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Veröffentlicht am 04.10.2021

Das Leben der Stina Andersdatter

Die Hebamme
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Es ist das Jahr 1800 als die 7-jährige Marta Kristine Andersdatter Nesje, in ihrer Kindheit von allen Stina genannt, gemeinsam mit ihren Eltern in das norwegische Dorf Flovik zieht. Der Vater hat dort ...

Es ist das Jahr 1800 als die 7-jährige Marta Kristine Andersdatter Nesje, in ihrer Kindheit von allen Stina genannt, gemeinsam mit ihren Eltern in das norwegische Dorf Flovik zieht. Der Vater hat dort einen Häuslerhof gepachtet, den er fortan bestellt. Marta Kristine darf als Kind zur Schule gehen, dort trifft sie auf den 3 Jahre älteren Hans. Er ist der Erste, zu dem sie vertrauen fasst, und der Erste, der freundlich zu ihr ist. Schon früh versprechen die beiden sich, später Mann und Frau zu werden, Stina möchte Hans 10 Kinder schenken. Doch Jahre später, kaum erwachsen, wird Hans zum Miltär eingezogen und kämpft im Krieg. Auf Heimatbesuch schafft er es nicht die richtigen Worte zu finden um Marta Kristines Hand anzuhalten. Ebenso stellt sie sich stur und geht keinem Schritt auf ihn zu. Marta Kristine bekommt ein Kind, aber es ist nicht das von Hans. Als diese jedoch aus dem Krieg zurück kehrt bittet er Marta Kristine "seiner Jugend Freude und seines Alters Trost" zu werden. Die beiden heiraten und bekommen mehrere Kinder. Mehrere Kilometer entfernt von Flovik, in Molde, absolviert Marta Kristiane eine Ausbildung zur Hebamme. Da dies in der Bevölkerung jedoch nicht genug anerkannt wird, macht sie sich auf nach Christiana (das heutige Oslo) um tieferes Wissen zu erlangen.
Der Autor schreibt hier die Biografie seine Ururgroßmutter. Der Roman ist gespickt von Daten, von Geburten, Taufen, Hochzeiten, Todesfällen und Pachtverträgen, die allesamt in den Staatsarchiven von Trondheim oder Oslo protokolliert sind. Diese Daten lassen die Handlung manchmal etwas zu steif wirken und manchmal ziehen sich ganze Passagen auch zu sehr in die Länge. Die Lebensweise der Menschen in Norwegen zu Beginn des 19. Jahrhunderts fängt Edward Hoem sehr gut ein, die Entbehrungen der Bevölkerung vor allem zur Zeit des Kriegen und der Hungersnot sind eindringlich beschrieben. Mich persönlich haben vor allem die genannten Orte fasziniert, denn ich habe Norwegen bereits mehrere Male bereist. Die Fjorde, Oslo und auch einige der anderen Städte sind mir bekannt.

Fazit: Ein überwiegend auf wahren Ereignissen basierender historischer Roman. Der Schreib- und Sprachstil ist der Epoche angemessen. Wer Norwegen von einer anderen Seite (in diesem Fall der historischen) kennen lernen möchte, wird von diesem Roman nicht enttäuscht.

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Veröffentlicht am 03.10.2021

Zu Hause in zwei Welten

Auf Basidis Dach
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Mona Ameziane ist in zwei Welten zu Hause. In Deutschland, wo sie geboren wurde und in Marokko, dem Geburtsland ihres Vaters. Oder ist sie doch nicht in zwei Welten zu Hause? Was ist Heimat, wenn man mit ...

Mona Ameziane ist in zwei Welten zu Hause. In Deutschland, wo sie geboren wurde und in Marokko, dem Geburtsland ihres Vaters. Oder ist sie doch nicht in zwei Welten zu Hause? Was ist Heimat, wenn man mit zwei Kulturen aufwächst? Gibt es eine Mehrzahl des Begriffes 'Heimat'? Und wenn nein, sollte es eine Mehrzahl geben? Mit diesen und noch viel mehr Fragen beschäftigt sich die junge Autorin in ihrem Debütroman 'Auf Basidis Dach'. Der Titel hat bei mir zunächst einmal ein paar Fragezeichen hinterlassen, die sich aber bereits nach wenigen Seiten des Lesens aufgelöst haben. Basidi, das ist Monas Großvater. Und mit dem Dach ist die Dachterrasse des Hauses der Großeltern gemeint, hiermit verbindet die Autorin viele Erinnerungen.
Auf der Suche nach ihrer Herkunft und ihrer Identität begibt Mona sich gemeinsam mit ihrem Vater auf eine weitere Reise nach Marokko. Ihr Vater, der als Student in Frankreich eine deutsche Frau kennen und lieben gelernt hat und für diese Liebe nach Deutschland gegangen ist um eine Familie zu gründen.
Mona nimmt uns mit auf eine Reise durch ein exotisches Land, das auch sie selbst immer wieder neu zu entdecken scheint. Sie berichtet von vielen Kindheits-und Jugenderinnerungen, von schönen und auch traurigen Ereignissen. Das alles erzählt sie wunderschön und geradezu bildlich. An dieser Stelle möchte ich absichtlich nicht das Wort 'schreibt' verwenden, denn es ist als würde man einer Erzählung lauschen.
Mona berichtet von ihren Erfahrungen der zwei verschiedenen Kulturen. Beiden Lebensweisen und Bräuchen kann sie etwas abgewinnen, doch sie setzt sich ebenso kritisch mit ebenjenen außeinander. Sie schreibt, dass sie sich selbst manchmal als "identative Hochstaplerin" fühle. Sie kennt Marokko auf ihre eigene Weise, aber eben nicht so wie Einheimische. Sie möchte mit ihren Geschichten ihre Eindrücke wieder geben, und das gelingt meiner Meinung nach sehr gut. Die vielen humorvollen Anekdoten haben mir beim Lesen immer ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. So zum Beispiel, wenn Mona mit ihrem Vater auf der Suche nach einer neuen Teekanne verzweifelt versucht sich nicht als Deutsche oder Ausländerin zu erkennen zu geben, denn das hat großen Einfluss auf die Gestaltung des Preises.

Fazit: Ein tolles Debüt der Autorin und um es mit ihren Worten zu sagen "[...] Geschichten können manchmal ganz schön viel bewirken." (Seite 164)

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Veröffentlicht am 01.10.2021

Ausdrucksvoller historischer Roman

Die letzte Tochter von Versailles
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Das Cover ziert eine junge Frau in einem opulenten Kleid, die durch den Spiegesaal des Schlosses von Versailles rennt. Ein Teil der Handlung spielt in eben diesem historischen Schloss im 18. Jahrhundert. 
Véronique ...

Das Cover ziert eine junge Frau in einem opulenten Kleid, die durch den Spiegesaal des Schlosses von Versailles rennt. Ein Teil der Handlung spielt in eben diesem historischen Schloss im 18. Jahrhundert. 
Véronique wächst in ärmlichen Verhältnissen der Unterschicht auf. Nachdem ihr Vater, ein Buchdrucker verstorben ist, muss ihre Mutter die Familie mit dem Verkauf gebrauchter und ausgebesserter Kleider am Leben halten. Als Véronique mit ihrer Schönheit dem Kammerdiener des Königs auffällt, ist ihr Schicksal schnell besiegelt. Als Entschädigung erhält die Familie Geld um die Schulden tilgen zu können.
Véronique Roux ist dreizehn Jahre alt, als sie als ein "Vögelchen" an den Hof des französischen Königs Louis XV. gebracht wird. Ihre Unverdorbenheit und ihre Schönheit sind der Grund dafür. Fortan ist sie eine Mâtresse des Königs, der ihr offiziell allerdings als "polnischer Graf" und "Cousin der Königin zweiten Grades" vorgestellt wird. Véronique wird schwanger und gebärt eine Tochter, die ihr direkt nach der Geburt weggenommen wird. Marie-Louise.
Marie-Louise wächst zunächst bei eine Amme auf, dann verbringt sie mehrere Jahre ihrer Kindheit als Pflegekind von Bediensteten am Hof des Königs. Am Schloss Versailles lernt sie unter anderem Auguste, den späteren König Louis XVI. kennen. In ihrem weiteren Leben verschlägt es Marie-Louise nach Paris, wo sie das Handwerk der Hebammen erlernt und selbst eine vereidigte Hebamme wird. Sie heiratet einen gesellschaftlich anerlannten Anwalt und bekommt einen Sohn. Doch im Jahr 1879 bringt die Französische Revolution Unruhen nach Paris und auch in Marie-Louises Ehe, da ihre Verbindung zum Königshaus nicht ewig verborgen bleibt.
Der Schreibstil ist flüssig, packend und man hat das Gefühl das Buch gar nicht mehr zur Seite legen zu können. Véroniques Gedanken sind teilweise sehr naiv dargestellt, was natürlich für ein junges, unaufgeklärte Mädchen überaus passend ist. Der erste Teil des Romans, überwiegend aus der Sicht von Véronique erzählt, spielt im Schloss von Versailles und am Hof des Königs. Ein Leben im Überfluss: Essen, Kleider, Schmuck. Die große Kluft zwischen Arm und Reich ist sehr deutlich beschrieben. Im zweiten Teil, dem Leben von Marie-Louise, wird der Fokus mehr auf die bürgerliche Gesellschaft gelegt. Dieses Ungleichgewicht zwischen den Gesellschaften lösen letztendlich die Französische Revolution aus. Die Französische Revolution selbst nimmt keinen allzu großen Anteil in der Handlung des Buches ein. Sie ist eher wie ein großes politisches Ereignis beschrieben, ohne den Fokus des Lesers zu sehr an sich zu reißen. Der Schwerpunkt liegt weiterhin auf Marie-Louise und ihrem Leben.
Fazit: Mir hat das Buch sehr gut gefallen, sodass ich eine klare Leseempfehlung für alle Fans von historischen Romanen aussprechen kann.

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Veröffentlicht am 01.10.2021

Ein literarisch anspruchsvoller Roman

Der Kolibri
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Der Autor, Sandro Veronesi, wurde für diesen Roman mit dem Premio Strega 2020 ausgezeichnet. Daher waren meine Erwartungen an diesen Roman ziemlich hoch. Auch das Cover hat mich direkt angesprochen, ein ...

Der Autor, Sandro Veronesi, wurde für diesen Roman mit dem Premio Strega 2020 ausgezeichnet. Daher waren meine Erwartungen an diesen Roman ziemlich hoch. Auch das Cover hat mich direkt angesprochen, ein Kolibri mitten im Flug, sodass seine Umrisse verschwommen dargestellt sind.

Der Einstieg des Romans beginnt im Jahr 1999. Dr. Marco Carrera behandelt in seiner Praxis für Augenheilkunde wie gewöhnlich seine Patienten. Doch an diesem Tag findet ein Mann den Weg in sein Patientenzimmer, den er dort nicht erwartet hätte. Es ist der Psychiater seiner Ehefrau Marina. In dem Glauben, dass Marco Carrera Gefahr drohe, bricht der Psychiater seine Schweigepflicht um diesen vor der drohenden Gefahr zu warnen. Als er aber erkennt, dass er die Angelegenheit falsch eingeschätzt hat, entschuldigt er sich und verlässt die Praxis. Zuvor teilt er Marco Carrera jedoch mit, dass seine Frau Marina ein Kind erwartet, das jedoch nicht von ihm sei.

Von nun an, also quasi mit Beginn des zweiten Kapitels, wird der Leser auf eine Odysee zwischen den Lebensjahren des Dr. Marco Carrera geschickt. Die Jahre 1981, 1979, 1983, 2000, 1992, 2005, 2030... wechseln sich immer wieder mit Briefen (zeitlich später betrachtet E-Mails) ab, die Marco Carrera entweder an seine ewige Geliebte Luisa oder seinen jüngeren Bruder Giacomo schreibt. Es ist nicht leicht der Handlung zu folgen, da sie nicht chronologisch aufgebaut ist. Anhand der Briefe und Abschnitte der verschiedenen Jahre muss der Leser selbst den Weg finden um die Lebensgeschichte des Protagonisten nachvollziehen zu können.

Der Schreibstil von Sandro Veronesi, bzw. die Deutsche Übersetzung, ist sehr gut gelungen und zieht einen in den Bann. Teilweise werden die Sätze wie zu einem Sog, die den Leser festhalten. Es ist nicht selten, dass die Länge einiger Sätze über eine halbe, eine ganze Seite oder sogar darüber hinaus gehen. Teilweise ist es geradezu anstrengend diese Sätze zu lesen und dan auch noch deren tieferen Sinn zu begreifen.

Je weiter man in dem Buch voran kommt, desto leichter lässt sich der Handlung folgen, da man immer mehr Puzzlestücke zusammen setzen kann. Das Leben des Marco Carrera ähnelt mehr und mehr einem Drama, als auch noch seine Tochter bei einem Bergsteiger-Unglück stirbt. Sie hinterlässt ihre junge Tochter, die fortan von Ihrem Großvater großgezogen wird. Letztendlich gibt es in diesem Roman auch Passagen die Zukunft betreffend, was erst einmal komisch anmutet aber irgendwie auch stimmig ist.

Ein Satz dieses Romans ist mir ganz besonders im Gedächtnis geblieben: "Wie viele Personen sind in uns begraben." (Seite 334)

Darüber kann man meiner Meinung nach lange nachdenken, ebenso wie über dieses literarische Werk.

Für mich war das Buch allerdings zu anspruchsvoll um es tatsächlich einfach genießen zu können. Ich konnte mich nicht komplett in dieses Buch fallen lassen, musste stets wachsam sein und die einzelnen Teile miteinander verknüpfen.

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Veröffentlicht am 29.09.2021

Die Reise der kleinen Astronautin Maximilia

Wenn die Faust des Universums zuschlägt
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Dieses Buch zu rezensieren fällt mir nicht leicht. Ich kann diese Zeilen erst mit ein paar Tagen Abstand schreiben, nachdem ich das Buch beendet habe. Eine rein objektive Bewertung ist bei dieser Thematik ...

Dieses Buch zu rezensieren fällt mir nicht leicht. Ich kann diese Zeilen erst mit ein paar Tagen Abstand schreiben, nachdem ich das Buch beendet habe. Eine rein objektive Bewertung ist bei dieser Thematik unmöglich.

Dr. Johannes Wimmer beschreibt in diesem Buch den Weg seiner Tochter Maximilia durch ihr kurzes Leben. Seine Frau Clara und er bemerken schnell, dass mit ihrer Tochter gesundheitlich etwas nicht stimmt. Sie erbricht ständig, aber kein Arzt hat eine Antwort auf dieses Symptom. Immer wieder bekommen die beiden die gleiche Antwort: "Das Kind hat nichts."

Als dann schließlich doch eine Diagnose gestellt wird, bricht für die Eltern eine Welt zusammen. Ein bösartiger Hirntumor. Trotz all der Hoffnung, die immer wieder durch die Zeilen des Buches schimmert, ist schnell die Gewissheit da, dass Maximilas Erkrankung unheilbar ist. Der Weg den die Eltern dann gehen müssen ist so emotional und intensiv beschrieben, dass ich das Buch immer mal wieder zur Seite legen musste, weil mir die Tränen kamen.

Ein Kind zu verlieren ist das schlimmste was Eltern widerfahren kann.

Dr. Wimmer schildert diese Zeit, die ihm und seiner Frau mit ihrer Tochter bleibt, beinahe wie ein Selbstgespräch. So bekommt man einen tiefen Einblick in seine Gefühlswelt und Gedanken.

Mit dem Thema 'Tod des eigenen Kindes' geht Dr. Wimmer sehr offen um. Er und seine Frau entscheiden bewusst wie sie den Abschied von Maximilia gestalten wollen.

Dr. Wimmer hat sich meinen tiefsten Respekt verdient. Ich bin sicher, dass dieses Buch Betroffenen und Angehörigen Trost spenden kann. Und wenn es nur darum geht zu wissen, dass man nicht alleine ist.

Besonders beeindruckt hat mich das Zitat: "Das Leben mag uns Schicksalsschläge zuteilen, aber es bestimmt nicht, wie wir damit umgehen." (Seite 190)

Es ist "schön traurig" und eine klare Leseempfehlung. Taschentücher bereit halten.

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