Eine urkomische LGBTQIA+-Komödie
Heartbreak Boys"Heartbreak Boys" war mal wieder ein Buddyread mit Sofia von @SofiasworldofBooks und mit Abstand der Witzigste, den wir jemals hatten. Zu verdanken hatten wir das dem grandiosen Humor des Autors, der etwas ...
"Heartbreak Boys" war mal wieder ein Buddyread mit Sofia von @SofiasworldofBooks und mit Abstand der Witzigste, den wir jemals hatten. Zu verdanken hatten wir das dem grandiosen Humor des Autors, der etwas überdrehten Handlung und den legendären Charakteren. Ich hatte eine süße LGBTQIA+-Liebesgeschichte erwartet und ein zum Brüllen komisches zum Leben erwecktes Meme bekommen. Ihr wollt eine unterhaltsame Sommer-Komödie lesen, die zusätzlich noch ein paar wichtige Themen behandelt? Lest unbedingt dieses Buch!
Das Cover lässt mit dem türkisenen Hintergrund, dem großen weißen Titel und den zwei Jungs im Comic-Format schon auf eine unbeschwerte YA-Geschichte schließen. Der blonde Junge mit dem Regenbogen-Anstecker ist dabei sehr treffend Jack nachempfunden, während der braunhaarige, am Social-Media-Icon-bastelnde Junge wohl Nate nachempfunden ist. Somit gefällt mir die deutsche Interpretation des Covers sogar ausnahmsweise mal besser als das Originalcover, dass mit dem gelben Hintergrund und den zwei sehr jungen Figuren noch sehr kindlich erscheint.
Innerhalb der Buchdeckel erzählen Jack und Nate abwechselnd in 51 Kapiteln von ihrem Abenteuer, das dort startet, wo oftmals YA-Romances enden: auf dem Abschlussball. Denn die jeweiligen festen Freunde der beiden haben sich den denkbar schlechtesten Zeitpunkt ausgesucht, um ihre Affäre offiziell zu machen und ein Paar zu werden und so enden Jack und Nate mit einem gebrochenen Herzen, anstatt wie geplant nach dem Abschluss der Mittelstufe den Sommer ihres Lebens zu verbringen. Um sich zu rächen, beschließen die zwei, einfach trotzdem so zu tun, als würden sie die Zeit ihres Lebens verbringen und starten einen Instagram-Account auf dem sie den Roadtrip, den sie mit Nates Familie in einem klapprigen Camper unternehmen, möglichst instagrammable festhalten. Doch wer hätte gedacht, dass eine unerwartete Freundschaft ein gebrochenes Herz besser heilen kann als Rache...?
Jack: "Ich werde im September nicht als Verlierer an die Schule zurückkehren. Auf gar keinen Fall. Dylan oder nicht Dylan, ich werde glücklicher, erfüllter und erfolgreicher denn je sein. Selbst wenn ich so tun muss, als ob. Sie werden einen schönen Sommer haben? Tja, mag sein, aber unserer wird SPEKTAKULÄR!"
Anders als gedacht, liegt der Fokus der Handlung in "Heartbreak Boys" weniger auf der Liebesgeschichte - über den Aufbau einer zarten Freundschaft und die ersten aufflatternden Schmetterlinge kommen wir hier gar nicht hinaus -, sondern viel mehr auf dem Überwinden des Herzschmerzes, der Akzeptanz der eigenen Identität und dem Öffnen für neues Glück. So sind die kurzen stillen Momente, zwischenmenschliche Entwicklungen und persönliche Erkenntnisse das Herzstück, das die Geschichte um Jack und Nate lebendig macht. Bis die beiden Figuren sich einander das erste Mal öffnen vergeht aber eine ganz schön lange Zeit. Denn gegensätzlicher als Nate und Jack kann man gar nicht sein. Während Jack ein wahrer Paradiesvogel ist, jedes Klischee über Homosexuelle lebt, seine Meinung stolz in die Welt hinausschreit und vor keinem Drama zurückschreckt ("Es ist ein privater, schrecklicher, schwuler Notfall"), ist Nate leise, zurückhaltend, unbeholfen in sozialen Situationen ("MÖCHTEST DU EINE LIMO") und fühlt sich am wohlsten, wenn er in der Menge untergeht und nicht auffällt. Obwohl die beiden die perfekte Personifikationen der Kategorien "extrovertiert" und "introvertiert" sind, kommt die Charakterisierung der beiden ohne jedes Klischee aus und sie bekommen während der 416 Seiten genügend Zeit, auch andere Seiten an sich zu entdecken oder zu präsentieren.
Nate: "Er spielt Ukulele und ist einer LGBTQIA+-Jugendgruppe beigetreten." "Okay, nur eins davon weist eindeutig darauf hin, dass er schwul ist, Mum. In die Jugendgruppe könnte er auch einfach gehen, um einen Freund zu unterstützen."
Auffallend ist, dass auch andere Charaktere häufig genau das Gegenteil von dem tun, was man von ihnen erwarten würde und für viele freudige Überraschungsmomente sorgen. Sei es die bösen Jungs auf Bewährung, die zusammen "Homo Love Boat" zur Melodie von Love Shack von den B-52s singen, als sich der Teamleiter herabwürdigend über unsere Protagonisten äußert, die scheinbar zickige Influencerin Leila, die sich als ökologischer Gutmensch entpuppt, oder zwei zwölfjährige Bulldoggen-Menschen, die zu Jacks großer Überraschung doch nicht sein teures Smartphone klauen, sondern sich als "super nette schwule Kids" herausstellen - der Autor gibt sein Bestes, immer wieder Klischees auf die Spitze zu treiben, umzudrehen und uns unsere eigenen Vorurteile vor die Füße zu werfen. In dem Zug spricht Simon James Green auch einige wichtige Themen an und verpackt auch die ein oder andere tolle Message übers Erwachsenwerden, übers Schwulsein oder über Influencer.
Jack: "Verdammt, wieso leben wir immer noch in einer Welt, in der manche Leute so ein verfluchtes Problem damit haben, wen andere Menschen lieben. Das ist doch totaler Irrsinn!"
Neben dem Fakt, dass die Figuren überraschend viel Tiefgründigkeit und Authentizität aufweisen, sind sie auch einfach zum Knuddeln. Besonders Elliott, der Hühner mag, leicht glücklich zu machen ist und ziemlich starke ADHS-Chihuahua Energie verströmt (mein Lieblingszitat von ihm ist übrigens: "HUH! HA! HUH! BUMSEN!"), ist mir sofort ans Herz gewachsen und passt perfekt in die schräge Reisegesellschaft (von Rose ganz treffend als "Würstchenparty" betitelt) bestehend aus zwei Jungs mit gebrochenem Herzen, ein Hippie-Vater, die strukturierte Supermom, die vor ihrem Tupperkurs die ganze Zeit angeben will und der kleinen Schwester Rose. Letztere ist jedoch ohne Frage und mit großen Abstand die heimliche Heldin des Buches. Mit ihrem unvergleichlich trockenen Humor und ihren leicht bedenklich psychopathisch angehauchten Zügen ist die sechsjährige kleine Schwester von Nate einfach eine lebende Legende. Ich meine, ein Mädchen, das Dinge sagt wie "man sollte sich immer gut anziehen", jeden fragt, ob er Nate heiraten wird und nach seiner schmerzhaften Trennung eine Vodoo-Figur von seinem Ex-Freund feierlich verbuddelt, muss man einfach lieben!
Nate: "Ich denke, wir waren schon irgendwie die Richtigen füreinander - nur vielleicht in einem Paralleluniversum, in dem wir uns zu leicht unterschiedlichen Zeiten in unserem Leben getroffen hätten. Oder wo unsere verkorkste Welt schulen Teenagern das Leben nicht so extrem schwer macht."
Rund um seine Figuren und deren auffallend tolle Entwicklung hat sich Simon James Green eine sehr verrückte, schrille Handlung ausgedacht, die ein perfektes Gegengewicht zum Herzschmerz und Beziehungschaos bildet. Die große Stärke der Geschehnisse: Unvorhersehbarkeit! Jack und Nate stolpern von einer absurden Situation in die nächste und was sich der Autor da teilweise ausgedacht hat, hätte man nicht in tausend Jahren vorhergesehen. So besuchen wir zusammen mit unseren beiden Ich-Erzählern explosive Militärübungen, brennende Frühstücksbüffets, vegetarische Festivals, homophobe Survival-Camps, schicke Influencer Galas und auch kuriose Einfälle wie ein spontaner Filzlausbefall, Boote namens "Gay Ship Lollipop" oder eine interaktive Gurkenausstellung dürfen nicht fehlen, um den Wahnsinn komplett zu machen. Dass die Situationskomik an einigen Stellen etwas übers Ziel hinausschießt und natürlich nicht immer alles realistisch oder natürlich wirkt, war mir nach einigen Kapiteln komplett egal. Die Geschichte hat langsam, aber stetig mein Gehirn weichgekocht, bis ich über wirklich JEDEN SCHEISS gekichert habe. Die schräge, überdrehte Stimmung macht einfach unfassbar viel Spaß!
Jack: "Du hast so viele verborgene Schichten, Nate!" Er starrte mich wütend an. "Wie eine Zwiebel!"
"Jack!"
"So komplex und..."
"Oh Mann, du bist echt ein..."
"Was bin ich, Nate? Oh, bitte such etwas Zweideutiges aus! Eine Aubergine?"
"Nein..."
"Eine Banane?" Ich tue, als würde ich aufkeuchen. "Oder vielleicht etwas Exotisches? Eine Kiwi? Eine Cantaloupe-Melone?"
Schließlich lacht Nate auf. "Du bist ein Albtraum."
Um den aus meiner Sicht großartigen Humor von Simon James Green aber zu schätzen zu wissen, muss man als LeserIn schon die Fähigkeit mitbringen, über Absurdes zu lachen. Auch wenn man das ein oder andere Internetmeme kennt, wäre das nicht schlecht. Ich habe sehr gelacht über "Okay, Boomer", die unvergleichliche zum Leben erwachte Karen (nachdem Sofie mich aufgeklärt hat, was es mit dem Namen auf sich hat, höhö) und den Auftritt eines vagen Instagrampoeten namens Atticus.
Das Ende haben Sofia und ich dann in einer ziemlich unterhaltsamen Lesenacht in einem Rutsch durchgelesen und für einen runden Abschluss einer witzigen, süßen und empowernden Geschichte befunden!
Fazit
Eine urkomische LGBTQIA+-Komödie mit magischen Sommervibes, einer leicht überdrehten Handlung, einem grandiosen Humor und legendären Charakteren. Wer auch über Absurdes lachen kann, wird sein Herz (und vor Lachen eventuell auch das Zwerchfell) an die "Heartbreak Boys" verlieren.