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Veröffentlicht am 03.10.2023

Tarantino am Chiemsee

CHIEMSEEJAZZ
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Was habe ich erwartet? Einen Regionlkrimi mit Jazz wahrscheinlich, stilvoll genossen zum Sonnenuntergang am Chiemsee. Und da ich Krimireihen am liebsten von vorne bis hinten lese, habe ich mit Buch Nr. ...

Was habe ich erwartet? Einen Regionlkrimi mit Jazz wahrscheinlich, stilvoll genossen zum Sonnenuntergang am Chiemsee. Und da ich Krimireihen am liebsten von vorne bis hinten lese, habe ich mit Buch Nr. 1 angefangen, auch wenn der Band bereits 2011 erschienen ist.

Was habe ich bekommen? Ein Buch, dass meine Bauchmuskeln trainiert hat, denn ich musste immer wieder so laut lachen, dass der Göttergatte das Buch nun auch unbedingt lesen möchte.

Ja, es ist definitiv ein Regionlkrimi. Man bekommt hervorragende Ausflugs- und Restauranttipps, die sicherlich nicht nur für Urlauber von Interesse sind. Ich hätte sie mir anstreichen sollen, um für den nächsten Urlaub gerüstet zu sein. Diese Aufgabe muss nun der Göttergatte übernehmen. Ich habe aber im Museumsladen auf der Fraueninsel mittlerweile sogar einen etwas anderen Reiseführer des Autors erworben.

Doch wer nun kuchenbackende Rentnerinnen mit Häkeldeckchen erwartet, der liegt völlig falsch. Chiemseejazz ist garantiert kein Cozy Crime, denn hier geht es zur Sache. Mal mit derbem und zotigen Stammtisch-Humor, mal mit Szenen, die aus einem Tarantino-Film stammen könnten. Political Correctness ist dem Autor fremd, und das ist hier tatsächlich herrlich erfrischend. Aber manchmal ist es doch einen Ticken zuviel. Manche Zote hat schon mein Großvater zum besten gegeben. Dafür gibt es leider einen Punkt Abzug.

Hervorragend gefallen haben mir die in den Handlungsverlauf integrierten Kochrezepte. Das erinnert an die kulinarischen Krimis von Carsten Sebastian Henn.

Einen weiteren Punktabzug gibt es für das schlampige Lektorat. Da Folgebände dann bei emons erschienen sind, hoffe ich auf Besserung.

Fazit: Eine nette Urlaubslektüre, zu der besser eine Halbe passt, als Champagner und Jazz.

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Veröffentlicht am 17.09.2023

Zürich als Lifestyle

Tiefes, dunkles Blau
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Ich habe Seraina Kobler auf der Ladies Crime Night 2022 im Rahmen der Crime Cologne erlebt und war sehr neugierig auf ihren Zürich-Krimi. Mir hat ihr Auftreten gefallen und ebenso ihre Sprachgewandtheit, ...

Ich habe Seraina Kobler auf der Ladies Crime Night 2022 im Rahmen der Crime Cologne erlebt und war sehr neugierig auf ihren Zürich-Krimi. Mir hat ihr Auftreten gefallen und ebenso ihre Sprachgewandtheit, die während der kurzen Lesung zum Vorschein kam. Nun hat es fast ein Jahr gedauert, bis ich das Buch aus meinem Bücherstapel gezogen und gelesen habe. Leider hat mich die Lektüre dann nicht so überzeugt. "Tiefes, dunkles Blau" ist sicherlich kein schlechtes Buch. Meine Erwartungshaltung war aber eine andere.

Seraina Kobler schreibt und schreibt und beschreibt - sie beschreibt Zürich und das hippe Leben in der Altstadt, sie beschreibt die Landschaft und den Schwarzen Garten, in dem die Seepolizistin ihr Gemüse züchtet und noch so vieles mehr. Doch leider bleibt es beim Beschreiben; sie dringt nicht ein ins tiefe dunkle Blau, sondern bleibt an der Oberfläche. Die Protagonisten bleiben schwach, die Hauptfigur kommt vor lauter Hochglanz-Lifestyle gar nicht wirklich zum Ermitteln, viele Themen werden nur kurz angerissen, aber nicht ausgearbeitet, und selbst die Prostituierten wirken wie feministische Hetären. Lädt Rosa Zambrano zum Essen ein, dann können ihre Kochkünste mit jedem Sternekoch mithalten, und einzig der Uringeruch nach der Street Parade will nicht so ganz in dieses Bild passen, welches auch das Tourismus-Büro von der Stadt hätte entwerfen können.

Nun ist "Tiefes, dunkles Blau" ein Debüt-Roman, und ich wünsche Seraina Kobler, dass es ihr gelingt in weiteren Romanen auch unter die schillernde Oberfläche des Zürich-Sees zu blicken.

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Veröffentlicht am 12.09.2023

Fragmente der Erinnerung

Die Details
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Eine Frau erinnert sich im Fieber an Personen, die im Laufe ihres Lebens eine wichtige Rolle gespielt haben. Wir begegnen

- ihrer großen Liebe Johanna
- einer ehemals eng befreundeten WG-Gefährtin namens ...

Eine Frau erinnert sich im Fieber an Personen, die im Laufe ihres Lebens eine wichtige Rolle gespielt haben. Wir begegnen

- ihrer großen Liebe Johanna
- einer ehemals eng befreundeten WG-Gefährtin namens Niki
- ihrer heißen Liebe Alejandro
- sowie ihrer Mutter Birgitte

Die Frau selbst bleibt bis zum Ende ohne Namen, nicht verwunderlich, denn es sind ausschließliche ihre Erinnerungen, aus denen „Die Details“ besteht. Weder gibt es einen anderen Blickwinkel noch eine chronologische Handlung. Stattdessen erleben wir, wie sich die Gedanken und Erinnerungen aus Fragmenten, Details eben, zusammenfügen. Mal sind es Anekdoten, mal Gedanken und Gefühle, aber immer auch Beschreibungen aus der heutigen Sicht der Erzählerin. Dieses fragmentarische Ensemble passt sehr gut zum beschriebenen Fieber-Setting. Woran erinnert man sich? Wie betrachtet man Begegnungen in der Rückblende? Was bewirken Begegnungen? Auf mich wirkt das Erzählte echt und authentisch. Ia Genberg gelingt es, eine großartige Geschichte aus Lebensabschnitten zu zeichnen, wunderbar beschrieben und formuliert in einer sehr feinen und belesenen Sprache. So verwundert es nicht, dass sich die Liebe und Auseinandersetzung zum geschriebenen Wort wie ein roter Faden durch „Die Details“ zieht. Zugleich erleben wir eine kleine Zeitreise in menschliche Begegnungen vor dem Internet, als man auf Reisen nicht erreichbar war und als es möglich war, sich vollständig aus den Augen zu verlieren.

Gelesen wird „Die Details“ von Marion Elskies, der es gelungen ist, mich als Zuhörerin so zu fesseln, dass meine Gedanken nicht zu anderen Dingen abgedriftet sind. Als Stimme der Erzählerin ist sie eine authentische und glaubwürdige Besetzung.

Ich spreche eine unbedingte Hörempfehlung aus, hätte mir manchmal aber das Buch gewünscht, um einzelne Passagen anzustreichen.

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Veröffentlicht am 10.09.2023

Die Geschichte einer Familie, bei der der Rhein eine Hauptrolle spielt

Rheinkinder
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Emmerich ist eine Hansestadt am unteren Niederrhein. Der Hafen spielt auch heute eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche Situation der Stadt. Hier hat Veronika Aydin ihren Familienroman "Rheinkinder" ...

Emmerich ist eine Hansestadt am unteren Niederrhein. Der Hafen spielt auch heute eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche Situation der Stadt. Hier hat Veronika Aydin ihren Familienroman "Rheinkinder" verortet mit Emmerich als Heimathafen der Familie Bremel. Vater Bremel ist Kapitan des Küstenmotorschiffs Lucetta und wir lernen die Familie in ihrem Schicksalsjahr 1965 kennen. Ist die Kindheit zunächst unbeschwert und ein einziges großes Abenteuer, verändert sich durch ein dramatisches Ereignis plötzlich alles.

Weitere Zeitebenen sind die Jahre 1990 und 2010. Die Kapitel sind wie Logbucheinträge betitelt, und Ort- sowie Zeitangaben erleichtern die Orientierung. Obwohl alles aus der Sicht von Hanne erzählt wird, ergeben sich Perspektivwechsel: Hanne als Kind, Hanne mit Anfang dreißig und Hanne mit Anfang fünfzig. So entsteht nach und nach aus den Puzzlestücken der drei Zeitebenen eine faszinierende Familiengeschichte mit Krimi-Elementen, der es nicht an Spannung mangelt. Zugleich ist es ein schöner Rückblick in die 60er Jahre, und vieles hat mich an meine eigene Kindheit erinnert.

Am Ende war ich etwas wehmütig, dieses gelungene Buch aus der Hand legen zu müssen.

Veronika Aydin ist nicht nur Autorin, sondern tatsächlich Tochter eines Kapitäns, gebürtig aus Emmerich, und und hat einen Teil ihrer Kindheit auf einem Kümo verbracht. Mit diesem Buch hat sie ihren Eltern - ihnen und der Großmutter sind die "Rheinkinder" gewidmet - ein wunderschönes Denkmal gesetzt, auch wenn die Geschichte fiktiv ist. Man merkt dem Buch an, dass es auf eigenen Erfahrungen beruht und dass manche Erlebnisse in die Geschichte eingeflossen sind. Ebenso wie die Kinderfotos auf dem wunderschön gestalteten, leicht nostalgischen Cover, leben die "Rheinkinder" von einer beeindruckenden Authentizität.

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Veröffentlicht am 29.08.2023

Die Fräuleins von Hamburg

Traumfrauen. Petticoat und große Freiheit -
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Tricksen und Schummeln - das hat Klara Paulsen schon als Kind auf dem Schwarzmarkt gelernt. Der Vater im Krieg gefallen, die Mutter hart arbeitend und gesundheitlich angegriffen - das waren in der Nachkriegszeit ...

Tricksen und Schummeln - das hat Klara Paulsen schon als Kind auf dem Schwarzmarkt gelernt. Der Vater im Krieg gefallen, die Mutter hart arbeitend und gesundheitlich angegriffen - das waren in der Nachkriegszeit keine guten Voraussetzungen für einen gelungenen Start ins Berufsleben. Insbesondere nicht für eine junge Frau, denn Berufstätigkeit von Frauen wurde damals als eine vorübergehende Episode betrachtet:

"Sie sehen ihre Aufgabe darin, einen Mann zu heiraten, Kinder zu bekommen und einen Haushalt zu führen. Das ist so was, wie der Sinn des Lebens." (S. 191)

Eine erfolgreiche Karriere war für Frauen in dieser Welt nicht vorgesehen. Sie sollten allenfalls assistieren und den Männern den Rücken freihalten, ob nun als Hausfrau oder als Untergebene. Doch dieses Rollenverständnis wird durch eine neue Generation Frauen in Frage gestellt. Und da der Chauvinismus ihnen oft keine andere Wahl lässt, heißt es Tricksen und Schummeln. Und eine mindestens ebenso gute Leistung wie die männlichen Kollegen zu erbringen, um nur einen Bruchteil der Anerkennung zu bekommen.

"Petticoat und große Freiheit" ist der Auftakt einer neuen Reihe mit dem Titel "Traumfrauen", die vom Leben im Hamburg der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts erzählt. Und erzählen kann Anna Jansen! In einer lockeren und lebendigen Weise beschreibt sie die soziale Situation der damaligen Zeit, Wohnverhältnisse, fehlende soziale Absicherung, Armut. Zugleich beschreibt sie den Mut und die Kühnheit der jungen Frauen, die sich dennoch auf den Weg machen. Die sich von alten Chauvis nicht unterbuttern lassen, die wild und lebensfroh sind, Petticoats tragen, bei Elvis und Bill Haley in Ekstase geraten und das Leben genießen wollen; Das ganze in einer Zeit, in der es noch eine rigide Gesetzgebung gab, und die sogenannte Kuppelei ebenso strafbar war wie Homosexualität.

So gut mir weite Teile des Buches gefallen haben - es gibt dennoch ein paar Mankos. So haben sich einige Fehler eingeschlichen, die spätestens im Lektorat hätten auffallen müssen. Ich möchte sie hier nicht erwähnen, um die Handlung nicht vorwegzunehmen. Denn eine Leseempfehlung spreche ich trotzdem aus. Auch wenn es mich ärgert, dass das Ende ziemlich abrupt kommt und nicht alle Fäden aufgelöst wurden. Stattdessen gibt es einen etwas plumpen Cliffhänger, der es eigentlich erforderlich macht, den Folgeband ebenfalls zu lesen. Ich fühle mich dadurch genötigt und nicht positiv angespornt "Minirock und neue Zeiten" ebenfalls zu lesen.

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