Der Sieg des Guten
Die Einsteins und der geheimnisvolle TurmZack Einstein ist mit seinen Eltern und den älteren Geschwistern Ethan, Miriam und Ruth in ein neues Zuhause umgezogen. Die Familie hat ein grosses altes Haus gekauft, in dem sie einen Bed & Breakfast- ...
Zack Einstein ist mit seinen Eltern und den älteren Geschwistern Ethan, Miriam und Ruth in ein neues Zuhause umgezogen. Die Familie hat ein grosses altes Haus gekauft, in dem sie einen Bed & Breakfast- Betrieb einrichten möchten. Ehe es soweit ist, muss aber noch eine Menge renoviert und organisiert werden. Alle sind mit Feuereifer bei der Sache, nur Zack sitzt die meiste Zeit in seinem Zimmer im oberen Stock des Hauses, liest seine Lieblingsbücherreihe «Falken-und-Banditen» und hängt seinen Gedanken nach. Bald wird deutlich, warum die Einsteins sich den einsam gelegenen Küstenort Vista Point als neue Bleibe ausgesucht haben: Sie alle brauchen einen Neuanfang nach dem tragischen Unfalltod des jüngsten Kindes Susan, welche vor bald einem Jahr ums Leben gekommen ist. Da Zack sich die Schuld am Tod seiner geliebten kleinen Schwester gibt, zieht er sich immer mehr in sich zurück und sehnt sich nach den alten, unbeschwerten Zeiten. Als er eines Tages grübelnd am Fenster seines Zimmers steht, sieht er ein Mädchen aus dem nahen Wald kommen, welches seiner toten Schwester verblüffend ähnlichsieht. Sie geht zu dem geheimnisvollen Turm, der direkt an der Klippe und ebenfalls auf dem Gelände der Familie steht. Ihn zu betreten ist den Kindern jedoch streng verboten. Doch Zack kann nicht widerstehen und folgt dem unbekannten Mädchen. Tatsächlich findet er sie am Turm. Gemeinsam gehen die beiden hinein und entdecken im Innern eine überwältigende Fülle von Schönheiten und sonderbare Botschaften, deren Bedeutung sie nicht begreifen können. Gemeinsam versuchen die Kinder nun, hinter den Sinn der Schriftzeichen zu gelangen. Kurz darauf sehen Zack und seine Geschwister abends Signale, die jemand vom gegenüberliegenden Ufer mit der Taschenlampe sendet. Wem gelten sie? Und auch Ann selbst scheint ein Geheimnis zu umgeben, das Zack zunächst nicht ergründen kann…
Meine Meinung:
Wer bei diesem neuen Jugendbuch von Ben Guterson einen Roman im Stil von der wunderbaren «Winterhaus»-Trilogie erwartet, dem sei gesagt: In «Die Einsteins und der geheimnisvolle Turm» gibt es zwar auch wieder Rätsel zu knacken, aber davon abgesehen hat dieses Buch nach meinem Urteil wenig gemeinsam mit den Winterhaus-Bänden. Und gerade deswegen gefällt es mir so gut. Ich liebe «Winterhaus», aber «Die Einsteins…» geht direkt ins Herz. Es ist kein leichtes, heiteres, unbeschwertes Buch. Und doch zugleich so bewegend, herzerwärmend und tröstlich, dass ich sehr dankbar bin, dass ich es lesen durfte. Dieser Roman ist mein erstes Jahreshighlight und hat die Themen Tod, Verlust, Trauer, Trauerbewältigung, liebevolles Erinnern und Neuanfang zum Inhalt.
Diese anspruchsvollen Themen werden so geschickt in eine spannende Story eingewoben, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann und bis zum Ende miträtselt, mit wem man es bei der geheimnisvollen Ann wohl zu tun hat. Eines wird aber immer deutlicher, dass nämlich Zack und seine Familie nicht die einzigen sind, die einen geliebten Menschen verloren haben und sich nach ihm zurücksehnen. Einen zentralen Teil des Buchs bildet die Frage nach dem Umgang mit Schuld. Zack fühlt sich lange Zeit (grundlos) doppelt schuldig: am Tod seiner Schwester und hinsichtlich der Frage, was passiert, wenn er ohne sie weiterlebt und glücklich ist. Darf er das? Sieht es dann nicht so aus, als habe er sie vergessen? Darüber gerät er auch immer wieder in Auseinandersetzungen mit seinen Geschwistern, welche ihre je eigene Art der Trauerbewältigung haben. Wesentlich ist aber, dass alle zusammenhalten und niemand in seiner Trauer alleine bleiben soll. Sehr stark betont wird auch der Trost, den die Natur in ihrer Unberührtheit und Schönheit geben kann, etwa wenn die Kinder gemeinsam im See schwimmen oder die Wälder erkunden. Auch die jüdische Religion und ihre Riten am Sabbatabend lernen wir kennen. Am Ende ist es Ann, die Zack die entscheidenden Worte mit auf den Weg gibt: «Ich glaube nicht, dass irgendjemand wirklich jemals verloren sein kann, wenn ein anderer Mensch ihn liebt.»
Die Charaktere in dem Buch sind alle so individuell und liebenswert geschildert (auch die schwierigen), der Familienzusammenhalt und der Wille, einander respektvoll und wertschätzend zu begegnen so überzeugend und ohne jede Rührseligkeit dargestellt, dass die Lektüre wirklich ein Gewinn war.
Fazit: Ben Guterson beweist mit seinem neuen Roman einmal mehr, was für ein vielseitiger und sensibler Autor er ist. «Die Einsteins und der geheimnisvolle Turm» ist ein spannendes, emotionales und anspruchsvolles Buch mit einer tröstlichen Botschaft für nachdenkliche Kinder und Erwachsene.