehr treffend und wunderschön. Das Cover des zweiten Bandes zeigt Keylams violetten Freilingskristall, den er am Ende des ersten Teiles erhält, gegen einen grauen, brüchigen Steinhintergrund. Der Kristall leuchtet in der Spitze und lässt geheimnisvolle Funken aufsteigen. Beide Male schwebt der Titel in einem warmen Orange darüber.

Ich bin gespannt, wohin diese Reihe weiter führen wird. Der zweite Teil endet mit einem spannenden Cliffhanger, also kann man gespannt sein...


Fazit:

Eine süße kleine Reihe, die den Leser auf eine spannende Reise durch eine gut durchdachte Fantasy-Welt nimmt. Empfehlenswert zum Vorlesen, aber auch zum selbst lesen und dabei Abtauchen in eine Kinderwelt.

Veröffentlicht am 03.08.2017

Ein sommerlicher Liebesroman mit Tiefgang

Verlieb dich nie in einen Herzensbrecher
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Allgemeines:

Titel: Verlieb dich nie in einen Herzensbrecher
Autor: Sarah Ockler
Genre: Roman
ISBN-10: 3570309703
ISBN-13: 978-3570309704
ASIN: B00D1S9BY4
Originaltitel: "The Book Of Broken Hearts"
Preis: ...

Allgemeines:

Titel: Verlieb dich nie in einen Herzensbrecher
Autor: Sarah Ockler
Genre: Roman
ISBN-10: 3570309703
ISBN-13: 978-3570309704
ASIN: B00D1S9BY4
Originaltitel: "The Book Of Broken Hearts"
Preis: 8,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
12,99€ (gebundene Ausgabe)
Link: Hier klicken!


Inhalt:

Wenn dein Glück den falschen Namen trägt:
"Ich, Jude Hernandez, schwöre, mich niemals, nie, unter gar keinen Umständen, egal ob sie sich meiner Kontrolle entziehen oder nicht, selbst wenn das Schicksal der Menschheit davon abhängen sollte, selbst wenn mein eigenes Leben in Gefahr wäre, mit einem Vargas einzulassen."

Jude Hernandez hat eine Menge von ihren Schwestern gelernt, aber die wichtigste Regel lautet: Verlieb dich nie in einen Vargas! Sogar einen Blutseid hat sie darauf geschworen. Jetzt lebt Jude als einzige der Schwestern noch bei ihren Eltern, es ist der letzte Sommer vor dem College. Um ihren kranken Vater aufzuheitern, hat sie einen jungen Mechaniker angeheuert, der das Vintage-Motorrad ihres Vaters reparieren soll. Kann sie etwas dafür, wenn er gut aussieht? Und unerwartet süß ist? Und Emilio Vargas heißt? Schließlich handelt es sich um eine reine Geschäftsbeziehung und von einer Vargas-Flirtattacke lässt sie sich schon mal gar nicht durcheinander bringen. Aber Judes eiserne Abwehr erhält erste Risse. Wird zum dritten Mal ein Vargas das Herz einer Hernandez brechen?



Bewertung:


Erster Satz: "Das Gesetz der Wahrscheinlichkeit sieht vor, dass ein Mädchen mit drei älteren Schwestern wenigstens ein Paar süße Shorts erben sollte, die ihm tatsächlich passen."


"Verlieb dich nie in einen Herzensbrecher", hatte ich mir irgendwann mal auf meinen E-Reader gezogen, wo es langsam vor sich hin gammelte, bis ich vor einiger Zeit wieder darauf gestoßen bin und mich erbarmt habe, es zu lesen. Zuerst habe ich genau das erhalten, was mir Cover und Klapptext versprochen haben: eine nette und unterhaltsame Teenie-Geschichte. Zwei verfeindete Familien à la "Romeo und Julia", ein junges Mädchen, das sich ausgerechnet in ein Mitglied dieser anderen Familie verliebt, doch dann ... dann hat es mich positiv überrascht. Denn nach einem mittelmäßigen Einstieg entpuppt sich das Buch als eine bittersüße Geschichte über Verluste und den Umgang damit, verpackt in einer liebenswerten Teenagergeschichte um die erste große Liebe und Allem, was dazu gehört.

Das Cover ist furchtbar! Ich finde es im Prinzip gar nicht so schlecht, da es sehr schön sommerlich und fröhlich aussieht. Ein hübsches Pärchen, das mitten im Sommer auf einer grünen Wiese sitzt. Aber nur im Prinzip - denn zu dieser Geschichte passt es mit dieser 0815-Liebes-Manier absolut nicht! Genau wie der Klapptext, der auch nur die Oberfläche streift, hat es mich in gewisser Weise lange Zeit davon abgehalten, es zu lesen, da man einfach eine nette Sommerromanze erwartet. Das finde ich sehr schade, da das Buch doch viel mehr als das beinhaltet. Auch der Titel ist mir ein Dorn im Auge. Der Originaltitel "The Book of Broken Hearts" passt da meiner Meinung nach viel besser, da er auf das Buch anspielt, in das die Hernandez Schwestern ihren Liebeskummer aufschreiben und es dann immer an die jüngere Schwester weitergeben. Eben "das Buch der gebrochenen Herzen". Dieses Buch spielt noch eine Rolle in der Handlung und hat außerdem auch eine aussagekräftige, symbolische Wirkung, die an Jugend und Kindheit erinnert. Wer das Buch gelesen hat, versteht, was ich meine.

"Papi hatte alle Monster unter meinem Bett verjagt, mich über jeden Schmerz hinweggetröstet, und jetzt schloss ich die Augen und gestattete mir, so zu tun - nur eine Minute lang -, als würde er wider zu seiner alten Stärke zurückfinden. Als wäre er da, um meine Tränen zu trocknen, Mond und Sterne wieder aufhängen, wenn sie vom Himmel gefallen waren. Als würde er stets der Kluge sein, derjenige mit den richtigen Worten und Versprechen.
Als würden wir niemals die Plätze auf dieser Bank tauschen müssen."


Nun aber wirklich zum Inhalt:
Jude ist die jüngste von vier Schwestern und die letzte, die noch zuhause bei ihren Eltern wohnt. Diesen Sommer verbringt sie weder mit ihren Freundinnen im Schwimmbad noch nimmt sie an der Aufführung der Theatergruppe teil: bei ihrem Vater wurde, mit gerade mal 52 Jahren, früheinsetzende Alzheimer festgestellt, und da ihre Schwestern weit von ihrem Elternhaus entfernt wohnen und die Mutter arbeiten geht, kümmert sich Jude um ihren Vater, den sie bloß liebevoll Papi nennt.
Eines Tages entdeckt sie in der Garage ein altes Motorrad, das es schafft bei ihrem Vater die Erinnerungen an längst vergangene Zeiten wachzurufen, als er in Argentinien Mitglied einer Motorradgang war. Um ihrem Vater näher zu kommen und mit der Hoffnung, seine Krankheit durch die Erinnerungen an die Vergangenheit aufhalten zu können, sucht sie gemeinsam mit ihrem Vater nach einem Mechaniker, der die alte Harley ihres Vaters kostengünstig wieder in Stand setzen könnte.
Dabei lernt sie Emilio kennen. Gutaussehend, nett, ein begabter und günstiger Mechaniker und das Beste: im Gegensatz zu ihren Freundinnen meidet er Judes Vater nicht, sondern akzeptiert ihn so wie er ist, -in seinen guten, aber auch in seinen hilflosen Momentan. Jude täte der zuverlässige Anker gut, nachdem die Last der Krankheit ihres Vaters alleine auf ihren Schultern liegt. Es gibt nur ein Problem: Emilio ist ein Vargas, und nachdem zwei seiner Brüder zwei ihrer Schwestern in der Vergangenheit das Herz gebrochen haben, haben die Hernandez-Schwestern einen Blutschwur auf das Buch der gebrochenen Herzen (The Book of Broken Hearts) geschworen, sich nie wieder mit einem Vargas einzulassen...

"Der Knallertag, den ich bis dato gehabt hatte?
Ging. In. Flammen. Auf.
Der einzige Mensch in ganz Blackfeather, der uns helfen konnte – der Kerl, den wir gerade unbedingt hatten anheuern müssen –, war ausgerechnet der, den zu ignorieren ich den weiblichen Mitgliedern der Hernandez-Familie bei meinem Blut, bei meiner Ehre und unter Androhung des Verlustes sämtlicher Gliedmaßen geschworen hatte."


Die Romeo-und-Julia-Thematik nimmt dabei auf angenehme Weise eine sehr moderate Rolle ein und lässt einem anderen Aspekt vortritt: Judes Umgang mit der Krankheit ihres Vaters. Sarah Ockler hat ein sehr trauriges aber realistisches Bild der Krankheit "Alzheimer" gezeichnet, welche in Jugendbüchern ja eher selten eine große Rolle spielt. Dabei kann man einiges lernen, besonders spannend ist es aber zu sehen, wie Jude den ständigen Spagat zwischen Fürsorge für ihren Vater und der Gestaltung ihres eigenen Lebens meistern muss.
Statt unbeschwert das College beginnen zu können, wie andere in ihrem Alter, sich vielleicht fröhlich zu verlieben und ihre Zukunft zu gestalten, muss sie sich mit Krankheit, Sterben und Tod auseinander setzen, sich um den Haushalt kümmern, organisieren und vor allem stark sein. Für ihren Vater da sein. Erleben, wie seine Persönlichkeit vor ihren Augen verschwindet, während sie um letzte gemeinsame Erlebnisse mit ihm kämpft.

Die 17 jährige Jude Hernandez ist ein sehr wechselhaftes Mädchen, was es einen manchmal schwer macht sie zu mögen. Zu Beginn erschien sie mir ein kleines bisschen zu Girly-mäßig, bis wir verstehen konnten, dass das alles bloß eine Fassade war und sie eigentlich leidet und überfordert ist. Sie ist wirklich ein unglaublich selbstloser Familienmensch, der alles dafür geben würde, ihren Papi wieder gesund zu sehen und kümmert sich rührend um ihn. Erst dachte ich, dass Jude deshalb total furchtlos und stark sein muss, so etwas durchzuziehen, aber das ist sie nicht. In dem ganzen Wirrwarr leidet sie aber sehr unter ihrem fehlenden Selbstbewusstsein und fühlt sich oft einsam und nicht beachtet, als vierte Tochter, die immer nur die Klamotten ihrer Schwestern trägt und viele Erinnerungen bloß erzählt bekommen hat. Da sie immer versucht es jeden recht zu machen, geschehen ihr immer wieder Fehler die so unnötig sind, dass es schon schmerzt. Ihre eigene Meinung wird sehr stark von ihren älteren Schwestern geprägt. Jedes Mal, wenn Jude drüber nachdenkt, ob der Junge vielleicht doch der Richtige ist, kommen doch schnell die Worte des Schwurs in ihren Kopf und sagt gleich „Nein das geht nicht, meine Schwestern würden es nicht wollen". Dadurch macht es umso mehr Spaß zu sehen, wie sie lernt, sich selbst zu finden und ihre entdeckte Meinung dann auch durchzusetzen. Als sie das dann schafft, habe ich sie immer mehr gemocht.


"Es gab kein Zurück zu dem, was gewesen war, weil alles, was man bekam, stets das war, was ist.
Ein Augenblick. Dann noch einer. Was man mit dem Augenblick anfing, lag ganz bei einem selbst.
Bereue nichts."


Emilio Vargas ist einfach klasse. Er hat zwei ältere Brüder und seine Eltern kommen auch aus Argentinien, wo sein Vater auch lebt. Seine beiden Brüder sind aus dem Haus und er ist damals von der Highschool abgegangen und arbeitet inzwischen als Mechaniker in einer Motorradwerkstatt. Er hat ein Faible für Oldtimermotorräder und sagt natürlich sofort zu, als er gefragt wird, ob er die Harley von Judes Vater reparieren soll.
Auf den ersten Blick wirkt er, genau wie seine Brüder, wie ein Herzensbrecher, der nur mit den Frauen spielt, entpuppt sich aber als ehrlicher Kerl. Er ist charmant, lustig, verführerisch und gibt wunderbare Ratschläge, die einen wahren Kern haben. Er kann zwar manchmal ein ganz schön nerviger Angeber sein, aber man kann sich seinem Charme als Leserin trotzdem nicht entziehen und schließt ihn sofort ins Herz.


"Emilio und seine Brüder waren zu Mittelstufenzeiten öfter Gegenstand von Jude-und-Zoe-Schmachtorgien gewesen als die Cullens, die Lightwoods oder irgendwelche anderen geheimnisvollen, wenngleich erfundenen bösen Jungs, für die wir damals geschwärmt hatten, und sie wäre ausgeflippt, wenn sie gewusst hätte, dass er wieder aufgetaucht war. Bei mir zu Hause. Und den ganzen Sommer bleiben würde."

Dann gibt es da noch Zoe, eine von Judes Freundinnen. Zuerst lernen wir die beiden als Pech und Schwefel kennen, aber im laufe der Geschichte, zieht sich Zoe immer mehr zurück. Anders als Emilio kann sie nicht mit der Krankheit von Judes Vater umgehen, fühlt sich in seiner Gegenwart unwohl und versteht Judes Probleme nicht. Es ist sehr schade zu sehen, wie die beiden oft aneinander geraten und die Freundschaft immer mehr bröckelt.

Judes Vater war aber mein Lieblingscharakter. Es tat mir wirklich unfassbar leid, dass er in seinem Alter schon mit dieser verdammten Krankheit zu kämpfen hat. Er kommt überhaupt nicht damit klar und rastet immer öfter aus, weil er etwas vergisst und ist nur wirklich klar, wenn er von seiner Zeit in Argentinien spricht, als er noch mit seiner Harley Valentina die Straßen unsicher gemacht hat. Eigentlich ist er ein wirklich lieber Vater, doch er kann den Kampf gegen den Schwund seines Gedächtnisses nicht gewinnen. Früher oder später muss es und seine Familie das akzeptieren. Als das Ende des Buches kam, brachten mich seine Worte fast zum Weinen, ich hätte ihm am liebsten in den Arm genommen.

"Ich erinnere mich an alles, was mit diesem Motorrad zusammenhängt. Wir werden El Demonio schon zeigen, wer hier der Boss ist, he, Juju?" So nannte er es - den Dämon. Das teuflische Ding, das sich durch sein Gehirn fraß und seine Erinnerungen verschlang."


Doch natürlich ist die Geschichte nicht nur traurig, sondern auch romantisch und schön. Das sie Geschichte in ihrem Zwiespalt an keiner Stelle kitschig wird, sondern immer authentisch und realistisch bleibt, fand ich wirklich bemerkenswert. Die Beziehung zwischen Emilio und Jude wirken so zerbrechlich und wackelig, was sehr gut zur Gesamtsituation passt.
Erwähnenswert ist an dieser Stelle außerdem der Einwanderungs-Hintergrund der Charaktere, der der Geschichte noch ein bisschen Pepp verleiht: Judes Familie hat argentinische Wurzeln, Emilios Familie stammt aus Puerto Rico. Ein gewisses Feuer merkt man dem schwungvollen Stil durchaus an! Spanische Wörter, scharfe Essenskreationen und kulturelle Eigenheiten finden sich immer wieder.


'"Bilder erzählen einem sowieso nicht die ganze Geschichte. Das war eine andere Sache an ihnen - sie waren stets ein sorgfältig ausgewählter flüchtiger Eindruck, eine Momentaufnahme, die man aus dem Zusammenhang gerissen hatte. Meine Bilder von Papi und Emilio und ihrer Arbeit am Motorrad fingen die Erfolge ein, die guten Tage, aber Papis Anfall in der Drogerie hatte ich nicht dokumentiert. Die Arzttermine. Die Sorgenfalten, die sich im Zuge der vielen schlechten Nachrichten in Moms Gesicht gruben."


Nun noch ein paar Worte zum Schreibstil, den ich wirklich super gelungen finde! Die Geschichte wird aus Judes Perspektive erzählt und ist entsprechend jugendlich locker geschrieben. Dabei tritt immer mal wieder ihr sarkastischer Humor zu Tage, aber auch die ernsthaft beschriebenen Situationen mit ihrem Vater klingen authentisch. Dabei entwickelt sich der Stil eindeutig mit Jude mit - weniger luftig, immer ernster und auch tiefgründiger.
Eine schöne Mischung, die gut zur Geschichte passt und sich gut lesen lässt. Die Kapitel sind außerdem nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz - haben also die perfekte Länge, was für mich als typische Kapitelleserin von Vorteil ist.


"Ist das der Mechaniker?" Mari bildete die Worte stumm mit den Lippen. "Heiß!" Ich versuchte auf meinem Stuhl tiefer zu rutschen, aber es gab kein Entkommen, daher grinste ich bloß und hoffte, Pancake würde anfangen, Französisch zu sprechen, damit ich erstaunt tun und 'Oh Mein Gott, Leute! Der Hund hat Bonjour gesagt!' rufen konnte."


Das Ende ist dann bittersüß. Zum einen traurig, zum anderen aber schön. Eigentlich genau, wie das restliche Buch auch: Jugendbuch mit einer bittersüßen Note.

So... zum Abschluss noch mein Lieblingszitat:

"So war das mit Bildern. Egal wie wunderschön sie waren, es gelang ihnen nicht, den Teil des Augenblicks einzufangen, der sich aus tief empfundenen Gefühlen speiste. Das Leben war durch eine Linse betrachtet ein anderes, die Farben leuchteten weniger, die Schönheit besaß weniger Glanz."


Fazit:

Ein sommerlicher Liebesroman mit Tiefgang. Insgesamt sehr empfehlenswert, also nicht von Klapptext, Cover und Titel täuschen lassen!!!

Veröffentlicht am 03.08.2017

Ein sommerlicher Liebensroman mit Tiefgang

Verlieb dich nie in einen Herzensbrecher
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Allgemeines:

Titel: Verlieb dich nie in einen Herzensbrecher
Autor: Sarah Ockler
Genre: Roman
ISBN-10: 3570309703
ISBN-13: 978-3570309704
ASIN: B00D1S9BY4
Originaltitel: "The Book Of Broken Hearts"
Preis: ...

Allgemeines:

Titel: Verlieb dich nie in einen Herzensbrecher
Autor: Sarah Ockler
Genre: Roman
ISBN-10: 3570309703
ISBN-13: 978-3570309704
ASIN: B00D1S9BY4
Originaltitel: "The Book Of Broken Hearts"
Preis: 8,99€ (Kindle-Edition)
9,99€ (Taschenbuch)
12,99€ (gebundene Ausgabe)



Inhalt:

Wenn dein Glück den falschen Namen trägt:
"Ich, Jude Hernandez, schwöre, mich niemals, nie, unter gar keinen Umständen, egal ob sie sich meiner Kontrolle entziehen oder nicht, selbst wenn das Schicksal der Menschheit davon abhängen sollte, selbst wenn mein eigenes Leben in Gefahr wäre, mit einem Vargas einzulassen."

Jude Hernandez hat eine Menge von ihren Schwestern gelernt, aber die wichtigste Regel lautet: Verlieb dich nie in einen Vargas! Sogar einen Blutseid hat sie darauf geschworen. Jetzt lebt Jude als einzige der Schwestern noch bei ihren Eltern, es ist der letzte Sommer vor dem College. Um ihren kranken Vater aufzuheitern, hat sie einen jungen Mechaniker angeheuert, der das Vintage-Motorrad ihres Vaters reparieren soll. Kann sie etwas dafür, wenn er gut aussieht? Und unerwartet süß ist? Und Emilio Vargas heißt? Schließlich handelt es sich um eine reine Geschäftsbeziehung und von einer Vargas-Flirtattacke lässt sie sich schon mal gar nicht durcheinander bringen. Aber Judes eiserne Abwehr erhält erste Risse. Wird zum dritten Mal ein Vargas das Herz einer Hernandez brechen?



Bewertung:


Erster Satz: "Das Gesetz der Wahrscheinlichkeit sieht vor, dass ein Mädchen mit drei älteren Schwestern wenigstens ein Paar süße Shorts erben sollte, die ihm tatsächlich passen."


"Verlieb dich nie in einen Herzensbrecher", hatte ich mir irgendwann mal auf meinen E-Reader gezogen, wo es langsam vor sich hin gammelte, bis ich vor einiger Zeit wieder darauf gestoßen bin und mich erbarmt habe, es zu lesen. Zuerst habe ich genau das erhalten, was mir Cover und Klapptext versprochen haben: eine nette und unterhaltsame Teenie-Geschichte. Zwei verfeindete Familien à la "Romeo und Julia", ein junges Mädchen, das sich ausgerechnet in ein Mitglied dieser anderen Familie verliebt, doch dann ... dann hat es mich positiv überrascht. Denn nach einem mittelmäßigen Einstieg entpuppt sich das Buch als eine bittersüße Geschichte über Verluste und den Umgang damit, verpackt in einer liebenswerten Teenagergeschichte um die erste große Liebe und Allem, was dazu gehört.

Das Cover ist furchtbar! Ich finde es im Prinzip gar nicht so schlecht, da es sehr schön sommerlich und fröhlich aussieht. Ein hübsches Pärchen, das mitten im Sommer auf einer grünen Wiese sitzt. Aber nur im Prinzip - denn zu dieser Geschichte passt es mit dieser 0815-Liebes-Manier absolut nicht! Genau wie der Klapptext, der auch nur die Oberfläche streift, hat es mich in gewisser Weise lange Zeit davon abgehalten, es zu lesen, da man einfach eine nette Sommerromanze erwartet. Das finde ich sehr schade, da das Buch doch viel mehr als das beinhaltet. Auch der Titel ist mir ein Dorn im Auge. Der Originaltitel "The Book of Broken Hearts" passt da meiner Meinung nach viel besser, da er auf das Buch anspielt, in das die Hernandez Schwestern ihren Liebeskummer aufschreiben und es dann immer an die jüngere Schwester weitergeben. Eben "das Buch der gebrochenen Herzen". Dieses Buch spielt noch eine Rolle in der Handlung und hat außerdem auch eine aussagekräftige, symbolische Wirkung, die an Jugend und Kindheit erinnert. Wer das Buch gelesen hat, versteht, was ich meine.

"Papi hatte alle Monster unter meinem Bett verjagt, mich über jeden Schmerz hinweggetröstet, und jetzt schloss ich die Augen und gestattete mir, so zu tun - nur eine Minute lang -, als würde er wider zu seiner alten Stärke zurückfinden. Als wäre er da, um meine Tränen zu trocknen, Mond und Sterne wieder aufhängen, wenn sie vom Himmel gefallen waren. Als würde er stets der Kluge sein, derjenige mit den richtigen Worten und Versprechen.
Als würden wir niemals die Plätze auf dieser Bank tauschen müssen."


Nun aber wirklich zum Inhalt:
Jude ist die jüngste von vier Schwestern und die letzte, die noch zuhause bei ihren Eltern wohnt. Diesen Sommer verbringt sie weder mit ihren Freundinnen im Schwimmbad noch nimmt sie an der Aufführung der Theatergruppe teil: bei ihrem Vater wurde, mit gerade mal 52 Jahren, früheinsetzende Alzheimer festgestellt, und da ihre Schwestern weit von ihrem Elternhaus entfernt wohnen und die Mutter arbeiten geht, kümmert sich Jude um ihren Vater, den sie bloß liebevoll Papi nennt.
Eines Tages entdeckt sie in der Garage ein altes Motorrad, das es schafft bei ihrem Vater die Erinnerungen an längst vergangene Zeiten wachzurufen, als er in Argentinien Mitglied einer Motorradgang war. Um ihrem Vater näher zu kommen und mit der Hoffnung, seine Krankheit durch die Erinnerungen an die Vergangenheit aufhalten zu können, sucht sie gemeinsam mit ihrem Vater nach einem Mechaniker, der die alte Harley ihres Vaters kostengünstig wieder in Stand setzen könnte.
Dabei lernt sie Emilio kennen. Gutaussehend, nett, ein begabter und günstiger Mechaniker und das Beste: im Gegensatz zu ihren Freundinnen meidet er Judes Vater nicht, sondern akzeptiert ihn so wie er ist, -in seinen guten, aber auch in seinen hilflosen Momentan. Jude täte der zuverlässige Anker gut, nachdem die Last der Krankheit ihres Vaters alleine auf ihren Schultern liegt. Es gibt nur ein Problem: Emilio ist ein Vargas, und nachdem zwei seiner Brüder zwei ihrer Schwestern in der Vergangenheit das Herz gebrochen haben, haben die Hernandez-Schwestern einen Blutschwur auf das Buch der gebrochenen Herzen (The Book of Broken Hearts) geschworen, sich nie wieder mit einem Vargas einzulassen...

"Der Knallertag, den ich bis dato gehabt hatte?
Ging. In. Flammen. Auf.
Der einzige Mensch in ganz Blackfeather, der uns helfen konnte – der Kerl, den wir gerade unbedingt hatten anheuern müssen –, war ausgerechnet der, den zu ignorieren ich den weiblichen Mitgliedern der Hernandez-Familie bei meinem Blut, bei meiner Ehre und unter Androhung des Verlustes sämtlicher Gliedmaßen geschworen hatte."


Die Romeo-und-Julia-Thematik nimmt dabei auf angenehme Weise eine sehr moderate Rolle ein und lässt einem anderen Aspekt vortritt: Judes Umgang mit der Krankheit ihres Vaters. Sarah Ockler hat ein sehr trauriges aber realistisches Bild der Krankheit "Alzheimer" gezeichnet, welche in Jugendbüchern ja eher selten eine große Rolle spielt. Dabei kann man einiges lernen, besonders spannend ist es aber zu sehen, wie Jude den ständigen Spagat zwischen Fürsorge für ihren Vater und der Gestaltung ihres eigenen Lebens meistern muss.
Statt unbeschwert das College beginnen zu können, wie andere in ihrem Alter, sich vielleicht fröhlich zu verlieben und ihre Zukunft zu gestalten, muss sie sich mit Krankheit, Sterben und Tod auseinander setzen, sich um den Haushalt kümmern, organisieren und vor allem stark sein. Für ihren Vater da sein. Erleben, wie seine Persönlichkeit vor ihren Augen verschwindet, während sie um letzte gemeinsame Erlebnisse mit ihm kämpft.

Die 17 jährige Jude Hernandez ist ein sehr wechselhaftes Mädchen, was es einen manchmal schwer macht sie zu mögen. Zu Beginn erschien sie mir ein kleines bisschen zu Girly-mäßig, bis wir verstehen konnten, dass das alles bloß eine Fassade war und sie eigentlich leidet und überfordert ist. Sie ist wirklich ein unglaublich selbstloser Familienmensch, der alles dafür geben würde, ihren Papi wieder gesund zu sehen und kümmert sich rührend um ihn. Erst dachte ich, dass Jude deshalb total furchtlos und stark sein muss, so etwas durchzuziehen, aber das ist sie nicht. In dem ganzen Wirrwarr leidet sie aber sehr unter ihrem fehlenden Selbstbewusstsein und fühlt sich oft einsam und nicht beachtet, als vierte Tochter, die immer nur die Klamotten ihrer Schwestern trägt und viele Erinnerungen bloß erzählt bekommen hat. Da sie immer versucht es jeden recht zu machen, geschehen ihr immer wieder Fehler die so unnötig sind, dass es schon schmerzt. Ihre eigene Meinung wird sehr stark von ihren älteren Schwestern geprägt. Jedes Mal, wenn Jude drüber nachdenkt, ob der Junge vielleicht doch der Richtige ist, kommen doch schnell die Worte des Schwurs in ihren Kopf und sagt gleich „Nein das geht nicht, meine Schwestern würden es nicht wollen". Dadurch macht es umso mehr Spaß zu sehen, wie sie lernt, sich selbst zu finden und ihre entdeckte Meinung dann auch durchzusetzen. Als sie das dann schafft, habe ich sie immer mehr gemocht.


"Es gab kein Zurück zu dem, was gewesen war, weil alles, was man bekam, stets das war, was ist.
Ein Augenblick. Dann noch einer. Was man mit dem Augenblick anfing, lag ganz bei einem selbst.
Bereue nichts."


Emilio Vargas ist einfach klasse. Er hat zwei ältere Brüder und seine Eltern kommen auch aus Argentinien, wo sein Vater auch lebt. Seine beiden Brüder sind aus dem Haus und er ist damals von der Highschool abgegangen und arbeitet inzwischen als Mechaniker in einer Motorradwerkstatt. Er hat ein Faible für Oldtimermotorräder und sagt natürlich sofort zu, als er gefragt wird, ob er die Harley von Judes Vater reparieren soll.
Auf den ersten Blick wirkt er, genau wie seine Brüder, wie ein Herzensbrecher, der nur mit den Frauen spielt, entpuppt sich aber als ehrlicher Kerl. Er ist charmant, lustig, verführerisch und gibt wunderbare Ratschläge, die einen wahren Kern haben. Er kann zwar manchmal ein ganz schön nerviger Angeber sein, aber man kann sich seinem Charme als Leserin trotzdem nicht entziehen und schließt ihn sofort ins Herz.


"Emilio und seine Brüder waren zu Mittelstufenzeiten öfter Gegenstand von Jude-und-Zoe-Schmachtorgien gewesen als die Cullens, die Lightwoods oder irgendwelche anderen geheimnisvollen, wenngleich erfundenen bösen Jungs, für die wir damals geschwärmt hatten, und sie wäre ausgeflippt, wenn sie gewusst hätte, dass er wieder aufgetaucht war. Bei mir zu Hause. Und den ganzen Sommer bleiben würde."

Dann gibt es da noch Zoe, eine von Judes Freundinnen. Zuerst lernen wir die beiden als Pech und Schwefel kennen, aber im laufe der Geschichte, zieht sich Zoe immer mehr zurück. Anders als Emilio kann sie nicht mit der Krankheit von Judes Vater umgehen, fühlt sich in seiner Gegenwart unwohl und versteht Judes Probleme nicht. Es ist sehr schade zu sehen, wie die beiden oft aneinander geraten und die Freundschaft immer mehr bröckelt.

Judes Vater war aber mein Lieblingscharakter. Es tat mir wirklich unfassbar leid, dass er in seinem Alter schon mit dieser verdammten Krankheit zu kämpfen hat. Er kommt überhaupt nicht damit klar und rastet immer öfter aus, weil er etwas vergisst und ist nur wirklich klar, wenn er von seiner Zeit in Argentinien spricht, als er noch mit seiner Harley Valentina die Straßen unsicher gemacht hat. Eigentlich ist er ein wirklich lieber Vater, doch er kann den Kampf gegen den Schwund seines Gedächtnisses nicht gewinnen. Früher oder später muss es und seine Familie das akzeptieren. Als das Ende des Buches kam, brachten mich seine Worte fast zum Weinen, ich hätte ihm am liebsten in den Arm genommen.

"Ich erinnere mich an alles, was mit diesem Motorrad zusammenhängt. Wir werden El Demonio schon zeigen, wer hier der Boss ist, he, Juju?" So nannte er es - den Dämon. Das teuflische Ding, das sich durch sein Gehirn fraß und seine Erinnerungen verschlang."


Doch natürlich ist die Geschichte nicht nur traurig, sondern auch romantisch und schön. Das sie Geschichte in ihrem Zwiespalt an keiner Stelle kitschig wird, sondern immer authentisch und realistisch bleibt, fand ich wirklich bemerkenswert. Die Beziehung zwischen Emilio und Jude wirken so zerbrechlich und wackelig, was sehr gut zur Gesamtsituation passt.
Erwähnenswert ist an dieser Stelle außerdem der Einwanderungs-Hintergrund der Charaktere, der der Geschichte noch ein bisschen Pepp verleiht: Judes Familie hat argentinische Wurzeln, Emilios Familie stammt aus Puerto Rico. Ein gewisses Feuer merkt man dem schwungvollen Stil durchaus an! Spanische Wörter, scharfe Essenskreationen und kulturelle Eigenheiten finden sich immer wieder.


'"Bilder erzählen einem sowieso nicht die ganze Geschichte. Das war eine andere Sache an ihnen - sie waren stets ein sorgfältig ausgewählter flüchtiger Eindruck, eine Momentaufnahme, die man aus dem Zusammenhang gerissen hatte. Meine Bilder von Papi und Emilio und ihrer Arbeit am Motorrad fingen die Erfolge ein, die guten Tage, aber Papis Anfall in der Drogerie hatte ich nicht dokumentiert. Die Arzttermine. Die Sorgenfalten, die sich im Zuge der vielen schlechten Nachrichten in Moms Gesicht gruben."


Nun noch ein paar Worte zum Schreibstil, den ich wirklich super gelungen finde! Die Geschichte wird aus Judes Perspektive erzählt und ist entsprechend jugendlich locker geschrieben. Dabei tritt immer mal wieder ihr sarkastischer Humor zu Tage, aber auch die ernsthaft beschriebenen Situationen mit ihrem Vater klingen authentisch. Dabei entwickelt sich der Stil eindeutig mit Jude mit - weniger luftig, immer ernster und auch tiefgründiger.
Eine schöne Mischung, die gut zur Geschichte passt und sich gut lesen lässt. Die Kapitel sind außerdem nicht zu lang, aber auch nicht zu kurz - haben also die perfekte Länge, was für mich als typische Kapitelleserin von Vorteil ist.


"Ist das der Mechaniker?" Mari bildete die Worte stumm mit den Lippen. "Heiß!" Ich versuchte auf meinem Stuhl tiefer zu rutschen, aber es gab kein Entkommen, daher grinste ich bloß und hoffte, Pancake würde anfangen, Französisch zu sprechen, damit ich erstaunt tun und 'Oh Mein Gott, Leute! Der Hund hat Bonjour gesagt!' rufen konnte."


Das Ende ist dann bittersüß. Zum einen traurig, zum anderen aber schön. Eigentlich genau, wie das restliche Buch auch: Jugendbuch mit einer bittersüßen Note.

So... zum Abschluss noch mein Lieblingszitat:

"So war das mit Bildern. Egal wie wunderschön sie waren, es gelang ihnen nicht, den Teil des Augenblicks einzufangen, der sich aus tief empfundenen Gefühlen speiste. Das Leben war durch eine Linse betrachtet ein anderes, die Farben leuchteten weniger, die Schönheit besaß weniger Glanz."


Fazit:

Ein sommerlicher Liebesroman mit Tiefgang. Insgesamt sehr empfehlenswert, also nicht von Klapptext, Cover und Titel täuschen lassen!!!

Veröffentlicht am 03.08.2017

Lehrreiches Buch mit Feingefühl

Er hieß Jan
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Allgemeines:

Titel: Er hieß Jan
Autor: Irina Korschunow
Genre: Drama
ISBN-10: 3423782846
ISBN-13: 978-3423782845
Preis: 5,99€ (Kindle-Edition)
7,95€ (Taschenbuch)
12,99€ (Gebundene Ausgabe)
Link: Hier ...

Allgemeines:

Titel: Er hieß Jan
Autor: Irina Korschunow
Genre: Drama
ISBN-10: 3423782846
ISBN-13: 978-3423782845
Preis: 5,99€ (Kindle-Edition)
7,95€ (Taschenbuch)
12,99€ (Gebundene Ausgabe)
Link: Hier klicken!
! Erhielt 1987 den Roswitha-Preis!


Inhalt:

Zwei Bäuerinnen und ein französischer Kriegsgefangener verstecken die siebzehnjährige Regine. In der Rückblende erfahren wir, was geschehen ist: Regine hat den polnischen Zwangsarbeiter Jan kennen gelernt. Anfänglich wollte sie mit dem »polnischen Untermenschen« nichts zu tun haben. Nach und nach aber beeindruckt sie der junge Mann tief. Die nun beginnende Liebesgeschichte bringt beide in tödliche Gefahr...


Über die Autorin:

Auch wenn ich sonst nicht oft etwas über die Autoren der Bücher schreibe, die ich vorstelle (da ich finde, dass der Lebenslauf nicht viel zur Entscheidung, ob man ein Buch liest oder nicht beiträgt), finde ich das Lebenswerk von Irina Korschunow einfach sehr beeindruckend und will ihn deshalb nochmals anführen. Lest selbst:

Irina Korschunow stammt aus einer deutsch-russischen Familie. Sie wurde am 31. Dezember 1925 in Stendal geboren und ist auch dort aufgewachsen. Sie studierte Germanistik in Göttingen und schrieb sich vor allem mit ihren Kinderbüchern in die Herzen ihrer Leser. Am 31. Dezember 2013 ist sie in München verstorben.
Als Kinderbuchautorin wurde sie zunächst durch ihre ›Wawuschel‹-Bände bekannt. Neben zahlreichen weiteren Kinderbüchern, die in viele Sprachen übersetzt und vielfach mit Preisen bedacht worden sind, wurden besonders ihre Erstlesetexte ›Hanno malt sich einen Drachen‹ und ›Der Findefuchs‹ große Erfolge und zählen längst zu Klassikern ihres Genres.
Neben unzähligen Kinderbüchern legte Irina Korschunow auch drei sehr erfolgreiche Jugendromane vor, die zeitnahe Probleme behandeln. In letzter Zeit ist Irina Korschunow besonders durch Romane für Erwachsene hervorgetreten, die große Beachtung fanden.

Für ihr Gesamtwerk erhielt sie die Roswitha-Gedenkmedaille, den Literaturpreis der Stadt Gandersheim. Irina Korschunow über ihr künstlerisches Selbstverständnis:

»Autorin, ganz einfach Autorin. Unter anderem deshalb, weil dann den Leuten, die sich theoretisch mit mir zu befassen haben, die Einordnung meiner schreibenden Person leichter fiele. Denn es gibt von mir neben Büchern für Kinder auch Bücher für Erwachsene, Grund für mancherlei Schwierigkeiten offenbar. Als ›Kinderbuchautorin und Schriftstellerin‹ hat man mich schon bezeichnet, in säuberlichem Kästchendenken, und sogar hin und her überlegt, ob ich vielleicht ein bisschen schizophren sei. Worüber sämtliche Schichten in mir, das Kind, der junge Mensch, der ältere, immer ältere, all das, was sich so übereinander schiebt im Laufe eines Lebens, nun wirklich lachen mussten.«

Allein bei dtv junior hat die Zahl ihrer verkauften Bände längst die Zweimillionengrenze überschritten, viele ihrer Bücher sind auch als Schullektüre bestens etabliert.



Bewertung:

Erster Satz: "Acht Quadratmeter, mehr nicht. Vier weiße Wände, ein Fenster, ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Ofen...

Schon als Kind habe ich ihre Geschichten geliebt. "Hanno malt sich einen Drachen" oder "Der Findefuchs" gehörten zu meinen Erstlesebüchern, sie hat mich also schon früh beeinflusst. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich ein Erwachsenenbuch von dieser Autorin gefunden habe.

Es gibt zugegebenermaßen viele Bücher über den zweiten Weltkrieg, doch diese Geschichte ist irgendwie anders. Die Geschichte des Lebens während des Krieges aus der Sicht eines deutschen Mädchens zu erzählen, die durch eine Liebesbeziehung mit einem polnischen Zwangsarbeiter in tödliche Gefahr gebracht wurde, ist eine sehr abwechslungsreiche und neue Art der perspektivischen Darstellung.


Das Buch beginnt ziemlich unverblümt mit der Flucht der Protagonistin Regine, die ihre derzeitige Zufluchtsstätte beschreibt. Ihr habt es oben gelesen: "Acht Quadratmeter, mehr nicht. Vier weiße Wände, ein Fenster, ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, ein Ofen...". Viel hat die junge Frau nicht, fühlt sie eingesperrt, hoffnungslos, verängstigt und alleine. Man wird von ihren Emotionen geradezu überwältigt, obwohl man noch nicht einmal weiß, was eigentlich passiert war. Wir werden ganz langsam durch die Erinnerfetzen und Mini-Rückblenden gefüttert, die im Buch verstreut sind und erfahren, wie sie Jan kennenlernte und damit alles anders wurde. Der Einstieg ist alles andere als leicht, durch stetige Informationszufuhr wird die Story aber am Laufen gehalten und wir erfahren, wo sich Regine befindet, wer die anderen Personen sind und welche Einstellung sie eigentlich hatte. Sehr einfühlsam wird dem Leser durch viele Rückblenden gezeigt, wie es eigentlich zu ihrer Flucht kam, warum sie ihre Einstellung geändert hat, warum sie auf dem Bauernhof untertauchen konnte und nebenher bekommen wir auch den zweiten Weltkrieg gut aufgeklärt, aber eben in einer weniger schrecklichen, jugendgerechten Fassung.

Nun zum genauen Inhalt, der meiner Meinung nach im Klapptext des Buches mehr schlecht als Recht getroffen wurde:
Als die 17jährige Regine 1944 den jungen polnischen Zwangsarbeiter Jan in einer Gärtnerei kennenlernt, ist sie eine überzeugte Nationalsozialistin.
Sie hält Jan für einen 'Untermenschen' und will nichts mit ihm zu tun haben. Doch dann verliebt sich Regine in Jan. Sie müssen sich heimlich treffen, denn nach den nationalsozialistischen Gesetzen ist eine solche Beziehung verboten und eine tödliche Gefahr. Erst durch ihre Liebe zu Jan nimmt Regine die menschenunwürdige Behandlung der 'Fremdarbeiter' wahr und erkennt die Sinnlosigkeit. Ihr Glaube an die nationalsozialistischen Ideale zerbricht.
Regine und Jan werden an die Gestapo verraten und festgenommen. Vor den Augen der neugierigen Nachbarn scheren die Gestapo-Männer Regine das Haar und beschimpfen sie als „Polenhure". Regine schneidet man die Haare ab, als es nachts erneut Fliegeralarm gibt, lässt der Wärter Regine frei, da das Gefängnis bereits getroffen wurde. Sie flüchtet zum Henninghof, wo sie im Sommer bei der Ernte geholfen hat. Die Bäuerin versteckt sie in der Giebelkammer. Was aus Jan geworden ist, weiß sie nicht, sie befürchtet, dass er von den Nationalsozialisten getötet wurde. Doch was wird jetzt aus ihr?

Wie gesagt, basiert ein Großteil der Geschichte auf Rückblenden, was das Lesen etwas schwierig, aber sehr interessant macht. Das Buch ist in der Ich-Form geschrieben und schildert die Ereignisse im Rückblick aus Regines Sicht. Regine berichtet aus der Giebelkammer über die Ereignisse mit Jan, den Krieg sowie das gegenwärtige Geschehen auf dem Hof. Durcheinander, unchronologisch, unreflektiert und ungeschönt erfahren wir langsam, was passiert ist und lernen die einzelnen Personen kennen. Ihre Mutter, die eigentlich ein guter Mensch ist, aber für die jedes Wort Hitlers Gesetz ist; Ihre Großmutter, für die Ordnung die Welt ist; Herr Steffens, bei dem Jan wohnt wie viele andere Zwangsarbeiter; Jan, der so anders ist und gar nicht in Regines Weltbild passt und natürlich unsere Protagonistin selbst.
Zwischendurch wird das Leben auf dem Bauernhof geschildert und auch dort kann man sich die Personen lebhaft vorstellen.


"Ich möchte, dass wir den Krieg verlieren. Vor vier Monaten - wenn ich vor vier Monaten diese Worte gehört hätte, ich wäre zur Polizei gegangen. Einer, der uns in den Rücken fällt, den Soldaten, der Heimat, dem Führer. Ich hätte ihn angezeigt, vor vier Monaten noch. Auch damals hieß ich Regine Martens, hatte blonde Haare, graue Augen, war 158 groß, schlank, mit langen Beinen. Genau wie heute."


Die 17-jährige Regine war mir zu Beginn wirklich unsympathisch, da sie blind den Nazi-Idealen hinterherlief und nichts hinterfragte, was ihr gesagt wurde. Sehr interessant war es dann zu sehen, wie sie sich langsam entwickelte, begann, Fragen zu stellen und ihr Weltbild zu überdenken.
Zuerst glaubte sie und ihre Mutter noch felsenfest an den Teilsieg Polens und den Endsieg Deutschlands im Krieg, denn ihre norddeutsche Stadt Steinbergen und deren 30000 Einwohner waren bisher noch von Bomben- und Giftgasangriffen verschont geblieben. Obwohl der Vater in Russland ist, verdrängt die junge Gymnasiastin die Gedanken an das Schicksal der jüdischen Mitbürger, der Anhänger von SPD und KPD, sowie der Kriegsgefangenen und Fremdarbeiter. Die Suche nach dem kleinen privaten Glück in Form von Tanzstunden oder zusätzlichen Essensrationen ohne Marken steht im Vordergrund. Dies ändert sich für Regine aber schlagartig, als sie den 22-jährigen polnischen Fremdarbeiter Jan kennen und lieben lernt.


**Achtung Spoiler:*

Diese eine Begegnung ändert alles:
Es ist der 12. September 1944, Regines 17. Geburtstag, nachts unmittelbar nach einem Fliegeralarm in der norddeutschen Stadt Steinbergen. Im Freien liegt ein verwundeter Pole, während sein Kollege nach Hilfe Ausschau hält. Als er Regine mit ihrer „Erste-Hilfe-Tasche“ erblickt, spricht er sie an und bittet sie um Hilfe. Obwohl Regine überzeugte Nationalsozialistin ist, leistet sie dem Polen Erste Hilfe. Am nächsten Morgen, als sie beim Gärtner Steffens Gemüse holen geht, sieht sie den Freund des verwundeten Polen wieder.
Der Student, dessen Vater gleich nach Kriegsbeginn von den Nazis in Polen umgebracht wurde, arbeitet in der Gärtnerei von Herrn Steffens, welcher ihn gut behandelt, weil er ihn an seinen eigenen Sohn erinnert, der Soldat in Russland ist, heißt Jan.
Regine erzählt, dass sie Geburtstag hat. Daraufhin lädt Herr Steffens die beiden auf einen Schnaps ein. Regine und Jan lernen sich besser kennen und verlieben sich ineinander. Sie treffen sich regelmäßig nachts in Herrn Steffens Schuppen. Dort reden sie über viele Dinge, insbesondere über den Krieg. Durch den Kontakt mit Jan verliert Regine allmählich ihre nationalsozialistische Überzeugung. Wie kann sie sich in jemanden verlieben, der nichts wert ist, keine Seele hat? So will sie aus der von den Nazis reglementierten Welt ausbrechen, nicht weil sie revolutionär ist, sondern weil sie sich gegen ihre Liebe nicht wehren kann. Rapide ändert sich ihre Einstellung, ihre Wahrnehmung, was man auch sehr gut an ihrem Berichtstil erkennen kann.
In einem Deutschaufsatz schreibt sie über die Sinnlosigkeit des Krieges und nur durch Jans Eingreifen wird sie dabei vor Schlimmerem bewahrt. Sie glaubt nun nicht mehr länger an die Propagandasprüche des NS-Systems und verrät sich beinahe während einer Geburtstagsfeier, als sie sich scharf gegen die Abwertung russischer Gefangener als Tiere wendet.
Ihre Entwicklung und die Geschichte enden dann auf dem Bauernhof, wo die Geschichte begann. Das dauernde Eingeschlossensein, die Angst vor nochmaliger Entdeckung ließen sie zuerst nicht zur Ruhe kommen. Doch nachdem sie die ganze Geschichte während der Erzählung des Buches reflektiert hat und mit fortschreitender Zeit, die nun im Gegensatz zu früher für sie langsam zu vergehen scheint, gelingt es ihr, durch Erinnerungen an die Vergangenheit, mit sich ins Reine zu kommen. Auch die Gespräche, die sie mit den drei Hofbewohnern der alten Bäuerin Frieda Henning, ihrer Tochter Gertrud Happke und dem französischen Kriegsgefangenen und Fremdarbeiter Maurice führen kann, helfen ihr bei diesem Selbstfindungsprozess. Am Schluss des Buches wird ihr mehr und mehr klar, dass sie den geliebten Jan wohl nicht wieder sehen wird. Aber sie hat nun keine Angst mehr vor
dem Weiterleben und will nach dem Ende des Krieges damit beginnen, »Spuren zu legen«, was Jan
einmal als den Sinn des Lebens bezeichnet hat.

*Spoiler Ende**


Die Geschichte von Regine und Jan vermittelt authentische Informationen über die Zeit des Nationalsozialismus und vor allem über Leben und Verhalten der Menschen in einer deutschen Stadt während des Krieges: Die unmenschliche Behandlung von Zwangsarbeitern, die Angst vor Denunziation und die Strafmaßnahmen gegenüber denen, die nationalsozialistische Gesetze missachteten. Sie erzählt aber auch von Menschen, die sich ihre Menschlichkeit bewahrten und anderen halfen.

Das Buch ist meiner Meinung nach allen Jugendlichen zu empfehlen, die sich in irgendeiner Form mit der Thematik beschäftigen, sei es in der Schule in Jugendgruppe oder auch zu Hause. Es sollte allerdings lieber nicht früher als 12 Jahre gelesene werden, da es sich um hierbei ein komplexes Thema handelt, das ohne eine gewisse Reife nicht verstanden und aufgearbeitet werden kann. Doch dieses Potential birgt dieser Roman auf jeden Fall!
Der Schreibstil Irina Korschunow ist wirklich beeindruckend: Sie schildert das Leben in Deutschland während des Krieges so genau, dass man fast denkt es wäre kein Roman so eine Auto-Biographie. Auch durch gekonnte Dialoge beweist sie immer wieder, dass sie das Handwerk des Schreibens exzellent beherrscht.

Das Ende des Buches ist ein wenig eigen. Mas steht kurz vor dem Ende des Krieges und geht daovn aus, dass dieser auch noch im Buch endet und Regine sich zumindest auf die Suche nach Jan machen kann. Doch das ist nicht der Fall, und das Buch endet einige Monate vorm Kriegsende. Das ist auf der einen Seite etwas schade, denn auch wenn man weiß, dass sie überleben wird, fehlt einfach der Abschluss der Liebesgeschichte. Auf der anderen Seite endet das Buch super mit einem Zitat Jans, das dem Leser klar macht, dass sie über ihn hinweg ist und neuen Mut gefunden hat, weiter zu leben, ob sie ihn nun findet - tot oder lebendig.


Fazit:

Ein lehrreiches Buch mit Feingefühl, das zugleich traurig und wunderschön ist und sich auf sehr interessante Weise mit den Geschehnissen des zweiten Weltkrieges auseinander setzt. Eine Empfehlung an alle!