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Veröffentlicht am 28.10.2022

Über die blutig-faszinierenden Anfänge der plastischen Chirurgie

Der Horror der frühen Chirurgie
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Der zweite medizinhistorische Roman von Lindsey Fitzharris erzählt von der Geburtsstunde der modernen Schönheitschirurgie: während des 1. Weltkrieges entstanden Gesichtsverletzungen in nie dagewesenen ...

Der zweite medizinhistorische Roman von Lindsey Fitzharris erzählt von der Geburtsstunde der modernen Schönheitschirurgie: während des 1. Weltkrieges entstanden Gesichtsverletzungen in nie dagewesenen Mengen, und während andere Soldaten nach Ende des Krieges in die Gesellschaft zurückkehren konnten, wurden als die Gueules cassées nicht selten als Ausgestoßene behandelt. So hatten sie beispielsweise in Frankreich zunächst keinen Anspruch auf Kriegsversehrten-Unterstützung.
Harold Gillies, HNO-Arzt, wurde in dieser Stunde Vater der plastischen Chirurgie. Spannend und auf sehr bildliche Weise werden die schrecklichen Verwundungen und die Heilungsbemühungen beschrieben. Dabei wird das Schlaglicht nicht nur auf Gillies, sondern auch auf mehrere Zeitgenossen gerichtet, die sich ebenfalls bemühten, das Leid der Gesichtsverletzten zu mindern. Neben Ärzten werden auch künstlerisch tätige Persönlichkeiten vorgestellt, die mittels Masken eine Rückkehr in die Gesellschaft ermöglichten.
Ganz konkret sind die medizinischen Grenzen, Möglichkeiten und Methoden der Zeit hervorragend recherchiert. Vorgänge und Eingriffe werden verständlich beschrieben. Hier ein Beispiel:
„Zuerst deckte er das rohe Fleisch im Wundbereich mit Hauttransplantaten ab, um die Atemwege zu schützen. Dann entnahm er [dem Patienten] Rippenknorpel und schnitt ihn in Form einer Pfeilspitze, um ihn später als Stütze für die Nasenflügel zu verwenden. Dann implantierte er das Knorpelstück unterhalb des Haaransatzes in [seine] Stirn, wo es sechs Monate verblieb.“ (S. 135f.)
Ich gestehe, dass ich vorher nie darüber nachgedacht habe, wie schwierig Gesichtsoperationen damals aufgrund der gängigen Anästhesie durch Gase war.
Beim Lesen habe ich ab und an gedacht, dass die erwähnten Abbildungen der Endresultate der Operationen Gillies interessant wären. Allerdings ist eine wissenschaftliche Veröffentlichung von Harold Gillies online zugänglich und Fitzharris hat vermutlich Recht daran getan auf eine Wiedergabe der Bilder zu verzichten und so einen sachlichen Ton und respektvollen Umgang mit den betroffenen Männern aufrecht gehalten.
Alles in allem empfehle ich diesen Roman allen Lesern, die an medizinischen Dingen Interesse haben und drastisch-detaillierte Beschreibungen verkraften.

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Veröffentlicht am 21.10.2022

Spannender Auftakt einer Serie zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Schloss Liebenberg. Hinter dem hellen Schein.
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„Schloss Liebenberg. Hinter dem hellen Schein“ ist das erste Buch der Spiegel-Bestsellerautorin Hanna Caspian, das ich gelesen habe (und es wird nicht das letzte bleiben).
Es handelt sich hier um den Auftakt ...

„Schloss Liebenberg. Hinter dem hellen Schein“ ist das erste Buch der Spiegel-Bestsellerautorin Hanna Caspian, das ich gelesen habe (und es wird nicht das letzte bleiben).
Es handelt sich hier um den Auftakt einer neuen Reihe, die im August 1906 beginnt:
Aufgrund der Willkür eines Fürsts erhält die junge Adelheid überraschend eine Stelle als Stubenmädchen. Als Tochter eines Tagelöhners, dessen Familie Hunger und Armut nur zu vertraut ist, setzt sie nun alles daran, trotz unbekannter Aufgaben, Schlafmangel und der Missgunst in der Beförderung übergangener Hausmädchen in ihrem neuen Alltag zu brillieren. Doch der Beginn der Eulenburg-Affäre bedroht die soziale Stellung der arbeitsgebenden Fürstenfamilie.
Neben Adelheid wird auch aus den Perspektiven von Viktor, einem Diener mit verheerendem Familiengeheimnis, Hedda, einem weltgewandten Stubenmädchen mit großem Traum, und Constanze, der Gouvernante der drei Fürstentöchter, erzählt. Sie alle unterscheiden sich aufgrund ihrer familiären und sozialen Prägung in ihren Ansichten.
Nicht zuletzt dank des schönen, eingängliches Schreibstils gelingt es der Autorin die Vielzahl der Figuren zu koordinieren, ohne dass sich Handlungsstränge unverständlich ineinander verwirren. Der historische Hintergrund ist vorbildlich recherchiert, sowohl was geistesgeschichtliche Aspekte angeht wie auch das Alltägliche aus dem Leben von Arm und Reich.
Besonders gut gefallen haben mir die Spannungen unter den Dienstboten: die strikte Hierarchie fördert Konflikte, Eifersucht und Konkurrenz in der ohnehin aufgrund mangelnder Rechte vulnerablen Gruppe. Und wo es an gesetzlichen Wegen zur Lösung von Problemen fehlt, müssen Figuren kreativ werden.
Alles in allem kann ich den Roman an alle empfehlen, die eine Reihe suchen, in der das Leben von Dienstboten nicht romantisiert und ihr Verhältnis zu den Arbeitsgebern nicht verklärt ist.

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Veröffentlicht am 30.09.2022

Unterhaltsame Regency Romanze

Eine Braut für Admiral Worsley
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Eine Braut für Admiral Worsley von Emily Alveston ist der zweite Band der Lost in Regency Reihe, kann aber auch ohne Vorkenntnisse des ersten Bandes gelesen und genossen werden.
Als junge Witwe und Mutter ...

Eine Braut für Admiral Worsley von Emily Alveston ist der zweite Band der Lost in Regency Reihe, kann aber auch ohne Vorkenntnisse des ersten Bandes gelesen und genossen werden.
Als junge Witwe und Mutter ist Melina eine ungewöhnliche Protagonistin für einen Regency Roman. Selbstbewusst und aufrichtig ist sie eine sympathische und durchsetzungsfähige Figur, ihr Anecken mit Admiral Worsley ist amüsant zu verfolgen und die sich entwickelnde Beziehung fühlt sich authentisch an. Neben den erinnerungswürdigen Dialogen sind es vor allem die Charaktere, die mir nach Beenden des Romans im Gedächtnis geblieben sind: Haupt- und Nebenfiguren sind vielschichtig und glaubwürdig geschrieben, ihre Handlungen nachvollziehbar motiviert.
Neben überraschenden, spannungsgeladenen Ereignissen gibt es ruhigere Momente zum Durchatmen, wodurch keine Lesemüdigkeit aufkommt.
Gerüchte, Intrigen und die Regeln der Höflichkeit spielen eine große Rolle, dabei zeigt sich auch die vortreffliche Recherche der Autorin um den historischen Bewegungsraum der Figuren.
Alles in allem kann ich diesen gelungenen Roman an alle Fans des Genres weiterempfehlen!

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Veröffentlicht am 30.09.2022

Die Geschichte der Imperia von Konstanz

Das Lächeln der Imperia
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1414: Zusammen mit zwei Kolleginnen macht sich die junge Prostituierte Gabriella nach Konstanz auf, wo das Kirchenkonzil mit seiner Vielzahl versammelter weltlicher und geistlicher Großen eine einmalige ...

1414: Zusammen mit zwei Kolleginnen macht sich die junge Prostituierte Gabriella nach Konstanz auf, wo das Kirchenkonzil mit seiner Vielzahl versammelter weltlicher und geistlicher Großen eine einmalige Gelegenheit bietet.
Auf erfrischend authentische Art und Weise verfolgt "Das Lächeln der Imperia" von Antje Windgassen den Werdegang Gabriellas, die sich noch vor ihrer Ankunft in Konstanz in Imperia umbenennt. Vor allem das menschliche Miteinander spielt in diesem Roman eine große Rolle, durch zufällige Bekanntschaften und gegenseitige Hilfeleistungen spinnt sich die Handlung fort. Das Spannungslevel ist dabei nicht sehr hoch, der der flüssige, angenehme Schreibstil sorgt für Kurzweile.
Die dunkleren Aspekte der Zeit werden nur beiläufig erwähnt, oder tauchen in erzählter Form in Figurenrede auf (z.B. die Verbrennung von Jan Hus). Dadurch entsteht bisweilen eine beinahe märchenhafte Stimmung, wozu auch das Ignorieren des Themas Sprachbarrieren beiträgt.
Prolog und Epilog sind ungewöhnlich lang, hier werden dem Leser interessante Informationen geliefert, um die Historizität des Gelesenen besser einzuordnen.
Alles in allem kann ich den Roman jedem Leser empfehlen, der angenehme Wohlfühl-Lektüre ohne viel Tiefe sucht.

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Veröffentlicht am 24.09.2022

Biographischer Roman über Apollonia Radermecher

Allzeit aus Liebe
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"Allzeit aus Liebe" von Günter Krieger berichtet vom Werken der Apollonia Rademecher, die um 1622 in Aachen ein heruntergekommenes Spital übernahm und dieses aus eigenen Mitteln und gegen zahlreiche Widerstände ...

"Allzeit aus Liebe" von Günter Krieger berichtet vom Werken der Apollonia Rademecher, die um 1622 in Aachen ein heruntergekommenes Spital übernahm und dieses aus eigenen Mitteln und gegen zahlreiche Widerstände zu einer der modernsten Einrichtungen ihrer Zeit machte. Dabei zögert die tatkräftige Apollonia nicht, auch ungewöhnliche Wege zu beschreiten.
Auf unterhaltsame Weise werden historische Fakten – durch Zitate aus ihren Briefen kommt Apollonia wortwörtlich selbst zur Sprache – und fiktive Ergänzungen miteinander verwoben. Das Ergebnis ist ein Roman, dessen ausgezeichnete Recherche und latenter Sinn für Humor einen rasch in den Bann ziehen.
Die Missstände und alltäglichen Verhältnisse der Zeit werden von Günter Krieger auf eingängliche Weise vermittelt und wirken weder erschlagend noch unzureichend. Einziger Kritikpunkt: Beim Lektorat sind ein paar Kleinigkeiten übersehen worden, z.B. S. 69 ist die Rede von rabenschwarzem Haar wie Rabengefieder, S. 73 fehlt in einem Satz „ich“ und der Name des Onkels variiert in seiner Schreibweise von „Matthias“ und „Mathias“.
Alles in allem kann ich den Roman allen empfehlen, die mehr über ein Stück vergessener Aachener Geschichte erfahren möchten.

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