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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.06.2018

Viel zu kurz

Die Tote im Pelzmantel
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Die zweite Graphic Novel, die ich von Fred Vargas und Edmond Baudoin bestaunen durfte. Sie war genauso künstlerisch wertvoll und sprachlich wiedererkennbar wie die letzte und trotzdem eine Enttäuschung. ...

Die zweite Graphic Novel, die ich von Fred Vargas und Edmond Baudoin bestaunen durfte. Sie war genauso künstlerisch wertvoll und sprachlich wiedererkennbar wie die letzte und trotzdem eine Enttäuschung. Auf 100 Seiten habe ich mich gefreut, vergliechen mit „Im Zeichen des Widders“ und seinen 300 Seiten bereits wenig, aber als die „Geschichte“ dann nur 50 Seiten des Buches fasste war ich doch etwas verwirrt. Inhaltlich fühlte es sich nicht wie ein Fred Vargas Fall an, sondern wie eine kurze Anekdote um mal so reinzuschnuppern. Figurentechnisch kommt nur Adamsberg annährend zur Geltung, andere bekannte Charaktere kommen gar nicht erst zu Wort.
Die anderen 50 Seiten geben Baudoins gestalterischen Weg hin zu besagten Graphic Novels von Fred Vargas wieder und stellen die Autorin, den Zeichner und die Gattung Graphic Novel umfassend vor. Das ist eine schöne Idee, allerdings sollte man diese Gewichtung des Buches dann im besten Fall auch so kennzeichnen, damit es niemandem wie mir ergeht, und er sich auf einen fesselnden Vargas freut um dann Lehrtexte vor sich zu haben.
Die Gestaltung ist großartig und ganz eigen. Sie ist eben so eigen wie Vargas Schreibstil und fügt sich daher gut ins Gesamtwerk ein. Alles wirkt auf den ersten Blick ein wenig schroff und abweisend. Ähnlich wie die Buchanfänge in ihren Krimis.
Fazit: Ich wünsche mir mehr Adamsberg-Graphic Novels, mehr Seiten und richtige Fälle aber nicht diese kurze Idee, mit Texten, die zwar schön waren, aber die ich so oder so ähnlich auch auf Wikipedia nachlesen könnte.

Veröffentlicht am 22.05.2018

Hautnah!

Wir sind dann wohl die Angehörigen
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Das geht unter die Haut.
Dieses Buch erzählt nicht nur irgendeine fiktive Geschichte, es erzählt vom einschneidensten Erlebnis, das die Reemtsma-Familie 1996 durchleben musste. Johann Scheerer, der Sohn ...

Das geht unter die Haut.
Dieses Buch erzählt nicht nur irgendeine fiktive Geschichte, es erzählt vom einschneidensten Erlebnis, das die Reemtsma-Familie 1996 durchleben musste. Johann Scheerer, der Sohn vom Entführungsopfer Jan Philipp Reemtsma, gibt seine ganz private und dreizehnjährige Sicht auf die Entführung preis. Schonungslos und ohne Auslassungen durchleben wir beim Lesen was sein Leben so sehr geprägt hat, dass er es sich erst von der Seele schreiben musste.
Seit ich von der Existenz dieses Buches erfahren habe, wollte ich es lesen, durch einen glücklichen Umstand fiel es mir schneller als gedacht in die Hände und was soll ich sagen: Ich ziehe meinen Hut vor Scheerer. Keine Frage das literarische Feingefühl liegt in der Familie.
Ich selbst bin zu jung und habe die mediale Verarbeitung dieses Vorfalls nicht miterlebt, konnte das Buch also völlig unbefangen und ohne Vorkenntnisse lesen. Die Erzählstimme ist von Anfang an stark und stimmungsvoll ohne dabei zu sehr erwachsen oder durchdacht zu klingen. Wir lauschen der Stimme eines Teenagers, der auch seine Vorliebe zu Gitarren, die ihm ein Trostpflaster werden, nicht auslässt, weil es möglicherweise besser klingt. Der grausame Alltag während der Entführung und die schmerzliche Ungewissheit, die sich während der 33 Tage der Reemtsma-Entführung durch sein Zuhause ziehen, finden sich auf den Buchseiten wieder. Da kommt man beim Lesen selbst ins Grübeln und stellt sich die gleichen Fragen, der gleichen Angst, um im nächsten Moment erleichtert aufzuatmen und das eigene Leben einmal mehr zu schätzen wie es ist.
Scheerer heischt nicht nach Mitleid oder großen Gefühlen mit seiner Art zu Schreiben und trotzdem ist das Buch weder langeilig noch trostlos. Wir verfolgen gebannt das Geschehen an seiner Seite und merken wie sich das Blatt wendet. Er beobachtet die kleinen Details, die sich verändern und wie die Nerven der Beteiligten mehr und mehr unter dem Druck leiden.
An Intimität und Details gewinnt das Buch durch die Briefe des Vaters und die Botschaften der Erpresser, die privateste Einblicke in diese schmerzvolle psychische Farce gewähren und die Entführung illustrieren.
Psychologisch gesehen sehr wertvoll und interessant zu verfolgen, gerade wenn Interesse am Thema Entführungen besteht.
Vor dem Lesen dachte ich 230 Seiten wären eventuell zu kurz um diese Wahrheit darzustellen, aber im Nachhinein erscheint mir diese Länge gut gewählt. Die Handlung kommt nicht dazu auszuufern und trotzdem verschafft sie einen umfassenden Überblick. Gelungene Gratwanderung zwischen zu ausführlich und vollständig.
Das einzige was ich mir noch gewünscht hätte, wäre eine Art Fazit oder ein paar abschließende Worte gewesen, da diese Reise in Scheerers Seelenwelt den Leser mit vielen Gedanken und Fragen zurücklässt, was die Zukunft angeht. Ich versteh aber auch, dass es dem Autor hier nicht darum ging alles aufzuklären. Seinen Interviews entnehme ich, dass er sich die ganze Sache von der Seele schreiben wollte und das ist ihm gelungen.
Ein Buch, das einen so schnell nicht mehr loslässt und einen neuen Blick auf Entführungen öffnet, den Leidensweg der Angehörigen, die mit der Ungewissheit leben müssen in völliger Ohnmacht.

Veröffentlicht am 18.05.2018

Wenn man Kreativität kaufen könnte, dann würde sie so aussehen

Mein Buch
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Hier mal etwas ganz anderes, was ich unbedingt ausprobieren musste.
Der ein oder andere weiß es bestimmt, aber ich erzähle es lieber nochmal. Schon früh habe ich nicht nur meine Liebe zum Lesen entdeckt, ...

Hier mal etwas ganz anderes, was ich unbedingt ausprobieren musste.
Der ein oder andere weiß es bestimmt, aber ich erzähle es lieber nochmal. Schon früh habe ich nicht nur meine Liebe zum Lesen entdeckt, sondern auch die zum Geschichten ausdenken und dem Schreiben. Früher habe ich oft an Schreibwettbewerben teilgenommen und durfte hilfreiche Schreibworkshops durchlaufen. Umso größer war meine Freude als ich dieses Projekt entdeckte. „Mein Buch“ bietet Fragestellungen und Ideen um das Kreative Schreiben in schaffbaren Portionen zu trainieren.
Die rein ästhetische Aufmachung ist ansprechend, besonders durch das satte Blau (meine Lieblingsfarbe) und die Schlichtheit der Gestaltung. Plus ein praktisches Leseband und einen Gummi, der dafür sorgt, dass auch zusätzliche Zettel ein sicheres Zuhause finden.
Im Buch finden sich 100 verschiedene Ideen worüber man Schreiben könnte. Aus eigener Erfahrung: da ist für jeden was dabei und zahlreiche verrückte Sachen, auf die man aus dem Alltag heraus gar nicht kommt. Beispiele für solche gedanklichen Anregungen sind:
- Erkläre einem Außerirdischen was Liebe ist
- Schreibe ein Plädoyer gegen Sport
- Ein vernachlässigtes Cello erzählt.
Je nach Frage gibt es 1-3 Seiten Raum für schriftliche Ergüsse, was in den meisten Fällen völlig ausreichend war. Die Fragen sind abwechslungsreich und passen zeitlich gut in den Alltag.
Und weil mit Illustrationen alles besser ist, als ohne, gibt es einen Pluspunkt. Zu jeder zweiten Fragestellung gibt es mit groben Linien skizzierte Bilder, die Platz für eigene Interpretationen lassen und zusätzlich gute Laune machen.
Ich bin gerade mal bei der Hälfte und habe noch einige kreative Stunden vor mir. (: Fazit: großartige Ideen und ein Buch, das die Welt so noch nicht gesehen hat, daher schnappt es euch und euren Lieben und tut eurer kreativen Ader etwas Gutes. PS: Klappt auch super zu zweit :P

Veröffentlicht am 18.05.2018

Ohne Männer geht das?

Das Haus ohne Männer
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5 Bewohnerinnen und ein Haus in Paris, das Besondere? Die Königin regiert nach einer Regel: keine Männer in ihrer Residenz.

Mit dem reinkommen in diese Geschichte habe ich mich anfangs schwer getan, beim ...

5 Bewohnerinnen und ein Haus in Paris, das Besondere? Die Königin regiert nach einer Regel: keine Männer in ihrer Residenz.

Mit dem reinkommen in diese Geschichte habe ich mich anfangs schwer getan, beim dritten Leseversuch hat es dann aber doch noch geklappt.

Zu Beginn, die Umschlaggestaltung hat mir sehr zugesagt, besonders die „Einleitung“ im inneren des Umschlags.

Der Schreibstil der Autorin ist speziell, bemerkbar hat sich das bei den Dialogen im Buch gemacht, denen ich manchmal nur schwer folgen konnte. Es dauert bis die Protagonisten im Kopf präsent sind und man der Hauptfigur Juliette folgen kann. Immer wieder haben wir als Leser in Form von kursiv Gedrucktem teil an ihren Gedanken. Allerdings bringt diese zusätzliche Dialogform gelegentlich die Handlung ins Stocken und den Kopf in Verwirrung.

Positiv aufgefallen sind die Charaktere durch ihre deutlichen Unterschiede und vielschichtigen Biographien.

Ab etwa der Mitte des Buches hat mich das Buch dann auch gepackt, wenn man langsam alle Charaktere genauer kennt. Im Verlauf war ich der Autorin sehr dankbar, dass das Buch nicht zu schnell ins kitschige abzweigt und dann mit einem traurig schönen Ende aufwartet.

Die Idee ohne Männer zu leben hat Lambert interessant interpretiert und es steckt viel mehr dahinter als verbitterte Frauen. Nur die Umsetzung im Schreiben konnte mich nicht hundertprozentig überzeugen, da hätten mir eventuell ein paar Seiten mehr geholfen.

Veröffentlicht am 18.05.2018

Jetzt möchte ich Kinder

Schlaflose Nächte und Küsse zum Frühstück
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Überrascht mit angenehmen Tiefgang.

Matteo ist mit Paola zusammen. Und die beiden arbeiten beide an der Entstehung von Comics. Aber damit nicht genug Matteo ist auch Vater. Nicht nur einfach-Vater, nein ...

Überrascht mit angenehmen Tiefgang.

Matteo ist mit Paola zusammen. Und die beiden arbeiten beide an der Entstehung von Comics. Aber damit nicht genug Matteo ist auch Vater. Nicht nur einfach-Vater, nein zweifach- und seit Melania sogar dreifach-Vater.

Von diesem Buch habe ich mir leichte Unterhaltung versprochen, meine Erwartungen waren nicht besonders hoch und dann habe ich angefangen zu Lesen...
Nicht umsonst ein Bestseller in Italien!

Das Buch ist in 4 Teile unterteilt, die jeweils mit einer Jahreszeit betitelt sind. Die Geschichten und Ausschnitte an sich sind selten länger als drei Seiten, mal braucht es nur einen kurzen Absatz von einer halben Seite. Diese Kürze lässt einen mit Leichtigkeit durch die Sätze fliegen. Der Autor schafft es erstaunlich gut selbst in die kürzeste Wortaneinanderreihung kleine und große Botschaften einzuflechten. Mal über Alltagsrassismus beim Kinderarzt, die liebe Nachbarschaft oder darüber, dass Kinder die Wahrheit näherbringen können.
Bussola zelebriert förmlich die positive Lebensweise ohne dabei unecht, fehlerfrei oder zu perfekt zu erscheinen. Er wurde mir beim Schmökern viel mehr zu einem lustigen Freund, der einem manchmal das eigene Umdenken ermöglicht.

Der Schreibstil kommt ohne Besonderheiten aus. Die finden sich eher hinter den Worten, wenn die zeitdeckenden Frühstücksdialoge aus der Sicht von Bussola sich mit Schwung verabschieden.

Die Familie wächst ans Herz, weil sie so alltäglich ist und weil wir ganz nah dran sind. Kompromisslos, da kann es schon mal passieren, dass der Papa nicht vermisst wird, ja sogar mit besten Grüßen in die weite Welt geschickt wird, weil er gerade nicht gebraucht wird.

Im Ende hat Matteo Bussola bei mir das Bewusstsein für den Alltag und seine kleinen Wunder, komische Gespräche und was sonst noch so alles passiert, neu angeknipst. „Jeder kann Spaß an seinem Alltag und damit seinem täglichen Leben haben, wenn er nur nah genug ran zoomt“, das ist meine Quintessenz.

Empfehle ich jedem der noch nicht wusste, dass er gegen alle Vernunft eigene Kinder braucht (meine Wenigkeit), jedem Miesepeter, oder denjenigen, die das Wetter dazu macht (ich) und sonst allen, die echte gute Laune gebrauchen können. (: