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Veröffentlicht am 25.11.2023

Paranoia und Spundekäs: Provinz statt Hauptstadt - ein gesellschaftskritischer Kriminalroman aus dem Grafit-Verlag

Ein Mord – drei Tote
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Der Grafit-Verlag ist bekannt für gesellschaftskritische Regionalromane. Ingo Bartsch hätte sich keinen passenderen Verlag für sein neustes Buch "Ein Mord und drei Tote" aussuchen können, der hoffentlich ...

Der Grafit-Verlag ist bekannt für gesellschaftskritische Regionalromane. Ingo Bartsch hätte sich keinen passenderen Verlag für sein neustes Buch "Ein Mord und drei Tote" aussuchen können, der hoffentlich Auftakt zu einer neuen Reihe ist. Im Mittelpunkt steht der psychisch angeschlagenen BKA-Fallanalytiker Adam Götzki, der sich in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt gesundheitlich stabilisieren und von den Nachwirkungen eines Falles erholen soll. Doch Götzki fremdelt mit der Stadt und ihren gesellschaftlichen Strukturen. Er kann sich weder auf ihre kulinarischen Besonderheiten einlassen, noch auf seine neue Dienststelle, in welcher nicht immer kriminalistische Erkenntnisse das Handeln bestimmen, sondern häufig auch die Interessen des als "Handkäs-Mafia bekannten Mainzer Filzgeflechts. "Denken Sie in Mainz immer in Netzwerken und Seilschaften" wird ihm geraten.

Der Tod einer Influencerin erweist sich schnell als Bewährungsprobe für Götzki, denn offenbar liegt niemandem etwas an einer gründlichen Ermittlung. Gekonnt und detailreich zeichnet Bartsch ein Sittenbild der Social Media Welt. Doch er begnügt sich nicht mit dieser Thematik, sondern baut geschickt weitere gesellschaftliche und politische Themen mit ein: Clankriminalität, politischer Extremismus, Vetternwirtschaft. Dies alles auf 287 Seiten unterzubringen ist gewagt, gelingt dem Autor jedoch hervorragend. Und trotz der ernsten Themen kommt auch der Humor nicht zu kurz, zum Glück kein Faschingsklamauk sondern dezent schwarzer Humor. Gut gezeichnete Charaktere, Wortwitz, Hintergrundwissen und - es ist schließlich ein Krimi - Spannung haben mich von diesem Buch überzeugt. Aus meiner Sicht einer der besten Kriminalromane des Jahres. Ich hoffe auf eine Fortsetzung und vergebe voller Überzeugung fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 10.11.2023

Eine kulinarische Lesereise für alle Sinne

Schwaben. Meine kulinarische Heimat
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Ein Kochbuch, dass mich mit allen Sinnen anspricht! Es beginnt mit einem sehr ästhetisches Cover, das Grün der Schrift passt gut zu den Linsen, von denen einige eine ähnliche Farbe aufweisen. Der Einband ...

Ein Kochbuch, dass mich mit allen Sinnen anspricht! Es beginnt mit einem sehr ästhetisches Cover, das Grün der Schrift passt gut zu den Linsen, von denen einige eine ähnliche Farbe aufweisen. Der Einband ist solide und zu meiner großen Freude gibt es ein Lesebändchen. Ein Buch, dass gut in die Küche passt, und man kann einen kleinen Fettspritzer leicht vom Cover abwischen. So ein Kochbuch will ja gelebt werden.

Bereits das Cover suggeriert, dass es sich um eine schlichte und bodenständige Küche handelt, ganz ohne Firlefanz.

Der Vorsatz stimmt ein auf die kulinarische Reise und zeigt der Leserin den Reiseweg des Autors und seiner Fotografen. Der Leserin? Ja richtig, denn Matthias F. Mangold hat mit "Schwaben - Meine kulinarische Heimat" nicht nur ein Kochbuch geschrieben, sondern zugleich einen spannenden Reisebericht. Er berichtet von seinen Begegnungen mit regionalen Produzenten und am liebsten möchten man gleich losfahren und diese selber aufsuchen. Im Anhang finden sich die Adressen und Kontaktdaten ebenso wie die Internetadressen der Anbieter. So ist es teils auch möglich, dort online zu bestellen.

Die ansprechenden Fotografien von Axel & Ralf Killian zeigen Land und Leute, ihre Arbeit, ihre Produkte und sie vermitteln mir dadurch den Eindruck von Engagement und Bodenständigkeit, von Leidenschaft und Genuss. Insgesamt überall Menschen, die ihren Beruf leben. Man spürt die Begeisterung. Und auch die Rezepte von passen dazu. Sie sind ehrlich und gut nachzukochen.

Mit großer Begeisterung habe ich diese Genussreise verfolgt und dabei viele interessante Dinge erfahren. Besonders beeindruckt haben mich die Wiederentdeckung der Alb-Linsen und die Zucht des Hällischen Landschweins.

Mangold berichtet auch von den Veränderungsprozesse, mit denen es seine Gesprächspartner zu tun haben, egal ob Traditionsbetriebe oder Neulinge. Wie sie Neues Probieren oder zu Althergebrachtem aber Vergessenem zurückkehren. Weg von der technisierten Massenproduktion, der Orientierung am Einheitsgeschmack - hin oder in diesem Fall auch zurück zur althergebrachten Hand- bzw. Fußarbeit. Ein wunderschönes Foto zeigt gummigestiefelten Füße beim Traubenstampfen.

Aber nicht jede Veränderung ist gewollt. So führt die nachlassende Bewirtschaftung der Streuobstwiesen dazu, dass alte Sorten aussterben. Veränderte Arbeitsprozesse und Abnahmemärkte auch bei der Schäferin. Frei von der üblichen Schäferromantik, den Blick gerichtet auf die wirtschaftlichen Bedingungen. Und natürlich steht bei allen am Ende das Produkt, das seinen Absatz finden muss. Aber es wird auch deutlich, dass Qualität und Handarbeit ihren Preis haben.

Nicht fehlen darf natürlich die Geschichte der Herrgotts-B'scheißerle. Ich kann diese unterhaltsame und anregende Reise nach Schwaben vollauf empfehlen und vergebe gerne fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 10.11.2023

Archäologie und Mord

Der Stein des Todes
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Gerne werden Archäologen mit Kriminalisten verglichen, die in akribischer Weise mit Pinsel und Spaten nach Erkenntnisen suchen. Klassisch wird Agatha Christie erwähnt, die mit kolonialer Attitüde ihren ...

Gerne werden Archäologen mit Kriminalisten verglichen, die in akribischer Weise mit Pinsel und Spaten nach Erkenntnisen suchen. Klassisch wird Agatha Christie erwähnt, die mit kolonialer Attitüde ihren zweiten Ehemann Max Mallowan zu Ausgrabungen begleitete und diese finanzierte. Und immer wieder werden seitdem archäologische Themen in Kriminalromanen aufgegriffen und Ausgrabungen als Setting verwendet. Oft bleibt der Fundplatz jedoch eine bloße Kulisse und es stellt sich heraus, dass sich der oder die Schreibende nicht wirklich mit der Materie auskennt.

Doch es geht auch anders, wie Margarete von Schwarzkopf mit ihrer Anna-Bentorp-Reihe überzeugend unter Beweis stellt. "Der Stein des Todes" ist bereits Band 7 dieser im emons-Verlag erschienenen Reihe.

Die Kunsthistorikerin Anna Bentorp verbringt ihren Urlaub auf Kreta und in Italien und stößt dabei auf Ereignisse aus dem Jahr 1908, in dem die Italienische Archäologische Mission auf Kreta unter Federico Halbherr und Luigi Pernier den legendären bronzezeitlichen Diskos von Phaistos ausgegraben haben. Es soll eine weitere Keramikscheibe gegeben haben und einen Mord. Auch in Italien stößt Bentorp auf einen 1946 ermordeten Archäologen. Und offenbar gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen.

Geschickt verwendet die Autorin dabei historische Fakten und spinnt diese fiktiv weiter. Aufgrund ihres fundierten Wissens und ihrer akribischen Recherche wirkt das Erzählte dabei so authentisch, dass ich mehr als einmal nachschlagen musste, um zu erkennen, was sich tatsächlich ereignet hat, und was der Phantasie und der Feder von Margarete von Schwarzkopf entsprungen ist. So fühlte ich mich stets gut unterhalten und zugleich angeregt mitzurätseln, worum es bei den lange zurückliegenden Morden ging, denen bald auch in der Gegenwart mysteriöse Todesfälle folgen. Dabei gerät auch Anna in Gefahr.

"Der Stein des Todes" ist ein anspruchsvoller Kriminalroman, denn er bewegt sich auf drei Zeitebenen und in mindestens drei Ländern, und es treten sehr viele Protagonisten auf. Ein Genuss für Liebhaber komplexer und detailreicher Geschichten.

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Veröffentlicht am 23.10.2023

Krimödie im Swingerclub

Strippen statt sticken!
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Die ersten Pluspunkte erhält dieses Büchlein bereits für sein Äußeres. Es ist klein und handlich und passt in jede Damenhandtasche. Zudem wiegt es mit seinen 219 Seiten und den auffälligen runden Ecken ...

Die ersten Pluspunkte erhält dieses Büchlein bereits für sein Äußeres. Es ist klein und handlich und passt in jede Damenhandtasche. Zudem wiegt es mit seinen 219 Seiten und den auffälligen runden Ecken nicht viel, so dass dabei die Henkel nicht abreißen. Vor allem aber ist das Titelbild ein echter Hingucker: da rekelt sich ein Gartenzwerg lasziv auf einer Blumenwiese und bedeckt seine "Zwergjuwelen" mit einem Feigenblatt.

Aber auch das schönste Cover braucht einen guten Inhalt, um von mir fünf Sterne zu erhalten. Und die hat "Strippen statt sticken!" wirklich verdient. Der frühpensionierte Kommissar Siggi Seifferheld hat es mit einem skurrilen Mord in einem - Achtung! - Swingerclub zu tun, und das im beschaulichen Schwäbisch Hall. Beschaulich kommt vermutlich daher, dass hier jeder nach dem anderen schaut, und es so bald Stadtgespräch ist, dass der sympathische Pensionär in diesem Etablissement "verkehrt". Und dabei geht er doch gerade mit seiner Ehefrau Marianne zur Paartherapie. Man ahnt es schon, das ist Cosy Crime oder eben eine Krimödie. Kurzweilig, schräg und voller Momente zum Schmunzeln. So gibt es wunderbare Kapitelüberschriften und den Chattverlauf der Familien-WhatsApp-Gruppe.

Tatjana Kruse hat Kommissar Seifferheld bereits zum 9. Mal ermitteln lassen, aber auch für Neulinge ist dieses Büchlein bestens geeignet. Ein Personenregister am Ende des Buches erleichtert den Überblick, falls man durcheinanderkommen sollte.

Wenn mir etwas gefehlt hat, dann einzig eine Lesung der Autorin, die es dabei noch mehr versteht, ihr Publikum zum Lachen zu bringen. Schließlich nennt man sie auch die "Queen der Krimi-Comedians".

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Veröffentlicht am 15.10.2023

Schwedenkrimi aus Grisslehamn

Die letzte Welle
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Grisslehamn, heute ein beliebter Badeort an der schwedischen Ostseeküste, ist der Schauplatz von Cecilia Sjögrens Debütroman "Die letzte Welle". Man muss sich Zeit nehmen für dieses 593 Seiten starke Erstlingswerk, ...

Grisslehamn, heute ein beliebter Badeort an der schwedischen Ostseeküste, ist der Schauplatz von Cecilia Sjögrens Debütroman "Die letzte Welle". Man muss sich Zeit nehmen für dieses 593 Seiten starke Erstlingswerk, denn Sjögren erzählt eine verwobene Geschichte mit vielen Handlungssträngen und Themen, die sie gekonnt miteinander verbindet. Aktuelle Probleme und historische Ereignisse finden darin ebenso Platz wie grundlegende menschliche Fragen. Ausgangspunkt sind zwei Morde an alten Menschen, der eine begangen an einer Malerin auf Mallorca, der andere im Altenheim "Ömheten", direkt vor der Nase des von einem Schlaganfall gezeichneten ehemaligen Polizisten Tore Lindahl. Und das ist nicht das einzige Thema, mit dem sich die Heimleitung aktuell konfrontiert sieht, denn es gibt Missstände in der Einrichtung. Die Zeitungs-Praktikantin Veronika Wiklund sieht hier ihre Chance, ihre erste Titelstory zu schreiben, und beginnt mit ihren Recherchen. Dabei freunden sich Tore und Veronika miteinander an.

Ein weiterer Erzählstrang dreht sich um eine junge Frau mit einem sehr bewegenden Schicksal und spielt, ebenfalls in Grisslehamn, 1942. Auch in Schweden bleibt der Zweite Weltkrieg nicht ohne Folgen, und es Befürworter und Gegner des Nationalsozialismus. Schnell stellt sich die Frage, welche Verbindung zwischen den damaligen und den heutigen Ereignissen besteht. Einige Personen tauchen in beiden Zeitsträngen auf. Ihre Beschreibungen erinnern manchmal an die Bilder von Albert Engström, der in Grisslehamn wohnte und malte. Engström und das Museum werden von Sjögren mehrfach erwähnt.

Die Autorin erzählt langsam und dabei entstehen wunderbare Zeilen wie diese:

Unentschlossen tauchte sie die Zehen ins dunkle Wasser. Sie ließ die Füße vorsichtig in die Kälte gleiten und ergab sich der Enttäuschung. Das Wasser schloss sich dunkel und kalt um ihre Füße. Ihr ganzer Körper schauderte und ihr Inneres erstarrte. Übrig blieb nur das Gefühl der Einsamkeit, kleine Füße in einem großen Meer. (S. 323)
Doch einige Motive wiederholen sich, was beim Lektorat hätte auffallen müssen. Ebenso gibt es Formulierungen, die sich eigentlich nur mit einem Übersetzungsfehler erklären lassen.

Doch Sjögren erzählt eine spannende Geschichte, ganz in der schwedischen Tradition, nicht nur ein Verbrechen zu schildern, sondern dieses in die - kritisch betrachtete - schwedische Gesellschaft und ihre Probleme einzubinden. Und so kann selbst das Mitsommerfest nicht die düsteren Schatten vertreiben.

Von mir eine klare Leseempfehlung mit vier Sternen

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