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Veröffentlicht am 28.09.2019

Toller Theaterkrimi

Theatertod
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Es gibt kaum einen professionellen Mikrokosmos, in dem die beruflich agierenden mehr mit Konkurrenzdenken und permanenter Ellenbogenmentalität konfrontiert sind als den des - staatlich subventionierten ...

Es gibt kaum einen professionellen Mikrokosmos, in dem die beruflich agierenden mehr mit Konkurrenzdenken und permanenter Ellenbogenmentalität konfrontiert sind als den des - staatlich subventionierten - Theaters. Man muss, vor allem als Schauspieler nicht nur mit dem essentiell zum Berufsbild gehörenden Profil der eigenen Persönlichkeitsspaltung zurechtkommen, man muss auch ständig für die neue Rolle kämpfen und sich in dieser dann profilieren - man muss dem Regisseur und den Kollegen mit jeder Vorstellung erneut beweisen, dass man die einzig richtige Wahl war. Natürlich sind diese von ständigem Druck belasteten auch gleichzeitig meist in dem für sie befriedigendsten Beruf gelandet - Theatermacher & Schauspieler, das sind keine Jobs sondern Berufungen, die für diese Menschen meist einzig vorstellbare Tätigkeit.

Thomas Schrage, selbst langjähriger Theatermensch und Regieassistent, hat aus dem Themenbereich Druck und Mobbing am Theater einen intelligenten Regionalkrimi gemacht, der an - einem natürlich vom Personal her fiktiven - Kölner Stadttheater spielt. Eine neue Produktion, Kleists "Amphytrion", soll auf die Beine gestellt werden, bei der der allgemein verhasste, zu cholerischen Ausbrüchen und allgemeinem kapriziösen Verhalten neigende Schauspieldirektor Theo Fleischer Regie führt. Michael ist der Protagonist des Krimis (dessen immer mal wieder eingestreute Gedankenfetzen eine besondere Unmittelbarkeit erzeugen), ein junger Regieassisent, der in diesem Job, den er als Trittbrett zum eigentlichen Beruf des Regisseurs durchlaufen muss, vor sich hin dümpelt. Als "Mädchen für alles" einer Theaterproduktion müssen Regieassistenten ihre Augen und Ohren und natürlich auch Gedanken und Hände überall haben. Als der Schauspieler Peter Michael eines Abends sein Leid klagen will - er leidet unter Fleischer und dessen Anforderungen an ihn - ist der müde Assistent nur daran interessiert ins Bett zu kommen. Eine Sache, die er später bereuen wird...

Als die junge Studentin Sonja als Hospitantin wiederum die Assistentin von Michael wird kommt eine Person von außen dazu. Sie wird mit voller Wucht in den Theaterbetrieb integriert und muss erkennen, dass die Welt des Theaters eine ganz eigene, abgeschlossene und oft mit eigenen Gesetzen agierende ist.

Vor diesem Hintergrund spielt sich nicht nur die Tragödie "Amphitryon" ab, sondern auch die eines verzweifelten Kollegen, der von Michael tot aufgefunden wird. Verdächtige gibt es genug, aber war es überhaupt Freundverschulden? Michael recherchiert - mit Hilfe von Sonja - und muss immer tiefer in die charakterlichen und menschlichen Abgründe seiner Kollegen blicken - jeder gegen jeden oder einfach nur: Kriegsschauplatz Theater?

Weil ich selber schon mal Hospitantin an einem städtischen Theater war und das Theater in all seinen Facetten liebe, war ich natürlich umso gespannter auf diesen Regionalkrimi aus dem Theatermilieu. Ich muss sagen: er hat meine Erwartungen definitiv erfüllt, ich bin äußerst positiv überrascht von Plotführung, Personentableau und dem atmosphärisch dichten Setting. Auch wenn sich alles sehr auf die Perspektive von Michael konzentriert kommen die anderen Personen und die Krimihandlung niemals zu kurz. Vom Timing war ich besonders entzückt, man hat das Gefühl dass man als Leser die Proben zeitnah miterlebt und dass wie in der griechischen Tragödie eine Einheit von Zeit, Ort und Handlung vorliegt. Der Autor hat sich in jedem Fall über die Konvergenz von Form und Inhalt Gedanken gemacht, was ich absolut toll finde.

Eine runde Sache und gleichzeitig ein spannender Krimi, dem man jedem Krimi- und Theaterliebhaber absolut empfehlen kann.

Veröffentlicht am 25.09.2019

Philosophischer Krimi mit Überlänge

Der Verein der Linkshänder
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Dies ist tatsächlich der allererste Krimi von Hakan Nesser, den ich gelesen habe. Mir sagten also weder Van Veeteren noch Inspektor Barbarotti etwas. Auch dass die Krimis um Van Veeteren wohl ...

Dies ist tatsächlich der allererste Krimi von Hakan Nesser, den ich gelesen habe. Mir sagten also weder Van Veeteren noch Inspektor Barbarotti etwas. Auch dass die Krimis um Van Veeteren wohl in einem fiktiven europäischen Land spielen war mir neu und hat mich etwas überrascht. Ich musste es im Internet nachlesen, weil ich doch etwas verwirrt war und noch nie von einer Stadt namens Maardam gehört hatte. Alle anderen Ortsnamen sind wie es aussieht ebenfalls ein Produkt von Nessers Phantasie. Gunnar Barbarotti, der Kommissar aus Nessers anderer erfolgreicher Krimireihe, ist zusammen mit Kollegin und "Love Interest" Eva Backman ebenfalls in den Fall als Ermittler involviert. Nesser verbindet hier also die zwei Welten seiner beiden Krimireihen. Barbarotti wohnt und wirkt in Schweden, einem echten Land, wenn auch in einem ebenfalls fiktiven Ort namens Kymlinge.
Ob man die Vorkenntnisse der beiden Reihen benötigt, um das Buch zu lesen? Mir jedenfalls hat die Recherche und die Tatsache, dass die Vorgeschichte der Ermittler immer wieder eingestreut wird (z.B. wenn Van Veeteren auf seine Polizeikarriere zurückblickt), sehr geholfen.

Was ich allerdings auf den ersten ca. 100 Seiten durchaus benötigt hätte, wäre ein Personenverzeichnis am Anfang gewesen, das alle Figuren auf Ermittlungsebene und die auf der "Verbrechensebene" (z.B. wer in der Vergangenheit in Oosterby gelebt hat) namentlich genannt und kurz aufgeschlüsselt hätte. Der Krimi ist nämlich sehr umfangreich (600 Seiten) und spielt auf drei (bzw. mehreren) Zeitebenen. Zum einen in der Vergangenheit ab 1958 (-1969), wo der "Club der Linkshänder" im kleinen Künstenörtchen Oosterby gegründet wurde. Dann im Herbst 1991, in dem Jahr wo das Verbrechen geschah, bei dem 5 Menschen ihr Leben lassen mussten - wieder in Oosterby bzw. der Umgebung. Und dann kommt die Gegenwartshandlung - Herbst 2012 - in der die Ermittler das Verbrechen von Oosterby aufgrund neuer Erkenntnisse bzw. eines Leichenfunds aufzuklären versuchen.
Später gibt es noch kurze erzählerische Ausflüge in andere Jahre und an andere Orte. Schließlich kommt auch noch ein aktueller Fall aus Schweden (Ermittler: Barbarotti) hinzu, der etwas mit dem Oosterby Fall zu tun haben könnte.

Ich würde das Buch als "philosophischen" Krimi bezeichnen, da es viel um das Innenleben der beteiligten Personen geht und ihre Ansichten zum Leben ("Das wirklich Schwierige war jedenfalls zu leben, am Leben zu bleiben, Tag für Tag, Jahr für Jahr.", S. 356). Die Stimme des Autors findet sich vor allem in Van Veeteren wieder, der in der Gegenwartshandlung bereits seit 15 Jahren offiziell in Rente ist und auf seinen 75. Geburtstag zusteuert. Dennoch wird er, zusammen mit seiner Lebensgefährtin Ulrike Fremdli, noch einmal zum Ermittler in diesem "Cold Case", bei dem er bereits vor 21 Jahren als ermittelnder Kommissar beteiligt gewesen war. Auch er philosophiert über das Leben und Sterben, über das Menschsein an sich. Tiefgründige Betrachtungen durchdringen an fast allen Stellen die Krimihandlung. "Der Verein der Linkshänder" ist trotz der aktuellen Leichenfunde größtenteils ein retrospektiver Krimi, in dem viele Geheimnisse der Vergangenheit ans Licht kommen. Dabei sind es vor allem die Beweggründe der Personen, ihr Handeln und ihre früheren Entscheidungen, die dieses Buch interessant machen.

Mir gefällt die etwas ausschweifende und gelegentlich detailverliebte Erzählweise Nessers sehr gut. Das Buch ist kein klassischer Pageturner, aber dennoch auf eine dreidimensionale Art und Weise spannend und lesenswert. Ein typischer "Herbstschmöker" für lange Leseabende, spielt das Buch doch auch größtenteils in dieser Jahreszeit.

Eine Anmerkung habe ich noch zum Lektorat. Mir ist eine Diskrepanz aufgefallen und zwar geht es um das Geburtsdatum von Qvintus Maasenegger. Auf Seite 29 heißt es dass er sich "am Morgen seines Geburtstags am zehnten September" im Spiegel betrachtet und in seinem Ausweis auf S. 104 steht dann "Geboren am fünfzehnten September". Solche Fehler sollten dem Lektorat eigentlich auffallen.


Veröffentlicht am 18.09.2019

Pseudointellektuelle Belanglosigkeiten

Gespräche mit Freunden
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Wir schreiben das Jahr 2019 und “Gespräche” sind eigentlich aus der Mode gekommen - also die tiefgründigen, echten. Wir zeigen heute übers Internet, anhand von Fotos und Texten was uns bewegt ...

Wir schreiben das Jahr 2019 und “Gespräche” sind eigentlich aus der Mode gekommen - also die tiefgründigen, echten. Wir zeigen heute übers Internet, anhand von Fotos und Texten was uns bewegt - auf ein Gegenüber gehen wir kaum noch ein, allenfalls noch durch ein “Like” oder höchstens einen Kommentar. Aber der Beitrag muss uns schon sehr “triggern”, wie man heute sagt, im positiven oder negativen, um zu kommentieren.

Vor diesem Hintergrund mutet es dann doch ein wenig anachronistisch an, dass einer der literarischen Shootingstars dieses Jahres ausgerechnet “Gespräche mit Freunden” (OT: “Conversations with friends”) heißt. Wie herrlich altmodisch und so “Parisienne” mutet dann auch noch das deutsche Cover dieses Buches an - da sitzt tatsächlich eine Frau im Fenster, dem Betrachter mit dem Rücken zugewandt und sie macht etwas ganz Außergewöhnliches - sie telefoniert! Mit einem Festnetzapparat!

Im Buch selber finden die “Gespräche” tatsächlich als “richtige” Gespräche - manchmal sind es auch Selbstgespräche - der 4 Hauptfiguren (3 Frauen und 1 Mann) sowie einiger Nebenfiguren statt. Aber die modernen Kommunikationsmittel wie Chats übers Internet und Smartphones sowie Email-Nachrichten werden trotzdem fast gleichwertig verwendet.

Dass man dieses Buch so wie eine bekannte Schauspielerin, die deutlich über das Alter der Protagonistinnen hinaus ist, an einem Tag durchliest, kann ich nicht verstehen. Für mich zog sich die durchweg repetitive Handlung wie Kaugummi. Es passiert einfach sehr wenig und die Essenz der titelgebenden Gespräche sind pseudo-intellektuelle Gemeinplätze und Beobachtungen der Protagonistinnen über ihr Gefühlsleben und das der anderen, aber lange nicht auf dem Niveau von Marcel Proust oder James Joyce - das Buch spielt lediglich in Irland und auch mal für eine Weile in Frankreich, der jeweiligen Heimat dieser beiden großen Autoren.
Die Autorin will sich und ihrem Buch einen besonders intellektuellen Anstrich geben, aber es reicht nicht den Protagonisten Namen wie Slavoj Žižek, Jaques Lacan oder Gilles Deleuze in den Mund zu werfen oder ihre Ablehnung für Yeats kundzutun, um ein kluges und "intellektuelles" Buch zu schreiben.

Die 21-jährige Literaturstudentin und Schriftstellerin Frances als Ich-Erzählerin ist egozentrisch, sehr von sich überzeugt ("Dafür würden sich meine Biografen später nicht interessieren." S. 339) und nervig. Die ständigen Selbstverletzungen (ich drücke irgendwelche Gliedmaßen gegen Gegenstände oder wasche mich mit zu heißem Wasser um mich dann zu spüren, sie nennt es "sich ausleben") wirken aufgesetzt und postpubertär. Aber sie ist halt auch erst 21. Sie gibt sich betont cool und gefühllos, dabei ist sie eigentlich ein Häuflein Elend, das sich über ihre Gefühle definiert. Natürlich hatte sie keine schöne Kindheit, stammt aus einfachen Verhältnissen, ein Scheidungs- und Einzelkind: Selbstläufer!

Melissa, die 37-jährige Widersacherin von Frances und Ehefrau von Nick bleibt als Persönlichkeit ziemlich blass. Man fragt sich echt: wer lädt die junge Geliebte des eigenen Ehemannes zum Abendessen ein und plaudert dann mit ihr als wäre nichts gewesen?

Nick, der Hahn im Korb, ist ein supertoll aussehnder, in der Blüte seines Erfolgs und Lebens stehender Schauspieler. Auch er bleibt leider profillos, denn seine Schwäche für junge Lyrikerinnen scheint seine einzige besondere Eigenschaft neben seiner Schönheit zu sein.

Die einzige mit etwas Charakter und annähernd menschlich-sympathisch ist die lesbische Bobbi, die gut zu Frances ist und es immer war. Bedingungslose Liebe? Vielleicht. Sie ist links, kommt aber aus einem "reichen" Elternhaus des irischen Establishment.

Diese 4 Personen also befinden sich in unterschiedlich geprägten Beziehungen zueinander, die immer neu ausgelotet werden. Liebe spielt dabei eine gewisse Rolle.

Zum Formalen: Es ist ziemlich anstrengend ein Buch über "Gespräche" zu lesen, in dem die Dialoge nicht durch Anführungszeichen gekennzeichnet sind.

Alles in allem: viel Lärm um sehr, sehr wenig! Ich kann den Hype um dieses Buch leider nicht nachvollziehen.

Veröffentlicht am 17.09.2019

Solider Schwedenkrimi

Tod im Schärengarten
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„Tod im Schärengarten“ ist ein solider, handwerklich gut gemachter Krimi bei dem man merkt dass die Autorin sowohl von der Thematik (Seglerklub, Juristenmilieu) als auch von der Umgebung (Sandhamn und ...

„Tod im Schärengarten“ ist ein solider, handwerklich gut gemachter Krimi bei dem man merkt dass die Autorin sowohl von der Thematik (Seglerklub, Juristenmilieu) als auch von der Umgebung (Sandhamn und den Schäreninseln) viel versteht und aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen konnte.

Ich habe den ersten Teil der Reihe mit dem Kommissar Thomas Andreasson „Tödlicher Mittsommer“ leider nicht gelesen, aber es wird ersichtlich dass „Tod im Schärengarten“ auf die Geschichte, die dort passiert ist, anknüpft und immer wieder in Anspielungen verweist. Hier wird ganz klar eine Reihe etabliert, in der sowohl der unstete Kommissar als auch seine Jugendfreundin Nora Linde (die gerade eine krisenhafte Zeit in ihrer Ehe mit ihrem Mann Henrik durchmacht) eine Rolle spielen.

Der Fall rund um die Ermordung des Vorsitzenden des KSS (Königlich Schwedischer Seglerverein), Oscar Juliander, ist ein typischer „Wer-hats-getan“-Krimi mit einem gut überschaubaren Kreis von Verdächtigen, einem Aha-Moment bei der Auflösung des Falls und einem sympathischen Ermittlerduo, das selbst mit allzu menschlichen Schwächen behaftet ist.

Die relativ kurzen Kapitel erlauben einem immer mal wieder ein paar zu lesen und dann eine Pause einzulegen, wann immer man will. Dies ist auch möglich, weil hier selten mit Cliffhangern gearbeitet wird und sich die Spannung deshalb in Grenzen hält. Das ist dem Kriminalroman vielleicht auch ein wenig anzukreiden: die Handlung dröppelt ein bisschen vor sich hin, nur selten wird man vom beschriebenen Geschehen gefesselt.

Auch die Sprache ist sehr klar und konzise gehalten, hier wird nicht mit hehrer Metaphorik oder erzählerischen Wortkünsten experimentiert: what you see is what you get.

Fazit: ein ganz netter Krimi, den man an ein paar Sommerabenden lesen kann, nicht mehr und nicht weniger.

Veröffentlicht am 17.09.2019

Die Schrebergarten-Gleichung und die „Unbekannte(n)“

Unter allen Beeten ist Ruh (Ein Pippa-Bolle-Krimi 1)
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Es gibt viele Unbekannte in diesem Roman, nicht ohne Grund heißt eine der handelnden Figuren „Herr X“. Die große Unbekannte, das ist Pippa Bolle. Sie kommt als Außenstehende und unbeschriebenes Blatt ...

Es gibt viele Unbekannte in diesem Roman, nicht ohne Grund heißt eine der handelnden Figuren „Herr X“. Die große Unbekannte, das ist Pippa Bolle. Sie kommt als Außenstehende und unbeschriebenes Blatt (diese auf ihrem Schreibtisch sind ein Grund dafür, warum sie überhaupt die Ruhe und Abgeschiedenheit sucht) in eine geschlossene Gesellschaft-die Havelinsel „Schreberweber“, die in sich bereits mehr als porös ist…

Aber der Reihe nach: Was ich jetzt so ernst formuliert habe ist eigentlich ganz witzig: Der sogenannte „Schrebergarten-Krimi“ „Unter allen Beeten ist Ruh“ vom Debütautorinnen-Duo mit dem humorvollen und anspielungsreichen Namen „Auerbach & Keller“ ist mehr augenzwinkernder Frauenroman mit Todesfall als blutrünstig-düsterer Thriller-und das ist auch gut so. Ein klassischer „Wer-hat-es-getan“-Krimi mit witzigen Elementen, einer sympathischen Hobbyermittlerin (die an Miss Marple erinnert, wäre sie nicht viele Jahrzehnte jünger) und einem gut überschaubaren Kreis von 10-15 Verdächtigen, den Bewohnern und ein paar Besuchern der Havelinsel.

Die Handlung ist die Folgende: die Übersetzerin Pippa Bolle ist frisch zurück aus Italien und frisch getrennt von ihrem italienischen Ehemann Leo; seit 3 Monaten lebt sie wieder in Berlin, wo sie mit ihrem Job so wenig verdient, dass sie es sich nur leisten kann in der Hausmeisterwohnung ihrer Eltern mitzuwohnen. Obwohl die Hausgemeinschaft in Wedding berühmt ist für ihren Zusammenhalt und die – von ihrer englischen Mutter Effie eingeführte – soziale Interaktion, ist Pippa latent von den feierlichen Zusammenkünften genervt: sie lenken sie von der Arbeit ab und auch die Privatsphäre leidet. Da kommt ihre beste Freundin Karin mit ihrem Vorschlag gerade recht: Pippa soll das Schreberhäuschen samt Garten ihres Vaters Viktor hüten, während der im Urlaub in Italien ist. Dort kann sie in Ruhe arbeiten-zumindest in der Theorie, denn der Aufenthalt Pippas auf der Schreberinsel erweist sich als weitaus ereignisreicher als ihr lieb sein dürfte: der geldgierige Bewohner Lutz Erdmann will allen Bewohnern ihre Parzellen abkaufen, um auf der Insel ein ökologisches Hanf- und Wellnessressort zu errichten. Viele weigern sich und die alteingesessene Bewohnerin Dorabella von Schlittwitz schafft es, dass eine Parzelle an den Inselschiffer Nante-und nicht an Erdmann geht. Kurz darauf ereignet ein Todesfall: Dorabella von Schlittwitz wird ertrunken in ihrer Badewanne aufgefunden. Wurde die alte, kranke Frau umgebracht oder steckt doch eine harmlose Erklärung dahinter? Wurde ihr Testament gefälscht? Was hat es mit dem „Unbekannten“, plötzlich aus dem Nichts aufgetauchten Halbbruder von Erdmann – Felix Müller – auf sich? Warum hat Dorabella ihn als Erben eingesetzt? Fragen über Fragen, die Pippa Bolle nach und nach beantworten möchte – und am Ende auch wird.

Der Roman verfügt über einen leichtfüßigen und homogenen Schreibstil. Nur an einigen wenigen Stellen merkt man, dass hier zwei Autorinnen am Werk waren. Sehr schön wird immer wieder die heimelige Atmosphäre auf der Insel beschrieben, die mit den aufgewühlten Gemütszuständen der unsicheren Bewohner (die fast alle in einer Übergangsphase in ihrem Leben sind) kontrastiert. Gelegentlich hat das Buch aber auch Längen, die so sicher vermeidbar gewesen wären und dem Lesespaß mit ihrer Aussparung dennoch keinen Abbruch getan hätten.
Alles in allem ein netter Sommerkrimi, den man schön auf der Terrasse-oder eben im Schrebergarten-verschlingen kann.