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Veröffentlicht am 31.03.2018

Atemberaubend, episch und tief berührend!

Das Reich der sieben Höfe − Sterne und Schwerter
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Allgemeines:

Titel: Das Reich der sieben Höfe - Sterne und Schwerter
Autor: Sarah J. Maas
Verlag: dtv (9. März 2018)
Genre: Fantasy
ASIN: B077JZLXGH
ISBN-10: 3423762063
ISBN-13: 978-3423762069
Originaltitel: ...

Allgemeines:

Titel: Das Reich der sieben Höfe - Sterne und Schwerter
Autor: Sarah J. Maas
Verlag: dtv (9. März 2018)
Genre: Fantasy
ASIN: B077JZLXGH
ISBN-10: 3423762063
ISBN-13: 978-3423762069
Originaltitel: A Court of Wings and Ruin
Preis: 14,99€ (Kindle-Edition)
21,95€ (Gebundene Ausgabe)
Seitenzahl: 752 Seiten
Weitere Bände: "Das Reich der sieben Höfe - Dorne und Rosen";
"Das Reich der sieben Höfe - Flammen und Finsternis"



Inhalt:

"Ich sehe dich, Rhys. Ich sehe dich, wie du bist. Und es gibt nichts an dir, was ich nicht mit jeder Faser meines Seins liebe."


Feyre hat ihren Seelengefährten gefunden. Doch es ist nicht Tamlin, sondern Rhys. Trotzdem kehrt sie an den Frühlingshof zurück, um mehr über Tamlins Pläne herauszufinden. Er ist auf einen gefährlichen Handel mit dem König von Hybern eingegangen und der will nur eins – Krieg. Feyre lässt sich damit auf ein gefährliches Doppelspiel ein, denn niemand darf von ihrer Verbindung zu Rhys erfahren. Eine Unachtsamkeit würde den sicheren Untergang nicht nur für Feyre, sondern für ganz Prythian bedeuten. Doch wie lange kann sie ihre Absichten geheim halten, wenn es Wesen gibt, die mühelos in Feyres Gedanken eindringen können?


Bewertung:


Nur um das gleich mal klarzustellen: Ich LIEBE diese Reihe!!! Schon die Throne-of-Glass Reihe der Autorin war für mich ein absolutes Highlight, doch nach dem unglaublichen zweiten Teil "Das Reich der sieben Höfe - Flammen und Finsternis" war ich mir sicher: diese Reihe hat eine gute Chance sogar diesen All-time-Favourite zu übertreffen. Als ich dann nach langem und sehnsüchtigen Warten endlich das Finale der Geschichte in den Händen hielt, habe ich mich zuerst fast nicht getraut, es zu lesen, denn ich wusste: Wenn ich den Band fertig habe, ist diese Geschichte zu Ende und ich muss Feyre, Rhysand und all den anderen für immer Lebewohl sagen. Tja, dann konnte ich aber doch einfach nicht widerstehen und habe das Buch in ein paar Tagen durch gesuchtet. Vornweg nur so viel: was diese Autorin erschaffen hat, gleicht an Bildgewalt und Schreibstil, einem wahren Epos und ist definitiv würdig verfilmt zu werden. Ich kann gar nicht sagen wie sehr ich diese Welt und ihre Bewohner liebe und jeden Lesemoment genossen habe!

Das Cover reiht sich in der Gestaltung ganz wunderbar in die Reihe ein und wirkt gleichzeitig weniger verspielt wie die ersten beiden Teile. War Feyre zuvor noch in einem bunten, mädchenhaften Kleid in einem Setting zusehen, dass von Ästen oder Bäumen begrenzt und von süßen Vögeln oder Schmetterlingen umrahmt wurde, sieht man die Protagonistin hier unter dem schmucklosen funkelnden Sternenhimmel in einem schwarzen Kleid stehen, dass der High Lady des Hofes der Nacht definitiv würdig ist. Um sie herum fliegen die dunklen Raben Hyberns, bereit dazu, sie anzugreifen. Wo zuvor noch sanfte Farben gewesen waren, ist hier nur grau und schwarz zu sehen. Insgesamt vermittelt das Cover mit dem wunderhübschen, durchsichtigen Buchumschlag eine düstere, magische Kriegsstimmung mit einem Hauch Untergang und Dunkelheit. Schön ist auch das mitgelieferte Lesezeichen in der Form einer Feder. Auch wenn mir die englischen Titel allesamt bessergefallen, ist doch auch der deutsche hier ganz gut getroffen!

Erster Satz: "Nach den Kriegstrommeln kamen die Schreie der Überlebenden und das Summen der Fliegen."

Das große Finale der Fantasy Saga beginnt mit einem kurzen Prolog aus der Sicht Rhysands aus dem Krieg vor dem Errichten der Mauer. Mit schonungslosen Schilderungen und klaren Worten bereitet uns die Autorin hiermit auf die dunklen Zeiten vor, die vor dem Leser und den Protagonisten liegen, denn nun - fünf Jahrhunderte später - steht ein neuer Krieg an und auch dieser wird schreckliche Opfer fordern. Um bestmöglich auf den Kampf gegen Hybern vorbereitet zu sein, war Feyre nach den schrecklichen Ereignissen um den Kessel herum im vergangenen Teil an den Frühlingshof zu Tamlin zurückgekehrt um den High Lord, den sie einst so innig geliebt hatte, bei seinem Bündnis mit dem entfernten, gefährlichen Königreich auszuspionieren. Während sie das traumatisierte Mädchen spielt, schafft sie es gekonnt, unauffällig Keile in den Hof ihres Ex-Geliebten zu treiben und von Frühlingsstimmung kann keine Rede mehr sein. Als zwei königliche Abgesandte aus Hybern und die Verräterin Ianthe dazukommen, eskaliert die Situation langsam und Feyre rettet sich einmal mehr in Rhysands Arme. Doch auch das gibt ihr nur wenig Aufschub. Auch im behaglichen Rahmen Velaris´ ist der heranrückende Krieg zu spüren und der innere Kreis muss mit der Suche nach Verbündeten beginnen: ein Treffen aller High Lords scheint eben so unvermeidlich wie Bündnisse mit äußerst gefährlichen, uralten Kreaturen, auch wenn diese unerfüllbare Forderungen stellen und alles nach einem Opfer schreit...

Die Geschichte ist in drei Teile geteilt, wovon der erste, "Prinzessin der Aasfresser" auf dem Frühlingshof spielt. Für alle, denen nach dem Ende des zweites Teiles das Herz fast stehen geblieben wäre - keine Angst, dieser Teil endet nach 110 Seiten schon wieder und geht mit einer 400seitigen Ausführung über die Kriegsvorbereitung und Bündnisschließung weiter, bevor wir uns dann auf einen 200seitigen Kampf freuen dürfen, der noch einmal alles auf den Tisch holt, was die beiden Teile zuvor angesprochen haben. Bis zum Beginn des letzten Teiles, in dem wir vor allem viele epische Szenen und Action serviert bekommen, ist die Handlung eigentlich wenig spektakulär. Die "Queen of Fantasy" spielt hier vor allem mit den inneren Dämonen ihrer Charaktere und setzt auf die brodelnde Vorkriegsstimmung, die unter anderem von unheilvollen Ankündigungen, überraschende Wendungen und der Dynamik der Charaktere lebt.


"Meine Stimme war rau. "Wir sind im Krieg. Wir haben nur wenige Verbündete, und die, die wir haben, vertrauen uns nicht." Ich schaute ihnen allen in die Augen - meiner Schwester, Lucien, Mor, Azriel und Cassian. Dann Amren. Zum Schluss meinem Seelengefährten. Ich drückte noch einmal seine Hand, denn ich spürte, wie die Schuld ihre Klauen in sein Innerstes schlug. "Ihr alle habt den Krieg erlebt. Und ihr habt ihn überlebt. Aber ich glaube, wir sind von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn wir zulassen, dass uns etwas entzweit."


Dabei lernen wir endlich alle High Lords Prythians kennen: Helion, der strahlende High Lord des Hofes des Tages, der sanftmütige Thesan vom Hof des Morges, der kompromissbereite Tarquin vom Sommerhof, den wir schon zuvor treffen durften, der eiskalte Kallias vom Winterhof, der mitleidslose Beron vom Herbsthof und schließlich Tamlin vom Frühlingshof, der einfach nur wütend ist. Wütend, weil Feyre ihm schon wieder zugunsten Rhysands verlassen und seinen Hof dabei in Zwietracht und Zerstörung zurückgelassen hat, wütend, weil er ein Bündnis mit einem Sadisten geschlossen hat und er eigentlich gar keinen Krieg wollte.

Doch nicht nur mit den High Lords treten ungeahnte neue Mächte und Möglichkeiten auf den Plan, auch uralte Wesen, die wir schon zuvor zu fürchten gelernt haben, werden wieder auf den Plan gerufen. So bekommt die Weberin einen zweiten Auftritt, genau wie der Knochenschnitzer und eine unheimliche Macht, die Feyre vom Grund einer alten Bibliothek befreite. Und auch hinter das Geheimnis um Amren dürfen wir endlich dahinter kommen. Immer mehr und neue Asse schüttet sich Sarah J. Maas aus dem Ärmel, es werden verborgene Königinnen gesucht, ganze vergessene Königreiche kommen ins Spiel, Pakte mit alten Freude und neuen Verbündete geschmiedet, sie alle kämpfen mit Feyres Schwestern und ihrer Familie vom Hof der Träume für das, was ihnen alles bedeutet: ihr Leben, der Frieden, ihr Land.


"Es war nicht nur der Verlust von Leben, der ein Land zerriss. Es waren die geschundenen Seelen, die zurückblieben. Ich konnte nach Velaris heimkehren, konnte erleben, wie Frieden geschaffen und Städte neu aufgebaut wurden. Aber diese Schlacht, dieser Krieg würde mich für immer verändern. Der Krieg würde mich begleiten, noch lange, nachdem er geendet hatte, wie eine unsichtbare Narbe, die vielleicht verblassen, aber nie vollständig verschwinden würde. Aber für meine Heimat, für Prythian, für die Welt der Sterblichen und für das Leben so vieler würde ich es wieder tun. Immer und immer wieder."


Wieder hat mich das Buch eiskalt erwischt und immer wieder aufs Neue entsetzt. So langsam zweifle ich wirklich an meinem "Plot-Näschen", das mir eigentlich immer ganz gut beim Voraussehen von Wendungen geholfen hatte. Nachdem mich die Autorin nun schon so oft überrascht, mich mit ihren Wendungen glatt an der Nase herum geführt und die Handlung in eine unerwartete Richtung gelenkt hat, dachte ich so langsam, nun hätte ich alles überblickt und das Muster verstanden - und dann kam wieder so eine Überraschung, die ich einfach nicht voraussehen konnte und wieder eine... Eine nach der anderen haute sie raus, sodass ich einfach nur sprachlos war und nur staunen konnte, was sich unsere liebe Frau Autorin da mal wieder für uns ausgedacht hatte. Vor allem eine Entwicklung gegen Ende hat mich dazu gebracht, entsetzt auf und ab zu hüpfen, "Nein!", "Nein!", "Nein, das hat sie nicht wirklich gemacht!", zu brüllen, sodass mich meine Eltern seltsam anschauten, und nochmals die ganzen Ereignisse in allen Teilen zu überdenken.


"Sein lustvolles Stöhnen erfüllte das Zelt und übertönte das Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden. Leben und Tod, so nah beieinander, beide unser ständiger Begleiter. Ich feierte die Liebe, die wir hatten, mit meinen Händen, mit meinem Mund, mit meinem ganzen Körper, und ich hoffte, dass dieses Stück Leben, das wir darboten, dieses strahlende Licht zwischen uns, den Tod in Schach halten würde.


Leider gab es trotz des fast 800seitigen Umfangs und den vielen interessanten Geschehnissen einige Vorkommnisse, die sehr am Rande behandelt, Geheimnisse, die im Schnelldurchlauf aufgeklärt und Probleme, die mit einem kurzen Ausflug beseitig werden. Zum Beispiel über Lucians Suche nach Vassa hätte ich gerne noch mehr erfahren, Feyres Blick in den Ouroboros wird auf eine Nacherzählung für Rhys verlegt und auch Elains Gefangenschaft wird sehr schnell gelöst. Auch wenn ich der Geschichte das keinesfalls böse nehmen kann, hätte Sarah J. Maas die Geschichte ohne Probleme ein wenig umstrukturieren und zu einer Quadrologie werden lassen können. Dann wäre der Abschied von Prythian und all seinen magischen Bewohnern noch ein wenig vertagt gewesen. Aber auch so wird durch ein flottes und beschwingtes Erzähltempo verhindert, dass auf den vielen Seiten auch nur der Hauch von Langweile aufkommt.


"Du fürchtest dich nicht", knurrte Rhys. "Denk daran, dass du ein Wolf bist. Und einen Wolf fängt man nicht."


Ohne den außergewöhnlichen Schreibstil Sarah J. Maas´, den ich hier zum wiederholten Male noch einmal würdigen will, hätte die Geschichte einiges eingebüßt. Wie für die ganze Reihe gibt es ein Wort, das ihr erstaunliches Talent Worte in Sätzen so zu platzieren, dass sie der Geschichte alleine durch den Schreibstil ein imposantes Auftreten verleihen, super beschreibt: EPISCH. Durch ihre teils sehr außergewöhnliche Wahl der Worte und einer intensiven Szenenbeschreibung, fühlt man sich oft, als würde man einem Film zusehen, der vor den eigenen Augen abläuft. Ein wunderbarer Film voller Action, Gefühle und Hintergrund und mit genialen Schauspielern...
Manche Fantasy-Welten werden einmal aufgebaut und dann spielt sich die Handlung in diesem statischen Bühnenbild ab. Doch nicht bei dieser Reihe: Ständig verändert sich der Fokus, der Blickwinkel, der Handlungsort der Geschichte, es werden neue Dinge aufgenommen, bestehende ändern sich - eine stetige Entwicklung, die die Geschichte so perfekt und schlüssig erweitert, dass aus dem roten Fanden, ein rotes Band wird. Das ist eine Fähigkeit, für die ich Sarah J. Maas immer bewundern werde: ihre zusammenhängende Darstellung der Welt, die immer komplexer, verschachtelter und geheimnisvoller wird, mit jedem Charakter und Handlungsstrang der dazukommt. Dabei verliert sie nie das Wesentliche aus den Augen und überlädt die Story auch nicht - sie pickt sich einzelne interessante Aspekte gekonnt heraus, welche dann weiter gesponnen und vernetzt werden, bis ein umwerfendes Gesamtergebnis entsteht!


"Früher hatte ich immer gedacht, der Tod sei eine Art friedliche Heimkehr, ein süßes, trauriges Wiegenlied, das mich ins Jenseits begleiten würde. Jetzt wusste ich, dass mich keine süße Melodie erwartete. Das Wiegenlied des Todes war das eintönige Brummen von Fliegen, denn Fliegen und Maden waren seine Handlanger."


Und noch etwas lässt dieses Werk aus der Fantasy-Branche herausstechen: die wunderbaren Charaktere, die ans Herz gehen wie kaum in einem anderen Roman.
Wieder setzt uns die Autorin als erzählende Figur eine starke, weibliche Kämpfernatur vor, die in ihrer Entwicklung einem Phönix gleicht: zuerst lernten wir Feyre Archeron als armer, hilfloser Mensch kennen, der seine Familie mit Jagd im Wald überm Wasser zu halten versucht und durch Zufall in die Welt der Fae hineingerät. Am Frühlingshof durch die Liebe und Aufmerksamkeit Tamlins wird sie vom ungestümen Mädchen zur Dame, die weiß, wie sie ihre Talente einsetzten muss, weswegen sie auch in der Lage ist, die Hölle unter dem Berg Amaranthas zu überleben, auch wenn sie dort herumgeschoben wird, wie eine Schachfigur und schließlich stirbt, nur um als Fae wieder aufzuerstehen und langsam ihren Platz an der Seite Rhysands, ihres Seelengefährten findet und dann als High Lady in die Schlacht zu ziehen und sich selbst zu finden - die starke, unerschütterliche Frau, die sie eigentlich schon immer gewesen war und das durch die Kraft der sieben High Lords ihre Asche abgeschüttelt hat und neu geboren wurde. Schon immer habe ich sie für ihre Willenskraft, ihre Kämpfernatur und ihr scheinbar unerschütterliches Vertrauen bewundert. Hier schafft sie es jedoch endgültig das zaghafte Mädchen in ihr abzuschütteln und ganz zur High Lady an Rhysands Seite zu werden...


"Wo sind wir hier?" Wir alle schauten Lucien an. "Zu Hause", sagte ich. "Das ist mein Zuhause." Ich sah, wie er alles in sich aufnahm. Keine Dunkelheit. Keine Schreie. Kein Blut, kein Moderngestank, sondern der Duft von Meer und Zitronen. Das Gelächter von Kindern. Das größte Geheimnis in der Geschichte von Prythian. "Das ist Velaris", sagte ich. "Die Stadt des Sternenlichts." Er schluckte. "Und du bist die High Lady des Hofes der Nacht."


Ja Rhysand, ... der liebevolle Rhys, der mächtige High Lord des Hofes der Nacht. Es fällt mir wirklich schwer Worte zu finden, die diesem wundervollen Charakter auch nur annähernd gerecht werden. Sarah J. Maas schafft es hier alle Klischees und Vorgaben an männliche Protagonisten zu sprengen und das Ergebnis ist ein authentischer, ehrlicher Charakter, den man einfach Lieben und verstehen muss. Mit jeder Seite habe ich mich mehr in ihn verliebt und mir von Herzen ein glückliches Ende gewünscht. Auch wenn er in der Vergangenheit als Herr der Finsternis nach außen eine grausame Maske trug und landesweit gefürchtet wird, ist er dem Bad Boy Klischee so weit entfernt, wie man es nur sein kann. Wie Feyre sehr schnell herausgefunden hat verbirgt sich hinter der kalten Fassade, die alle außer seinem Hof der Träume, seiner verborgenen Stadt Velaris und seiner Familie zu sehen bekommen, ein verletzliches Herz, zarte Hoffnung, leidenschaftlicher Einsatz, aufopferungsvolle Treue und viel Liebe zu seiner Familie. Genau wie Feyre leidet auch er immer noch sehr unter den Jahren an Amaranthas Hof und würde alles dafür tun, um einen weiteren Krieg zu verhindern. Auch seine Fassade fallen lassen und der ganzen Welt zeigen, wer die wirklichen Herrscher der Nacht sind: sanftmütige, aber mächtige Kreaturen, die man gerne zum Freund und ungerne zum Feind haben will.


"Rhys blickte uns alle an, die wir hier auf dieser sonnengeküssten Wiese versammelt waren. Unsere Familie. Unser Hof. Der Hof der Träume. (...) Er wischte mir sanft die Tränen weg, die über meine Wange rollten "Ich glaube, dass alles genau so passiert ist, wie es passieren sollte. Damit ich dich finden konnte.(...) Wir gehen heute in den Kampf und wir werden den Tod erst dann als unausweichlich annehmen, wenn wir in die Anderswelt treten. Wir werden für das Leben kämpfen. Und für die Zukunft. (...) Es gibt in meinem Leben keine größere Freunde und Ehre als die, euch gekannt zu haben."


Sarah J. Maas begeht zum Glück nicht den große Fehler, den die meisten Finalbände so schwächeln lassen: die Nebencharaktere als ´fertig charakterisiert´ zu definieren und sie zu feststehenden Rollen zu zwingen, die ganz als Statisten im Kampf untergehen. Im Gegenteil, gerade im Mittelteil nimmt die Autorin sich besonders viel Zeit um Amren, Mor, Azriel, Cassian, Nesta, Elain, Lucien und all die anderen weiter aufeinander los zu lassen. Gerade für Tamlin, der nachdem ich ihn in Band 1 recht gut leiden konnte in meiner Sympathieskala ziemlich weit abgestürzt ist, konnte ich dank einiger Handlungen noch ein wenig mehr Sympathie und vor allem Mitleid aufbringen. Es wird aber auch im inneren Kreis viel gestritten, innig geliebt, gekämpft und offenbart. Man erfährt, was es mit der Spannung zwischen Azril und Mor auf sich hat, blickt hinter das, was der Kessel aus Nesta und Elain gemacht hat und stößt auf den ein oder anderen Abgrund in den Leben der anderen. Und auch wenn sie nicht immer einer Meinung sind und sich häufig zoffen, sind sie doch alle eine Familie und halten zueinander, wenn es hart auf hart kommt. Und genau deshalb haben sie auch eine Chance zu gewinnen, so schlecht es auch aussieht.
Während der endlosen Kämpfe, Machtspielchen, magischen Intrigen und der vielen Liebe, die die Charaktere dazu bringt, immer weiter zu machen, auch wenn es eigentlich schon verloren ist, lehrt uns die Geschichte, was wirklich wichtig im Leben ist. Sie zeigt uns, dass in jedem von uns etwas Besonderes steckt, dass wir alles schaffen können, wenn wir nur genug Vertrauen, Durchhaltevermögen und Kraft besitzen. Wenn wir immer wieder aufstehen, uns helfen lassen und vor allem: uns selbst vergeben. Feyre findet erst zu ihrer wahren Stärke, als sie im Spiegel von Anfang und Ende ihr wahres Selbst erblickt, mit aller Monstrosität und Schönheit und alles an ihr akzeptiert.


"Wir verdienen es, glücklich zu sein", sagte er. Das hatte ich einst zu ihm gesagt, nach dem Angriff auf Velaris, auf dem Dach des Stadthauses. "Und ich werde mit allen Mitteln um dieses Glück kämpfen." "Wir werden darum kämpfen", sagte ich rau. "Wir gemeinsam!"


Dann noch ein letzter Punkt, über den wir reden müssen: das fulminante Finale dieses Teil! Ich weiß nicht, wann mich das letzte Mal ein Buch so unter Strom gesetzt hat. Emotion ist die eine Sache, Spannung und krasse Dramatik sind die anderen. Die letzten Seiten waren so außergewöhnlich mitreißend, überraschend, spannend, actionreich, richtungsändernd und eindrucksvoll, sodass ich es wahrscheinlich nie vergessen werde. Alleine für diese eine Szene sollte dieses Buch schon 5 Sterne bekommen! Eine Wendung jagt die nächste, man hat eigentlich durchgängig Gänsehaut, Tränenausbrüche und unkontrollierte Zuckungen, sodass ich bestimmt die Gehirnströme einer Epileptikerin hatte, als die letzten Seiten durch mein Hirn jagten. Spätestens ab jetzt ist diese Reihe zu meiner "all time favourite Geschichte" geworden und ich konnte dem actionreichen, dramatischen und unglaublich tragischen Schluss nur gebannt folgen, zu ängstlich, verliebt, hoffnungslos, erleichtert, geschockt, traurig, wütend und beeindruckt war ich - beeindruckt von der unglaublichen Geschichte dieser jungen Autorin, die hier ihr perfektes Ende findet. Auch wenn wenige Fragen ungeklärt bleiben, bin ich mir deshalb noch nicht sicher, ob ich den Zwischenband "A Court of Frost and Starlight" und die danach folgende Spin Off Reihe, die demnächst auf englisch erscheinen werden, lesen will.

Zum Schluss noch mein Lieblingszitat:

"Rhys trat zu mir und nahm meine Hand. Er ganz in Schwarz -die siegreiche Nacht - und ich der strahlende Stern. Er die milde und schreckliche Dunkelheit, ich das reine Licht, das durch seine Schatten zum Glitzern gebracht wurde."


Fazit:


Dieses Finale ist atemberaubend, episch, tief berührend und eine krasse Steigerung zu den Vorgängern auf allen Linien. Lebt, bangt, kämpft und liebt mit Feyre, Rhysand und ihrer Familie, so wie ich es getan habe und diese Geschichte wird immer ein Teil von euch sein!

Veröffentlicht am 31.03.2018

Atemberaubend, episch und tief berührend!

Das Reich der sieben Höfe − Sterne und Schwerter
0

Allgemeines:

Titel: Das Reich der sieben Höfe - Sterne und Schwerter
Autor: Sarah J. Maas
Verlag: dtv (9. März 2018)
Genre: Fantasy
ASIN: B077JZLXGH
ISBN-10: 3423762063
ISBN-13: 978-3423762069
Originaltitel: ...

Allgemeines:

Titel: Das Reich der sieben Höfe - Sterne und Schwerter
Autor: Sarah J. Maas
Verlag: dtv (9. März 2018)
Genre: Fantasy
ASIN: B077JZLXGH
ISBN-10: 3423762063
ISBN-13: 978-3423762069
Originaltitel: A Court of Wings and Ruin
Preis: 14,99€ (Kindle-Edition)
21,95€ (Gebundene Ausgabe)
Seitenzahl: 752 Seiten
Weitere Bände: "Das Reich der sieben Höfe - Dorne und Rosen";
"Das Reich der sieben Höfe - Flammen und Finsternis"



Inhalt:

"Ich sehe dich, Rhys. Ich sehe dich, wie du bist. Und es gibt nichts an dir, was ich nicht mit jeder Faser meines Seins liebe."


Feyre hat ihren Seelengefährten gefunden. Doch es ist nicht Tamlin, sondern Rhys. Trotzdem kehrt sie an den Frühlingshof zurück, um mehr über Tamlins Pläne herauszufinden. Er ist auf einen gefährlichen Handel mit dem König von Hybern eingegangen und der will nur eins – Krieg. Feyre lässt sich damit auf ein gefährliches Doppelspiel ein, denn niemand darf von ihrer Verbindung zu Rhys erfahren. Eine Unachtsamkeit würde den sicheren Untergang nicht nur für Feyre, sondern für ganz Prythian bedeuten. Doch wie lange kann sie ihre Absichten geheim halten, wenn es Wesen gibt, die mühelos in Feyres Gedanken eindringen können?


Bewertung:


Nur um das gleich mal klarzustellen: Ich LIEBE diese Reihe!!! Schon die Throne-of-Glass Reihe der Autorin war für mich ein absolutes Highlight, doch nach dem unglaublichen zweiten Teil "Das Reich der sieben Höfe - Flammen und Finsternis" war ich mir sicher: diese Reihe hat eine gute Chance sogar diesen All-time-Favourite zu übertreffen. Als ich dann nach langem und sehnsüchtigen Warten endlich das Finale der Geschichte in den Händen hielt, habe ich mich zuerst fast nicht getraut, es zu lesen, denn ich wusste: Wenn ich den Band fertig habe, ist diese Geschichte zu Ende und ich muss Feyre, Rhysand und all den anderen für immer Lebewohl sagen. Tja, dann konnte ich aber doch einfach nicht widerstehen und habe das Buch in ein paar Tagen durch gesuchtet. Vornweg nur so viel: was diese Autorin erschaffen hat, gleicht an Bildgewalt und Schreibstil, einem wahren Epos und ist definitiv würdig verfilmt zu werden. Ich kann gar nicht sagen wie sehr ich diese Welt und ihre Bewohner liebe und jeden Lesemoment genossen habe!

Das Cover reiht sich in der Gestaltung ganz wunderbar in die Reihe ein und wirkt gleichzeitig weniger verspielt wie die ersten beiden Teile. War Feyre zuvor noch in einem bunten, mädchenhaften Kleid in einem Setting zusehen, dass von Ästen oder Bäumen begrenzt und von süßen Vögeln oder Schmetterlingen umrahmt wurde, sieht man die Protagonistin hier unter dem schmucklosen funkelnden Sternenhimmel in einem schwarzen Kleid stehen, dass der High Lady des Hofes der Nacht definitiv würdig ist. Um sie herum fliegen die dunklen Raben Hyberns, bereit dazu, sie anzugreifen. Wo zuvor noch sanfte Farben gewesen waren, ist hier nur grau und schwarz zu sehen. Insgesamt vermittelt das Cover mit dem wunderhübschen, durchsichtigen Buchumschlag eine düstere, magische Kriegsstimmung mit einem Hauch Untergang und Dunkelheit. Schön ist auch das mitgelieferte Lesezeichen in der Form einer Feder. Auch wenn mir die englischen Titel allesamt bessergefallen, ist doch auch der deutsche hier ganz gut getroffen!

Erster Satz: "Nach den Kriegstrommeln kamen die Schreie der Überlebenden und das Summen der Fliegen."

Das große Finale der Fantasy Saga beginnt mit einem kurzen Prolog aus der Sicht Rhysands aus dem Krieg vor dem Errichten der Mauer. Mit schonungslosen Schilderungen und klaren Worten bereitet uns die Autorin hiermit auf die dunklen Zeiten vor, die vor dem Leser und den Protagonisten liegen, denn nun - fünf Jahrhunderte später - steht ein neuer Krieg an und auch dieser wird schreckliche Opfer fordern. Um bestmöglich auf den Kampf gegen Hybern vorbereitet zu sein, war Feyre nach den schrecklichen Ereignissen um den Kessel herum im vergangenen Teil an den Frühlingshof zu Tamlin zurückgekehrt um den High Lord, den sie einst so innig geliebt hatte, bei seinem Bündnis mit dem entfernten, gefährlichen Königreich auszuspionieren. Während sie das traumatisierte Mädchen spielt, schafft sie es gekonnt, unauffällig Keile in den Hof ihres Ex-Geliebten zu treiben und von Frühlingsstimmung kann keine Rede mehr sein. Als zwei königliche Abgesandte aus Hybern und die Verräterin Ianthe dazukommen, eskaliert die Situation langsam und Feyre rettet sich einmal mehr in Rhysands Arme. Doch auch das gibt ihr nur wenig Aufschub. Auch im behaglichen Rahmen Velaris´ ist der heranrückende Krieg zu spüren und der innere Kreis muss mit der Suche nach Verbündeten beginnen: ein Treffen aller High Lords scheint eben so unvermeidlich wie Bündnisse mit äußerst gefährlichen, uralten Kreaturen, auch wenn diese unerfüllbare Forderungen stellen und alles nach einem Opfer schreit...

Die Geschichte ist in drei Teile geteilt, wovon der erste, "Prinzessin der Aasfresser" auf dem Frühlingshof spielt. Für alle, denen nach dem Ende des zweites Teiles das Herz fast stehen geblieben wäre - keine Angst, dieser Teil endet nach 110 Seiten schon wieder und geht mit einer 400seitigen Ausführung über die Kriegsvorbereitung und Bündnisschließung weiter, bevor wir uns dann auf einen 200seitigen Kampf freuen dürfen, der noch einmal alles auf den Tisch holt, was die beiden Teile zuvor angesprochen haben. Bis zum Beginn des letzten Teiles, in dem wir vor allem viele epische Szenen und Action serviert bekommen, ist die Handlung eigentlich wenig spektakulär. Die "Queen of Fantasy" spielt hier vor allem mit den inneren Dämonen ihrer Charaktere und setzt auf die brodelnde Vorkriegsstimmung, die unter anderem von unheilvollen Ankündigungen, überraschende Wendungen und der Dynamik der Charaktere lebt.


"Meine Stimme war rau. "Wir sind im Krieg. Wir haben nur wenige Verbündete, und die, die wir haben, vertrauen uns nicht." Ich schaute ihnen allen in die Augen - meiner Schwester, Lucien, Mor, Azriel und Cassian. Dann Amren. Zum Schluss meinem Seelengefährten. Ich drückte noch einmal seine Hand, denn ich spürte, wie die Schuld ihre Klauen in sein Innerstes schlug. "Ihr alle habt den Krieg erlebt. Und ihr habt ihn überlebt. Aber ich glaube, wir sind von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn wir zulassen, dass uns etwas entzweit."


Dabei lernen wir endlich alle High Lords Prythians kennen: Helion, der strahlende High Lord des Hofes des Tages, der sanftmütige Thesan vom Hof des Morges, der kompromissbereite Tarquin vom Sommerhof, den wir schon zuvor treffen durften, der eiskalte Kallias vom Winterhof, der mitleidslose Beron vom Herbsthof und schließlich Tamlin vom Frühlingshof, der einfach nur wütend ist. Wütend, weil Feyre ihm schon wieder zugunsten Rhysands verlassen und seinen Hof dabei in Zwietracht und Zerstörung zurückgelassen hat, wütend, weil er ein Bündnis mit einem Sadisten geschlossen hat und er eigentlich gar keinen Krieg wollte.

Doch nicht nur mit den High Lords treten ungeahnte neue Mächte und Möglichkeiten auf den Plan, auch uralte Wesen, die wir schon zuvor zu fürchten gelernt haben, werden wieder auf den Plan gerufen. So bekommt die Weberin einen zweiten Auftritt, genau wie der Knochenschnitzer und eine unheimliche Macht, die Feyre vom Grund einer alten Bibliothek befreite. Und auch hinter das Geheimnis um Amren dürfen wir endlich dahinter kommen. Immer mehr und neue Asse schüttet sich Sarah J. Maas aus dem Ärmel, es werden verborgene Königinnen gesucht, ganze vergessene Königreiche kommen ins Spiel, Pakte mit alten Freude und neuen Verbündete geschmiedet, sie alle kämpfen mit Feyres Schwestern und ihrer Familie vom Hof der Träume für das, was ihnen alles bedeutet: ihr Leben, der Frieden, ihr Land.


"Es war nicht nur der Verlust von Leben, der ein Land zerriss. Es waren die geschundenen Seelen, die zurückblieben. Ich konnte nach Velaris heimkehren, konnte erleben, wie Frieden geschaffen und Städte neu aufgebaut wurden. Aber diese Schlacht, dieser Krieg würde mich für immer verändern. Der Krieg würde mich begleiten, noch lange, nachdem er geendet hatte, wie eine unsichtbare Narbe, die vielleicht verblassen, aber nie vollständig verschwinden würde. Aber für meine Heimat, für Prythian, für die Welt der Sterblichen und für das Leben so vieler würde ich es wieder tun. Immer und immer wieder."


Wieder hat mich das Buch eiskalt erwischt und immer wieder aufs Neue entsetzt. So langsam zweifle ich wirklich an meinem "Plot-Näschen", das mir eigentlich immer ganz gut beim Voraussehen von Wendungen geholfen hatte. Nachdem mich die Autorin nun schon so oft überrascht, mich mit ihren Wendungen glatt an der Nase herum geführt und die Handlung in eine unerwartete Richtung gelenkt hat, dachte ich so langsam, nun hätte ich alles überblickt und das Muster verstanden - und dann kam wieder so eine Überraschung, die ich einfach nicht voraussehen konnte und wieder eine... Eine nach der anderen haute sie raus, sodass ich einfach nur sprachlos war und nur staunen konnte, was sich unsere liebe Frau Autorin da mal wieder für uns ausgedacht hatte. Vor allem eine Entwicklung gegen Ende hat mich dazu gebracht, entsetzt auf und ab zu hüpfen, "Nein!", "Nein!", "Nein, das hat sie nicht wirklich gemacht!", zu brüllen, sodass mich meine Eltern seltsam anschauten, und nochmals die ganzen Ereignisse in allen Teilen zu überdenken.


"Sein lustvolles Stöhnen erfüllte das Zelt und übertönte das Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden. Leben und Tod, so nah beieinander, beide unser ständiger Begleiter. Ich feierte die Liebe, die wir hatten, mit meinen Händen, mit meinem Mund, mit meinem ganzen Körper, und ich hoffte, dass dieses Stück Leben, das wir darboten, dieses strahlende Licht zwischen uns, den Tod in Schach halten würde.


Leider gab es trotz des fast 800seitigen Umfangs und den vielen interessanten Geschehnissen einige Vorkommnisse, die sehr am Rande behandelt, Geheimnisse, die im Schnelldurchlauf aufgeklärt und Probleme, die mit einem kurzen Ausflug beseitig werden. Zum Beispiel über Lucians Suche nach Vassa hätte ich gerne noch mehr erfahren, Feyres Blick in den Ouroboros wird auf eine Nacherzählung für Rhys verlegt und auch Elains Gefangenschaft wird sehr schnell gelöst. Auch wenn ich der Geschichte das keinesfalls böse nehmen kann, hätte Sarah J. Maas die Geschichte ohne Probleme ein wenig umstrukturieren und zu einer Quadrologie werden lassen können. Dann wäre der Abschied von Prythian und all seinen magischen Bewohnern noch ein wenig vertagt gewesen. Aber auch so wird durch ein flottes und beschwingtes Erzähltempo verhindert, dass auf den vielen Seiten auch nur der Hauch von Langweile aufkommt.


"Du fürchtest dich nicht", knurrte Rhys. "Denk daran, dass du ein Wolf bist. Und einen Wolf fängt man nicht."


Ohne den außergewöhnlichen Schreibstil Sarah J. Maas´, den ich hier zum wiederholten Male noch einmal würdigen will, hätte die Geschichte einiges eingebüßt. Wie für die ganze Reihe gibt es ein Wort, das ihr erstaunliches Talent Worte in Sätzen so zu platzieren, dass sie der Geschichte alleine durch den Schreibstil ein imposantes Auftreten verleihen, super beschreibt: EPISCH. Durch ihre teils sehr außergewöhnliche Wahl der Worte und einer intensiven Szenenbeschreibung, fühlt man sich oft, als würde man einem Film zusehen, der vor den eigenen Augen abläuft. Ein wunderbarer Film voller Action, Gefühle und Hintergrund und mit genialen Schauspielern...
Manche Fantasy-Welten werden einmal aufgebaut und dann spielt sich die Handlung in diesem statischen Bühnenbild ab. Doch nicht bei dieser Reihe: Ständig verändert sich der Fokus, der Blickwinkel, der Handlungsort der Geschichte, es werden neue Dinge aufgenommen, bestehende ändern sich - eine stetige Entwicklung, die die Geschichte so perfekt und schlüssig erweitert, dass aus dem roten Fanden, ein rotes Band wird. Das ist eine Fähigkeit, für die ich Sarah J. Maas immer bewundern werde: ihre zusammenhängende Darstellung der Welt, die immer komplexer, verschachtelter und geheimnisvoller wird, mit jedem Charakter und Handlungsstrang der dazukommt. Dabei verliert sie nie das Wesentliche aus den Augen und überlädt die Story auch nicht - sie pickt sich einzelne interessante Aspekte gekonnt heraus, welche dann weiter gesponnen und vernetzt werden, bis ein umwerfendes Gesamtergebnis entsteht!


"Früher hatte ich immer gedacht, der Tod sei eine Art friedliche Heimkehr, ein süßes, trauriges Wiegenlied, das mich ins Jenseits begleiten würde. Jetzt wusste ich, dass mich keine süße Melodie erwartete. Das Wiegenlied des Todes war das eintönige Brummen von Fliegen, denn Fliegen und Maden waren seine Handlanger."


Und noch etwas lässt dieses Werk aus der Fantasy-Branche herausstechen: die wunderbaren Charaktere, die ans Herz gehen wie kaum in einem anderen Roman.
Wieder setzt uns die Autorin als erzählende Figur eine starke, weibliche Kämpfernatur vor, die in ihrer Entwicklung einem Phönix gleicht: zuerst lernten wir Feyre Archeron als armer, hilfloser Mensch kennen, der seine Familie mit Jagd im Wald überm Wasser zu halten versucht und durch Zufall in die Welt der Fae hineingerät. Am Frühlingshof durch die Liebe und Aufmerksamkeit Tamlins wird sie vom ungestümen Mädchen zur Dame, die weiß, wie sie ihre Talente einsetzten muss, weswegen sie auch in der Lage ist, die Hölle unter dem Berg Amaranthas zu überleben, auch wenn sie dort herumgeschoben wird, wie eine Schachfigur und schließlich stirbt, nur um als Fae wieder aufzuerstehen und langsam ihren Platz an der Seite Rhysands, ihres Seelengefährten findet und dann als High Lady in die Schlacht zu ziehen und sich selbst zu finden - die starke, unerschütterliche Frau, die sie eigentlich schon immer gewesen war und das durch die Kraft der sieben High Lords ihre Asche abgeschüttelt hat und neu geboren wurde. Schon immer habe ich sie für ihre Willenskraft, ihre Kämpfernatur und ihr scheinbar unerschütterliches Vertrauen bewundert. Hier schafft sie es jedoch endgültig das zaghafte Mädchen in ihr abzuschütteln und ganz zur High Lady an Rhysands Seite zu werden...


"Wo sind wir hier?" Wir alle schauten Lucien an. "Zu Hause", sagte ich. "Das ist mein Zuhause." Ich sah, wie er alles in sich aufnahm. Keine Dunkelheit. Keine Schreie. Kein Blut, kein Moderngestank, sondern der Duft von Meer und Zitronen. Das Gelächter von Kindern. Das größte Geheimnis in der Geschichte von Prythian. "Das ist Velaris", sagte ich. "Die Stadt des Sternenlichts." Er schluckte. "Und du bist die High Lady des Hofes der Nacht."


Ja Rhysand, ... der liebevolle Rhys, der mächtige High Lord des Hofes der Nacht. Es fällt mir wirklich schwer Worte zu finden, die diesem wundervollen Charakter auch nur annähernd gerecht werden. Sarah J. Maas schafft es hier alle Klischees und Vorgaben an männliche Protagonisten zu sprengen und das Ergebnis ist ein authentischer, ehrlicher Charakter, den man einfach Lieben und verstehen muss. Mit jeder Seite habe ich mich mehr in ihn verliebt und mir von Herzen ein glückliches Ende gewünscht. Auch wenn er in der Vergangenheit als Herr der Finsternis nach außen eine grausame Maske trug und landesweit gefürchtet wird, ist er dem Bad Boy Klischee so weit entfernt, wie man es nur sein kann. Wie Feyre sehr schnell herausgefunden hat verbirgt sich hinter der kalten Fassade, die alle außer seinem Hof der Träume, seiner verborgenen Stadt Velaris und seiner Familie zu sehen bekommen, ein verletzliches Herz, zarte Hoffnung, leidenschaftlicher Einsatz, aufopferungsvolle Treue und viel Liebe zu seiner Familie. Genau wie Feyre leidet auch er immer noch sehr unter den Jahren an Amaranthas Hof und würde alles dafür tun, um einen weiteren Krieg zu verhindern. Auch seine Fassade fallen lassen und der ganzen Welt zeigen, wer die wirklichen Herrscher der Nacht sind: sanftmütige, aber mächtige Kreaturen, die man gerne zum Freund und ungerne zum Feind haben will.


"Rhys blickte uns alle an, die wir hier auf dieser sonnengeküssten Wiese versammelt waren. Unsere Familie. Unser Hof. Der Hof der Träume. (...) Er wischte mir sanft die Tränen weg, die über meine Wange rollten "Ich glaube, dass alles genau so passiert ist, wie es passieren sollte. Damit ich dich finden konnte.(...) Wir gehen heute in den Kampf und wir werden den Tod erst dann als unausweichlich annehmen, wenn wir in die Anderswelt treten. Wir werden für das Leben kämpfen. Und für die Zukunft. (...) Es gibt in meinem Leben keine größere Freunde und Ehre als die, euch gekannt zu haben."


Sarah J. Maas begeht zum Glück nicht den große Fehler, den die meisten Finalbände so schwächeln lassen: die Nebencharaktere als ´fertig charakterisiert´ zu definieren und sie zu feststehenden Rollen zu zwingen, die ganz als Statisten im Kampf untergehen. Im Gegenteil, gerade im Mittelteil nimmt die Autorin sich besonders viel Zeit um Amren, Mor, Azriel, Cassian, Nesta, Elain, Lucien und all die anderen weiter aufeinander los zu lassen. Gerade für Tamlin, der nachdem ich ihn in Band 1 recht gut leiden konnte in meiner Sympathieskala ziemlich weit abgestürzt ist, konnte ich dank einiger Handlungen noch ein wenig mehr Sympathie und vor allem Mitleid aufbringen. Es wird aber auch im inneren Kreis viel gestritten, innig geliebt, gekämpft und offenbart. Man erfährt, was es mit der Spannung zwischen Azril und Mor auf sich hat, blickt hinter das, was der Kessel aus Nesta und Elain gemacht hat und stößt auf den ein oder anderen Abgrund in den Leben der anderen. Und auch wenn sie nicht immer einer Meinung sind und sich häufig zoffen, sind sie doch alle eine Familie und halten zueinander, wenn es hart auf hart kommt. Und genau deshalb haben sie auch eine Chance zu gewinnen, so schlecht es auch aussieht.
Während der endlosen Kämpfe, Machtspielchen, magischen Intrigen und der vielen Liebe, die die Charaktere dazu bringt, immer weiter zu machen, auch wenn es eigentlich schon verloren ist, lehrt uns die Geschichte, was wirklich wichtig im Leben ist. Sie zeigt uns, dass in jedem von uns etwas Besonderes steckt, dass wir alles schaffen können, wenn wir nur genug Vertrauen, Durchhaltevermögen und Kraft besitzen. Wenn wir immer wieder aufstehen, uns helfen lassen und vor allem: uns selbst vergeben. Feyre findet erst zu ihrer wahren Stärke, als sie im Spiegel von Anfang und Ende ihr wahres Selbst erblickt, mit aller Monstrosität und Schönheit und alles an ihr akzeptiert.


"Wir verdienen es, glücklich zu sein", sagte er. Das hatte ich einst zu ihm gesagt, nach dem Angriff auf Velaris, auf dem Dach des Stadthauses. "Und ich werde mit allen Mitteln um dieses Glück kämpfen." "Wir werden darum kämpfen", sagte ich rau. "Wir gemeinsam!"


Dann noch ein letzter Punkt, über den wir reden müssen: das fulminante Finale dieses Teil! Ich weiß nicht, wann mich das letzte Mal ein Buch so unter Strom gesetzt hat. Emotion ist die eine Sache, Spannung und krasse Dramatik sind die anderen. Die letzten Seiten waren so außergewöhnlich mitreißend, überraschend, spannend, actionreich, richtungsändernd und eindrucksvoll, sodass ich es wahrscheinlich nie vergessen werde. Alleine für diese eine Szene sollte dieses Buch schon 5 Sterne bekommen! Eine Wendung jagt die nächste, man hat eigentlich durchgängig Gänsehaut, Tränenausbrüche und unkontrollierte Zuckungen, sodass ich bestimmt die Gehirnströme einer Epileptikerin hatte, als die letzten Seiten durch mein Hirn jagten. Spätestens ab jetzt ist diese Reihe zu meiner "all time favourite Geschichte" geworden und ich konnte dem actionreichen, dramatischen und unglaublich tragischen Schluss nur gebannt folgen, zu ängstlich, verliebt, hoffnungslos, erleichtert, geschockt, traurig, wütend und beeindruckt war ich - beeindruckt von der unglaublichen Geschichte dieser jungen Autorin, die hier ihr perfektes Ende findet. Auch wenn wenige Fragen ungeklärt bleiben, bin ich mir deshalb noch nicht sicher, ob ich den Zwischenband "A Court of Frost and Starlight" und die danach folgende Spin Off Reihe, die demnächst auf englisch erscheinen werden, lesen will.

Zum Schluss noch mein Lieblingszitat:

"Rhys trat zu mir und nahm meine Hand. Er ganz in Schwarz -die siegreiche Nacht - und ich der strahlende Stern. Er die milde und schreckliche Dunkelheit, ich das reine Licht, das durch seine Schatten zum Glitzern gebracht wurde."


Fazit:


Dieses Finale ist atemberaubend, episch, tief berührend und eine krasse Steigerung zu den Vorgängern auf allen Linien. Lebt, bangt, kämpft und liebt mit Feyre, Rhysand und ihrer Familie, so wie ich es getan habe und diese Geschichte wird immer ein Teil von euch sein!

Veröffentlicht am 21.03.2018

Ein bildgewaltiges Epos

The Shape of Water
0

Allgemeines:

Titel: The Shape of Water
Autoren: Guillermo del Toro und Daniel Kraus
Verlag: Knaur (1. März 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3426523078
ISBN-13: 978-3426523070
ASIN: B077D259H1
Seitenzahl: ...

Allgemeines:

Titel: The Shape of Water
Autoren: Guillermo del Toro und Daniel Kraus
Verlag: Knaur (1. März 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3426523078
ISBN-13: 978-3426523070
ASIN: B077D259H1
Seitenzahl: 432 Seiten
Originaltitel: The Shape of Water
Preis: 14,99€ (Kindle-Edition)
16,99€ (Broschiert)



Inhalt:

Ein geheimes US-Militärlabor 1963:
Im streng gesicherten Labortrakt F-1 wird eine Kreatur aus dem Amazonas gefangen gehalten, deren Erforschung einen Durchbruch im Wettrüsten des Kalten Krieges liefern soll. Doch eines Nachts entdeckt die Reinigungskraft Elisa das Wesen, das halb Mann und halb Amphibie ist. Die stumme junge Frau tut etwas, woran noch kein Wissenschaftler gedacht hat: Sie bringt dem Wasserwesen die Gebärdensprache bei und beginnt so entgegen aller Regeln eine vorsichtige, geheime Freundschaft mit ihm. Als sie erfährt, dass das »Projekt« schon bald auf dem Seziertisch enden soll, muss Elisa alles riskieren, um ihren Freund zu retten…


Bewertung:

Durch den gleichnamigen Film, der gerade in den Kinos läuft und bei der diesjährigen Oscarverleihung mehrere der beliebten Awards abgestaubt hat bin ich erstmals auf diese ungewöhnliche Geschichte aufmerksam geworden, die die unmögliche Beziehung zweier gequälter und komplett unterschiedlicher Liebenden beschreibt. Obwohl ich mit einem exotischen Schreibstil und einer unkonventionellen Geschichte gerechnet hat, haben mich meine Erwartungen nicht auf dieses bildgewaltige Epos vorbereitet, das gleichermaßen mit herzergreifenden Bildern wie auch grauenhaft realen Details zu bestechen weiß.


"Dabei hält sie die Tüte wie eine Trophäe, ihre Trophäe dafür, dass sie dieser atemberaubenden Vernichtung in die Augen gesehen und überlebt hat. Sie ist außer sich, atemlos, beinahe weinend, beinahe lachend."


Schon das Cover entführt ins Element Wasser und öffnet die Tür in eine Welt, in der Realität und Fantasie ganz nahe beieinander liegen. Eine Animation, die durch die zarte Machart an ein Gemälde erinnert, zeigt Elisa, die verträumt und mit geschlossenen Augen in den Armen der Meereskreatur liegt. Sowohl die blau-grüne Farbe als auch die sanft leuchten Lichtpunkte, die von dem Wesen ausgehen, erzeugen ein romantisch-mysteriösen Flair. Der Titel, der wunderbar passt und zum Glück nicht ins Deutsche übersetzt wurde, ist durch filigrane, weiße Großbuchstaben gut vom Hintergrund abzulesen und auch für die fühlenden Finger gut zu ertasten. Auch Buchrücken, Deckel und Leselaschen sind im blau-grünen Meeresstil gehalten und komplettieren die Darstellung. Ganz besonders toll sind die wunderschönen und sehr passenden Zeichnungen von James Jean, welche wenige Szenen schmücken und die Kapitelbilder, die die Geschichte abgesehen von den Kapiteln in 4 Teile unterteilen. Insgesamt eine ganz wundervolle Gestaltung!


Erster Satz: "Richard Strickland liest den Auftrag von General Hoyt in elftausend Fuß Höhe."


Die Geschichte beginnt ohne Umschweife mit der ätzenden Suche des Antagonisten Richard Strickland im wilden Dschungel Brasiliens nach dem mysteriösesten Wesen aller Zeiten: halb Mensch, halb Amphibie, wird es von den Einheimische als Gott verehren und "Deus Brânquia", also Kiemengott, genannt. Um in einem US Militärlabor genauer untersucht zu werden und Vorbild für die Entwicklung neuartiger Waffentechnologien im Kalten Krieg, soll er eingefangen und nach Baltimore in Maryland gebracht. Doch dieses Vorhaben wird zu einem langwierigen und kräftezehrenden Unterfangen, bei dem Stricklands Menschlichkeit verloren zu gehen droht. Als er schließlich die wundervolle Kreatur findet, will er nichts lieber, als endlich zu seiner Familie in die Normalität zurückzukehren. Doch General Hyot stellt ihn auch weiterhin für die Überwachung des Wesens ab. So gerät der Naturgott ins Kreuzfeuer Stricklands Hasses und er hofft nichts weiter, als es endlich töten zu können. Doch er hat die Rechnung ohne die stumme Reinigungsfrau Elisa gemacht. Eigentlich soll die junge Frau den streng gesicherten Labor Trakt F-1 nur saubermachen, als sie jedoch die Kreatur erblickt, die in dem Tankt mitten im Raum untergebracht wird, verändert sich ihr Leben einschneidend. Tief ergriffen von der Schönheit und Anmut des fremden Wesens beginnt sie, ihn jede Nacht zu besuchen und langsam die Gebärdensprache beizubringen - der Anfang einer ganz besonderen Verbindung, einer Liebe, die über Worte, Konventionen und die menschliche Art hinausgeht...


"Elisa weiß, dass sie auch einmal dieses Ding im Wasser gewesen ist. Sie war die Stimmlose, von der sich die Männer genommen haben, was sie wollten, ohne nach ihren Wünschen zu fragen. Aber sie kann gütiger sein. Sie kann ein Gleichgewicht herstellen. Sie kann tun, was kein Mann je bei ihr versucht hat: Sie kann kommunizieren. Und so geht sie weiter, bis si emit den Beinen gegen den sechzig Zentimeter hohen Rand des Beckens stößt. (...) Und das Wasser reagiert..."


Nachdem die Geschichte mit Stricklands Reise durch den dichten Amazonas Regenwald eingestiegen ist, werden zunächst in langsamem, dahinplätscherndem Tempo die erzählenden Charaktere nacheinander vorgestellt. Mit jedem Kapitel kommt ein weiterer Erzählstrang hinzu, der eine andere kleine Welt beschreibt, jedoch immer auf irgendeine Art und Weise auf den "Deus Brânquia" zurück zu führen ist. Durch die vielen verschiedenen Sichtweisen und Perspektiven entsteht ein stilles Mosaik einzelner kleiner Nischen in der Gesellschaft Baltimores, das langsam zu einem schillernde Gesamtbild verwischt. Das Erzähltempo ist dabei sehr langsam und behutsam. Durch die vielen Gegensätze und Facetten der Geschichte, wird jedoch jedes Kapitel, jede Seite, jeder Satz und jedes Wort zu einem wichtigen Bestandteil der Geschichte, der gleichzeitig von Verzweiflung, Perspektivlosigkeit und Unterdrückung durchdrungen ist, jedoch auch einen Hauch Hoffnung, Willensstärke und Freude über kurze Begegnungen zweier Außenseiter in sich trägt. Besonders eindrücklich und facettenreich ist auch die Zeit proträtiert, in der die Geschichte spielt: die brodelnde Spannung des kalten Krieges klingt an und Weltbilder im Konflikt über Rassismus und die Rolle der Frau werden problematisiert.


"Das Licht, dieses unglaubliche Licht, eine sinfonische Antwort auf das lilafarbene Leuchten der Schnulzensänger, das blaue Pulsieren des Rock´n´Roll, das dumpfe Gelb der Countrymusic und das blinkende Orange des Jazz. Wie er es zuließ, dass sie die Finger um seine schloss, dass sie beide für einen Augenblick nicht Gegenwart und Vergangenheit, nicht Mensch und Kreatur, sondern Frau und Mann waren."


Ein weiterer Punkt, den dieser Roman von anderen abhebt, ist der wundervoll bildgewaltige Schreibstil. Voller Metaphern, Farben, Dynamik und Emotionen werden Szenen Leben eingehaucht und neben anrührend schönen gibt es etliche abstoßend grausame Abschnitte, welche durch den schonungslos direkten Stil noch verstörender wirken. Dabei wird mit vielen inneren Monologen gearbeitet und es gibt wenige Dialoge, was wirklich in Situationen versetzt, in denen die stumme Protagonistin mit ihrem Körper kommuniziert. Leider ist die Übersetzung häufig holprig-unelegant und stellenweise einfach fehlerhaft, was teilweise doch die besondere Atmosphäre gestört hat.

Vor dem Stil und dem langsamen Erzähltempo lebt die Geschichte vorrangig von den Charakteren. Neben Elisa gibt es noch etliche andere, ungewöhnliche Charaktere, die alle in irgendeiner Hinsicht leiden. Im Grunde ist das Buch eine Charakterstudie, die ein Haufen vom Leben enttäuschter und von der Öffentlichkeit ausgestoßener Menschen porträtiert, die durch den wunderschönen Kiemengott neuen Antrieb finden und langsam lernen, dass die Wichtigste Wertschätzung, die man erhalten kann, von sich selbst kommt. Dabei würde ich noch nicht einmal sagen, dass Elisa eindeutig im Vordergrund steht. In regelmäßigen Abständen wechselt die personale Erzählperspektive mit Innensicht von einem Protagonisten zum nächsten. Sogar das Wesen darf zweimal kurz erzählen. Das ist natürlich immer ein Risiko, die Gratwanderung zwischen unzivilisiertem Tier und rationalem Menschen realistisch darzustellen. Die Besonderheit hier: wir bekommen einen Gedankenstrom aus der "Wir"-Perspektive ohne Satzzeichen vorgesetzt.


"///Es ist gut es ist Blut Fell Sehnen Knochen Herz Liebe und wir essen und wir sind stärker und wir fühlen den Fluss wieder alle Götter den Klauengott den Scherengott den Baumgott alle von uns sind Teil des Knotens es gibt kein du es gibt kein ich es gibt nur wir wir wir wir///"


Elisa Esposito hatte nie ein einfaches Leben. Die junge Frau wurde als Kleinkind vor einem Waisenhaus abgesetzt und musste unter dem grausamen Drill einer fanatischen Oberin aufwachsen. Ein paar lange Narben an ihrem Hals machten sie seit jeher stumm - ein verheerender Nachteil in einer Welt, in der derjenige das Beste bekommt, der am lautesten danach schreit. Elisa hingegen ist schüchtern, lebt zurückgezogen und erträgt still jede noch so kleine Demütigung und Unterdrückung, die sie bei ihrer einfachen Tätigkeit als Putzfrau inmitten eines Männerdomizils erfahren muss. Ihr einziger Akt der Rebellion findet sie in dem Tragen von bunten Schuhen. Als sie jedoch auf das Wasserwesen trifft, das sie als erste Person richtig wahrzunehmen scheint und sie versteht, auch wenn sie nicht reden kann, ändert sich ihre Einstellung drastisch. Aus ihrem gesteigerten Selbstbewusstsein schöpft sie Kraft und als ihrem Freund der Tod auf dem Seziertisch droht, legt sie ihr Mauerblümchen-Dasein ab und lässt mit einer spektakulären Rettungsaktion die Stille in ihr zu Musik werden.


"Sie kommt sich so klein vor, so herrlich winzig in so einem riesigen, wundervollen Universum, und sie schlägt unter Wasser die Augen auf, um die Realität nicht zu vergessen. (...) Sie lächelt und hat Wasser im Mund. Endlich tanzt sie, tanzt sie wirklich, wird durch einen überschwemmten Ballsaal geführt und muss keinen falschen Schritt fürchten, da ihr Partner sie festhält und sie an jeden Ort begleitet, an den sie gehen muss."


Halt erfährt sie vor allem durch Zelda Fuller, welche ebenfalls als Putzkraft im Occam- Militärlabor arbeitet. Die quirlige und kräftige Frau ist Elisas einzige Freundin und Vertraute und steht ihr als Übersetzerin der Gebärdensprache im Alltag zur Seite. Ihr Handicap: ihre dunkle Hautfarbe. Es ist bewundernswert, wie sie sich immer wieder über ihre Grenzen heraus entwickelt, für Elisa einsteht, auch wenn sie das den eigenen Kragen kosten kann und ihr Leben vertrauensvoll in die Hände ihrer jungen Freundin legt. Ganz leise klingt hier die Rassismus Problematik an, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch lange nicht bewältig ist.

Der in die Jahre gekommene Künstler Giles Gunderson ist ebenfalls eine verlorene Gestalt und Außenseiter in der modernen Gesellschaft. Mit seinen drei Katzen, dem unpassenden Toupet und vor allem seiner Homosexualität ist er ebenso wenig akzeptiert, wie Elisa und Zelda, weshalb er auf seine alte Tage noch immer in einem kleinen Zimmer neben Elisa über einem kleinen Kino wohnt. Für die Werbeagentur Klein & Saunders malt er Werbeplakate, die jedoch in der aufstrebenden Welt immer weniger Aufmerksamkeit bekommen. Als Elisa erstmals von der Kreatur aus Labor F-1 erzählt, tut er das als Fantasie ab, als er jedoch erkennt, wie wichtig sie für Elisa zu sein scheint, lässt er sich auf einen halsbrecherischen Plan ein und findet schließlich die künstlerische Inspiration, die er sein Leben lang gesucht hat...


"Sie hatte das Kinn so hochgehoben, dass sie fast auf alle herabblickte, und genau das tut Giles auch: er baut sich ein großartiges, notweniges Fantasiegebilde seiner Bedeutung auf. Sie haben nichts gemeinsam - sie die junge Ehefrau, und er der alte Gentleman - , und doch hat Lainie eine Sekunde lang den Eindruck, dass es keine zwei Menschen auf der Welt gibt, die sich ähnlicher sind als sie."



Dmitri Hoffstetler ist geschätzter Wissenschaftler in Occam und für das Wohlergehen des Devoniers verantwortlich, wie er die Kreatur nennt. Als Spion Russlands lebt er während des Projekts jedoch gefährlich und haust aus Sicherheitsgründen in einem kahlen, unpersönlichen Haus. Mit seinen Eltern als Druckmittel wurde er lange genug in Amerika festgehalten, dass er seine eigene Herkunft anzweifelt und zwischen den Welten festsitzt, ohne wirklich dazuzugehören. Schon fast am Ende seines Lebenswillens angelangt, rettete ihn die Forschung an dem wunderschönen Wesen aus seiner Ausweglosigkeit und gibt seinem einsamen Leben wieder einen Sinn. Allein seinem Mitgefühl und seiner Großherzigkeit ist es zu verdanken, dass Elisas Befreiungsversuch überhaupt fruchtet. Im Grunde ist es mit der Geschichte genau, wie ein ehemaliger Student von ihm einmal sagte: alle Charaktere sind wie einsame Planeten, die sich auf ihren Bahnen bewegen, bis ihre Ellipse die eines anderen Himmelskörper kreuzt.


"Beeil dich", flüsterte Giles. Sie weint, aber das tut der Himmel auch; das ganze Universum weint, die Menschen, die Tiere, das and und das Wasser, alle weinen um die Einheit zwischen zwei verschiedenen Wesen, die beinahe besiegelt wurde, letzten Endes jedoch keinen Bestand hat."


Richard Strickland hingegen gehört als hohes Tier in der US-Army eigentlich nicht den geächteten Außenseitern an. Seit er jedoch in Korea Dinge getan hat, die ihn vor das Kriegsgericht bringen könnten, ist er abhängig von seinem Vorgesetzten General Hyot und muss jeden Befehl mit akribischer Genauigkeit ausführen. Was ihn zu Beginn der Geschichte im Dschungel noch eiskalt, gefühlslos und grausam wirken ließ, wird bald zum beginnenden Wahnsinn. Während vor allem Hass in dem Mann wächst, der ob der Kriegsverbrechen in Korea und dem vergossenen Blut im Dschungel des Amazonas langsam seinen Verstand verliert, ist bei mir langsam ein wenig Mitgefühl gekeimt. Es ist auf der einen Seite widerlich, aus seiner Perspektive zu lesen, zusehen zu müssen, wie seine angenähten Finger genau wie seine Menschlichkeit immer weiter verfaulen, während er militärische Strenge walten lässt, den Kiemengott foltert und auf alle willkürlich hinabblickt. Auf der anderen Seite kann man jedoch verstehen, warum er den Verstand verloren hat, das Geschrei in seinem Kopf mit Schmerztabletten beruhigen will und sich einfach nach der kontrollierten Stille sehnt. Er ist ein ambivalenter Charakter, für den es eigentlich nur im Tod die Erlösung gibt. Es muss enden, wie es begonnen hat: Kiemengott gegen Dschungelgott...


"Er steht am Bug, nackt, mit ausgestreckten Armen, angepeitscht vom Regen, und ruft ihn. Keiner weiß, wie lange. Tage, vielleicht sogar Wochen. Endlich erhebt sich an einer seichten Stelle der Deus Brânquia, die Blutsonne, die die Serengeti schuf, das uralte Auge der Eklipse, der aufplatzende Ozean aus dem eine neue Welt hervorbricht, der unersättliche Gletscher, der Gischtspritzer, der Bakterienbiss, der wimmelnde Einzeller, die speiende Spezies, die strömenden Gefäße zum Herzen, die Erektion des Berges, die schwankenden Schenkel der Sonnenblume, das graue Fell der Demütigung, das rosafarbene schwärende Fleisch, die Nabelschnur, die uns mit dem Ursprung verbindet. Er ist all das und noch viel mehr."


Elaine Strickland, seine Frau, ist sinnbildlich für das damalige Frauenbild zu sehen. Zuerst immer nur Hausfrau und Mutter gewesen, findet sie während der Abwesenheit ihres Mannes eine ungeahnte Freiheit und Eigenverantwortung, die sie vermisst, als er wieder aus Brasilien zurückkommt. Langsam beginnt sie zu verstehen, dass sie als Frau im Wandel der Zeiten ihre Chance ergreifen muss und tastet sich durch eine Anstellung immer weiter zu gesteigertem Selbstbewusstsein heran, bis sie es schließlich schafft, ihren Mann zu verlassen, der es einfach nicht mehr schafft in die Realität und zu ihr zurückzufinden.

Langsam schließt sich ein Kreis um alle Charaktere, die sich durch den Matsch ihres Lebens kämpfen und in einer letzten Nacht, in dem ein heftiges und regenreiches Unwetter die Stadt überschwemmt, endlich frei kommen. Für mich war eigentlich von Anfang an klar, dass es für Elisa und den Kiemengott eigentlich kein glückliches Ende geben kann, die Lösung der Autoren hat mich dann sehr positiv überrascht. Auf ihre eigene tragische Art bekommt diese ungewöhnliche und tiefgreifende Liebesgeschichte ein wunderschönes Ende, das jedem Charakter die gewünschte Erlösung schenkt, die er angestrebt hat.

Zum Abschluss noch mein Lieblingszitat:

"Sie streckt die Hand nach ihm aus. Nach sich selbst. Da gibt es keinen Unterschied. Hetzt versteht sie es. Sie hält ihn, er hält sie, sie halten einander und alles ist dunkel, alles ist Licht, alles ist hässlich, alles ist schön, alles ist Schmerz, alles ist Trauer, alles ist nie, alles ist für immer."




Fazit:

Ein bildgewaltiges Epos, das gleichermaßen mit herzergreifenden Bildern wie auch grauenhaft realen Details zu bestechen weiß. Eine gewiefte Charakterstudie, die ein Haufen vom Leben enttäuschter und von der Öffentlichkeit ausgestoßener Menschen porträtiert, die durch den wunderschönen Kiemengott neuen Antrieb finden und die unmögliche Beziehung zweier gequälter und komplett unterschiedlicher Liebenden beschreibt.

Veröffentlicht am 21.03.2018

Ein bildgewaltiges Epos

The Shape of Water
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Allgemeines:

Titel: The Shape of Water
Autoren: Guillermo del Toro und Daniel Kraus
Verlag: Knaur (1. März 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3426523078
ISBN-13: 978-3426523070
ASIN: B077D259H1
Seitenzahl: ...

Allgemeines:

Titel: The Shape of Water
Autoren: Guillermo del Toro und Daniel Kraus
Verlag: Knaur (1. März 2018)
Genre: Fantasy
ISBN-10: 3426523078
ISBN-13: 978-3426523070
ASIN: B077D259H1
Seitenzahl: 432 Seiten
Originaltitel: The Shape of Water
Preis: 14,99€ (Kindle-Edition)
16,99€ (Broschiert)



Inhalt:

Ein geheimes US-Militärlabor 1963:
Im streng gesicherten Labortrakt F-1 wird eine Kreatur aus dem Amazonas gefangen gehalten, deren Erforschung einen Durchbruch im Wettrüsten des Kalten Krieges liefern soll. Doch eines Nachts entdeckt die Reinigungskraft Elisa das Wesen, das halb Mann und halb Amphibie ist. Die stumme junge Frau tut etwas, woran noch kein Wissenschaftler gedacht hat: Sie bringt dem Wasserwesen die Gebärdensprache bei und beginnt so entgegen aller Regeln eine vorsichtige, geheime Freundschaft mit ihm. Als sie erfährt, dass das »Projekt« schon bald auf dem Seziertisch enden soll, muss Elisa alles riskieren, um ihren Freund zu retten…


Bewertung:

Durch den gleichnamigen Film, der gerade in den Kinos läuft und bei der diesjährigen Oscarverleihung mehrere der beliebten Awards abgestaubt hat bin ich erstmals auf diese ungewöhnliche Geschichte aufmerksam geworden, die die unmögliche Beziehung zweier gequälter und komplett unterschiedlicher Liebenden beschreibt. Obwohl ich mit einem exotischen Schreibstil und einer unkonventionellen Geschichte gerechnet hat, haben mich meine Erwartungen nicht auf dieses bildgewaltige Epos vorbereitet, das gleichermaßen mit herzergreifenden Bildern wie auch grauenhaft realen Details zu bestechen weiß.


"Dabei hält sie die Tüte wie eine Trophäe, ihre Trophäe dafür, dass sie dieser atemberaubenden Vernichtung in die Augen gesehen und überlebt hat. Sie ist außer sich, atemlos, beinahe weinend, beinahe lachend."


Schon das Cover entführt ins Element Wasser und öffnet die Tür in eine Welt, in der Realität und Fantasie ganz nahe beieinander liegen. Eine Animation, die durch die zarte Machart an ein Gemälde erinnert, zeigt Elisa, die verträumt und mit geschlossenen Augen in den Armen der Meereskreatur liegt. Sowohl die blau-grüne Farbe als auch die sanft leuchten Lichtpunkte, die von dem Wesen ausgehen, erzeugen ein romantisch-mysteriösen Flair. Der Titel, der wunderbar passt und zum Glück nicht ins Deutsche übersetzt wurde, ist durch filigrane, weiße Großbuchstaben gut vom Hintergrund abzulesen und auch für die fühlenden Finger gut zu ertasten. Auch Buchrücken, Deckel und Leselaschen sind im blau-grünen Meeresstil gehalten und komplettieren die Darstellung. Ganz besonders toll sind die wunderschönen und sehr passenden Zeichnungen von James Jean, welche wenige Szenen schmücken und die Kapitelbilder, die die Geschichte abgesehen von den Kapiteln in 4 Teile unterteilen. Insgesamt eine ganz wundervolle Gestaltung!


Erster Satz: "Richard Strickland liest den Auftrag von General Hoyt in elftausend Fuß Höhe."


Die Geschichte beginnt ohne Umschweife mit der ätzenden Suche des Antagonisten Richard Strickland im wilden Dschungel Brasiliens nach dem mysteriösesten Wesen aller Zeiten: halb Mensch, halb Amphibie, wird es von den Einheimische als Gott verehren und "Deus Brânquia", also Kiemengott, genannt. Um in einem US Militärlabor genauer untersucht zu werden und Vorbild für die Entwicklung neuartiger Waffentechnologien im Kalten Krieg, soll er eingefangen und nach Baltimore in Maryland gebracht. Doch dieses Vorhaben wird zu einem langwierigen und kräftezehrenden Unterfangen, bei dem Stricklands Menschlichkeit verloren zu gehen droht. Als er schließlich die wundervolle Kreatur findet, will er nichts lieber, als endlich zu seiner Familie in die Normalität zurückzukehren. Doch General Hyot stellt ihn auch weiterhin für die Überwachung des Wesens ab. So gerät der Naturgott ins Kreuzfeuer Stricklands Hasses und er hofft nichts weiter, als es endlich töten zu können. Doch er hat die Rechnung ohne die stumme Reinigungsfrau Elisa gemacht. Eigentlich soll die junge Frau den streng gesicherten Labor Trakt F-1 nur saubermachen, als sie jedoch die Kreatur erblickt, die in dem Tankt mitten im Raum untergebracht wird, verändert sich ihr Leben einschneidend. Tief ergriffen von der Schönheit und Anmut des fremden Wesens beginnt sie, ihn jede Nacht zu besuchen und langsam die Gebärdensprache beizubringen - der Anfang einer ganz besonderen Verbindung, einer Liebe, die über Worte, Konventionen und die menschliche Art hinausgeht...


"Elisa weiß, dass sie auch einmal dieses Ding im Wasser gewesen ist. Sie war die Stimmlose, von der sich die Männer genommen haben, was sie wollten, ohne nach ihren Wünschen zu fragen. Aber sie kann gütiger sein. Sie kann ein Gleichgewicht herstellen. Sie kann tun, was kein Mann je bei ihr versucht hat: Sie kann kommunizieren. Und so geht sie weiter, bis si emit den Beinen gegen den sechzig Zentimeter hohen Rand des Beckens stößt. (...) Und das Wasser reagiert..."


Nachdem die Geschichte mit Stricklands Reise durch den dichten Amazonas Regenwald eingestiegen ist, werden zunächst in langsamem, dahinplätscherndem Tempo die erzählenden Charaktere nacheinander vorgestellt. Mit jedem Kapitel kommt ein weiterer Erzählstrang hinzu, der eine andere kleine Welt beschreibt, jedoch immer auf irgendeine Art und Weise auf den "Deus Brânquia" zurück zu führen ist. Durch die vielen verschiedenen Sichtweisen und Perspektiven entsteht ein stilles Mosaik einzelner kleiner Nischen in der Gesellschaft Baltimores, das langsam zu einem schillernde Gesamtbild verwischt. Das Erzähltempo ist dabei sehr langsam und behutsam. Durch die vielen Gegensätze und Facetten der Geschichte, wird jedoch jedes Kapitel, jede Seite, jeder Satz und jedes Wort zu einem wichtigen Bestandteil der Geschichte, der gleichzeitig von Verzweiflung, Perspektivlosigkeit und Unterdrückung durchdrungen ist, jedoch auch einen Hauch Hoffnung, Willensstärke und Freude über kurze Begegnungen zweier Außenseiter in sich trägt. Besonders eindrücklich und facettenreich ist auch die Zeit proträtiert, in der die Geschichte spielt: die brodelnde Spannung des kalten Krieges klingt an und Weltbilder im Konflikt über Rassismus und die Rolle der Frau werden problematisiert.


"Das Licht, dieses unglaubliche Licht, eine sinfonische Antwort auf das lilafarbene Leuchten der Schnulzensänger, das blaue Pulsieren des Rock´n´Roll, das dumpfe Gelb der Countrymusic und das blinkende Orange des Jazz. Wie er es zuließ, dass sie die Finger um seine schloss, dass sie beide für einen Augenblick nicht Gegenwart und Vergangenheit, nicht Mensch und Kreatur, sondern Frau und Mann waren."


Ein weiterer Punkt, den dieser Roman von anderen abhebt, ist der wundervoll bildgewaltige Schreibstil. Voller Metaphern, Farben, Dynamik und Emotionen werden Szenen Leben eingehaucht und neben anrührend schönen gibt es etliche abstoßend grausame Abschnitte, welche durch den schonungslos direkten Stil noch verstörender wirken. Dabei wird mit vielen inneren Monologen gearbeitet und es gibt wenige Dialoge, was wirklich in Situationen versetzt, in denen die stumme Protagonistin mit ihrem Körper kommuniziert. Leider ist die Übersetzung häufig holprig-unelegant und stellenweise einfach fehlerhaft, was teilweise doch die besondere Atmosphäre gestört hat.

Vor dem Stil und dem langsamen Erzähltempo lebt die Geschichte vorrangig von den Charakteren. Neben Elisa gibt es noch etliche andere, ungewöhnliche Charaktere, die alle in irgendeiner Hinsicht leiden. Im Grunde ist das Buch eine Charakterstudie, die ein Haufen vom Leben enttäuschter und von der Öffentlichkeit ausgestoßener Menschen porträtiert, die durch den wunderschönen Kiemengott neuen Antrieb finden und langsam lernen, dass die Wichtigste Wertschätzung, die man erhalten kann, von sich selbst kommt. Dabei würde ich noch nicht einmal sagen, dass Elisa eindeutig im Vordergrund steht. In regelmäßigen Abständen wechselt die personale Erzählperspektive mit Innensicht von einem Protagonisten zum nächsten. Sogar das Wesen darf zweimal kurz erzählen. Das ist natürlich immer ein Risiko, die Gratwanderung zwischen unzivilisiertem Tier und rationalem Menschen realistisch darzustellen. Die Besonderheit hier: wir bekommen einen Gedankenstrom aus der "Wir"-Perspektive ohne Satzzeichen vorgesetzt.


"///Es ist gut es ist Blut Fell Sehnen Knochen Herz Liebe und wir essen und wir sind stärker und wir fühlen den Fluss wieder alle Götter den Klauengott den Scherengott den Baumgott alle von uns sind Teil des Knotens es gibt kein du es gibt kein ich es gibt nur wir wir wir wir///"


Elisa Esposito hatte nie ein einfaches Leben. Die junge Frau wurde als Kleinkind vor einem Waisenhaus abgesetzt und musste unter dem grausamen Drill einer fanatischen Oberin aufwachsen. Ein paar lange Narben an ihrem Hals machten sie seit jeher stumm - ein verheerender Nachteil in einer Welt, in der derjenige das Beste bekommt, der am lautesten danach schreit. Elisa hingegen ist schüchtern, lebt zurückgezogen und erträgt still jede noch so kleine Demütigung und Unterdrückung, die sie bei ihrer einfachen Tätigkeit als Putzfrau inmitten eines Männerdomizils erfahren muss. Ihr einziger Akt der Rebellion findet sie in dem Tragen von bunten Schuhen. Als sie jedoch auf das Wasserwesen trifft, das sie als erste Person richtig wahrzunehmen scheint und sie versteht, auch wenn sie nicht reden kann, ändert sich ihre Einstellung drastisch. Aus ihrem gesteigerten Selbstbewusstsein schöpft sie Kraft und als ihrem Freund der Tod auf dem Seziertisch droht, legt sie ihr Mauerblümchen-Dasein ab und lässt mit einer spektakulären Rettungsaktion die Stille in ihr zu Musik werden.


"Sie kommt sich so klein vor, so herrlich winzig in so einem riesigen, wundervollen Universum, und sie schlägt unter Wasser die Augen auf, um die Realität nicht zu vergessen. (...) Sie lächelt und hat Wasser im Mund. Endlich tanzt sie, tanzt sie wirklich, wird durch einen überschwemmten Ballsaal geführt und muss keinen falschen Schritt fürchten, da ihr Partner sie festhält und sie an jeden Ort begleitet, an den sie gehen muss."


Halt erfährt sie vor allem durch Zelda Fuller, welche ebenfalls als Putzkraft im Occam- Militärlabor arbeitet. Die quirlige und kräftige Frau ist Elisas einzige Freundin und Vertraute und steht ihr als Übersetzerin der Gebärdensprache im Alltag zur Seite. Ihr Handicap: ihre dunkle Hautfarbe. Es ist bewundernswert, wie sie sich immer wieder über ihre Grenzen heraus entwickelt, für Elisa einsteht, auch wenn sie das den eigenen Kragen kosten kann und ihr Leben vertrauensvoll in die Hände ihrer jungen Freundin legt. Ganz leise klingt hier die Rassismus Problematik an, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch lange nicht bewältig ist.

Der in die Jahre gekommene Künstler Giles Gunderson ist ebenfalls eine verlorene Gestalt und Außenseiter in der modernen Gesellschaft. Mit seinen drei Katzen, dem unpassenden Toupet und vor allem seiner Homosexualität ist er ebenso wenig akzeptiert, wie Elisa und Zelda, weshalb er auf seine alte Tage noch immer in einem kleinen Zimmer neben Elisa über einem kleinen Kino wohnt. Für die Werbeagentur Klein & Saunders malt er Werbeplakate, die jedoch in der aufstrebenden Welt immer weniger Aufmerksamkeit bekommen. Als Elisa erstmals von der Kreatur aus Labor F-1 erzählt, tut er das als Fantasie ab, als er jedoch erkennt, wie wichtig sie für Elisa zu sein scheint, lässt er sich auf einen halsbrecherischen Plan ein und findet schließlich die künstlerische Inspiration, die er sein Leben lang gesucht hat...


"Sie hatte das Kinn so hochgehoben, dass sie fast auf alle herabblickte, und genau das tut Giles auch: er baut sich ein großartiges, notweniges Fantasiegebilde seiner Bedeutung auf. Sie haben nichts gemeinsam - sie die junge Ehefrau, und er der alte Gentleman - , und doch hat Lainie eine Sekunde lang den Eindruck, dass es keine zwei Menschen auf der Welt gibt, die sich ähnlicher sind als sie."



Dmitri Hoffstetler ist geschätzter Wissenschaftler in Occam und für das Wohlergehen des Devoniers verantwortlich, wie er die Kreatur nennt. Als Spion Russlands lebt er während des Projekts jedoch gefährlich und haust aus Sicherheitsgründen in einem kahlen, unpersönlichen Haus. Mit seinen Eltern als Druckmittel wurde er lange genug in Amerika festgehalten, dass er seine eigene Herkunft anzweifelt und zwischen den Welten festsitzt, ohne wirklich dazuzugehören. Schon fast am Ende seines Lebenswillens angelangt, rettete ihn die Forschung an dem wunderschönen Wesen aus seiner Ausweglosigkeit und gibt seinem einsamen Leben wieder einen Sinn. Allein seinem Mitgefühl und seiner Großherzigkeit ist es zu verdanken, dass Elisas Befreiungsversuch überhaupt fruchtet. Im Grunde ist es mit der Geschichte genau, wie ein ehemaliger Student von ihm einmal sagte: alle Charaktere sind wie einsame Planeten, die sich auf ihren Bahnen bewegen, bis ihre Ellipse die eines anderen Himmelskörper kreuzt.


"Beeil dich", flüsterte Giles. Sie weint, aber das tut der Himmel auch; das ganze Universum weint, die Menschen, die Tiere, das and und das Wasser, alle weinen um die Einheit zwischen zwei verschiedenen Wesen, die beinahe besiegelt wurde, letzten Endes jedoch keinen Bestand hat."


Richard Strickland hingegen gehört als hohes Tier in der US-Army eigentlich nicht den geächteten Außenseitern an. Seit er jedoch in Korea Dinge getan hat, die ihn vor das Kriegsgericht bringen könnten, ist er abhängig von seinem Vorgesetzten General Hyot und muss jeden Befehl mit akribischer Genauigkeit ausführen. Was ihn zu Beginn der Geschichte im Dschungel noch eiskalt, gefühlslos und grausam wirken ließ, wird bald zum beginnenden Wahnsinn. Während vor allem Hass in dem Mann wächst, der ob der Kriegsverbrechen in Korea und dem vergossenen Blut im Dschungel des Amazonas langsam seinen Verstand verliert, ist bei mir langsam ein wenig Mitgefühl gekeimt. Es ist auf der einen Seite widerlich, aus seiner Perspektive zu lesen, zusehen zu müssen, wie seine angenähten Finger genau wie seine Menschlichkeit immer weiter verfaulen, während er militärische Strenge walten lässt, den Kiemengott foltert und auf alle willkürlich hinabblickt. Auf der anderen Seite kann man jedoch verstehen, warum er den Verstand verloren hat, das Geschrei in seinem Kopf mit Schmerztabletten beruhigen will und sich einfach nach der kontrollierten Stille sehnt. Er ist ein ambivalenter Charakter, für den es eigentlich nur im Tod die Erlösung gibt. Es muss enden, wie es begonnen hat: Kiemengott gegen Dschungelgott...


"Er steht am Bug, nackt, mit ausgestreckten Armen, angepeitscht vom Regen, und ruft ihn. Keiner weiß, wie lange. Tage, vielleicht sogar Wochen. Endlich erhebt sich an einer seichten Stelle der Deus Brânquia, die Blutsonne, die die Serengeti schuf, das uralte Auge der Eklipse, der aufplatzende Ozean aus dem eine neue Welt hervorbricht, der unersättliche Gletscher, der Gischtspritzer, der Bakterienbiss, der wimmelnde Einzeller, die speiende Spezies, die strömenden Gefäße zum Herzen, die Erektion des Berges, die schwankenden Schenkel der Sonnenblume, das graue Fell der Demütigung, das rosafarbene schwärende Fleisch, die Nabelschnur, die uns mit dem Ursprung verbindet. Er ist all das und noch viel mehr."


Elaine Strickland, seine Frau, ist sinnbildlich für das damalige Frauenbild zu sehen. Zuerst immer nur Hausfrau und Mutter gewesen, findet sie während der Abwesenheit ihres Mannes eine ungeahnte Freiheit und Eigenverantwortung, die sie vermisst, als er wieder aus Brasilien zurückkommt. Langsam beginnt sie zu verstehen, dass sie als Frau im Wandel der Zeiten ihre Chance ergreifen muss und tastet sich durch eine Anstellung immer weiter zu gesteigertem Selbstbewusstsein heran, bis sie es schließlich schafft, ihren Mann zu verlassen, der es einfach nicht mehr schafft in die Realität und zu ihr zurückzufinden.

Langsam schließt sich ein Kreis um alle Charaktere, die sich durch den Matsch ihres Lebens kämpfen und in einer letzten Nacht, in dem ein heftiges und regenreiches Unwetter die Stadt überschwemmt, endlich frei kommen. Für mich war eigentlich von Anfang an klar, dass es für Elisa und den Kiemengott eigentlich kein glückliches Ende geben kann, die Lösung der Autoren hat mich dann sehr positiv überrascht. Auf ihre eigene tragische Art bekommt diese ungewöhnliche und tiefgreifende Liebesgeschichte ein wunderschönes Ende, das jedem Charakter die gewünschte Erlösung schenkt, die er angestrebt hat.

Zum Abschluss noch mein Lieblingszitat:

"Sie streckt die Hand nach ihm aus. Nach sich selbst. Da gibt es keinen Unterschied. Hetzt versteht sie es. Sie hält ihn, er hält sie, sie halten einander und alles ist dunkel, alles ist Licht, alles ist hässlich, alles ist schön, alles ist Schmerz, alles ist Trauer, alles ist nie, alles ist für immer."




Fazit:

Ein bildgewaltiges Epos, das gleichermaßen mit herzergreifenden Bildern wie auch grauenhaft realen Details zu bestechen weiß. Eine gewiefte Charakterstudie, die ein Haufen vom Leben enttäuschter und von der Öffentlichkeit ausgestoßener Menschen porträtiert, die durch den wunderschönen Kiemengott neuen Antrieb finden und die unmögliche Beziehung zweier gequälter und komplett unterschiedlicher Liebenden beschreibt.

Veröffentlicht am 25.02.2018

1 Poetry Slammer + 1 kommunistisches Känguru + viele dämlichen Ideen = Suchtpotential und Angriff auf die Lachmuskulatur.

Die Känguru-Chroniken (Känguru 1)
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Allgemeines:

Titel: Die Känguru-Chroniken
Autor: Marc-Uwe Kling
Verlag: Hörbuch Hamburg (13. Juli 2012)
Genre: Kabarett
Dauer: 291 Minuten
ISBN-10: 3869091088
ISBN-13: 978-3869091082
Preis: 8,21€ (Audio-CD)
(auch ...

Allgemeines:

Titel: Die Känguru-Chroniken
Autor: Marc-Uwe Kling
Verlag: Hörbuch Hamburg (13. Juli 2012)
Genre: Kabarett
Dauer: 291 Minuten
ISBN-10: 3869091088
ISBN-13: 978-3869091082
Preis: 8,21€ (Audio-CD)
(auch als Taschenbuch oder Kindle-Edition für 9,99€ erhältlich)
Weitere Bände: Das Känguru-Manifest;
Die Känguru-Offenbarung


Inhalt:

Marc-Uwe Kling lebt mit einem Känguru zusammen. Das Känguru ist Kommunist und steht total auf Nirvana. Die Känguru-Chroniken berichten von den Abenteuern und Wortgefechten des Duos. Und so bekommen wir endlich Antworten auf die drängendsten Fragen unserer Zeit: War das Känguru wirklich beim Vietcong? Und wieso ist es schnapspralinensüchtig? Könnte man die Essenz des Hegelschen Gesamtwerkes in eine SMS packen? Und wer ist besser: Bud Spencer oder Terence Hill?


Bewertung:

Nachdem ich schon sooo viel über dieses Hörbuch gehört habe, musste ich es mir einfach mal selbst anhören. Meine Mutter hat mir die ganze Hörbuch-Reihe zu Weihnachten geschenkt, also hab ich über die letzten Monate immer mal wieder reingehört und mir mit jedem der witzigen Kapiteln mein Alltag versüßen lassen. Wer diese Geschichte nicht kennt, hat nicht gelebt!


"Schnapspralinen und Aschenbecher für Alle!
-Mit freundlichem Pioniergruß
Jüdisch-Bolschewistische Weltverschwörung e.V.-"


Die Geschichte beginnt mit einem ganz normalen Tag in Marc-Uwes Leben. Noch weiß er nicht, dass sich sein Leben grundlegend verändern wird, just in dem Moment als er die Tür öffnet und davor ein Känguru steht. Wenn er gewusst hätte, wie viel Spaß er haben, Probleme er bekommen und bescheuerte Idee er stoßen würde, nachdem er dem Känguru die Tür geöffnet hat, wäre er wohl einfach auf seiner Couch sitzen geblieben. Ein Glück hat er das nicht getan, denn sonst wäre uns diese witzige Geschichte durch die Lappen gegangen...
Als er öffnet steht ein Känguru vor ihm und teilt ihm mit, dass es gegenüber eingezogen ist und sich Eierkuchen machen wollte, jedoch vergessen hat Eier zu kaufen. Keine Sekunde später klingelt es wieder. Milch fehlt auch noch. Und ein Rührgerät. Und eine Schüssel und allgemein auch der Herd und ob er etwas zum Befüllen der Eierkuchen hätte? Nein, dann muss er wohl etwas besorgen. Zum Beispiel Hack. Aber nicht von Lidl, da sind die Arbeitsbedingungen so schlecht. Und ehe der Protagonist sich versieht ist das schnapspralinenfressende Känguru sein neuer Mitbewohner.

"Kannst du heute mal bezahlen?", fragt das Känguru nach dem Essen. "Heute?", frage ich. "Mal?", frage ich. "Ich muss immer bezahlen, weil du
nie Geld mitnimmst."
"Tja", sagt das Känguru lächelnd. "So ist das in der Welt. Der eine hat den
Beutel, der andere hat das Geld."


Klingt abgedreht? Ist es definitiv. Aber dennoch ist diese witzige, unkonventionelle Geschichte ein absolutes Meisterwerk, nicht nur weil sie die wirklich wichtigen Fragen des Lebens anspricht, wie zum Beispiel: warum verdirbt Schmelzkäse nicht, warum ist das Gespenst des Kommunismus so schüchtern und weshalb haben Pferde eigentlich nicht die Weltherrschaft an sich gerissen? Nein, es ist auch voll von Weisheit, die jeden Leser oder Hörer um Welten in der kognitiven Entwicklung weiterbringt: "Es gibt Solche und Solche. Und dann noch ganz andere." Na wenn das mal nicht eine bahnbrechende Erkenntnis ist...


"Kurz gesagt: Es ist nur der Schein einer Wahl, oder um den offiziellen Terminus zu verwenden: Ein Wahlschein"


Die Erfolgsformel: 1 Poetry-Slammer + 1 kommunistisches Känguru + viele dämlichen Ideen = Suchtpotential und Angriff auf die Lachmuskulatur. Im Laufe der Geschichte, die episodenhaft geschrieben ist und keine große zusammenhängende Handlung hat, konnte ich mir bald genau wie Marc-Uwe Kling nicht mehr vorstellen, ohne das Känguru zu leben. Von seiner überraschenden Einquartierung bei Marc-Uwe und mit jeder abgefahrenen Situation mehr, hat es sich mehr in mein Herz geschlichen und mir immer wieder Lacher entlockt. Auch wenn die Szenen oft sehr kurz sind und meistens nichts miteinander zu tun haben, werden immer wieder kleinere Bezüge zur vorangegangenen Handlung gestellt und viele Insiderwitze und Anspielungen machen es uns leicht ein zusammenhängendes Bild zu sehen.


"Ah Englisch ist doch die Sprache der Dummen!"
"Oh excuse me, do you speak English? Haben sie ihre human resources schon geprieft, dass sie wegen den shareholders outgesourced und lohngedumped werden? Oh by the way: the senior-assistant-manager-director soll doch bitte den head-of-saubermachig updaten, dass ich beim brainstorming ins mainsoffice gevomitted habe."

Auch wenn man das aufgrund der bissigen, abgedrehten und manchmal auch sinnlosen Handlung nicht erwarten würde, trieft diese Geschichte nur so von Gesellschaftskritik und Realsatire, was sie zur Unterhaltungsparodie auf höchstem Niveau macht. Auch wenn Kinder dieser Geschichte bestimmt viele witzigen Stellen abgewinnen können, sind die Witze vor allem für Erwachsene geschrieben, denn gewisse Grundkenntnisse in den Bereichen Politik, Geschichte und Wirtschaft sind fast Voraussetzung, um einige Witze und Anspielungen zu verstehen.


"Es gibt Fischstäbchen.
"Ich ess keinen Fisch", sage ich.
"Kannste ruhig essen", sagt das Känguru. "Is eh Hähnchen."
"Was?" frage ich....."


Aufgrund der episodenartigen Handlung und der in Szenenform geschriebenen Kapiteln, bietet es sich hier wirklich an das Hörbuch zu hören. Gerade bei längeren Autofahrten oder bei banalen Tätigkeiten wie Wäscheaufhängen oder Abwaschen ist es eine willkommene Ablenkung einige Szenen aus der Chronik zu hören. Auch wenn ich eigentlich kein bekennender Fan von Hörbüchern bin und immer lieber die Print-Variante bevorzuge, habe ich es hier nicht bereut, die vorgelesene Version gewählt zu haben. Autor Marc-Uwe Kling liest hier selbst vor, live vor Publikum, weshalb immer mal wieder leise Lacher im Hintergrund zu hören sind, welche aber nicht stören. Im Gegensatz zu anderen Autoren merkt man Mark-Uwe an, dass er es gewohnt ist, Texte vorzutragen. Er liest die Rollen des Ich-Erzählers und des Kängurus mit leicht verstellten Stimmen, sodass man die nasale, laute, nerv tötende Stimme des Kängurus immer schön unterscheiden kann. Mit wohlüberlegten Pausen und Betonungen lenkt er das Geschehen in eine richtige Richtung und seine angenehme Stimme konnte mich wirklich mitreißen.

So nimmt er uns mit zu einem ein Ausflug ins Dunkelrestaurant....
"Vor meinen Augen explodierte die Sonne.
"AAAAAAHHH!" schreie ich. "Ich bin blind, du hast mich blind gemacht!"
Erbost nimmt der Kellner dem Känguru die High-Energy Taschenlampe weg."


... lässt das Känguru seine abzockende Zahlfaulheit immer wieder kommunistisch begründen...
"Mein", "Dein",... Das sind doch bürgerliche Kategorien!"

... nimmt uns hautnah zu einem Angriff durchgedrehter Soziologen mit, die die Umfragen stelle wie zum Beispiel:
"Wie bewerten sie die derzeitige Wirtschaftslage?
⏺Ja
⏺Nein
⏺ Vielleicht
⏺Nur ficken"


... lehrt uns, dass Ikea ein "Individualitätsraubenderrammschherstellendergewerkschaftsfeindlicherausbeuterischerscheißkonzern" ist...

... oder stellt philosophische Überlegungen zum Thema Schmelzkäse an:
"Irgendwann wird die Welt von Schmelzkäse beherrscht und wir alle werden unter einer Schicht von Schmelzkäse begraben werden und... OH MEIN GOTT!!! Der Mond! Ist der nicht aus Käse?!"

Angesichts der unglaublichen Situationen, die hier zustande kommen und dem schonungslosen schwarzem Humor, musste ich immer wieder aus tiefster Seele loslachen und habe damit äußerst skeptische Blicke meines Umfeldes auf mich gezogen. Allgemein scheint das Hören dieser Geschichte mein Denken beeinflusst zu haben, so ertappe ich mich manchmal selbst, wie ich ganz in Känguru Manier sage: "Das darf doch nicht Warzenschwein!" Mein persönlicher Tipp für die Geschichte also: Gleich im Doppelpack kaufen und der besten Freundin/ dem besten Freund zum Hören geben, damit man jemanden hat, mit dem man darüber reden kann und der die ständigen Anspielungen versteht, wenn sie im Alltag allfallartig aus einem herausbrechen.

Mark Uwe, der hier einfach nur sich selbst darstellt und sich als fauler Kleinkünstler porträtiert bekommt durch das Zusammenleben mit dem Känguru kreativen Aufschwung und sieht sich ein ums andere Mal dazu inspiriert eines seiner unglaublich tiefsinnigen Gedichte zu psalmodieren:

"Kennen sie Deutschland?
Im Süden die Berge,
Im Norden das Meer
Und dazwischen:
Teer.
Aber gibt es wirklich nur Teer?
Nein da gibt´s ja noch mehr!
Ja Genau!
Stau. "

Man muss das vorlaute Beuteltier einfach lieben! Manchmal erscheint es wie ein vorlautes störrisches Kind, dann gibt es Dinge von sich, die eher nach weisem Sensei klingen und danach ist es einfach ein skurriler, tierischer bester Freund. Es traut sich Dinge zu sagen und zu tun, die so mancher von uns schon immer mal machen wollte: Regeln beim Monopoly einfach ändern, aufdringliche Terrier quer durch den Park kicken und Nazis umboxen - das Känguru weiß ganz genau was es will und ist dabei immer konsequent inkonsequent. Es ist süchtig nach Schnapspralinen, Bud Spencer Filmen, Nirwana, Fußnoten, Wortspielen und falschen Zitaten. So quält das Känguru ein ums andere mal den armen Marc-Uwe mit lauter fiesen Wortverdrehungen, die dessen Sinn für Sprachästhetik aufs Äußerste strapazieren...

"Was willst du von mir?", frage ich gequält.
"Wo hast du die Schnapspralinen versteckt?"
"Die habe ich nicht versteckt, die sind alle."
"Gut, Knut", sagt das Känguru. "Du lässt mir keine andere Wahl ... Wo sind die Prapsschnalinen?" "Ich weiß nicht", stöhne ich. "Lüge das Teutelbier nicht an! Wo sind die Prapsschnalinen?"
"Hör auf die Wegstaben zu verbuchseln!"


Ich konnte einfach nicht mehr aufhören zu lachen und die Anzahl an kreativen Wortspielen, die Mark-Uwe Kling im Laufe der Geschichte einfallen hat mich wirklich demütig werden lassen. Bekannte Witze wie "Du denkst vielleicht du bist hart, aber ich bin Herta!" oder philosophische Lebensweisheiten wie "Habt ihr schon Mal darüber nachgedacht dass es von uninformiert kein weiter weg zu uniformiert ist..." kommen einfach und fließend in den Dialogen unter.

Wenn man die ganzen CDs alle auf einen Rutsch hört, werden dem aufmerksamen Hörer bald Parallelen im Aufbau und Verlauf der Szenen auffallen. Natürlich ist auch auf fast 300 Minuten mal der ein oder andere Witz dabei, der doppelt erscheint. Dass es aber trotzdem immer spannend und witzig bleibt wird durch viele erzähltechnische Elemente garantiert, die Kling wunderbar einwebt. So wechselt er kreativ die Erzählperspektivwechsel, variiert die Erzählzeit, lässt manchmal kurze Erinnerungslücken auftauchen und peppt die kurzen Kapitel mit Einschüben aus dem Manifest des Kängurus "Opportunismus und Repression" auf.

"...Erinnerungslücke
Der Rest des Kapitels wurde auf anwaltliches Anraten hin entfernt."

Ich werde diese Geschichte definitiv meinem gesamten Freundeskreis schenken, sie immer und immer wieder hören und mir natürlich auch die beiden Folgebände zu legen.


Fazit:

Die Erfolgsformel: 1 Poetry Slammer + 1 kommunistisches Känguru + viele dämlichen Ideen = Suchtpotential und Angriff auf die Lachmuskulatur. Diese witzige, unkonventionelle und definitiv skurrile Geschichte ist ein absolutes Meisterwerk voller Situationskomik und Gesellschaftskritik!