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Veröffentlicht am 17.09.2019

Toller Regionalkrimi vom Gardasee

Vino Rosso
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Wenn ich verreise nehme ich am liebsten ein Buch mit in den Urlaub, das einen Bezug zu dem Ort hat, an dem ich temporär verweile. Auch letzte Woche hat sich das so ergeben, denn ich war für ein paar Tage ...

Wenn ich verreise nehme ich am liebsten ein Buch mit in den Urlaub, das einen Bezug zu dem Ort hat, an dem ich temporär verweile. Auch letzte Woche hat sich das so ergeben, denn ich war für ein paar Tage am Gardasee, genauer gesagt in Limone sul Garda, dem Ort wo die Zitronen blühen. Glücklicherweise habe ich im Vorfeld ein Buch gefunden das in Limone spielt und durch die Münchner Hauptfigur auch noch einen Bezug zu meiner Heimatstadt hat.
Es handelt sich wieder mal um einen Krimi, eigentlich sogar um einen Regionalkrimi, denn die Handlung spielt ausschließlich am Gardasee, in den Orten Limone und Malcesine. Auch andere bekannte Urlaubsorte rund um den Gardasee wie Torbole, Sirmione, Bardolino, Garda, Riva und Salò werden erwähnt, so dass ein jeder der schon einmal das Glück hatte dort zu sein die Handlung geografisch genau verorten kann.
Zur Handlung: Rosi Holzwurm ist eine ehemalige Münchner Rechtsanwaltsgehilfin, die ihrer Heimat vor drei Monaten den Rücken gekehrt hat um ein neues Leben als Inhaberin einer Putzagentur (mit bisher nur einer Mitarbeiterin, nämlich ihr) im Ferienort Limone sul Garda zu beginnen. Bei einem Urlaub im September des Vorjahres hatte sie sich dort in den Gastronomen Antonio verliebt, der ihr einige unvergessliche Nächte in einem Boot auf dem Gardasee beschert hatte. Der Kontrast zu ihrem verstockten urbayerischen Verlobten Leopold und die Sehnsucht nach Antonio war so groß, dass sie kurzerhand beschloss in die Nähe ihres Geliebten, der zu allem Überfluss verheiratet ist, zu ziehen.
Zu Beginn des Krimis lernen wir eine Rosi Holzwurm kennen, die die Vorzüge ihrer neuen Heimat (Sonne, See & dolce vita) sowie die ausgiebigen Mahlzeiten mit ihrer Vermieterin Signora Bruna genießt sowie den ein oder anderen Spritz im Ristorante ihres Lovers Antonio oder der Bar von Fabio. Außerdem hat sie vier gutsituierte private Klienten, die sich als Ausgleich zu ihrem stressigen Münchner Leben eine Ferienwohnung am Gardasee leisten können. Dort putzt sie gründlich um danach die Vorzüge von deren Wohnungen (große Küche, Bibliothek, Musiksammlung Whirlpool, Fitnessgeräte) in vollen Zügen zu genießen. Dies ist aber nie penetrant, denn als Gegenzug erweist sie den Besitzern auch eine kleine Gefälligkeit. Man merkt: Rosi Holzwurm ist eine unorthodoxe Lebemännin, die einem schnell sympathisch ist.
Ihr Neukunde Otto Simon, ein Weinhändler aus München, hat eine alte Bratsche in Besitz, die vom Geigenbauer Gasparo da Salò (es gab ihn wirklich, seine Lebensdaten sind 1540-1609) stammen soll. Durch das Auftauchen des Instruments wird die eigentliche Krimihandlung in Gang gesetzt. Otto Simon verschwindet, Rosi bekommt merkwürdige Anrufe von dessen Hausmeister. Was haben ihre Klienten Dr. König, ein bekannter Musikkritiker und eine Herzspezialistin aus München, die auffällig viele Bratschen-CDs zu Hause hat, damit zu tun? Warum wird Rosi von diesem Signor Prati, einem Antiquitätenhändler aus Malcesine, verfolgt? Und warum hat ihr Geliebter Antonio plötzlich keine Zeit mehr für sie?

Dieses Buch ist ein echter Geheimtipp für alle Freunde von humorvollen Regionalkrimis, die das gewisse Etwas und eine spritzige Erzählweise zu schätzen wissen. Es trägt angenehm zur Lesefreude bei dass die Autorin ihre Geschichte zwar gut durchdacht und kennerisch unterfüttert hat, sie bei alldem aber nicht allzu ernst nimmt. Dieses Buch soll unterhalten, nicht mehr und nicht weniger (auch wenn man nebenbei etwas über die Geschichte des Gardasees und die Typica dieser Region sowie über Musikgeschichte lernt).

Ein heiterer Sommerkrimi der so gut mundet wie ein Spritz mit Blick auf den Gardasee gepaart mit einer angenehmen Unterhaltung über Gott und die Welt.

Wie ich im Anhang sehe hat Roswitha Wildgans noch einige andere Krimis geschrieben die mit Musik zu tun haben bzw. mit Bayern.

Veröffentlicht am 17.09.2019

Weltliteratur - DER Liebesroman schlechthin

Anna Karenina
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Während meines Studiums habe ich schon viele Klassiker der Weltliteratur mit mehr oder weniger großem Vergnügen gelesen: „Anna Karenina“ war bisher nicht darunter. Ich habe mich mal an „Krieg und Frieden“ ...

Während meines Studiums habe ich schon viele Klassiker der Weltliteratur mit mehr oder weniger großem Vergnügen gelesen: „Anna Karenina“ war bisher nicht darunter. Ich habe mich mal an „Krieg und Frieden“ gewagt, bin bis jetzt aber nicht über 150 Seiten hinausgekommen. Wahrscheinlich lag es an der Schwierigkeit die russischen Namen mit der englischen Sprache (ich habe eine englische Ausgabe) in Einklang zu bringen. Ich sollte es in jedem Fall noch einmal versuchen – vielleicht auf Deutsch mit der Aufbau-Reihe „Schöne Klassiker“.
Diese von mir im Moment für Klassiker absolut favorisierte Reihe des Aufbau-Verlags hat auch „Anna Karenina“ im Sortiment.
An dieser Reihe finde ich zum einen die Covergestaltung mit modernen und immer zum Buch passenden Fotografien absolut genial, zum anderen ist die weiche und flexible Klappenbroschur sehr angenehm beim Lesen (auch bei dickeren Büchern) und das integrierte Lesebändchen natürlich praktisch. Auch die Übersetzungen sind – insoweit ich das beurteilen kann – gut gelungen und trotz ihrer Aktualität dem Originalwerk verpflichtet.
Im Dezember 2012 kam eine Neuverfilmung von „Anna Karenina“ in die Kinos und da ich den Film sehr gerne sehen wollte hatte ich mir fest vorgenommen das Buch vorher noch zu lesen: jetzt oder nie! Leider hat es nicht geklappt: jetzt ist März und erst jetzt habe ich es geschafft das Buch zu Ende zu lesen (den Film werde ich mir auch erst auf DVD anschauen).
Mit seinen – in meiner Ausgabe – 1227 Seiten auf Dünndruckpapier hat der Roman einen gewissen Umfang, was mir zu Anfang, obwohl ich Klassikergeprüft bin, etwas Respekt eingeflößt hat. Was wenn ich nicht hineinfinde? Was wenn das Lesen zur Qual wird?
Was kann ich sagen: meine Bedenken wurden ab ca. Seite 30 (man muss sich erst in den Erzählstil und die erzählte russische Adelswelt des 19. Jahrhunderts hineinfinden) absolut zerstreut! Ich bin zunächst geradezu mit der Erzählung verschmolzen und hab mich vom Erzählfluss mittragen lassen (auch wenn das Lesen letztendlich einen viel längeren Zeitraum eingenommen hat als ich mir vorgenommen habe, aber das lag vor allem an den vielen „Nebenlektüren“). Zum Ende hin nimmt der Roman dann noch einmal richtig Fahrt auf.
Die recht kurzen Kapitel sind einerseits in sich abgeschlossen, andererseits fügt sich das Ende meist nahtlos an den Beginn des nächten Kapitels an: es wird also chronologisch erzählt – wobei wir natürlich auch immer etwas über die Vergangenheit der Figuren erfahren. Es ist mal wieder ganz schön einem auktorialen, allwissenden Erzähler zu lauschen. Solche Erzähler sind in zeitgenössischen Romanen seltener geworden, weil sie als „unmodern“ gelten. Das Schöne ist aber dass so ein Erzähler nicht nur alles weiß, sondern auch alles darf, wenn nötig ungefiltert die direkten Gedanken einer Figur wiedergeben, mitunter auch die eines Kindes oder eines Tieres. Die Figuren sind ihm ausgeliefert und können keine Geheimnisse vor ihm haben.
Zur Handlung denke ich brauche ich nichts zu sagen, die ist vielfach, u.a. hier, einzusehen.
Was mich gewundert hat? Ich hätte nicht gedacht dass der Roman dann doch so auf die Liebeshandlung und die gesellschaftlichen Beziehungen einiger weniger Hauptpersonen konzentriert ist. Nach der Erfahrung mit „Krieg und Frieden“ hätte ich mehr politische und weltanschauliche Inhalte erwartet und ein breiteres Beziehungsgeflecht zahlreicher Figuren. Natürlich kommen die politischen Inhalte auch in „Anna Karenina“ vor, zum Beispiel wenn die Figuren diskutieren oder der Erzähler ihre Ansichten offenlegt (z.B. wenn Lewin durchaus ausführlich über die Situation der russischen Bauern reflektiert), aber im Vordergrund steht doch der Themenkreis Liebe und Beziehung und ihr Bezug zur Gesellschaft.
Was die Figuren betrifft so finde ich ist Tolstoi ein Meister der Charakterzeichnung. Er weiß es einfach die Menschen in ihrer Vielschichtigkeit darzustellen – obwohl sie von der sie umgebenden Umwelt meist nur einseitig wahrgenommen werden. Für ihn sind die Personen nicht schwarz oder weiß, sondern – und das ist das Realistische – grau.
Die Figur, die mir mit am sympathischsten war ist Lewin, der auf dem Land lebende Freund von Anna Kareninas Bruder Stephan. Er ist eine geradlinige Persönlichkeit, die das Erbe seiner Väter erhalten will, nicht über die Stränge schlägt und sich selbst anderen gegenüber verhält wie er selbst behandelt werden möchte. Er begnügt sich mit dem was er hat und kann Stephans Einstellung nicht verstehen, Frauen betreffend auch gerne mal außer Haus zu „speisen“. Aber bei allem – und das ist das Besondere – ist er kein Moralapostel, sondern im Innersten ein Mensch, dem auch Argwohn, Eifersucht und Selbstmitleid nicht fremd sind. Lewin liebt Kitty, Annas und Stephans Schwägern, die ihn zwar auch liebt, den Grafen Wronski aber vorgezogen hatte. Dass dieser nach der Entscheidung für ihn kein Interesse mehr an ihr zeigt löst bei ihr eine schwere Krankheit aus.
Das Buch wirft viele Fragen auf, u.a.: soll man die Liebe leben, auch wenn sie gesellschaftliche Ächtung bedeutet? Für Anna ist diese Frage zentral und die Entscheidung, die sie trifft, beeinflusst nicht nur ihr Schicksal eminent, sondern auch das ihres Exmannes Karenin, ihres Geliebten Wronski und ihrer Kinder. Der kleine Serjosha leidet sehr darunter, dass seine Mama für ihn nach der Trennung „gestorben“ ist und das obwohl sie offensichtlich noch lebt.
Das Lesen von Klassikern beweist einem immer wieder warum die Klassiker Klassiker sind: sie haben einem etwas zu sagen – und das unabhänging von der Zeit, in der sie verfasst worden sind. Was „Anna Karenina“ dem Leser von heute zu sagen hat muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden, aber ich denke dass jeder etwas an diesem Roman finden wird, das gewisse „Etwas“ hat er in jedem Fall.

Veröffentlicht am 17.09.2019

Im Serienfieber

Bekenntnisse eines Serienjunkies
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Das Buch von Jochen Till ist sowohl Kompendium amerikanischer Serien als auch die Chronik einer Leidenschaft: der Leidenschaft des Herrn Till für Serien. Diese verhängnisvolle Affäre schlägt sich absolut ...

Das Buch von Jochen Till ist sowohl Kompendium amerikanischer Serien als auch die Chronik einer Leidenschaft: der Leidenschaft des Herrn Till für Serien. Diese verhängnisvolle Affäre schlägt sich absolut in den einzelnen Kapiteln nieder, mit seiner Begeisterung reißt er einen mit, auch wenn man die beschriebene Serie an sich, naja, nur so mittel fand.

Dass Jochen Till beschreibt nun also seine schon lange andauernde (ja, er hat 1991 eine der ersten im deutschen TV ausgestrahlten „Simpsons“-Folgen bewusst erlebt) amour fou mit Serien. Jede in einem eigenen Kapitel welches mal mehr mal weniger eingehend dokumentiert um was es in der jeweiligen Serie so geht, welchem Genre sie zuzuordnen ist und welche Konflikte und Charaktere eine wesentliche Rolle spielen. Das ist natürlich höchst subjektiv, oft digressiv und eben aus der Perspektive des männlichen Serienjunkies, aber das macht das Ganze ja auch so authentisch – und witzig, denn Herr Till besitzt die Gabe dies alles mit einem gewissen Augenzwinkern zu beschreiben. Selbstironie ist da ein gern verwendetes Mittel und auch das Gespür für Situationskomik ist hier absolut vorhanden.

Was mir neben dem Humor so an Jochen Tills Buch gefällt ist das unglaubliche Wissen, das bei ihm über den Bereich „(amerikanische) TV-Serien“ zum Vorschein kommt. Man erfährt nach und nach immer mehr über die (US-)Filmindustrie: wie werden Serien produziert, welche Rolle spielen die jeweiligen „Macher“ (Autoren, Regisseure, Schauspieler, Produzenten) und was soll das Ganze überhaupt? Geben die Serien den prüden Amerikanern ein Ventil einmal Dampf abzulassen, Schimpfwörter und Sexszenen einfach so rauszulassen oder unterbinden das die Autoren, weil ihren Genen ein unverbrüchlicher puritanischer Index inhärent ist? Serien sind halt (wenn auch oftmals sehr überspitztes) Spiegelbild der Gesellschaft und das ist – selbst in Amerika – gut so. Nur: will man das sehen und wenn nicht: warum? Überdies seien die gefährlichen „Undercover-Einsätze“ bei den verhassten deutschen Synchronfirmen hier lobend erwähnt.

Im Buch werden außerdem die Probleme, die ein Serienjunkie so bewältigen muss bzw. musste sehr unterhaltsam dargestellt. Früher war es die Angewiesenheit auf die vermaledeiten TV-Ausstrahlungen – die Zeit bevor es das Internet möglich machte relativ problemlos an Serien in der Originalsprache zu kommen. Und das damit verbundene Warten war die Foltermethode Nr. 1 für einen Serienjunkie. Heute ist das alles kein Thema mehr und ein Dasein als dauerhafter Serienkonsument führt lediglich zu einer „real life-Vereinsamung“ (aber was ist das schon für einen SJ) und der Tatsache dass man nicht mal mehr Taschentücher (die sind für das Tränentrocknen eines SJs unverzichtbar) im Haus hat weil man ja nicht mehr raus kommt.

Wir erfahren dass es bei einer richtig guten Serie auf die Charaktere und was aus ihnen im Laufe der Staffeln so wird ankommt und nicht etwa auf die Thematik oder das Setting. Gut, das spielt natürlich alles auch eine Rolle, aber für den Autor steht der Serienmensch (oder Klingone oder Zombie oder was auch immer) im Mittelpunkt. So erarbeitet Herr Till dann auch ausführliche Charakterstudien seiner Lieblinge (oder auch Nicht-Lieblinge) so dass auch demjenigen Leser, der die Serie nur vom Hörensagen kennt, ein lebendiges Bild des jeweils Portraitierten vor Augen tritt.

Was ich noch anzumerken habe ist dass die Auswahl der Serien doch sehr männlich konnotiert ist (was man einem männlichen Autor ja auch nicht übel nehmen kann ;)). Es sind viele Serien dabei in denen Gewalt eine prominente Rolle spielt. Und das sage ich jetzt nicht weil ich so ein Moralapostel bin, sondern einfach weil ich nicht so auf Gewalt stehe und eine Serie bei mir damit steht und fällt ob sie mich unterhält und zum Lachen (oder zum „oh wie gefühlvoll“-Weinen) bringt oder nicht. Meine Lieblingsserien sind Sitcoms und ergo habe ich gehofft dass ein paar mehr im Buch beschrieben werden (meine Hoffnung soll ja in den Nachfolgebänden laut Autor auch erfüllt werden). Meine beiden All-Time-Favourites „The Big Bang Theory“ und „Seinfeld“ sind zwar prominent vertreten (und auf das im „Seinfeld-Universum“ angesiedelte weil von ihrem Autor stammende „Curb your Enthusiasm“ hat mich das Buch sehr neugierig gemacht), aber leider keine anderen Sitcom-Klassiker wie „Golden Girls“, „The King of Queens“, „Frasier“ usw. (aber das wird ja wie gesagt bestimmt alles in den nächsten Büchern aka „Staffeln“ vorkommen). Da ich halt lieber lache als anderen zuzusehen wie sie sich eine Knarre an den Kopf halten und ggf. zudrücken oder gar Schlimmeres bin ich bei Serien wie „Oz“, „The Wire“, „Dexter“, „Sons of Anarchy“, „The Killing“ etc. einfach draußen. Schwarzer Humor ist ja schön und gern genommen, aber all das Knochengebreche und Blutgefließe muss ich mir nicht anschauen-auch wenn dabei bitterböse Bemerkungen einen Lachkrampf entfachen sollten. Auch mit Aliens („The X-Files“ – obwohl ich jederzeit eine Petition unterschreiben würde die es erlaubt Gillian Anderson als Synonym für „Traumfrau“ verwenden zu dürfen), Geistern („Geister“), Zombies („The Walking Dead“) und Vampiren („True Blood“), Dittsches („Dittsche“) und Büromenschen („The Office“) hab ich es nicht so – viel zu gruselig. Dass die Feuerwehrmänner in „Rescue Me“ neben ihren ernsten-tiefenpsychologischen Problemen auch noch einen trockenen Humor besitzen hat mich zwar gefreut, aber wahrscheinlich lasse ich auch diese Serie Serie sein genau wie die über Rockstars und Cowboys. Ich bin eben ein sehr einseitiger Serienjunkie. Aber die „Simpsons“ – keine Sorge Herr Till – die mag ich auch! Hey, es sind schließlich die „Simpsons“!

Also das mit dem unterschiedlichen Geschmack und meiner Gewaltdarstellungsphobie ist wirklich ganz allein mein Problem und auch wenn die meisten besprochenen Serien wohl eher nicht in meinem DVD-Regal Einzug halten werden kann ich die „Bekenntnisse eines Serienjunkies“ Letzteren und solchen, die es noch werden wollen, uneingeschränkt empfehlen. Herr Till besticht nämlich durch seinen Humor so sehr dass es Spaß macht. Und das ist doch die Hauptsache: da wird selbst die blutrünstigste Killerverbrechergefängniszombieserie in Kurzzusammenfassung zur prosaischen Comedy und deshalb dann auch irgendwie wieder was für mich.

Fazit: weiter so Herr Till und nächstes Mal bitte ein bisschen mehr zum Lachen und nicht zuletzt was für uns Frauen: zur Strafe schauen Sie jetzt bitte jeweils eine Folge „Girls“ und „Downton Abbey“ (gell, Frau Schwarzer ;)).

Veröffentlicht am 17.09.2019

Lesenswert aber kein Krimi im eigentlichen Sinn

Die Dirne vom Niederrhein
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„Die Dirne vom Niederrhein“ ist Teil 2 einer historischen Trilogie, die im zerstückelten Deutschland des 30jährigen Krieges – 1642 am Niederrhein – spielt. Der erste Teil „Die Hexe vom Niederrhein“ behandelt ...

„Die Dirne vom Niederrhein“ ist Teil 2 einer historischen Trilogie, die im zerstückelten Deutschland des 30jährigen Krieges – 1642 am Niederrhein – spielt. Der erste Teil „Die Hexe vom Niederrhein“ behandelt die Geschichte des Schmiedes Lorenz, der die Tochter des Statthalters von Kempen, Elisabeth, rettet. Obwohl diese ein Auge auf Lorenz geworfen hat verliebt er sich in Elisabeths Stiefschwester Antonella, die im Dorf durch ihr Kräuterwissen zunehmend als Hexe verschrien ist.
[Wer nicht wissen will wie „Die Hexe vom Niederrhein“ ausgeht sollte jetzt nicht weiterlesen!]
In „Die Dirne vom Niederrhein“ sind Lorenz und Antonella tot und Elisabeth fühlt sich schuldig, weil sie ihre Schwester in einem Anfall von Eifersucht als Hexe denunziert und auf den Scheiterhaufen gebracht hat. Aus dem Kriegsversehrten und von den Hessen geplünderten Kempen flieht sie und wünscht sich einen schnellen Tod im Straßengraben. Auch Lorenz‘ Bruder Maximilian lebt in Sühne: er hat seinen Bruder erstochen und bereut die Tat zutiefst. Wie Elisabeth wünscht auch er sich einen schnellen Tod. Im ebenfalls vom Krieg gebeutelten Viersen kommt er halb tot an und bricht schließlich zusammen. Eine Nonne (Schwester Agathe) findet ihn, pflegt ihn gesund und bietet ihm an sich Kost und Logis im Viersener Nonnenkloster zu erarbeiten. Dort lernt er auch den charismatischen Leiter des Klosters, Vikar Weisen, kennen. Auch Elisabeth hat Glück im Unglück: sie wird halbtot von einer Hurenmutter (Rosi) aufgefunden. Diese peppelt sie auf und Elisabeth will sich revanchieren indem sie selbst als Hure im Tross des Heeres anfängt.

Sowohl Maximilian als auch Elisabeth bekommen es in ihren neuen Lebenswelten mit groben Menschen und Kriegsgewinnlern (Major von Rosen, Doktor Sylar,…), aber auch mit Hilfsbereitschaft und Freundschaft (Bela, Agathe) zu tun. Dies illustriert dass sich im Krieg und in anderen Extremsituationen oft das wahre Gesicht der Menschen zeigt. Außerdem passt die sich zwischen Tod und Verderben sowie Menschlichkeit und Liebe (in ihrer gegenwärtigsten Ausprägung) angesiedelte Handlung perfekt zu den miteinander verbundenen Leitthemen des Barocks: „memento mori“ & „carpe diem“.

Die Handlungsstränge um Elisabeth und Maximilian laufen zunächst parallel und man kann den beiden unterschiedlichen Geschichten (die sich in der Vergangenheit bereits gekreuzt haben) gut folgen. Der Leser ahnt dass es darauf hinauslaufen wird dass die beiden Protagonisten sich wieder begegnen und wird in dieser Hinsicht auch nicht enttäuscht. Die Handlung an sich finde ich durchaus passend für einen historischen Roman. Der Autor vermeidet es aber trotz der historischen Handlung allzu genau auf historisch-soziologische Details und die Umstände des Krieges einzugehen. Man hat oft das Gefühl dass sich alles in einer Kulisse mit dem Titel „30jähriger Krieg am Niederrhein“ abspielt, die ein moderner Geist für die Dauer der Handlung aufgebaut hat – um sie danach wieder im Theaterfundus verschwinden zu lassen. Richtig hineinversetzt in die Zeit – wie das bei anderen historischen Romanen oft der Fall ist – fühlte ich mich als Leser also nicht.

Auch was den Untertitel „historischer Kriminalroman“ betrifft möchte ich potentielle Leser warnen sich auf eine spannende Krimihandlung einzuschießen. Ein Krimi im eigentlichen Sinne ist das Buch nicht, auch wenn Leichen und Verbrechen zahlreich vertreten sind. Es gibt keinen ungeklärten Fall, keine Ermittlung im eigentlichen Sinne, auch wenn Maximilian ein Verbrechen (bzw. mehrere) aufdeckt. Dies geschieht aber mehr nebenbei, der Fokus der Handlung liegt auf den beiden Biographien der Hauptfiguren und ihrer sich entwickelnden gemeinsamen Geschichte.

Zur Erzählsprache muss ich noch sagen dass der Autor eine klare und schöne Prosa schreibt, die sehr schnörkellos und gut lesbar ist ohne aber einfach zu wirken. Der Autor kann erzählen, daran besteht für mich kein Zweifel.

Veröffentlicht am 17.09.2019

Klassische Essays über die Liebe

Über die Liebe
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„Über die Liebe“ ist der ambitionierte Versuch des Schriftstellers Henri Beyle alias Stendhal ein Thema, das alle Menschen eminent betrifft und beschäftigt in all seinen Facetten zu behandeln. In seinen ...

„Über die Liebe“ ist der ambitionierte Versuch des Schriftstellers Henri Beyle alias Stendhal ein Thema, das alle Menschen eminent betrifft und beschäftigt in all seinen Facetten zu behandeln. In seinen Essays geht es ihm zunächst darum die Liebe in ihren psychologischen Aspekten zu betrachten, es geht um die verschiedenen Arten der Liebe, ihre Anfänge und Voraussetzungen, ihre unterschiedlichen Gesichter und Ausprägungen. Was bewirkt Schönheit für die Liebe? Ist sie so etwas wie eine Visitenkarte bei Frauen, bestimmt sie deren Marktwert? Wie unterschiedlich lieben Männer und Frauen? Gibt es Liebe auf den ersten Blick und wie wichtig ist Intimität für das Zusammensein, was bedeutet Eifersucht, kann einer mehr lieben als der andere? Diese Fragen sind wahrscheinlich so alt wie die Liebe selbst, aber vor dem Hintergrund des 19. Jahrhunderts, in dem die romantische Liebe erst richtig Einzug in die Breite der Gesellschaft hält, man nicht mehr nur Konvenienzehen eingehen will, sondern sich bewusst für ein Individuum entscheiden kann, das nicht mehr aus gesellschaftlichem Interesse gewählt wird - in diese Zeit gehören die Essays von Stendhal. Man muss das Buch also vor dem Hintergrund seiner Entstehungszeit (1822 ist das Buch erschienen, 1826, 1834 und 1842 verfasste der Autor neue Vorreden dazu) betrachten, auch wenn viele Aussagen und Fragen die er stellt allgemeingültig und zeitlos sind. Natürlich ist auch das zweite Buch in Hinblick auf den Horizont der Zeit zu lesen, in der Stendhal es geschrieben hat. Dort geht es um die Ausprägungen und Charakteristika der Liebe in den verschiedenen Nationen, immer wieder gespickt mit Entlehnungen aus Memoiren anderer oder den eigenen Erfahrungen. Interessant sind auch noch die zum Schluss angefügten Fragmente, die teilweise aphoristisch kurz, teilweise auch eine halbe bis ganze Seite lang sind. Es sind die von Stendhal aufgefundenen Notizen, die er sich zum Thema gemacht hatte und sonst nirgendwo unterbringen konnte.

Was mir sehr gefallen hat an diesem – ja man kann es schon sagen – Sachbuch über die Liebe ist die teilweise sehr ironische Sicht der Dinge, die Stendhal zu Tage treten lässt. Aussagen wie: „Sehr oft ist es das beste, ohne eine Miene zu verziehen, abzuwarten, bis der Nebenbuhler durch seine eignen Torheiten dem geliebten Wesen fade geworden ist.“, S. 191), augenzwinkernde Selbstironie („Aber da mir der Himmel die schriftstellerische Begabung versagt hat…“, S. 71) oder Seitenhiebe auf literarische Bestseller der Zeit (wie z.B. „Seit langer Zeit habe ich nicht mehr Richardsons langweilige Clarissa gelesen;“, S. 90) und gesellschaftliche Moden („Dreiviertel aller Liebesbriefchen in Wien wie in London sind französisch geschrieben oder voll Anspielungen und auch Zitaten auf Französisch und Gott weiß was für ein Französisch.“, S. 156) haben beim Lesen dieser nicht ganz einfach zu verdauenden Traktate ein Lächeln auf meine Lippen gezaubert.
Stendhal hat in einer seiner Vorreden von 1834 geschrieben dass dies ein Buch für „nur für hundert Leser“ sei. Ich kann ihm da nur rechtgeben, denn anstatt theoretisch über die Liebe zu lesen ist es für mich persönlich ein größeres Vergnügnen Stendhals Romane an die Hand zu nehmen. Dennoch: das Buch hat als historische Betrachtung des Phänomens „Liebe“ durchaus seine Berechtigung und wenn man sich aus soziologischem Interesse damit beschäftigt ist es in jedem Fall eine Lektüre wert. Dem „normalen“ Leser allerdings würde ich eher Stendhals „Rot und Schwarz“ empfehlen, damit er seine theoretischen Ansichten zu Liebe und Macht, Kirche und Staat literarisch verpackt genießen kann („Die Karatuse von Parma“ ist wohl noch geeigneter, den Roman habe ich allerdings selbst noch nicht gelesen).

Ich finde die Ausgabe editorisch wirklich gut, die zahlreichen Extras wie das ausführliche „Inhaltsverzeichnis“, die „Daten zu Leben und Werk“ und vor allem der Beitrag aus dem Kindler’schen Literaturlexikon sind dem Leser, der stärker in die Materie eintauchen möchte ein hilfreiches Kompendium. An der verwendeten Übersetzung von Franz Hessel aus dem Jahr 1921 habe ich ebenfalls nichts auszusetzen, ich finde sie trifft den Ton, allerdings könnte man angesichts des Alters der Übersetzung mal an eine neue denken.