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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.06.2020

Unterhaltsamer Fantasy-Jugendroman

Niemandsstadt
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Neu ist die Geschichte nicht wirklich: Ein junger Mensch reist aus der 'normalen' Welt in eine parallel existierende, phantastische Welt - wie beispielsweise auch in 'Un Lon Dun' von China Miéville aus ...

Neu ist die Geschichte nicht wirklich: Ein junger Mensch reist aus der 'normalen' Welt in eine parallel existierende, phantastische Welt - wie beispielsweise auch in 'Un Lon Dun' von China Miéville aus dem Jahre 2008. Dort wie hier gilt es, das Phantastische zu retten, das von einer bösartigen Macht bedroht wird.
Die beiden Protagonistinnen, 15, 16 Jahre jung, sind Freundinnen, aber so verschieden wie Salz und Pfeffer. Während Josefine sich eher zurückzieht und in ihren Träumen verliert, in denen sie nach Niemandsstadt gelangt, lebt Eli voll und Ganz im Hier und Jetzt und vor den Augen ihrer Follower. Doch als Josefine ihre Hilfe braucht, steht Eli ihr zur Seite und stürzt sich voller Kampfesmut in ein Abenteuer, wie sie es sich nie hätte träumen lassen.
Was an dieser Geschichte besonders gut gelungen ist, wie ich finde, ist die unterhaltsame Sprache. Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht eines der beiden Mädchen, die sich unmittelbar in einem munter-flapsigen Ton an die Lesenden wenden. Selbstironisch und sich selbst nie zu ernst nehmend schildern sie ihre Erlebnisse und Abenteuer, sodass es bei aller Spannung auch viel zu grinsen gibt. Nebenbei erfährt man zudem viel über den Druck, unter dem manche Teenager stehen bzw. sich ihn selber machen, indem sie sich ständigen Vergleichen und Bewertungen unterwerfen - aber auch, wenn sie sich diesen entziehen wollen.
Zwar sind die Figuren und Dinge der Niemandsstadt bei weitem nicht so phantasievoll wie bei China Miéville in 'Un Lon Dun', dafür jedoch hat der Autor Tobias Goldfarb nicht nur seine beiden Protagonistinnen, sondern ebenso die Existenz der Parallelwelt deutlich komplexer entwickelt, wenn auch mit gelegentlichen Widersprüchen oder Unlogiken. Und das Ende ist im Vergleich zur gesamten Geschichte derart unspektakulär, dass ich es nochmals gelesen habe, da ich dachte, ich hätte etwas übersehen.
Alles in allem ein solider unterhaltsamer Jugend-Fantasy-Roman.

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Veröffentlicht am 07.06.2020

Die Geschichte Deutschlands seit den 60ern als Familienroman im Zeitraffer

Margos Töchter
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Janas leibliche Mutter Clara wird von der BRD aus einem DDR-Gefängnis freigekauft. Gemeinsam kommen sie bei den Eltern von Leonore und Alexander unter, doch Clara verschwindet plötzlich und lässt Jana ...

Janas leibliche Mutter Clara wird von der BRD aus einem DDR-Gefängnis freigekauft. Gemeinsam kommen sie bei den Eltern von Leonore und Alexander unter, doch Clara verschwindet plötzlich und lässt Jana zurück, worauf Leonore und Alexander die Zweijährige adoptieren. 2011, Jana ist 34 Jahre alt, bekommt sie Nachricht von der Stasiunterlagenbehörde, dass sie Einsicht in die Unterlagen ihrer mittlerweile verstorbenen Adoptivmutter erhält. Voller Bangen macht sie sich auf den Weg nach Berlin.
Es ist ein Buch über das Leben der zwei Mütter von Jana, ihrer leiblichen Mutter Clara, die sie nicht kannte und ihrer Adoptivmutter Leonore, die sie über alles liebte. Zwei Frauen, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Leonore, die in Westdeutschland aufwächst, hat ein Wesen das nach Unabhängigkeit strebt und keine Scheu davor, mit ihrer Meinung gegen den Strom zu schwimmen. Ganz anders Clara: Aufgewachsen in der DDR, ist sie bereits als Jugendliche eine überzeugte Genossin, die nur für ihre Partei lebt.
Beider Geschichten werden eng an tatsächliche Ereignisse angelehnt, wie beispielsweise die Attentate der RAF, in die Leonore fast hineingezogen wird oder der Freikauf von politischen Häftlingen aus der DDR, wie es Clara erlebt. Auf diese Weise folgt man nicht nur dem Leben der Beiden, sondern erfährt fast nebenbei auch die Historie der zwei deutschen Staaten seit den 60er Jahren. Manches klang zwar gelegentlich wie ein kleiner Exkurs aus der Geschichtsstunde und auch die Verwicklung der beiden Frauen in historische Ereignisse wirkte zeitweise etwas gewollt (Clara begleitet den Chef der Treuhand ein paar Tage als Journalistin? Leonore hat eine Vermutung hinsichtlich eines RAF-Attentats?). Doch alles in allem wird ein ziemlich realistisches Bild der damaligen Zeit dargestellt.
Obwohl mir das Ende viel zu melodramatisch ist (das es vielleicht braucht, um für den ersten Band eine Lösung zu liefern?), ist es eine lesenswerte Lektüre. Denn es bietet nicht nur einen Familienroman sondern ebenso spannende Zeitgeschichte, wenn auch zugegebenermaßen in etwas komprimierter Form

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Veröffentlicht am 25.05.2020

Mehr Psychogramm als Krimi, aber dennoch spannend

Berlin Prepper
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Noack ist Mitte 40 und bereitet sich vor - auf das Schlimmste. Schon immer, seit er ein kleiner Junge war, will er gewappnet sein gegen das, was da kommen kann. Denn es wird kommen, das Schlimmste. Als ...

Noack ist Mitte 40 und bereitet sich vor - auf das Schlimmste. Schon immer, seit er ein kleiner Junge war, will er gewappnet sein gegen das, was da kommen kann. Denn es wird kommen, das Schlimmste. Als er eine Stelle bei einer Zeitung antritt, wo er täglich tausende Hassmails aussortieren muss, stärkt dies seine Haltung. Dennoch verfällt er nicht den kruden Verschwörungstheorien oder feindseligen, wutentbrannten Sprüchen der Rechtsradikalen, die er tagtäglich lesen muss. Doch es kommt ein Punkt, da braucht er deren Unterstützung: Er und eine Kollegin werden von Unbekannten überfallen und auch sein Sohn wird hineingezogen. Und niemand kann ihm helfen.
'Berlin Prepper' wird als Thriller angewiesen, aber dafür geht es fast schon gemächlich darin zu. Über die Hälfte folgt man Noacks Gedankengängen, der die grässlichen Beschimpfungen und Häme beinahe stoisch erträgt. Selbst als er überfallen wird, bleibt er vergleichsweise ruhig, während man als Lesende immer mehr darauf lauert: Wann rastet er aus? Doch er hat sich in der Gewalt, während um ihn herum es kaum noch eine 'lichte' Seele zu geben scheint, nur noch Rechte, Rassisten und Wutbürger, selbst auf der Arbeit. Überall nur noch Schmutz, Hass, Wut und Zorn - beim Lesen hatte ich zeitweilig das Gefühl, dass mich diese Atmosphäre mehr bedrückte als den Protagonisten.
Das vom Autor entworfene Szenario ist so düster und eindringlich dargestellt, dass ich mich dabei erwischte darüber nachzudenken, ob es vielleicht nicht doch ganz sinnvoll sei, im Umland ein paar Vorräte anzulegen. Und der Showdown trägt ebenfalls nicht gerade zur Beruhigung bei, denn so realitätsfern ist das Ganze nicht.
Was mich allerdings störte, war die Redseligkeit mancher Personen. Weshalb beispielsweise Volkan plötzlich zum großen Erzähler wird, hat sich mir nicht erschlossen, ganz im Gegenteil.
Trotzdem ist es ein gelungenes Buch, das mir die Verschwörungs- und Prepperwelt ein wenig näher brachte - ich hoffe, ohne Nachwirkungen

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Veröffentlicht am 23.05.2020

3,5 ⭐ Ausserordentlich gut zu lesen, aber von Allem etwas zu viel

Die Geheimnisse meiner Mutter
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Rose leidet schwer daran, dass ihre Mutter sie einfach verlassen hat, als sie noch ein Baby war. Obwohl ihr Vater sich liebevoll um sie kümmerte, ist das Verschwinden ihrer Mutter ein Trauma, das es ihr ...

Rose leidet schwer daran, dass ihre Mutter sie einfach verlassen hat, als sie noch ein Baby war. Obwohl ihr Vater sich liebevoll um sie kümmerte, ist das Verschwinden ihrer Mutter ein Trauma, das es ihr schwer macht, einen Platz für sich im Leben zu finden. Als sie mit über 30 Jahren von ihrem Vater erfährt, dass eine ehemals berühmte Schriftstellerin die Letzte war, die ihre Mutter gesehen hat, setzt Rose alles daran, mehr zu erfahren.
Es ist ein schön zu lesendes Buch, denn die Autorin hat einen überaus süffigen Schreibstil, der einen die Zeit beim Lesen völlig vergessen lässt. Dies konnte ich bereits bei ihrem vorherigen Werk feststellen 'Das Geheimnis der Muse', wenn auch nicht so durchgehend wie dieses Mal. Und inhaltlich lassen sich ebenfalls Ähnlichkeiten entdecken: Wie im Vorgänger ist die Lektüre vollgepackt mit Themen unterschiedlichster Art - für meinen Geschmack einfach zu viel. In zwei Erzählsträngen wird zum einen die Geschichte der jungen Elise geschildert, Roses Mutter. Und zum andern wie Rose sich auf die Suche nach dieser Geschichte macht. In beiden Fällen ist es eine Suche nach dem eigenen Ich, wenn auch unter völlig verschiedenen Voraussetzungen. Während Elise mit knapp 20 Jahren eine Liebesbeziehung mit einer älteren, sehr erfolgreichen Schriftstellerin eingeht und an deren Seite um Selbstbehauptung und Selbstwertgefühl kämpft, weiß ihre Tochter überhaupt nicht, was sie vom Leben will.
Obwohl dies durchaus seitenfüllende Themen sind, scheinen sie der Autorin nicht genug gewesen zu sein. So kommen noch die Schwierigkeiten ihrer Fast-Schwiegerfamilie dazu, Exkurse zum Selbständigmachen mit einem Foodtruck, die Existenz als Bloggerin mit Familie, eheliche Gewalt und noch ein paar mehr. Und das Ende, das offenbar einen Kontrapunkt zu Roses Geburt setzen soll, war nun überhaupt nicht nötig. Ein bisschen weniger von Allem und es wäre ein grandioses Buch geworden, denn erzählen kann Jessie Burton sehr gut. Aber so habe ich immer wieder unterbrechen müssen, weil es mir schlicht zu viel wurde und ich eine Pause brauchte. Wäre es etwas fokussierter gewesen - ich hätte das Buch in einem Rutsch durchgelesen.
Deshalb gibt es 3,5 Sterne und ich habe die Hoffnung, dass das nächste Werk der Autorin vielleicht nicht mehr ganz so ausufernd wird.

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Veröffentlicht am 17.05.2020

Spannend und vermutlich erschreckend nah an der Realität

American Dirt
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Bei einem Familienfest werden bis auf Lydia und ihren achtjährigen Sohn Luca alle sechzehn Familienmitglieder ermordet. Die Beiden fliehen mit dem Ziel USA in dem Wissen, dass die Killer sie verfolgen.
Es ...

Bei einem Familienfest werden bis auf Lydia und ihren achtjährigen Sohn Luca alle sechzehn Familienmitglieder ermordet. Die Beiden fliehen mit dem Ziel USA in dem Wissen, dass die Killer sie verfolgen.
Es ist die Geschichte einer Flucht, deren Weg kaum weniger gefährlich ist als diejenigen, die versuchen, Lydia und ihren Sohn zu fangen. Jeanine Cummins lässt ihre Figuren in der 3. Person erzählen, aber es ist keine Sicht von außen, sondern man erfährt beim Lesen unmittelbar, was Lydia, ihr Sohn Luca und Andere denken und fühlen. Auf diese Weise rückt das Geschehen sehr nahe und ich habe mich mehrmals dabei ertappt, wie ich die Luft anhielt.
Das Buch wurde in den USA sehr kontrovers diskutiert, was auch in Kritiken hier benannt wird, wobei ich über Manches nur den Kopf schütteln kann. Eine Mexikanerin mit einem amerikanischen Vornamen? Aber hallo, das geht ja gar nicht. Wenn ich da bei uns nur an die ganzen Luis, Natalies, Nico, Jasmins usw. denke. Oder der Vorwurf, dass Lydia nicht weiß, dass es in Mexiko City eine Eishalle gibt und dass sie sich im eigenen Land nicht auskennt. Tja, völlig unglaubwürdig, wenn man bedenkt, wie gut in Deutschland die Nordlichter den tiefsten Süden und Osten kennen bzw. andersrum, wobei Mexiko jedoch sechsmal größer ist als die BRD. Oder (jetzt hör ich aber auf ) mexikanische Drogenkartelle kommen ja viel eher aus Honduras - da sollte vielleicht mal jemand etwas Zeitung lesen https://www.spiegel.de/panorama/justiz/mexiko-militaer-entwaffnet-polizei-in-acapulco-a-1230116.html oder https://www.reporter-ohne-grenzen.de/mexiko
Keine Frage, das Buch hat sicherlich auch Schwächen. Beispielsweise, dass das Happyend allzu rosarot ausfällt oder der kleine Luca ein bisschen gar zu tapfer ist. Aber dieses Buch ist weder eine Dokumentation noch eine Biographie, sondern ein Spannungsroman mit dem Thema Flucht. Und erlaubt es einem nebenbei einen kleinen Einblick in eine Welt zu bekommen, wie wir sie nicht kennen und uns auch kaum vorstellen können. Genau dafür haben wir Schriftstellerinnen und Autoren. Und wer es ganz genau wissen will, greift zu Reportagen und Sachbüchern.
PS: Wer wirklich glaubt, dass das Bild von Mexiko in diesem Buch maßlos ins Negative übertrieben ist, lese diesen grandiosen Roman: Gebete für die Vermissten von Jennifer Clement. Die Autorin ist zwar auch US-Amerikanerin, lebt und arbeitet aber seit Jahren in Mexiko.

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