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Veröffentlicht am 02.02.2020

Zu depressiv, zu einseitig, zu distanzlos und unnötig explizit

Three Women – Drei Frauen
1

Bestsellerlisten, breite Rezeption von fulminanter Begeisterung bis zum totalen Verriss, Preise, Diskussionen und zahlreiche Übersetzungen - Lisa Taddeo hat mit ihrem Debüt "Three Women" in den USA für ...

Bestsellerlisten, breite Rezeption von fulminanter Begeisterung bis zum totalen Verriss, Preise, Diskussionen und zahlreiche Übersetzungen - Lisa Taddeo hat mit ihrem Debüt "Three Women" in den USA für Aufsehen gesorgt. Der Hype hat mich neugierig gemacht genau wie all die wundervollen Blogger-Bilder auf Instagram und als der Piper-Verlag dann damit warb, es sei "das Buch der Stunde über weibliche Sexualität zwischen Lust und Macht", habe ich mit großer Neugier ein Rezensionsexemplar angefragt. Leider muss ich mich jetzt - 416 Seiten später - dreierlei fragen: Geht es hier wirklich vordergründig um die weibliche Sexualität oder nicht eher um Leid in Abhängigkeit und Selbstaufgabe? Ist der Blick wirklich weit genug gewählt um als "Buch der Stunde" betitelt werden zu können? Und vor allem: was will das Buch sein? Sachliche Reportage oder spannender Roman?

Es beginnt schon bei Cover und Genrebezeichnung. Während das Originalcover stilsicher aber zurückhalten Obst zeigt, hat sich der Piper Verlag für ein alternatives Motiv mit einer dunkelhaarigen Frau in Spitzenbustier entschieden, wodurch ich leider in Zusammenhang mit dem schwarzen Hintergrund und dem gelben Titel an einen Unterwäschekatalog erinnert wurde. Während der Originalverlag das Werk als "Sachbuch" verkaufte, ist "Three Women - Drei Frauen" in Deutschland als "Roman" klassifiziert. Genau diese Trennung ist wohl der Hauptgrund, weshalb ich lange nicht wusste, wie ich dieses Buch bewerten soll und eben diese Bewertung nach längerem Nachdenken nicht so positiv ausfällt, wie ich es vielleicht anfangs gehofft hatte. Denn im Endeffekt scheitert das "Three Women - Drei Frauen" an den Ansprüchen beider Genres: für einen Roman sind Schreibstil, Aufbau und Erzählweise sind nicht trickreich genug, um als Reportage oder Sachbuch durchzugehen sind aber hingegen die Grenzen zwischen Autorin und Erzählerinnen viel zu verwischt.


Erster Satz: "Als meine Mutter jung war, folgte ihr jeden Morgen ein Mann zur Arbeit, der nur wenige Meter hinter ihr masturbierte."


Um zu erklären, was ich mit "nicht trickreich genug" meine, schauen wir uns doch zuerst einmal an, wie sich das Buch als Roman schlägt. Lisa Taddeo erzählt episodenartig die Geschichte dreier Frauen jeweils aus deren Perspektive und springt dabei in der Zeit vor und zurück, sodass wir ihre drei Protagonistinnen immer wieder aus einer anderen Perspektive kennenlernen und gegen Ende einen umfassenden Eindruck ihres Lebens, ihrer Persönlichkeit und ihrer aktuellen Erlebnisse erhalten haben. Dabei ist es wichtig klarzustellen, dass wir hier keine rasante, stringent erzählte Liebes-/ oder Erotikgeschichte lesen. Stattdessen versucht sich Lisa Taddeo an einer Psychografie und gewährt dem Leser einen tiefen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonistinnen. Positiv daran ist, dass wir so Mitgefühl, Verständnis und Wut über die Nöte und die Bedürfnisse der Frauen entwickeln können und die eindrücklichen Geschehnisse mit dem Wissen, dass es sich hier um echte Geschichten handelt, noch mehr unter die Haut gehen. Die negative Kehrseite an der Intensität und Authentizität ist, dass die Autorin uns so schonungslos tief in die Köpfe von Sloane, Maggie und Lina blicken lässt, dass die düsteren, negativen Gefühle, die wir dort vorfinden, kaum zu ertragen sind. Es gab mehrere Stellen, an denen ich das Buch zur Seite legen und etwas anderes tun musste, weil mich das Geschilderte so mitgenommen und deprimiert hat. Dazu beigetragen hat auch die oft explizite, teilweise fast schon ekelhafte Darstellung von Sex-Szenen, in denen die Autorin oft abstoßende, tierische Vergleiche benutzt.


"Solange ihr nicht dieselben Schmerzen habt wie ich, solltet ihr mich nicht verurteilen. Frauen sollten sich nicht gegenseitig verurteilen, solange sie nicht durch das Feuer der anderen gegangen sind."


Ich empfand es von Beginn an als sehr schwierig, das Buch zu lesen, da es im Großen und Ganzen weder amüsant, noch schön, noch spannend ist, sondern einfach nur... intensiv. Die Autorin schreibt im Nachwort, die seit acht Jahre lang den Geschichten der drei Frauen gefolgt, habe Gespräche mit ihnen geführt, war teilweise selbst bei Geschehnissen anwesend und ist in die Städte gezogen, in denen die Frauen lebten, weil nur so Intensität möglich sei. Ich für meinen Teil hätte mir aber stattdessen eher ein wenig mehr Distanz zu den Dreien gewünscht und die Intensität liebend gerne gegen ein wenig Struktur und Spannung eingetauscht. Denn mich stieß die Geschichte an manchen Stellen nicht nur ab, triggerte oder überforderte mich - sie langweilte mich leider auch an einigen Stellen da viele ähnliche Szenen, Wiederholungen, Vorgriffe und Spoiler die Spannung zerstören. Ein weiteres Problem mit dem Selbstverständnis als Roman ist, dass die Geschichte nicht konsequent zu Ende erzählt ist. Das ist in Anbetracht der Tatsache, dass die Geschichten der drei echten Frauen ja auch nach der erzählten Zeit noch weitergingen, selbstverständlich. Aber dennoch frustriert es als Leser sehr und wirklich herunterziehen wenn wir keine wirkliche Entwicklung beobachten, keinen Ausweg entdecken können und die Frauen am Ende einfach mit ihren Problemen alleine lassen müssen.


"Wir geben vor, Dinge zu wollen, die wir nicht wollen, damit niemand sieht, dass wir nicht bekommen, was wir brauchen.“


Auch wenn man einräumt, die Geschichte eher als Reportage verstehen zu wollen, wodurch die stilistischen Mängel weniger ins Gewicht fallen würden, ergeben sich einige Probleme. Mir persönlich war die Geschichte in Zeiten, in denen die weibliche Sexualität hitzig und kontrovers diskutiert wird, zu einseitig, zu deprimierend und zu unsachlich. Zuerst stellt sich natürlich die Frage, ob die drei Frauen und ihre Geschichten als wirklich repräsentativ für das Frausein im 21. Jahrhundert betrachtet werden können, wo doch zwei von ihnen katholisch, alle weiß und mittelständische Amerikanerinnen sind. An zweiter Stelle gibt es häufiger Stellen, an denen ich mich fragte, wer da gerade spricht: ist es die Autorin oder ist es ihre Protagonistin? Ist es die Erzählende oder das erzählte Medium? Durch die auktoriale Erzählperspektive und den häufigen plötzlichen Wechsel ins innere "Du" verschwimmen die Grenzen zwischen der Autorin und ihren Protagonistinnen ständig. Das ist insofern verständlich dass sie über acht Jahre hinweg mit vielen persönlichen Begegnungen für diesen Roman recherchiert hat und deshalb eine gewisse Distanz schwierig zu halten ist. Ich habe großen Respekt vor der Leistung, dem Einfühlungsvermögen und der umfangreichen Recherchearbeit der Autorin, doch wenn sie aber wie beispielsweise im Prolog und im Epilog eigene Erfahrungen in der Ich-Perspektive mit einfließen lässt, bleibt offen, als wie sachlich und reliabel die nacherzählten Perspektiven der Frauen nun wirklich betrachtet werden können.


"Selbst wenn Frauen Gehör finden, müssen es die richtigen Frauen sein, damit man ihnen zuhört. Weiße Frauen. Reiche Frauen. Schöne Frauen. Junge Frauen. Am besten all das in einem."


Etwas verwirrt war ich auch, dass es gar nicht wirklich in erster Linie um die weibliche Sexualität geht, sondern die gesellschaftliche Unterdrückung von Frauen im Vordergrund steht. Die Autorin setzt sich hier mit den immer noch existierenden Rollenbildern der Frau, mit sexueller Gewalt, weiblicher Solidarität, toxischer Männlichkeit, Machtmissbrauch, Depression und Abhängigkeitsverhältnissen kritisch auseinander. Statt wie erhofft ermutigend feministisch über Selbstbestimmung und Selbstbefreiung zu schreiben, zeichnet sie hier drei tragische Geschichten, in denen Frauen aus Liebe, Begehren oder dem Bedürfnis gewollt zu werden, sich selbst aufgeben und unter ihrer Unterwerfung leiden. Ob diese pessimistische Sicht der reinen Objektivierung von Frauen wirklich gerechtfertigt ist, sei man offen gelassen. Ich hätte mir aber auf jeden Fall gewünscht, hier eine starke, weibliche Perspektive erkennen zu können und nicht nur durch Leiden und den Druck der Gesellschaft wieder nur einen männlichen Blick. Wir wissen nun relativ genau, was Frauen nicht wollen, was immer noch falsch läuft und was gesellschaftlich noch geändert werden muss. Aber was weibliches Begehren nun wirklich ausmacht... Keine Ahnung.


"Männer haben die Frauen schon immer auf eine ganz bestimmte Art und Weise gebrochen. Sie lieben sie oder lieben sie so halb und fühlen sich irgendwann ausgelaugt und ziehen sich innerlich über Wochen und Monate zurück, verschanzen sich in ihrer Höhle, verdrücken eine letzte Träne und rufen dann nie wieder an. Die Frauen aber warten."


Und genau dieses "keine Ahnung" bringt meine Erfahrung mit dem Buch ziemlich genau auf den Punkt. Hat es mir gefallen? Nein, um Gottes willen. Fand ich es spannend? Naja. Fand ich es aufschlussreich? Hm, geht so. Fand ich es wichtig? Ja, schon. War es tiefgründig und gut recherchiert. Oh ja, keine Frage. Wie also bewerte ich es?
Keine Ahnung


Fazit:


"Three Women - Drei Frauen" weiß nicht so genau, ob es Roman oder Reportage sein will und scheitert schlussendlich an den Ansprüchen beider Genres. Auch wenn die Intensität und Einfühlungsvermögen wirklich beeindrucken, kann ich mich dem Hype nicht anschließen - zu depressiv, zu einseitig, zu distanzlos und unnötig explizit empfand ich den Umgang mit der Thematik.

Veröffentlicht am 02.02.2020

Zu depressiv, zu einseitig, zu distanzlos und unnötig explizit

Three Women – Drei Frauen
0

Bestsellerlisten, breite Rezeption von fulminanter Begeisterung bis zum totalen Verriss, Preise, Diskussionen und zahlreiche Übersetzungen - Lisa Taddeo hat mit ihrem Debüt "Three Women" in den USA für ...

Bestsellerlisten, breite Rezeption von fulminanter Begeisterung bis zum totalen Verriss, Preise, Diskussionen und zahlreiche Übersetzungen - Lisa Taddeo hat mit ihrem Debüt "Three Women" in den USA für Aufsehen gesorgt. Der Hype hat mich neugierig gemacht genau wie all die wundervollen Blogger-Bilder auf Instagram und als der Piper-Verlag dann damit warb, es sei "das Buch der Stunde über weibliche Sexualität zwischen Lust und Macht", habe ich mit großer Neugier ein Rezensionsexemplar angefragt. Leider muss ich mich jetzt - 416 Seiten später - dreierlei fragen: Geht es hier wirklich vordergründig um die weibliche Sexualität oder nicht eher um Leid in Abhängigkeit und Selbstaufgabe? Ist der Blick wirklich weit genug gewählt um als "Buch der Stunde" betitelt werden zu können? Und vor allem: was will das Buch sein? Sachliche Reportage oder spannender Roman?

Es beginnt schon bei Cover und Genrebezeichnung. Während das Originalcover stilsicher aber zurückhalten Obst zeigt, hat sich der Piper Verlag für ein alternatives Motiv mit einer dunkelhaarigen Frau in Spitzenbustier entschieden, wodurch ich leider in Zusammenhang mit dem schwarzen Hintergrund und dem gelben Titel an einen Unterwäschekatalog erinnert wurde. Während der Originalverlag das Werk als "Sachbuch" verkaufte, ist "Three Women - Drei Frauen" in Deutschland als "Roman" klassifiziert. Genau diese Trennung ist wohl der Hauptgrund, weshalb ich lange nicht wusste, wie ich dieses Buch bewerten soll und eben diese Bewertung nach längerem Nachdenken nicht so positiv ausfällt, wie ich es vielleicht anfangs gehofft hatte. Denn im Endeffekt scheitert das "Three Women - Drei Frauen" an den Ansprüchen beider Genres: für einen Roman sind Schreibstil, Aufbau und Erzählweise sind nicht trickreich genug, um als Reportage oder Sachbuch durchzugehen sind aber hingegen die Grenzen zwischen Autorin und Erzählerinnen viel zu verwischt.


Erster Satz: "Als meine Mutter jung war, folgte ihr jeden Morgen ein Mann zur Arbeit, der nur wenige Meter hinter ihr masturbierte."


Um zu erklären, was ich mit "nicht trickreich genug" meine, schauen wir uns doch zuerst einmal an, wie sich das Buch als Roman schlägt. Lisa Taddeo erzählt episodenartig die Geschichte dreier Frauen jeweils aus deren Perspektive und springt dabei in der Zeit vor und zurück, sodass wir ihre drei Protagonistinnen immer wieder aus einer anderen Perspektive kennenlernen und gegen Ende einen umfassenden Eindruck ihres Lebens, ihrer Persönlichkeit und ihrer aktuellen Erlebnisse erhalten haben. Dabei ist es wichtig klarzustellen, dass wir hier keine rasante, stringent erzählte Liebes-/ oder Erotikgeschichte lesen. Stattdessen versucht sich Lisa Taddeo an einer Psychografie und gewährt dem Leser einen tiefen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonistinnen. Positiv daran ist, dass wir so Mitgefühl, Verständnis und Wut über die Nöte und die Bedürfnisse der Frauen entwickeln können und die eindrücklichen Geschehnisse mit dem Wissen, dass es sich hier um echte Geschichten handelt, noch mehr unter die Haut gehen. Die negative Kehrseite an der Intensität und Authentizität ist, dass die Autorin uns so schonungslos tief in die Köpfe von Sloane, Maggie und Lina blicken lässt, dass die düsteren, negativen Gefühle, die wir dort vorfinden, kaum zu ertragen sind. Es gab mehrere Stellen, an denen ich das Buch zur Seite legen und etwas anderes tun musste, weil mich das Geschilderte so mitgenommen und deprimiert hat. Dazu beigetragen hat auch die oft explizite, teilweise fast schon ekelhafte Darstellung von Sex-Szenen, in denen die Autorin oft abstoßende, tierische Vergleiche benutzt.


"Solange ihr nicht dieselben Schmerzen habt wie ich, solltet ihr mich nicht verurteilen. Frauen sollten sich nicht gegenseitig verurteilen, solange sie nicht durch das Feuer der anderen gegangen sind."


Ich empfand es von Beginn an als sehr schwierig, das Buch zu lesen, da es im Großen und Ganzen weder amüsant, noch schön, noch spannend ist, sondern einfach nur... intensiv. Die Autorin schreibt im Nachwort, die seit acht Jahre lang den Geschichten der drei Frauen gefolgt, habe Gespräche mit ihnen geführt, war teilweise selbst bei Geschehnissen anwesend und ist in die Städte gezogen, in denen die Frauen lebten, weil nur so Intensität möglich sei. Ich für meinen Teil hätte mir aber stattdessen eher ein wenig mehr Distanz zu den Dreien gewünscht und die Intensität liebend gerne gegen ein wenig Struktur und Spannung eingetauscht. Denn mich stieß die Geschichte an manchen Stellen nicht nur ab, triggerte oder überforderte mich - sie langweilte mich leider auch an einigen Stellen da viele ähnliche Szenen, Wiederholungen, Vorgriffe und Spoiler die Spannung zerstören. Ein weiteres Problem mit dem Selbstverständnis als Roman ist, dass die Geschichte nicht konsequent zu Ende erzählt ist. Das ist in Anbetracht der Tatsache, dass die Geschichten der drei echten Frauen ja auch nach der erzählten Zeit noch weitergingen, selbstverständlich. Aber dennoch frustriert es als Leser sehr und wirklich herunterziehen wenn wir keine wirkliche Entwicklung beobachten, keinen Ausweg entdecken können und die Frauen am Ende einfach mit ihren Problemen alleine lassen müssen.


"Wir geben vor, Dinge zu wollen, die wir nicht wollen, damit niemand sieht, dass wir nicht bekommen, was wir brauchen.“


Auch wenn man einräumt, die Geschichte eher als Reportage verstehen zu wollen, wodurch die stilistischen Mängel weniger ins Gewicht fallen würden, ergeben sich einige Probleme. Mir persönlich war die Geschichte in Zeiten, in denen die weibliche Sexualität hitzig und kontrovers diskutiert wird, zu einseitig, zu deprimierend und zu unsachlich. Zuerst stellt sich natürlich die Frage, ob die drei Frauen und ihre Geschichten als wirklich repräsentativ für das Frausein im 21. Jahrhundert betrachtet werden können, wo doch zwei von ihnen katholisch, alle weiß und mittelständische Amerikanerinnen sind. An zweiter Stelle gibt es häufiger Stellen, an denen ich mich fragte, wer da gerade spricht: ist es die Autorin oder ist es ihre Protagonistin? Ist es die Erzählende oder das erzählte Medium? Durch die auktoriale Erzählperspektive und den häufigen plötzlichen Wechsel ins innere "Du" verschwimmen die Grenzen zwischen der Autorin und ihren Protagonistinnen ständig. Das ist insofern verständlich dass sie über acht Jahre hinweg mit vielen persönlichen Begegnungen für diesen Roman recherchiert hat und deshalb eine gewisse Distanz schwierig zu halten ist. Ich habe großen Respekt vor der Leistung, dem Einfühlungsvermögen und der umfangreichen Recherchearbeit der Autorin, doch wenn sie aber wie beispielsweise im Prolog und im Epilog eigene Erfahrungen in der Ich-Perspektive mit einfließen lässt, bleibt offen, als wie sachlich und reliabel die nacherzählten Perspektiven der Frauen nun wirklich betrachtet werden können.


"Selbst wenn Frauen Gehör finden, müssen es die richtigen Frauen sein, damit man ihnen zuhört. Weiße Frauen. Reiche Frauen. Schöne Frauen. Junge Frauen. Am besten all das in einem."


Etwas verwirrt war ich auch, dass es gar nicht wirklich in erster Linie um die weibliche Sexualität geht, sondern die gesellschaftliche Unterdrückung von Frauen im Vordergrund steht. Die Autorin setzt sich hier mit den immer noch existierenden Rollenbildern der Frau, mit sexueller Gewalt, weiblicher Solidarität, toxischer Männlichkeit, Machtmissbrauch, Depression und Abhängigkeitsverhältnissen kritisch auseinander. Statt wie erhofft ermutigend feministisch über Selbstbestimmung und Selbstbefreiung zu schreiben, zeichnet sie hier drei tragische Geschichten, in denen Frauen aus Liebe, Begehren oder dem Bedürfnis gewollt zu werden, sich selbst aufgeben und unter ihrer Unterwerfung leiden. Ob diese pessimistische Sicht der reinen Objektivierung von Frauen wirklich gerechtfertigt ist, sei man offen gelassen. Ich hätte mir aber auf jeden Fall gewünscht, hier eine starke, weibliche Perspektive erkennen zu können und nicht nur durch Leiden und den Druck der Gesellschaft wieder nur einen männlichen Blick. Wir wissen nun relativ genau, was Frauen nicht wollen, was immer noch falsch läuft und was gesellschaftlich noch geändert werden muss. Aber was weibliches Begehren nun wirklich ausmacht... Keine Ahnung.


"Männer haben die Frauen schon immer auf eine ganz bestimmte Art und Weise gebrochen. Sie lieben sie oder lieben sie so halb und fühlen sich irgendwann ausgelaugt und ziehen sich innerlich über Wochen und Monate zurück, verschanzen sich in ihrer Höhle, verdrücken eine letzte Träne und rufen dann nie wieder an. Die Frauen aber warten."


Und genau dieses "keine Ahnung" bringt meine Erfahrung mit dem Buch ziemlich genau auf den Punkt. Hat es mir gefallen? Nein, um Gottes willen. Fand ich es spannend? Naja. Fand ich es aufschlussreich? Hm, geht so. Fand ich es wichtig? Ja, schon. War es tiefgründig und gut recherchiert. Oh ja, keine Frage. Wie also bewerte ich es?
Keine Ahnung


Fazit:


"Three Women - Drei Frauen" weiß nicht so genau, ob es Roman oder Reportage sein will und scheitert schlussendlich an den Ansprüchen beider Genres. Auch wenn die Intensität und Einfühlungsvermögen wirklich beeindrucken, kann ich mich dem Hype nicht anschließen - zu depressiv, zu einseitig, zu distanzlos und unnötig explizit empfand ich den Umgang mit der Thematik.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.01.2020

Konnte mich leider nicht überzeugen!

His Dark Materials: Der Goldene Kompass, Das Magische Messer und Das Bernstein-Teleskop im Schuber
0

Die "Goldene Kompass"-Trilogie ist mittlerweile ja ein echter Fantasy-Klassiker, der beinahe so alt ist wie ich. Dass ich jetzt erst dazu komme, die Reihe zu lesen, auch wenn sie schon seit mehreren Jahren ...

Die "Goldene Kompass"-Trilogie ist mittlerweile ja ein echter Fantasy-Klassiker, der beinahe so alt ist wie ich. Dass ich jetzt erst dazu komme, die Reihe zu lesen, auch wenn sie schon seit mehreren Jahren bei mir im Regal steht, sei hier einfach mal unkommentiert dahingestellt Im Nachhinein muss ich aber leider feststellen, dass ich über die Jahre nicht wirklich etwas verpasst habe. "Der goldene Kompass" ist ein nettes, originelles Fantasy-Abenteuer, für mich aber nicht "die Fantasy-Reihe des Jahrzehnts", wie andere Rezensenten sie bewertet haben.


"Das ist die Aufgabe der Alten", sagte der Bibliothekar, "um die Jungen Angst zu haben. Und die Aufgabe der Jungen ist es, über die Angst der Alten zu lachen."


Meine Ausgabe ist Teil eines Dreier-Schubers aus dem Hause Carlsen, der genau wie die andern beiden Bände in dunklem Nachthimmel-Blau mit hellen Sternensprenkeln gehalten ist und ein Motiv zeigt. Auf dem ersten Teil ist die Protagonistin Lyra zusehen, die auf einem Eisbären reitet. Auch wenn ich die Gestaltung einheitlich und nett finde, gefallen mir andere Ausgaben viel besser, da hier doch alles "Kinderbuch" schreit. Weshalb diese Klassifizierung auf jeden Fall fragwürdig ist, will ich später nochmal erläutern.


Erster Satz: "An die Wand gedrückt und von der Küche aus nicht zu sehen, schlichen Lyra und ihr Dæmon durch den dämmrigen Speisesaal."


Ich habe einige Rezensionen aus den letzten zehn Jahren gelesen, bevor ich mich an meine eigene Bewertung gesetzt habe und war überrascht, wie gut das Buch in der Breite angekommen ist. Manche Rezensenten schreiben, sie seien von der ersten Seite an gefesselt gewesen und ich habe mich nur gefragt, "haben die wirklich dasselbe Buch gelesen wie ich?". Denn ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, das schleppender begonnen hat als "Der goldene Kompass". Allein für die allererste Anfangsszene, in der Lyra über etliche Seiten hinweg ein Gespräch von Wissenschaftlern in Jordan College belauscht, von dem aber weder sie noch der Leser etwas verstehen, verdient der Autor einen Orden für den langatmigsten Einstieg aller Zeiten. Auch ein abgetrennter Kopf und ein geheimnisvolles Instrument konnten die Szene nicht mehr retten und darüber hinwegtäuschen, dass der Autor uns ins kalte Wasser wirft ohne seine Welt in irgendeiner Weise zu erklären. Danach wird es erstmal auch nicht wirklich besser - Lyras abenteuerliches Herumstreunern in Oxford bringt zwar ein bisschen Schwung, dennoch sind die Informationen, die wir über sie, ihren Dæmon Pan und die Welt, in der sie lebt, erhalten, zu spärlich, um wirklich in die Geschichte einsteigen zu können.


"Die Mächte dieser Welt sind stark. Männer und Frauen sind Gezeiten ausgeliefert, die viel gewaltiger sind, als du dir vorstellen kannst, und ihr Sog zieht uns alle in die Strömung hinein."


Der Autor entführt uns in eine höchst widersprüchliche, komplexe Welt, die voller innovativer Ideen steckt, sich mir aber leider immer noch nicht wirklich erschlossen hat. Wir landen zusammen mit der jungen Waise in einer anderen Version von England, in der Forschung an einem Elementarteilchen namens "Staub" eine große Rolle spielt, die Kirche und ihre Behörden an der Macht sind, Kinder Angst vor "Gobblern" haben und "Gypter" mit ihren Schiffen von Hafen zu Hafen fahren. Zum Teil erinnern die Zustände in Oxford an das Mittelalter, danach werden wieder Machtverhältnisse des viktorianischen Zeitalters geschildert, bevor technologische und magische Aspekte den gebildeten Eindruck wieder aufmischen. Alles in allem denke ich, dass man das Setting relativ gut mit "Steampunk" beschreiben kann, was natürlich eine interessante Abwechslung zu den sonstigen High-Fantasy oder Urban-Fantasy-Geschichten darstellt.


"Gewaltige Vorhänge aus zartem Licht fielen wie vom Himmel herab und flimmerten in der Luft. Blassgrün und rosarot schimmernd, durchscheinend wie hauchfeines Gewebe und mit einem Saum von tiefem, wie Höllenfeuer leuchtendem Karmesinrot schwebten sie gelöster und anmutiger als jeder Tänzer durch den Raum."


Auch wenn diese rätselhafte Welt, in der sich die Handlung abspielt, definitiv ein Pluspunkt ist, fand ich das World-Building des Autors trotzdem grottig. Viele immer wieder vorkommende Bezeichnungen oder Besonderheiten werden erst sehr spät oder nie erklärt und bei genauerem Nachdenken tun sich an jeder Ecke Logiklücken auf. Was ist "anbarisches Licht"? Was sind "Dæmonen"? Warum lebt Lyra ganz alleine in Jordan College? Das sind Fragen, die sich wohl jeder Leser im ersten Drittel des Buches ständig gestellt hat und die der Autor einfach nicht erklärt. Später, wenn man sich die Grundlagen selber erschlossen hat, kommen dann Fragen wie "Warum können Bären sprechen und sind intelligent, andere Tiere sind aber nur Tiere?" oder "Warum kann sich Pan nicht von Lyra entfernen, fliegt aber ständig als Seeschwalbe in der Luft herum?" dazu. Natürlich gibt es in jeder Geschichte einige Unstimmigkeiten, hier haben mich aber gehäufte offene Fragen und Verständnisprobleme davon abgehalten, ganz in die Geschichte zu einzutauchen.

Wirklich spannend wurde das Buch für mich erst, als Lyra sich auf den Weg in den Norden macht, um ihren Freund zu finden und ihren Onkel zu retten. Hier treffen wir auf riesige Panzerbären, uralte Hexen, die auf Zweigen reiten, lassen uns von einem magischen Kompass leiten, erkunden ein dunkles Geheimnis, fliehen in einem Heißluftballon, kämpfen gegen Tartaren mit Löchern im Kopf und treten schließlich in eine fremde Welt ein...

Auch wenn es bis zum Ende spannend bleibt, sind einige Entwicklungen nicht wirklich stringent und realistisch. So gibt es beispielsweise unglückliche Zukunftssprünge, unerwartete Unterstützung an allen Ecken und Enden und Lyra weiß immer eine Lösung. Außerdem sorgt die mangelnde Begründung von Motivationen der einzelnen Protagonisten vor allem bei den Gegenspielern dafür, dass man sie bald als stereotype Bösewichte wahrnimmt, obwohl sie eigentlich sehr spannend angelegt sind. Auch die junge, quirlige, mutige Protagonistin, die hier als typische Heldin auftritt, konnte mich über große Teile der Geschichte nicht überzeugen. Sie ist einfach sooo jung, sodass ich bei vielen ihrer Handlungen oder Gedanken die Verbindung zu ihr nicht wirklich herstellen konnte. Lichtblicke an der Protagonistenfront sind hingegen Pan, ihr "Seelentier", und Iorek, der Panzerbär. Die Vorstellung, dass in Philip Pullmans Welt keiner je wirklich allein ist, sondern in jeder Situation und Lebenslage einen treuen Begleiter an seiner Seite hat, fand ich wirklich sehr schön. Alles in allem konnten aber auch die Protagonisten meinen verpfuschten ersten Eindruck von der Trilogie nicht mehr retten. Es entwickelt sich einfach keine Tiefe - die Protagonisten gehen in Story unter, als diese endlich Fahrt aufnimmt.


"Noch schillerte die Idee unwirklich wie eine Seifenblase, und Lyra wagte nicht, sie zu genau zu betrachten, damit sie nicht zerplatzte."


Insgesamt muss ich also leider sagen: Hier fehlen die Epik einer Sarah J Maas, die wundervollen Charaktere einer J. K. Rowling, die Komplexität des Weltenaufbaus eines Tolkiens, die emotionale Spannung einer Jennifer L. Armentrout und der wunderschöne, präzise Stil einer Laini Taylor. Wer sich jetzt vielleicht wundert, mit welchen Autoren ich die Reihe verglichen habe: "Der goldene Kompass" ist kein Kinderbuch, auch wenn das junge Alter der Protagonistin darauf hindeutet. Gewalt, blutige Kämpfe, sterbende Protagonisten, grausame Kinderversuche, Entführungen, Morde, harter Überlebenskampf - wir haben es hier mit einem recht düsteren Szenario zu tun, wozu die Perspektive eines Kindes nicht besonders gut passt. Es stellt sich also die Frage, was Philip Pullman hier schreiben wollte: ein Kinderbuch, ein Jugendabenteuer oder ein Fantasy-Epos für Erwachsene? Leider ist er aus meiner Sicht in allem drei gescheitert: "Der goldene Kompass" ist für ein Kinderbuch zu brutal, für ein Jugendbuch zu kindlich-naiv, kann sich aber auch nicht mit etablierten Fantasy-Klassikern messen...


"Riesige, gleißende Schwaden standen zitternd vor ihnen und teilten sich, als würden Engel mit den Flügel schlagen; Kaskaden kalt leuchtender Pracht stürzten über unsichtbaren Klippen in schäumende Bassins oder hingen wie gewaltige Wasserfälle vom Himmel herab."


Am Ende scheint es, als wolle der Autor das langsame Tempo zu Beginn wieder ausgleichen und wir stolpern viel zu schnell, emotionslos und absolut unbefriedigend in ein Ende, das das Sofortige Weiterlesen erfordert. Ob ich dem nachkommen werde, weiß ich noch nicht mit Sicherheit. Fest steht jedoch, dass ich mich jetzt erstmal etwas anderem widmen muss, um meine enttäuschten Hoffnungen abklingen zu lassen.




Fazit:

"Der goldene Kompass" ist für ein Kinderbuch zu brutal, für ein Jugendbuch zu kindlich-naiv, kann sich aber auch nicht mit etablierten Fantasy-Klassikern messen...
Die vielen innovativen Ideen gehen in inkonsequentem Word-Building unter, die netten Nebencharaktere wirken durch die kindliche Sicht der Protagonistin stereotyp und die Handlung wird erst ab der Hälfte wirklich spannend. Konnte mich leider nicht überzeugen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.01.2020

Konnte mich leider nicht überzeugen!

His Dark Materials: Der Goldene Kompass – Band 1-3 der Fantasy-Serie im Sammelband
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Die "Goldene Kompass"-Trilogie ist mittlerweile ja ein echter Fantasy-Klassiker, der beinahe so alt ist wie ich. Dass ich jetzt erst dazu komme, die Reihe zu lesen, auch wenn sie schon seit mehreren Jahren ...

Die "Goldene Kompass"-Trilogie ist mittlerweile ja ein echter Fantasy-Klassiker, der beinahe so alt ist wie ich. Dass ich jetzt erst dazu komme, die Reihe zu lesen, auch wenn sie schon seit mehreren Jahren bei mir im Regal steht, sei hier einfach mal unkommentiert dahingestellt Im Nachhinein muss ich aber leider feststellen, dass ich über die Jahre nicht wirklich etwas verpasst habe. "Der goldene Kompass" ist ein nettes, originelles Fantasy-Abenteuer, für mich aber nicht "die Fantasy-Reihe des Jahrzehnts", wie andere Rezensenten sie bewertet haben.


"Das ist die Aufgabe der Alten", sagte der Bibliothekar, "um die Jungen Angst zu haben. Und die Aufgabe der Jungen ist es, über die Angst der Alten zu lachen."


Meine Ausgabe ist Teil eines Dreier-Schubers aus dem Hause Carlsen, der genau wie die andern beiden Bände in dunklem Nachthimmel-Blau mit hellen Sternensprenkeln gehalten ist und ein Motiv zeigt. Auf dem ersten Teil ist die Protagonistin Lyra zusehen, die auf einem Eisbären reitet. Auch wenn ich die Gestaltung einheitlich und nett finde, gefallen mir andere Ausgaben viel besser, da hier doch alles "Kinderbuch" schreit. Weshalb diese Klassifizierung auf jeden Fall fragwürdig ist, will ich später nochmal erläutern.


Erster Satz: "An die Wand gedrückt und von der Küche aus nicht zu sehen, schlichen Lyra und ihr Dæmon durch den dämmrigen Speisesaal."


Ich habe einige Rezensionen aus den letzten zehn Jahren gelesen, bevor ich mich an meine eigene Bewertung gesetzt habe und war überrascht, wie gut das Buch in der Breite angekommen ist. Manche Rezensenten schreiben, sie seien von der ersten Seite an gefesselt gewesen und ich habe mich nur gefragt, "haben die wirklich dasselbe Buch gelesen wie ich?". Denn ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, das schleppender begonnen hat als "Der goldene Kompass". Allein für die allererste Anfangsszene, in der Lyra über etliche Seiten hinweg ein Gespräch von Wissenschaftlern in Jordan College belauscht, von dem aber weder sie noch der Leser etwas verstehen, verdient der Autor einen Orden für den langatmigsten Einstieg aller Zeiten. Auch ein abgetrennter Kopf und ein geheimnisvolles Instrument konnten die Szene nicht mehr retten und darüber hinwegtäuschen, dass der Autor uns ins kalte Wasser wirft ohne seine Welt in irgendeiner Weise zu erklären. Danach wird es erstmal auch nicht wirklich besser - Lyras abenteuerliches Herumstreunern in Oxford bringt zwar ein bisschen Schwung, dennoch sind die Informationen, die wir über sie, ihren Dæmon Pan und die Welt, in der sie lebt, erhalten, zu spärlich, um wirklich in die Geschichte einsteigen zu können.


"Die Mächte dieser Welt sind stark. Männer und Frauen sind Gezeiten ausgeliefert, die viel gewaltiger sind, als du dir vorstellen kannst, und ihr Sog zieht uns alle in die Strömung hinein."


Der Autor entführt uns in eine höchst widersprüchliche, komplexe Welt, die voller innovativer Ideen steckt, sich mir aber leider immer noch nicht wirklich erschlossen hat. Wir landen zusammen mit der jungen Waise in einer anderen Version von England, in der Forschung an einem Elementarteilchen namens "Staub" eine große Rolle spielt, die Kirche und ihre Behörden an der Macht sind, Kinder Angst vor "Gobblern" haben und "Gypter" mit ihren Schiffen von Hafen zu Hafen fahren. Zum Teil erinnern die Zustände in Oxford an das Mittelalter, danach werden wieder Machtverhältnisse des viktorianischen Zeitalters geschildert, bevor technologische und magische Aspekte den gebildeten Eindruck wieder aufmischen. Alles in allem denke ich, dass man das Setting relativ gut mit "Steampunk" beschreiben kann, was natürlich eine interessante Abwechslung zu den sonstigen High-Fantasy oder Urban-Fantasy-Geschichten darstellt.


"Gewaltige Vorhänge aus zartem Licht fielen wie vom Himmel herab und flimmerten in der Luft. Blassgrün und rosarot schimmernd, durchscheinend wie hauchfeines Gewebe und mit einem Saum von tiefem, wie Höllenfeuer leuchtendem Karmesinrot schwebten sie gelöster und anmutiger als jeder Tänzer durch den Raum."


Auch wenn diese rätselhafte Welt, in der sich die Handlung abspielt, definitiv ein Pluspunkt ist, fand ich das World-Building des Autors trotzdem grottig. Viele immer wieder vorkommende Bezeichnungen oder Besonderheiten werden erst sehr spät oder nie erklärt und bei genauerem Nachdenken tun sich an jeder Ecke Logiklücken auf. Was ist "anbarisches Licht"? Was sind "Dæmonen"? Warum lebt Lyra ganz alleine in Jordan College? Das sind Fragen, die sich wohl jeder Leser im ersten Drittel des Buches ständig gestellt hat und die der Autor einfach nicht erklärt. Später, wenn man sich die Grundlagen selber erschlossen hat, kommen dann Fragen wie "Warum können Bären sprechen und sind intelligent, andere Tiere sind aber nur Tiere?" oder "Warum kann sich Pan nicht von Lyra entfernen, fliegt aber ständig als Seeschwalbe in der Luft herum?" dazu. Natürlich gibt es in jeder Geschichte einige Unstimmigkeiten, hier haben mich aber gehäufte offene Fragen und Verständnisprobleme davon abgehalten, ganz in die Geschichte zu einzutauchen.

Wirklich spannend wurde das Buch für mich erst, als Lyra sich auf den Weg in den Norden macht, um ihren Freund zu finden und ihren Onkel zu retten. Hier treffen wir auf riesige Panzerbären, uralte Hexen, die auf Zweigen reiten, lassen uns von einem magischen Kompass leiten, erkunden ein dunkles Geheimnis, fliehen in einem Heißluftballon, kämpfen gegen Tartaren mit Löchern im Kopf und treten schließlich in eine fremde Welt ein...

Auch wenn es bis zum Ende spannend bleibt, sind einige Entwicklungen nicht wirklich stringent und realistisch. So gibt es beispielsweise unglückliche Zukunftssprünge, unerwartete Unterstützung an allen Ecken und Enden und Lyra weiß immer eine Lösung. Außerdem sorgt die mangelnde Begründung von Motivationen der einzelnen Protagonisten vor allem bei den Gegenspielern dafür, dass man sie bald als stereotype Bösewichte wahrnimmt, obwohl sie eigentlich sehr spannend angelegt sind. Auch die junge, quirlige, mutige Protagonistin, die hier als typische Heldin auftritt, konnte mich über große Teile der Geschichte nicht überzeugen. Sie ist einfach sooo jung, sodass ich bei vielen ihrer Handlungen oder Gedanken die Verbindung zu ihr nicht wirklich herstellen konnte. Lichtblicke an der Protagonistenfront sind hingegen Pan, ihr "Seelentier", und Iorek, der Panzerbär. Die Vorstellung, dass in Philip Pullmans Welt keiner je wirklich allein ist, sondern in jeder Situation und Lebenslage einen treuen Begleiter an seiner Seite hat, fand ich wirklich sehr schön. Alles in allem konnten aber auch die Protagonisten meinen verpfuschten ersten Eindruck von der Trilogie nicht mehr retten. Es entwickelt sich einfach keine Tiefe - die Protagonisten gehen in Story unter, als diese endlich Fahrt aufnimmt.


"Noch schillerte die Idee unwirklich wie eine Seifenblase, und Lyra wagte nicht, sie zu genau zu betrachten, damit sie nicht zerplatzte."


Insgesamt muss ich also leider sagen: Hier fehlen die Epik einer Sarah J Maas, die wundervollen Charaktere einer J. K. Rowling, die Komplexität des Weltenaufbaus eines Tolkiens, die emotionale Spannung einer Jennifer L. Armentrout und der wunderschöne, präzise Stil einer Laini Taylor. Wer sich jetzt vielleicht wundert, mit welchen Autoren ich die Reihe verglichen habe: "Der goldene Kompass" ist kein Kinderbuch, auch wenn das junge Alter der Protagonistin darauf hindeutet. Gewalt, blutige Kämpfe, sterbende Protagonisten, grausame Kinderversuche, Entführungen, Morde, harter Überlebenskampf - wir haben es hier mit einem recht düsteren Szenario zu tun, wozu die Perspektive eines Kindes nicht besonders gut passt. Es stellt sich also die Frage, was Philip Pullman hier schreiben wollte: ein Kinderbuch, ein Jugendabenteuer oder ein Fantasy-Epos für Erwachsene? Leider ist er aus meiner Sicht in allem drei gescheitert: "Der goldene Kompass" ist für ein Kinderbuch zu brutal, für ein Jugendbuch zu kindlich-naiv, kann sich aber auch nicht mit etablierten Fantasy-Klassikern messen...


"Riesige, gleißende Schwaden standen zitternd vor ihnen und teilten sich, als würden Engel mit den Flügel schlagen; Kaskaden kalt leuchtender Pracht stürzten über unsichtbaren Klippen in schäumende Bassins oder hingen wie gewaltige Wasserfälle vom Himmel herab."


Am Ende scheint es, als wolle der Autor das langsame Tempo zu Beginn wieder ausgleichen und wir stolpern viel zu schnell, emotionslos und absolut unbefriedigend in ein Ende, das das Sofortige Weiterlesen erfordert. Ob ich dem nachkommen werde, weiß ich noch nicht mit Sicherheit. Fest steht jedoch, dass ich mich jetzt erstmal etwas anderem widmen muss, um meine enttäuschten Hoffnungen abklingen zu lassen.




Fazit:

"Der goldene Kompass" ist für ein Kinderbuch zu brutal, für ein Jugendbuch zu kindlich-naiv, kann sich aber auch nicht mit etablierten Fantasy-Klassikern messen...
Die vielen innovativen Ideen gehen in inkonsequentem Word-Building unter, die netten Nebencharaktere wirken durch die kindliche Sicht der Protagonistin stereotyp und die Handlung wird erst ab der Hälfte wirklich spannend. Konnte mich leider nicht überzeugen!

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Veröffentlicht am 23.01.2020

Konnte mich leider nicht überzeugen!

His Dark Materials 1: Der Goldene Kompass - Das Hörspiel
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Die "Goldene Kompass"-Trilogie ist mittlerweile ja ein echter Fantasy-Klassiker, der beinahe so alt ist wie ich. Dass ich jetzt erst dazu komme, die Reihe zu lesen, auch wenn sie schon seit mehreren Jahren ...

Die "Goldene Kompass"-Trilogie ist mittlerweile ja ein echter Fantasy-Klassiker, der beinahe so alt ist wie ich. Dass ich jetzt erst dazu komme, die Reihe zu lesen, auch wenn sie schon seit mehreren Jahren bei mir im Regal steht, sei hier einfach mal unkommentiert dahingestellt Im Nachhinein muss ich aber leider feststellen, dass ich über die Jahre nicht wirklich etwas verpasst habe. "Der goldene Kompass" ist ein nettes, originelles Fantasy-Abenteuer, für mich aber nicht "die Fantasy-Reihe des Jahrzehnts", wie andere Rezensenten sie bewertet haben.


"Das ist die Aufgabe der Alten", sagte der Bibliothekar, "um die Jungen Angst zu haben. Und die Aufgabe der Jungen ist es, über die Angst der Alten zu lachen."


Meine Ausgabe ist Teil eines Dreier-Schubers aus dem Hause Carlsen, der genau wie die andern beiden Bände in dunklem Nachthimmel-Blau mit hellen Sternensprenkeln gehalten ist und ein Motiv zeigt. Auf dem ersten Teil ist die Protagonistin Lyra zusehen, die auf einem Eisbären reitet. Auch wenn ich die Gestaltung einheitlich und nett finde, gefallen mir andere Ausgaben viel besser, da hier doch alles "Kinderbuch" schreit. Weshalb diese Klassifizierung auf jeden Fall fragwürdig ist, will ich später nochmal erläutern.


Erster Satz: "An die Wand gedrückt und von der Küche aus nicht zu sehen, schlichen Lyra und ihr Dæmon durch den dämmrigen Speisesaal."


Ich habe einige Rezensionen aus den letzten zehn Jahren gelesen, bevor ich mich an meine eigene Bewertung gesetzt habe und war überrascht, wie gut das Buch in der Breite angekommen ist. Manche Rezensenten schreiben, sie seien von der ersten Seite an gefesselt gewesen und ich habe mich nur gefragt, "haben die wirklich dasselbe Buch gelesen wie ich?". Denn ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, das schleppender begonnen hat als "Der goldene Kompass". Allein für die allererste Anfangsszene, in der Lyra über etliche Seiten hinweg ein Gespräch von Wissenschaftlern in Jordan College belauscht, von dem aber weder sie noch der Leser etwas verstehen, verdient der Autor einen Orden für den langatmigsten Einstieg aller Zeiten. Auch ein abgetrennter Kopf und ein geheimnisvolles Instrument konnten die Szene nicht mehr retten und darüber hinwegtäuschen, dass der Autor uns ins kalte Wasser wirft ohne seine Welt in irgendeiner Weise zu erklären. Danach wird es erstmal auch nicht wirklich besser - Lyras abenteuerliches Herumstreunern in Oxford bringt zwar ein bisschen Schwung, dennoch sind die Informationen, die wir über sie, ihren Dæmon Pan und die Welt, in der sie lebt, erhalten, zu spärlich, um wirklich in die Geschichte einsteigen zu können.


"Die Mächte dieser Welt sind stark. Männer und Frauen sind Gezeiten ausgeliefert, die viel gewaltiger sind, als du dir vorstellen kannst, und ihr Sog zieht uns alle in die Strömung hinein."


Der Autor entführt uns in eine höchst widersprüchliche, komplexe Welt, die voller innovativer Ideen steckt, sich mir aber leider immer noch nicht wirklich erschlossen hat. Wir landen zusammen mit der jungen Waise in einer anderen Version von England, in der Forschung an einem Elementarteilchen namens "Staub" eine große Rolle spielt, die Kirche und ihre Behörden an der Macht sind, Kinder Angst vor "Gobblern" haben und "Gypter" mit ihren Schiffen von Hafen zu Hafen fahren. Zum Teil erinnern die Zustände in Oxford an das Mittelalter, danach werden wieder Machtverhältnisse des viktorianischen Zeitalters geschildert, bevor technologische und magische Aspekte den gebildeten Eindruck wieder aufmischen. Alles in allem denke ich, dass man das Setting relativ gut mit "Steampunk" beschreiben kann, was natürlich eine interessante Abwechslung zu den sonstigen High-Fantasy oder Urban-Fantasy-Geschichten darstellt.


"Gewaltige Vorhänge aus zartem Licht fielen wie vom Himmel herab und flimmerten in der Luft. Blassgrün und rosarot schimmernd, durchscheinend wie hauchfeines Gewebe und mit einem Saum von tiefem, wie Höllenfeuer leuchtendem Karmesinrot schwebten sie gelöster und anmutiger als jeder Tänzer durch den Raum."


Auch wenn diese rätselhafte Welt, in der sich die Handlung abspielt, definitiv ein Pluspunkt ist, fand ich das World-Building des Autors trotzdem grottig. Viele immer wieder vorkommende Bezeichnungen oder Besonderheiten werden erst sehr spät oder nie erklärt und bei genauerem Nachdenken tun sich an jeder Ecke Logiklücken auf. Was ist "anbarisches Licht"? Was sind "Dæmonen"? Warum lebt Lyra ganz alleine in Jordan College? Das sind Fragen, die sich wohl jeder Leser im ersten Drittel des Buches ständig gestellt hat und die der Autor einfach nicht erklärt. Später, wenn man sich die Grundlagen selber erschlossen hat, kommen dann Fragen wie "Warum können Bären sprechen und sind intelligent, andere Tiere sind aber nur Tiere?" oder "Warum kann sich Pan nicht von Lyra entfernen, fliegt aber ständig als Seeschwalbe in der Luft herum?" dazu. Natürlich gibt es in jeder Geschichte einige Unstimmigkeiten, hier haben mich aber gehäufte offene Fragen und Verständnisprobleme davon abgehalten, ganz in die Geschichte zu einzutauchen.

Wirklich spannend wurde das Buch für mich erst, als Lyra sich auf den Weg in den Norden macht, um ihren Freund zu finden und ihren Onkel zu retten. Hier treffen wir auf riesige Panzerbären, uralte Hexen, die auf Zweigen reiten, lassen uns von einem magischen Kompass leiten, erkunden ein dunkles Geheimnis, fliehen in einem Heißluftballon, kämpfen gegen Tartaren mit Löchern im Kopf und treten schließlich in eine fremde Welt ein...

Auch wenn es bis zum Ende spannend bleibt, sind einige Entwicklungen nicht wirklich stringent und realistisch. So gibt es beispielsweise unglückliche Zukunftssprünge, unerwartete Unterstützung an allen Ecken und Enden und Lyra weiß immer eine Lösung. Außerdem sorgt die mangelnde Begründung von Motivationen der einzelnen Protagonisten vor allem bei den Gegenspielern dafür, dass man sie bald als stereotype Bösewichte wahrnimmt, obwohl sie eigentlich sehr spannend angelegt sind. Auch die junge, quirlige, mutige Protagonistin, die hier als typische Heldin auftritt, konnte mich über große Teile der Geschichte nicht überzeugen. Sie ist einfach sooo jung, sodass ich bei vielen ihrer Handlungen oder Gedanken die Verbindung zu ihr nicht wirklich herstellen konnte. Lichtblicke an der Protagonistenfront sind hingegen Pan, ihr "Seelentier", und Iorek, der Panzerbär. Die Vorstellung, dass in Philip Pullmans Welt keiner je wirklich allein ist, sondern in jeder Situation und Lebenslage einen treuen Begleiter an seiner Seite hat, fand ich wirklich sehr schön. Alles in allem konnten aber auch die Protagonisten meinen verpfuschten ersten Eindruck von der Trilogie nicht mehr retten. Es entwickelt sich einfach keine Tiefe - die Protagonisten gehen in Story unter, als diese endlich Fahrt aufnimmt.


"Noch schillerte die Idee unwirklich wie eine Seifenblase, und Lyra wagte nicht, sie zu genau zu betrachten, damit sie nicht zerplatzte."


Insgesamt muss ich also leider sagen: Hier fehlen die Epik einer Sarah J Maas, die wundervollen Charaktere einer J. K. Rowling, die Komplexität des Weltenaufbaus eines Tolkiens, die emotionale Spannung einer Jennifer L. Armentrout und der wunderschöne, präzise Stil einer Laini Taylor. Wer sich jetzt vielleicht wundert, mit welchen Autoren ich die Reihe verglichen habe: "Der goldene Kompass" ist kein Kinderbuch, auch wenn das junge Alter der Protagonistin darauf hindeutet. Gewalt, blutige Kämpfe, sterbende Protagonisten, grausame Kinderversuche, Entführungen, Morde, harter Überlebenskampf - wir haben es hier mit einem recht düsteren Szenario zu tun, wozu die Perspektive eines Kindes nicht besonders gut passt. Es stellt sich also die Frage, was Philip Pullman hier schreiben wollte: ein Kinderbuch, ein Jugendabenteuer oder ein Fantasy-Epos für Erwachsene? Leider ist er aus meiner Sicht in allem drei gescheitert: "Der goldene Kompass" ist für ein Kinderbuch zu brutal, für ein Jugendbuch zu kindlich-naiv, kann sich aber auch nicht mit etablierten Fantasy-Klassikern messen...


"Riesige, gleißende Schwaden standen zitternd vor ihnen und teilten sich, als würden Engel mit den Flügel schlagen; Kaskaden kalt leuchtender Pracht stürzten über unsichtbaren Klippen in schäumende Bassins oder hingen wie gewaltige Wasserfälle vom Himmel herab."


Am Ende scheint es, als wolle der Autor das langsame Tempo zu Beginn wieder ausgleichen und wir stolpern viel zu schnell, emotionslos und absolut unbefriedigend in ein Ende, das das Sofortige Weiterlesen erfordert. Ob ich dem nachkommen werde, weiß ich noch nicht mit Sicherheit. Fest steht jedoch, dass ich mich jetzt erstmal etwas anderem widmen muss, um meine enttäuschten Hoffnungen abklingen zu lassen.




Fazit:

"Der goldene Kompass" ist für ein Kinderbuch zu brutal, für ein Jugendbuch zu kindlich-naiv, kann sich aber auch nicht mit etablierten Fantasy-Klassikern messen...
Die vielen innovativen Ideen gehen in inkonsequentem Word-Building unter, die netten Nebencharaktere wirken durch die kindliche Sicht der Protagonistin stereotyp und die Handlung wird erst ab der Hälfte wirklich spannend. Konnte mich leider nicht überzeugen!