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Veröffentlicht am 03.02.2020

Der Aal - mysteriös und faszinierend wie kaum ein anderes Tier

Das Evangelium der Aale
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Welch ein beeindruckendes Buch! Patrik Svensson erzählt von der gemeinsam Zeit, die er als Kind mit seinem Vater verbrachte: Sie gingen Aale angeln. Gekonnt verknüpft er diese Erlebnisse mit Informationen ...

Welch ein beeindruckendes Buch! Patrik Svensson erzählt von der gemeinsam Zeit, die er als Kind mit seinem Vater verbrachte: Sie gingen Aale angeln. Gekonnt verknüpft er diese Erlebnisse mit Informationen zu diesem mysteriösen Tier, das der Wissenschaft bis heute Rätsel aufgibt. Das Spektrum der einzelnen Kapitel reicht von Aristoteles über Siegmund Freud (vor seiner Karriere als Psychoanalytiker forschte er über Aale - erfolglos) bis hin zum Christentum und dem Klimawandel, und nichts davon wirkt konstruiert, ganz im Gegenteil.
So entsteht eine Art literarisches Sachbuch mit Familiengeschichte, das sich (natürlich) mit Biologie, Philosophie (Wer sind wir? Woher kommen wir?), der Wissenschaft an sich und historischen Begebenheiten (auf der Suche nach dem Aal) zu einer faszinierenden Lektüre entwickelt. Der Autor offenbart uns Lesenden Verbindungen ("Und so kam es, dass der Aal auch die moderne Psychoanalyse beeinflusste"), die meist sehr überraschend und erstaunlich, aber auch einleuchtend sind. Und das der Mensch mehr mit dem Aal gemeinsam hat, als er sich das vermutlich vorstellen kann.
'Das Evangelium der Aale' ist nicht nur ein ungemein informatives, sondern auch sehr unterhaltendes Sachbuch in einer wunderschönen Sprache ("Unsere geschlossene kleine Welt unten am Fluss vermochte immer weniger mit all den anderen Welten zu konkurrieren, die sich mir nach und nach öffneten. ... Man wächst heran, wird ein anderer, befreit sich, man bricht auf, verwandelt sich, man hört auf, Aale zu angeln."), das von einer gefühlvollen Vater-Sohn-Geschichte umrahmt wird. Grandios!

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Veröffentlicht am 03.02.2020

Amüsante Unterhaltung in naiver Schreibweise

Der Große Garten
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In diesem Buch berichtet Lola Randl von ihrem Landleben im Dorf Gerswalde in der Uckermark. In kurzen Episoden, jeweils versehen mit einer Überschrift (und vorbildlich aufgelistet im Inhaltsverzeichnis ...

In diesem Buch berichtet Lola Randl von ihrem Landleben im Dorf Gerswalde in der Uckermark. In kurzen Episoden, jeweils versehen mit einer Überschrift (und vorbildlich aufgelistet im Inhaltsverzeichnis am Ende), erzählt sie von ihren Erfahrungen und Kenntnissen über die Gartenarbeit, sowie über das Leben im und mit dem Dorf. Es ist eine völlig andere Welt als jene in der Stadt und wenn sie beschreibt, wie die Stadtmenschen voller Begeisterung die Einfachheit des Landlebens idealisieren, spart sie auch nicht mit Selbstironie (sie war schliesslich auch ein Stadtmensch). So liest es sich durchaus amüsant, wenn man erfährt wie die Kreativen ins Dorf einfallen und sich überlegen, welche Workshops sie anbieten können, um dann bei primitiven Techniken zu landen, die man aber nicht so nennen soll.
Die naive Malerei des Einbands spiegelt den Stil des Buches wider - konsequent wird in einem Tonfall erzählt, der von einem ziemlich unbedarften, kindlich unbefangenem, treuherzigem und etwas einfältigem Menschen stammen könnte. Doch da es sich um eine Art Teilautobiographie handelt und die Autorin eine erfolgreiche Regisseurin ist, ist wohl davon auszugehen, dass sie es bewusst als Stilmittel eingesetzt hat, vielleicht um ihren Status darzustellen, als Neuankömmling im Dorf. Mich jedenfalls begann nach ca. zwei Dritteln des Buches diese Schreibweise zu nerven. Ein Beispiel: " Ich habe gleich gesagt, dass der Liebhaber die Nachbarin nicht vergessen darf. Aber dann hat er sie doch vergessen, und jetzt will die Nachbarin die Kinder nicht mehr bei sich haben. Ich hab gesagt, dass er jetzt zu ihr rüber muss und das wieder hinbiegen, aber er hat gesagt, dass sie jetzt wahrscheinlich schon im Nachthemd ist. Aber dann ist er trotzdem gegangen."
Hätte die Autorin bzw. der Verlag sich auf 200 Seiten beschränkt, hätte ich das Buch vermutlich mit einem Lächeln zufrieden zugeschlagen, denn Frau Randl hat durchaus etwas zu erzählen. Sowohl die historischen Begebenheiten von Gerswalde wie auch Diverses aus ihrem Privatleben (ob real oder nicht sei dahingestellt) lesen sich interessant und unterhaltend. Aber so viel Naivität ist mir dann doch zu viel.

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Veröffentlicht am 03.02.2020

Erwachsen werden im Hotel - Eine wunderschöne Geschichte!

Ein Hummerleben
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Der 13jährige Sedd wächst bei seinen Großeltern in einem mondänen Hotel in den norwegischen Bergen auf. Doch der Betrieb hat schon deutlich bessere Zeiten gesehen, was jedoch nach außen hin mit allen Mitteln ...

Der 13jährige Sedd wächst bei seinen Großeltern in einem mondänen Hotel in den norwegischen Bergen auf. Doch der Betrieb hat schon deutlich bessere Zeiten gesehen, was jedoch nach außen hin mit allen Mitteln verborgen wird.
Für Sedds Großeltern ist eine gepflegte Ausdrucksweise und ein ebensolches Auftreten das Wichtigste überhaupt in ihrer Berufung als Hoteliers und ihr Enkel hat dies verinnerlicht. Er ist der (schon etwas ältere) Ich-Erzähler dieser Geschichte und macht dies in einer derart gewählten Sprache, dass ich mir öfter ein Grinsen nicht verbergen konnte. "Doch die Wahrheit drängt zum Licht, wie geschrieben steht, irgendwann verschafft sie sich freie Bahn, erst tröpfelnd, dann immer kraftvoller, bis sie als hymnisch triumphierender Gesang hervorströmt, ganz zum Beispiel wie in 'Wir leben' von Wencke Myhre." (Die Sedds Großmutter liebt und verehrt und deren Platten sie ständig spielt).
Sedd beschreibt zwei Jahre seines Lebens, in denen er unter anderem feststellt, dass seine geliebten Großeltern einige Geheimnisse vor ihm haben. Der Großvater weigert sich, die desolate Situation in der sich das Hotel befindet, anzuerkennen, auch wenn es immer mehr Anzeichen dafür gibt, die selbst Sedd erkennt. Und Fragen zu seinen Eltern werden, wenn überhaupt, nur sehr knapp beantwortet, sodass er detektivische Fähigkeiten entwickelt, um an Informationen zu gelangen. Auch für uns Lesende gibt es so manchen Aha-Effekt, wenn man plötzlich feststellt: Ach so, so ist das weiter vorne gemeint.
Überhaupt vermittelt der Autor derart gekonnt während der gesamten Lektüre das Gefühl, dass die Geschichte kein gutes Ende nehmen wird, was bei mir dazu führte, dass ich in dem Buch immer langsamer vorankam. Denn während ich voller Zuneigung und Interesse die Geschichte des jungen Sedd las, wollte ich dieses unschöne Ende, das ja kommen musste, gar nicht wissen. Doch auch hier gelingt Erik Fosnes Hansen eine Überraschung: Zwar traurig, doch völlig anders als erwartet endet das Buch. Und es lässt noch Raum für eine eventuelle Fortsetzung. Ich hätte nichts dagegen 😉

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Veröffentlicht am 07.01.2020

Eine schlaue Fastzwölfjährige und Wittgenstein

Der Tote im Moor
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Wenn ein fast zwölfjähriges Mädchen den Philosophen Wittgenstein als imaginären Freund hat, dann muss es sich wohl um ein besonderes Kind handeln. Und Alice ist tatsächlich besonders. Überdurchschnittlich ...

Wenn ein fast zwölfjähriges Mädchen den Philosophen Wittgenstein als imaginären Freund hat, dann muss es sich wohl um ein besonderes Kind handeln. Und Alice ist tatsächlich besonders. Überdurchschnittlich intelligent, widerspenstig und mit einem Gespür für Unrecht, ist sie sich sicher, dass ihre Klassenkameradin Lisa nicht schuld am Tode ihres Vaters ist. Da außer ihr niemand an Lisas Unschuld glaubt, macht sie sich mit Hilfe ihres Freundes Tom und natürlich Wittgenstein auf die Suche nach dem wahren Täter.
Zu Beginn wirkte der Krimi auf mich etwas durcheinander, da ich keinerlei Zusammenhänge erkennen konnte zwischen dem Busunglück im Prolog (der zwar kurz, aber vergleichsweise blutrünstig ausfällt), dem Fund einer Moorleiche und dem Tod von Lisas Vater. Doch nachdem sich die beiden letztgenannten Geschehnisse langsam einander annäherten, wurde es besser - nur der Prolog geriet fast in Vergessenheit. Es ist vergleichsweise lange unklar, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt, da Alices Privatleben (und natürlich ihre Gespräche mit Wittgenstein) relativ viel Raum einnehmen. Doch nicht zum Nachteil! Denn der Schlagabtausch mit ihrer 'Tussi'schwester Amalia hat durchaus Unterhaltungswert und auch sonst ist die Zwölfjährige weder auf den Mund noch auf den Kopf gefallen.
Der Fall und seine Lösung sind eher abstrus und bergen einige Unlogiken, doch weil das Ganze unterhaltsam und stellenweise wirklich witzig geschrieben ist, lässt sich locker darüber weglesen. Mir hat es alles in allem Vergnügen bereitet, Alice in ihrem zweiten Fall zu begleiten und ich könnte mir dieses Buch gut als Film vorstellen, in dem man fast nebenbei einen der großen Philosophen der Allgemeinheit näher bringt.

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Veröffentlicht am 03.01.2020

Poetische gefühlvolle Geschichte in einer unwirtlichen Welt

Whiteout
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Hanna hat ihren Traum endlich wahr gemacht: Sie ist als Expeditionsleiterin in der Antarktis. Doch als sie von ihrem Bruder eine Mail erhält mit der Nachricht 'Scott ist tot.', bricht sie beinahe zusammen. ...

Hanna hat ihren Traum endlich wahr gemacht: Sie ist als Expeditionsleiterin in der Antarktis. Doch als sie von ihrem Bruder eine Mail erhält mit der Nachricht 'Scott ist tot.', bricht sie beinahe zusammen. Scott war ihre beste Jugendfreundin, die kurz vor ihrem gemeinsam geplanten Studium einfach verschwand und nie mehr auftauchte. Den Schmerz und die Enttäuschung darüber hat Hanna nie überwunden, nur tief in sich vergraben wie das Eis, nach dem sie und ihre KollegInnen suchen. Plötzlich stürzen all die Erinnerungen wieder über sie herein und Hanna ist kaum noch in der Lage, ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Doch die Antarktis verzeiht keine Fehler.
Es ist ein krasser Gegensatz zwischen der unwirtlichen und auch gefährlichen Umgebung, in der die Geschichte spielt und dem Stil, in dem Anne von Canal sie geschrieben hat. Voller Gefühl, Poesie und Sanftheit beschreibt sie das Vergangene, das so plötzlich Hannas Denken und Fühlen fast vollständig in Anspruch nimmt. Und das in einer Situation, in der sie sich als Expeditionsleiterin keine Fehler erlauben kann. Wunderschöne Sätze bringen einem die Lage, in der sich Hanna befindet, so nahe, dass man ihre Anspannung und Zerrissenheit förmlich mitfühlen kann. "Vielleicht findet der Schlaf mich vor den Gedanken, dann müssen sie sich ein anderes Opfer suchen." Oder "Am Morgen sitze ich in einem Haufen loser Knochen, die irgendjemand über mir ausgeschüttet hat. Die Arme und Beine, die ich finde, scheinen nicht zu mir zu passen, jedenfalls kann ich sie kaum bewegen. Das bin doch nicht ich."
Chronologisch erzählt wird lediglich die Expedition; die Erinnerungen an Scott sind hingegen zeitlich ungeordnet und springen stellenweise willkürlich auch innerhalb eines Rückblicks. Doch ich fand es weder störend noch verwirrend, sondern eher normal. Wer denkt schon an längst Vergangenes, das einem zudem wichtig war, in streng chronologischer Reihenfolge?
Es ist ein Buch, das viele Fragen offen lässt. Während der ersten 20 bis 40 Seiten wollte ich diese unbedingt gelöst wissen, doch Hannas Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit ist so eindringlich geschildert, dass all meine Fragen weitestgehend in den Hintergrund rückten - wo sie auch geblieben sind

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