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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.01.2023

Ein interessanter philosophischer Ansatz, zusammen mit schönen Beschreibungen der Natur, der im Verlauf immer unklarer wird und an Substanz verliert

Philosophie der Wildnis oder Die Kunst, vom Weg abzukommen
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Baptiste Morizot nimmt einen auf seine Streifzüge in die Natur mit. Er lädt dazu ein, in die Perspektive wilder Tiere hineinzuschauen und dem Wald gegenüber sensibler zu werden. Dabei offenbart er seine ...

Baptiste Morizot nimmt einen auf seine Streifzüge in die Natur mit. Er lädt dazu ein, in die Perspektive wilder Tiere hineinzuschauen und dem Wald gegenüber sensibler zu werden. Dabei offenbart er seine persönlichen Gedanken und Erkenntnisse, die er während seiner Reisen gesammelt hat.

Der Klappentext klang sehr spannend, vor allem, da er verspricht, neue Erkenntnisse zu vermitteln. Die ersten Abschnitte im Buch schafften es, mich zu begeistern. Morizot geht darin spezifisch auf den Wolf ein und wie er im Verhältnis zum Menschen steht. Der Autor philosophiert darüber, wie Menschen auf einen Wolf wirken könnten und wie sehr wir uns wirklich von diesem Tier unterscheiden. Es wird auf konkrete Verhaltensweisen dieses Tiers eingegangen, ihre Wirkungen werden erklärt, sodass die Morizots Gedankengänge nachvollziehbar sind. Zudem findet man neue Wortschöpfungen des Autors, wie beispielsweise «sich einwalden».

Und dann, nach etwa vierzig Seiten wird es sehr abstrakt. Zudem das Spurenlesen eine immer wichtigere Rolle im Fortlauf des Buches einzunehmen scheint und der Autor es nicht schafft, die Thematik so zu vermitteln, dass sie für jemanden, der keine Ahnung davon hat, auch nur ansatzweise interessant scheint. Im Gegensatz zum Anfang, wo eine schöne und ausdrückliche Metapher nach der anderen die Buchseiten schmückt, wirken sie später aus der Luft gegriffen. Auch die Beschreibungen der Natur sind sehr gelungen.

Die Ansätze vom Anfang gehen vergessen und wir befinden uns nur noch auf der Suche nach neuen Spuren, was sich mit der Zeit sehr zieht und auch langweilig wird. Ich vermute, der Autor baut damit seine These, die er im Verlauf des Textes mehrere Male gross ankündigt, nur damit ich als Leserin am Schluss sehr enttäuscht sein durfte.

Ich verstehe, was er mit dem Spurenlesen bezwecken will: Man sollte sich wirklich in die Tiere hineinversetzen, anhand der Spuren «wieder nach Hause zu finden» und im Einklang mit der Natur leben. Leider konnte es mich einfach nicht abholen und ich musste mich durch das dünne Buch durchkämpfen.

Trotz des starken Anfangs konnte mich die Erkenntnis am Schluss nicht überzeugen, da sie sehr abgehackt geschildert wird und herbeigezogen wirkt.

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Veröffentlicht am 21.01.2023

Die drängendsten Fragen unserer Zeit, die anhand vieler Wiederholungen, belehrenden Erkenntnissen und vereinzelt guten Ansätzen diskutiert werden

21 Lektionen für das 21. Jahrhundert
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Yuval Noah Harari blickt auf die Gegenwart und stellt sich den drängendsten Fragen unserer Zeit: Kann die Demokratie bestehen bleiben? Werden wir von künstlicher Intelligenz unterworfen? Was für eine Rolle ...

Yuval Noah Harari blickt auf die Gegenwart und stellt sich den drängendsten Fragen unserer Zeit: Kann die Demokratie bestehen bleiben? Werden wir von künstlicher Intelligenz unterworfen? Was für eine Rolle spielt Religion in der jetzigen Zeit? Neben all dem Druck und all den kleinen Details, die uns beschäftigen, verlieren wir die Klarheit aus den Augen. Dieses Buch dient dazu, sich mit dem Hier und Jetzt zu beschäftigen; zu erfahren, welche Entscheidungen getroffen werden müssen, um in eine zuversichtliche Zukunft blicken zu können.

In den meisten Fällen, wenn ich solche Bücher von «grossen Denkern unserer Zeit» lese, werde ich enttäuscht, da nichts Neues bei der Lektüre herausspringt. Hier jedoch gibt es einige Ansätze, über die ich noch nie in dieser Art und Weise nachgedacht habe. Als Mensch ist man nun mal in seiner eigenen Sicht auf die Welt gefangen, und diese Sicht lässt sich auch nur selten verschieben. Aber wenn vereinzelte (!) Thesen so präzise und gut begründet werden, wie es Harari hier macht, dann lässt sich das ein oder andere Weltbild wohl verschieben.

Auch wenn ich viel aus dem Buch mitnehmen kann, sollte ich doch in Betracht ziehen, was meine anfängliche Erwartung davon war. «21 Lektionen», «Hier und Jetzt», «drängendste Fragen unserer Zeit» …

Es ist im vornerein klar, dass sich bei so einem Buch Themen überlappen werden, was an sich eigentlich gut ist, da sich offensichtlich eine gewisse Logik dahinter verbirgt und von Widerspruchsfreiheit zeugt. Trotzdem war ich nicht begeistert, als ich feststellte, dass sich ca. ein Drittel des Buches mit künstlicher Intelligenz befasste. Und irgendwie kommt der Autor immer wieder zum gleichen Fazit, obwohl es sich um unterschiedliche «Lektionen» handelt … Ich glaube, es wäre für alle angenehmer gewesen, einen anderen Titel zu finden. Dann hätte man einzelne Punkte nicht unnötig strecken müssen und als Leser:in wäre man nicht enttäuscht darüber gewesen, dass man bei sechs unterschiedlichen Kapiteln auf dieselbe Schlussfolgerung kommt, dass der Mensch einer künstlichen Intelligenz immer überlegen sein wird, da der Mensch sie ja erschafft, aber Achtung vor Algorithmen!

Inwiefern sich die Überlegungen auf das Hier und Jetzt beziehen, ist mir ebenfalls nicht ganz klar. Natürlich lässt sich kein solches Buch schreiben, ohne in die Zukunft zu projizieren oder Erkenntnisse aus der Vergangenheit heranzuziehen. Aber unter den «drängendsten Fragen unserer Zeit» verstehe ich keine Antworten die im Stil «Wenn x, dann y» aufgebaut sind, sondern Beobachtungen, die ich jederzeit nachempfinden könnte – und das nicht erst in 100 Jahren. Ich möchte damit nicht sagen, dass nur über die Zukunft geschrieben wurde, aber der Text erfüllt einfach nicht das, was der Klappentext wirbt.

Gegen Schluss gibt es dann viele Wiederholungen, die auch schon vorher mehrere Male erwähnt werden. Und auch der Inhalt, der gegen das Ende präsentiert wird, gefiel mir nicht. Meditation spielt im Leben des Autors offensichtlich eine grosse Rolle, aber diese 21. Lektion (und damit letzte) im Buch macht die «20» vorherigen Lektionen einfach so zunichte. Wieso habe ich 450 Seiten gelesen, nur um mir am Schluss sagen zu lassen, dass es genügt zu meditieren? Ich sage nicht, dass es nicht stimmen könnte, aber es macht einfach keinen Sinn, das als Fazit für dieses Buch zu nehmen. (Von irgendwoher musste man diese 21 verschiedenen Lektionen ja holen …)

Zudem sich gegen Ende ebenfalls ein belehrender Ton in die Zeilen schleicht, der auch zuvor aufgeblitzt war, sich aber vor allem am Schluss zeigt. Als wäre die Erkenntnis, dass Meditation helfen kann etwas komplett Neues. Ich verstehe, worauf Harari anspielt, nämlich, dass die Individualität eines einzelnen Menschen wichtiger ist, als von Religion oder Nationalismus blind geleitet zu werden. Nur ist mir nicht ganz klar, wieso man der Quintessenz dann lediglich 20 Seiten widmet und den Rest des Buches damit verbringt, über die Menschheit als Kollektiv zu schreiben.

Fazit
Obwohl ich auf viele neue Ansätze in diesem Buch gestossen bin, die mich zum Nachdenken anregen, konnte mich der grösste Teil des Buches nicht begeistern. Es gibt sehr viele Wiederholungen, da die Lektionen sich oft überschneiden. Der Schluss wirkt eher belehrend als erzählend und macht den gesamten Aufbau des Buches durch die Erkenntnis zunichte. Es wäre ein interessantes Konzept mit den 21 Lektionen gewesen, wenn man sich auch tatsächlich daran gehalten hätte.

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Veröffentlicht am 21.01.2023

Eine wahre Geschichte, die Schiller mit Fiktion begründet: Ein interessanter psychologischer Einblick mit dem Ziel für mehr Objektivität in der Berichterstattung

Der Verbrecher aus verlorener Ehre. Studienausgabe
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Die wahre Geschichte des Mörders Friedrich Schwan. Der Text versucht ein philosophisches Problem zu bekunden, wobei Friedrich Schwan als historisches Vorbild für die Figur des Christian Wolf dient, also ...

Die wahre Geschichte des Mörders Friedrich Schwan. Der Text versucht ein philosophisches Problem zu bekunden, wobei Friedrich Schwan als historisches Vorbild für die Figur des Christian Wolf dient, also liegt der Geschichte sicherlich eine bekannte und wahrhaftige Struktur zugrunde.

Es ist interessant, wie Schiller faktuale Tatsachen mit Fiktion begründen möchte – wie beispielsweise mit den geschilderten Gedankengängen von Wolf, die wir als Leser:innen nah miterleben. Nicht nur vertritt Schiller damit den Punkt, dass bei einer Tat ebenfalls der Kontext und die darin entstandenen Beweggründe des Täters in Betracht gezogen werden. Die moralische Überheblichkeit wird hier von Schiller kritisiert und er macht deutlich, dass mehr Objektivität im Rechtssystem herrschen sollte.

In der Erzählung selbst thematisiert der Autor zusätzlich noch, wie eine Erzählung geschrieben sein sollte, was er dann natürlich auch umsetzt. Dazu zählt, dass man als Leser:in versteht, weshalb die Protagonisten in dieser bestimmten Art und Weise handeln; wir müssen also die Hintergründe von ihnen kennen.

Auch finde ich, dass das Buch sehr angenehm zu lesen ist und es – obwohl es wirklich schon älter ist – immer noch erfolgreich zum Denken anregt.

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Veröffentlicht am 13.01.2023

Die Chance richtig zu liegen ist fifty-fifty – eine raffinierte Erzählung von einer Mörderin, die jeden Schritt erahnt; nervenaufreibend bis zum Schluss

Fifty-Fifty
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Frank Avellino wird auf brutale Weise ermordet. Nicht nur war er Bürgermeister, sondern hatte auch ein Millionenerbe, was seinen beiden Töchtern ein Motiv für seinen Mord gibt. Alexandra und Sofia beschuldigen ...

Frank Avellino wird auf brutale Weise ermordet. Nicht nur war er Bürgermeister, sondern hatte auch ein Millionenerbe, was seinen beiden Töchtern ein Motiv für seinen Mord gibt. Alexandra und Sofia beschuldigen sich gegenseitig und enden vor Gericht. Eddie Flynn, der Sofia vertritt, möchte um jeden Preis die Wahrheit ans Licht bringen, aber kann er sich wirklich sicher sein, dass er die unschuldige Schwester vertritt?

Nachdem »Thirteen« zu meinem Lieblingsthriller wurde, konnte ich es kaum erwarten, einen neuen Fall von Eddie Flynn zu lesen!

Der Aufbau der Geschichte ist genial: Wenn man aus Eddies oder Kates (die Anwältin, die Alexandra vertritt) liest, weiss man, mit welcher Schwester man es gerade zu tun hat. Wenn die Kapitel jedoch aus der Sicht der Mörderin geschrieben sind, fallen keine Namen, nur lauter Hinweise, die einen als Leser:in auf die falsche Fährte führen.

Dass mich Eddies Sicht interessieren würde, stand ausser Frage. Auch aus der Sicht der Mörderin lesen zu können und zu sehen, wie sie immer einen Schritt voraus ist, heizt die Geschichte ordentlich auf. Nur war ich mir nicht sicher, ob ich mit Kate warm werden würde, aber auch hier hat Cavanagh es geschafft, einen interessanten Charakter zu entwickeln, der nicht nur oberflächlich dem Plot dient, sondern ein eigenständiger Mensch ist, den ich mir vorstellen kann. Mit einem komplexen Bündel an Eigenschaften, genauso wie alle anderen Figuren im Buch.

Der Schreibstil ist bedacht und präzise, wie es sich für einen Thriller gehört. Manchmal wird die Stimmung durch einen lustigen Gedanken von Eddie aufgelockert, was sehr amüsant ist.

Das Ende ist nicht vorhersehbar, obwohl … man hat eine fifty-fifty Chance richtig zu liegen, oder? Aber man ist sich bis zum Schluss nicht sicher, welche Schwester ihren eigenen Vater so kaltblütig ermordet hat. Aus der Sicht der Mörderin zu lesen ist fesselnd und gleichzeitig abscheulich, weil ich nicht verstehen konnte, wie jemand so brutal Leute umbringen kann. Manche Szenen sind sehr präzise geschildert, und es hat mich nicht nur einmal geschüttelt.

Die Szenen vor Gericht haben mir sehr gefallen, auch wenn ich mir gewünscht hätte, noch ein bisschen mehr und detaillierter darüber zu erfahren. Denn ich finde, dass sich die erste Hälfe ein ganz kleines bisschen gezogen hat. Man hätte schneller zum Gerichtsverfahren kommen können und die Vorbereitungen dazu weniger ausführlich schildern.

Trotzdem ist «Fifty-Fifty» ein Thriller, der mit Spannung vollgepackt ist und einen nicht in Ruhe lässt, bis man die letzte Seite umgeblättert hat. Dennoch muss ich zugeben, dass ich «Thirteen» nervenaufreibender fand.

Fazit
Die Spannung zog sich konstant durchs Buch hindurch und stieg gegen das Finale an. Durch die Perspektivenwechsel kam zum Teil sogar noch mehr Nervenkitzel auf. Auch die Charaktere wie Kate und die beiden Schwestern (Eddie sowieso), konnten mich überzeugen, da sie glaubwürdig und komplex sind. Ein rundum grossartiger Thriller!

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Veröffentlicht am 13.01.2023

Überspitzte Charaktere, die sich leider nicht ernsthaft mit dem wichtigen Thema auseinandersetzen und eine fragwürdige Message vermitteln

The Way I Break
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Victoria, die erfolgreiche junge Starköchin flüchtet aus London – und von ihrem manipulativen Freund. Sie reist an den Ort, für den ihre Mutter sie damals verlassen hatte, um im Prisma zu arbeiten. Als ...

Victoria, die erfolgreiche junge Starköchin flüchtet aus London – und von ihrem manipulativen Freund. Sie reist an den Ort, für den ihre Mutter sie damals verlassen hatte, um im Prisma zu arbeiten. Als sie am Abend einem Fremden ihre Probleme offenbart, weiss sie noch nicht, dass es seine Familie ist, die mittlerweile die Restaurantinhaber des Prismas sind, in dem sie einen Job als Kellnerin ergattert hat.

Nena Tramountani konnte mich mit der SoHo-Reihe überzeugen. Deshalb musste ich ihre neue Reihe ebenfalls lesen.

Die Geschichte beginnt mittendrin: Victoria, kurz Tori, möchte nur noch weg, entreisst sich ihrem bisherigen Leben und ihrem langjährigen Freund. Tatsächlich mag ich Tori, da sie sehr klar über ihre Entscheidungen reflektieren kann; sie scheint sich selbst gut zu kennen. Mit Julian hingegen habe ich so meine Probleme, was aber an der ganzen Konstruktion der Geschichte liegt.

Um eine Geschichte zu erzählen, muss ein Plot vorliegen. Und damit ein Plot vorliegt, muss es Personen geben, die diesen voranbringen. Wie so oft bei Romanen, habe ich das Gefühl, dass die Personen einfach dem Konstrukt angepasst wurden, deshalb wirken sie auch so überspitzt. Der manipulative Ex-Freund, die egoistische Mutter, der erbärmliche Vater, die selbstbewusste Darcy, der selbstlose Julian. Diese Beschreibungen sind korrekt – und das ist das Problem. Welchen Menschen kann man mit einem einzigen Wort beschreiben, mit dem Gefühl, damit sein ganzes Wesen zu erfassen?

Diese einzelnen Eigenschaften werden auch immer besonders stark hervorgehoben. Ich weiss gar nicht, wie oft Julian sich selbst als jemanden mit einem Helfersyndrom bezeichnet. Mir hat ganz einfach die Komplexität der Charaktere gefehlt.

Mit dem Schreibstil kann die Autorin nichtsdestotrotz punkten. Es gibt schöne Umschreibungen, die Atmosphäre wird ausreichend erfasst und man fühlt sich den Charakteren sehr nah.

!ACHTUNG SPOILER!

Das Buch beinhaltet viele wichtige Themen, eines davon ist emotionaler Missbrauch. Schon auf den ersten paar Seiten wird klar, dass Tori von ihrem Freund emotional missbraucht wurde. Aus diesem Trauma entwickelt sich bei ihr ein Drang, dass ab jetzt nur sie Kontrolle über ihr Leben haben darf. Dieses Resultat ist absolut nachvollziehbar.

Was mich dann schockiert hat, ist, dass sie Julian emotional missbraucht. Tori entscheidet über jeden Schritt, jeden Kuss, jede Berührung in ihrer Beziehung. Zwar sagt Julian aus Liebe zu ihr immer ja, aber das hat Tori in ihrer vorherigen Beziehung auch getan, oder? S. 414 – hier macht sie es sogar wissentlich. Eine Entschuldigung ihrerseits habe ich auch nie gelesen, also findet sie ihr Verhalten wohl gerechtfertigt. Ich finde die Message, die die Autorin hier vermitteln möchte, sehr fragwürdig. Man darf Leute ausnutzen, damit man sich nicht mit einem tiefen Trauma auseinandersetzen muss, sich für einen kurzen Moment besser fühlt und die Kontrolle über sein Leben behält, ohne darauf zu achten, wie diese Entscheidung die andere Person beeinflusst? Okay …

Ich habe darauf gewartet, dass irgendjemand in dem Buch realisiert, dass das, was zwischen Tori und Julian passiert, nicht in Ordnung ist! Ehrlich gesagt dachte ich, dass Tori selbst es realisiert und Reue für ihr Verhalten zeigt, denn dann hätte die Geschichte auch die richtige Message vermittelt. Aber es war leider nur Wunschdenken.

Darcy hat mir den Rest gegeben. Ihre Eltern geben Selbsthilfekurse/Selbstbewusstseinskurse – wenn ich mich richtig erinnere. Bestimmt hat sie sich über die Jahre viel Wissen von ihnen angeeignet und auch selbst ein Interesse an dem Thema. Aber als sie damit beginnt, Toris Verhalten als eine »Traumareaktion« zu bezeichnen und ein spezifisches Trauma diagnostiziert, war ich sprachlos. Ich sage nicht, dass sie damit falsch liegt, aber als Hobbypsychologin kann sie diese Diagnosen nicht mit solch einer Endgültigkeit feststellen – es sei denn ich habe die Passage überlesen, in der sie von ihrem fünfjährigen Psychologiestudium und der vierjährigen Ausbildung zur Psychotherapeutin erzählt. Ich hätte über diesen Aspekt noch hinwegsehen können, wenn zumindest einmal der ernsthafte Vorschlag für eine Therapie gefallen wäre. Nun ja …

Tori braucht keine Beziehung, in der sie alles kontrolliert, sie braucht eine Therapie, die über die Alltagspsychologie von Darcy hinausreicht. Und Julian auch. Ein Trauma erlebt zu haben, gibt einem nicht die Erlaubnis, wissentlich oder unwissentlich anderen zu schaden.

Fazit
Eine Geschichte mit einem wichtigen Thema, die leider konstruiert wirkt, keine komplexen Charaktere bietet und sich auch nicht wirklich bemüht, die Konsequenzen von emotionalem Missbrauch ernsthaft zu thematisieren.

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