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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.04.2023

Ein anderer Blick auf Hastings

Die Kinder des Earls
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Der ein oder anderer mag mit dem Cover, dem Teppich von Bayeux, das Thema des Romans schon auf den ersten Blick erahnen, doch „Wilhelm der Eroberer“ und „Hastings 1066“ dürften jedem bekannt sein: Wilhelm, ...

Der ein oder anderer mag mit dem Cover, dem Teppich von Bayeux, das Thema des Romans schon auf den ersten Blick erahnen, doch „Wilhelm der Eroberer“ und „Hastings 1066“ dürften jedem bekannt sein: Wilhelm, Herzog der Normandie, der sich die angelsächsische Krone erkämpfte und damit das Verhältnis von England und Frankreich in den folgenden Jahrhunderten komplizierter machte.
Hier nun legt Felicitas Dietrich einen hervorragend recherchierten Roman vor, in dem die Geschichte von Seiten der angelsächsischen „Verlierer“ von Hastings erzählt wird. Den Kern bildet die Familie des Earls Godwin von Wessex, einem der mächtigsten Männer des Angelsachsens seiner Zeit. Doch unantastbar ist seine Stellung nicht und die Schicksale seiner Kinder entwickeln sich -wenn auch immer miteinander verwoben- zutiefst unterschiedlich.
Ich würde den Roman als historischer als die meisten anderen historischen Romane bezeichnen. Ereignisse und Entwicklungen werden verständlich erklärt bzw. als Teil der Handlung erzählt, ein Personenregister und Liste von Begriffen sind als Orientierungshilfen vorhanden. Vielleicht liegt es an der Bedeutsamkeit historischer Kontexte, doch der Roman hat sich für mich nicht als Abschalt-Lektüre geeignet.
Generell bin ich kein Freund von Prologen und Epilogen, aber der Epilog hier hat mir ausgesprochen gut gefallen, er bildet einen gelungenen Abspann des Buches.
Alles in allem kann ich den Roman allen empfehlen, die sich für englische Geschichte interessieren oder eine bekannt geglaubte Geschichte aus einer anderen Perspektive erleben möchten.

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Veröffentlicht am 03.04.2023

Die Lebensgeschichte eines Gesetzlosen

Der Paria
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Der Paria gehört ohne Zweifel zu den Romanen, die nur veröffentlicht wurden, weil der Autor sich bereits einen Namen gemacht hat. Das ist nicht abwertend gemeint. Der Roman lässt sich in keine der gegenwärtigen ...

Der Paria gehört ohne Zweifel zu den Romanen, die nur veröffentlicht wurden, weil der Autor sich bereits einen Namen gemacht hat. Das ist nicht abwertend gemeint. Der Roman lässt sich in keine der gegenwärtigen Genre-Kategorien gut einordnen: kein historischer Roman, kein Fantasy-Roman. Wie in vielen Low-Fantasy Büchern ist ein Gesetzloser hier Protagonist, doch wer hier nach konkreten Fantasy-Elementen sucht, wird enttäuscht werden.
Im Rückblick berichtet Alwyn dem Lesenden seine Lebensgeschichte. In einer komplexen, vielschichtigen Welt gerät er, Waisenkind, Gesetzloser, Schreiber, in den Sog der Ereignisse um einen Thronstreit und schwehlende religiöse Konflikte. Hierbei hat mir besonders gut gefallen, dass statt dem typischen Format Religion A versus Religion B auch verschiedene innerreligiöse Strömungen eine Rolle spielen. Aber das zeichnet die diversen Fraktionen hier generell aus: sie sind keine Monolithen.
Passend dazu trifft unser Protagonist mal gute, rational Entscheidungen und mal solche, bei denen man auf Anhieb Übles ahnt. Der starke Überlebenswille des Protagonisten gerät dabei in Konflikt mit Rache und persönlichem Ehrgefühl. Auch die Nebencharaktere, sympathische wie unsympathische, sind gut ausgeformt, sind erinnerungswürdig und interessant. Eine Liste am Ende ist vorhanden, aber eigentlich nicht notwendig.
Obwohl der Spannungsbogen nicht so hoch wie bei einem Thriller verläuft, konnte mich der Roman dennoch von Anfang an fesseln. Die Handlung entwickelt sich eher langsam, durchsetzt mit einigen konkreten Actionszenen. Gewalt wird dabei explizit, wenn auch nicht ausufernd, beschrieben. Der Abschluss passt und lässt genug offene Handlungsstränge für den nächsten Band.
Alles in allem kann ich den Roman allen empfehlen, die ein Buch nicht nur schnell runterlesen möchten, sondern eine Reise suchen.

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Veröffentlicht am 15.03.2023

Gelungene Fortsetzung, die Lust auf den nächsten Band macht

Schloss Liebenberg. Hinter dem falschen Glanz
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Der zweite Band Hanna Caspians um die Eulenburg-Harden-Affäre aus den Perspektiven mehrerer Bediensteter setzt nahtlos da an, wo Band 1 aufhört.
Der Tod ihrer Mutter lastet schwer auf Adelheid und ihrer ...

Der zweite Band Hanna Caspians um die Eulenburg-Harden-Affäre aus den Perspektiven mehrerer Bediensteter setzt nahtlos da an, wo Band 1 aufhört.
Der Tod ihrer Mutter lastet schwer auf Adelheid und ihrer Familie. Als Informantin kann sie dringend benötigtes Geld verdienen und gleichzeitig Rache an der Fürstin üben, doch bringt sie sich selbst damit ebenfalls in Gefahr. Auch Viktor nimmt die Gefährdung seiner Dienststelle war und muss entscheiden, ob er eine Zukunft im Schloss Liebenberg haben wird. Für Constanze wurde diese Entscheidung bereits im ersten Band getroffen, doch die zukünftige Laufbahn ihres Verlobten ist eng mit dem Ausgang der Eulenburg-Harden-Affäre verwoben. Und Hedda findet nicht nur Verbündete gegen Opitz, sondern gerät in den Sog einer Bewegung, die sich für die Verbesserung der Lebensumstände aller Bediensteten einsetzt und von der besitzenden Klasse nicht gerade wohlwollend betrachtet wird…
Was soll ich sagen? Hanna Caspian beweist wieder einmal, dass sie große politische Ereignisse anschaulich mit Einzelschicksalen verknüpfen kann. Erzähltempo, Abschnittlängen und Perspektivwechsel sind einwandfrei gewählt. Diverse historische Alltagdetails offenbaren nicht nur die großartige Rechercheleistung, sondern bringen den Leser näher an das Geschehen heran und machen die Kulisse lebendiger.
Insgesamt würde ich sagen, dass die politischen Ereignisse im Vergleich zum ersten Band hier mehr in den Vordergrund rücken, doch war dies angesichts der Tatsache, dass besagte Ereignisse nun eine drängendere, bedrohlichere Dimension annehmen durchaus zu erwarten.
Alles in allem eine gelungene Fortsetzung, die einen von der ersten Seite an wieder direkt in die Handlung eintauchen lässt.

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Veröffentlicht am 09.02.2023

Von Garten- und Kriegskunst

Blüte der Zeit
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Niederlande 1672: Obwohl den Zeitgenossen die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges noch vor Augen stehen, droht erneut ein Krieg. Ihres niederländischen Heimes beraubt sehen sich Gärtnersohn Max, seine ...

Niederlande 1672: Obwohl den Zeitgenossen die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges noch vor Augen stehen, droht erneut ein Krieg. Ihres niederländischen Heimes beraubt sehen sich Gärtnersohn Max, seine Mutter und sein jüngerer Bruder einer ungewissen Zukunft entgegen und entscheiden sich für die Flucht nach Brandenburg-Preußen. Allerdings sind auch dort die Auswirkungen des Kriegs spürbar, wie auch Elvina, Tochter eines Apothekers der aufstrebenden Bürgerschicht, erfährt. Ein dritter Handlungsstrang folgt dem adeligen Paulus van Houtkerke, der als enger Freund Wilhelms III. von Oranien und Offizier unmittelbar am politischen und kriegerischen Geschehen beteiligt ist.
„Blüte der Zeit“ ist der dritte historische Roman von Sabine Weiß zur niederländischen Geschichte, kann jedoch auch problemlos ohne Vorkenntnis der Romane „Krone der Welt“ und „Gold und Ehre“ gelesen werden.
Vor dem Hintergrund des Holländischen bzw. Niederländisch-Französischen Krieges, dessen Folgen und Begleiterscheinungen angesprochen werden, ohne zu einer blutigen Horrorshow zu werden, entfaltet sich ein Zeitporträt großer Politik und kleiner Einzelschicksale. In den einzelnen Handlungssträngen treten neben den äußeren Konflikten verschiedenartige innere Konflikte auf, beispielsweise drängt Paulus Vater ihn, seine Freundschaft zu Wilhelm für eine politische Karriere zu nutzen, während jene Freundschaft gleichzeitig im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen aufgrund unterschiedlicher Meinungen unter Spannung gerät.
Thematischen Schwerpunkt bildet die Gartenkunst: von Lustgärten und Parkanlagen bis hin zu Wasserspielen, künstlichen Grotten und den Schwierigkeiten des Handels und Nachzüchtens exotischer Gewächse erhält man als Leser einen einzigartigen Einblick in die „unsichtbaren“ Mühen und die entstehenden Prachtbauten, deren Spuren sich bis in die Gegenwart verfolgen lassen.
Wie alle Handwerke verlangt die Gärtnerei neben Talent vor allem Geduld und Übung, gleiches gilt für das Schreiben - und was soll ich sagen, Sabine Weiß beherrscht ihr Handwerk. Besonders die beiläufige, lebendige Vermittlung von historischem Wissen ist überaus kurzweilig.
Alles in allem eine unbedingte Empfehlung an alle Leser historischer Romane!

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Veröffentlicht am 06.01.2023

Zu wenig Arktis

In der Stille der Polarnacht
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Im April 1853 erhält Virginia Reeves, die zuvor Planwagenzüge nach Kalifornien führte, das Angebot eine Expedition zur Auffindung der bei der Suche nach der Nord-West-Passage verschollenen Franklin-Expedition ...

Im April 1853 erhält Virginia Reeves, die zuvor Planwagenzüge nach Kalifornien führte, das Angebot eine Expedition zur Auffindung der bei der Suche nach der Nord-West-Passage verschollenen Franklin-Expedition anzuführen. Diese Expedition wird ein absolutes Novum darstellen: sie wird sich nur aus Frauen zusammensetzen. Anderthalb Jahre später sitzt Virginia jedoch vor Gericht, ihre Expedition ist gescheitert und nicht alle Frauen sind aus der Arktis zurückgekehrt.
Auf zwei Zeitebenen wird der gegenwärtige (Schau)Prozess und die misslungene Expedition erzählt und obwohl die Abschnitte gut gewählt sind erschienen mir die Gerichtsszenen aufgrund der Passivität Virginias größtenteils langweilig und wurde erst gegen Ende des Romans spannend.
Die Expedition setzt sich aus Charakteren zusammen, die sich auf unterhaltsame Art unterscheiden und aneinanderecken, doch bleiben sie zugleich relativ eindimensional und distanziert. Insgesamt habe ich mir von der Expedition an sich mehr erwartet: mehr Details, mehr Seitenumfang. Tatsächlich steht der Überlebenskampf in der Arktis nicht im Vordergrund, vielmehr geht es um die sich bildende Frauengemeinschaft und deren Zusammenhang. Das hätte durchaus funktionieren können, doch fand ich den beiläufig-gleichgültigen Umgang der Frauen was Vorbereitung und Durchführung der Expedition betrifft emotional erkaltend, was man wohl mit dem Empfinden vergleichen kann, wenn in einem schlechten Horrorfilm Figuren nach und nach infolge ihrer eigenen Dummheit sterben.
Die Darstellung von Lady Jane Franklin und Virginia Reeves ist durchaus interessant und der Schreibstil ist angenehm zu lesen, doch alles in allem hat der Roman mich nicht überzeugen können.

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