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Veröffentlicht am 30.04.2023

Ein sehr beeindruckender Roman

Sibir
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MEINE MEINUNG
In ihrem neuen Roman „Sibir“ widmet sich die deutsche Autorin Sabrina Janesch einem wenig bekannten, vergessenen Kapitel deutsch-russischer Geschichte.
Hunderttausende deutschstämmige Zivilisten ...

MEINE MEINUNG
In ihrem neuen Roman „Sibir“ widmet sich die deutsche Autorin Sabrina Janesch einem wenig bekannten, vergessenen Kapitel deutsch-russischer Geschichte.
Hunderttausende deutschstämmige Zivilisten aus den Ostgebieten wurden 1945 nach Ende des 2. Weltkriegs von der Sowjetarmee in die kasachische Steppe nach Sibirien verschleppt. Viele von ihnen durften erst 1955 gemeinsam mit den Kriegsgefangenen aus den Gulags nach Deutschland heimkehren.
Zugleich spürt Janesch ihrer eigenen Familiengeschichte nach, denn das Schicksal der Deportation nach Sibirien ist auch ihrem Vater und seiner Familie widerfahren. Nach ihrer Heimkehr nach Deutschland blieben die Aussiedler in ihrem eigenen Land Fremde, gehörten nie wirklich dazu und wurden als „Russen“ ausgegrenzt.
So finden sich in ihrer sehr bewegenden, teilweise fiktiven Familiengeschichte, die sich über mehrere Generationen erstreckt, auch viele autobiografische Bezüge und aufschlussreiche Elemente ihres eigenen Erlebens.
Mitreißend und bildgewaltig erzählt Sabrina Janesch in ihrem vielschichtigen Roman die Geschichte zweier Kindheiten, einmal die des jungen Josef Ambacher in Zentralasien nach dem Zweiten Weltkrieg und zum anderen die seiner Tochter Leila, die viele Jahre später in den 90ger Jahren in Norddeutschland mit diesem „Anderssein“ aufwächst. Dabei verwebt sie diese beiden Erzählebenen virtuos miteinander, lässt die Geschichten ineinanderfließen und beleuchtet anschaulich ihre Parallelen.
Gekonnt stimmt uns Janesch in ihrer einfühlsam und eindringlich geschilderten Rahmenhandlung in die Ausgangslage ein, die mich mit ihrer Intensität rasch in ihren Bann gezogen hat.
Dem plötzlich vor sich hinsprechenden Vater der Protagonistin und Ich-Erzählerin Leila wird die Diagnose Demenz gestellt. Offenbar hat Josef mit den Stimmen der Vergangenheit von einem entlegenen Ort in der kasachischen Steppe zu kämpfen. Quälende Erinnerungen an bedrückende Geschehnisse und verdrängte Schuldgefühle brechen hervor, während andere Erinnerungen in einem zähen Nebel auf immer ins Vergessen zu entgleiten drohen. Leila beschließt, die alten Geschichten ihres Vaters aufzuschreiben und ihre Leerstellen zu rekonstruieren, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Zugleich versucht sie dieses wichtige „Erbe“ ihres Vaters an sie festzuhalten und dem Ganzen ihre eigene Stimme entgegen zu setzen.
Man spürt beim Lesen sehr deutlich die vielfältigen persönlichen Bezüge der Autorin zum Thema und Verbundenheit zu ihrer Familie.
Auf den meisterlich komponierten Erzählebenen gewährt uns Janesch Einblicke in ein bewegendes Familienschicksal, das auch die Nachfahren nachhaltig geprägt hat. Zugleich erzählt sie eindrücklich über Verdrängen, über Generationen weitergereichte Traumata, über die Suche nach Heimat und die Bedeutung des Miteinanderredens. Durch einen Wechsel der Handlungsstränge und den verschiedenen Schauplätzen wird der Spannungsbogen allmählich immer mehr gesteigert.
Hervorragend gelungen ist der Autorin auch die einfühlsame, vielschichtige Zeichnung ihrer faszinierenden Charaktere, die sehr authentisch und lebendig wirken.
Mich persönlich haben vor allem die Schilderungen des Überlebenskampfs in der unwirtlichen Steppe und des unvorstellbar harten Alltagslebens der verschleppten Zivilgefangenen in Kasachstan beeindruckt. Sehr gelungen sind auch die Einblicke in die nomadische Kultur und die beeindruckenden Schilderungen der Wildnis und der Naturgewalten.

FAZIT
Eine äußerst bewegende Familiengeschichte und ein faszinierender Roman über ein wenig bekanntes Kapitel deutsch-russischer Geschichte – grandios komponiert und eindrucksvoll erzählt!
Ein absolutes Lesehighlight!

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Veröffentlicht am 29.04.2023

Saisonales Kochbuch mit tollen Inspirationen

Homefarming: Das Kochbuch
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MEINE MEINUNG
Nach ihrem inspirierenden Bestseller „Homefarming – Selbstversorgung ohne grünen Daumen“ gibt es nun von der bekannten deutschen Nachrichten-Sprecherin und Talkshow-Moderatorin Judith Rakers ...

MEINE MEINUNG
Nach ihrem inspirierenden Bestseller „Homefarming – Selbstversorgung ohne grünen Daumen“ gibt es nun von der bekannten deutschen Nachrichten-Sprecherin und Talkshow-Moderatorin Judith Rakers ein neues, dazu passendes Buch mit dem Titel „Homefarming: das Kochbuch. Mit der eigenen Ernte durch das ganze Jahr“.
Seit ihrem Umzug aufs Land und ihrem erfüllten neuen Leben als Selbstversorgerin mit eigenem Gemüseanbau und Hühnerhaltung hat sich für Judith Rakers vieles verändert, so erfahren wir aus dem Vorwort.
Aus einem eher pragmatischen Bezug zum Essen mit Fertiggerichten, Tiefkühlkost und Konserven als ständigen Begleitern im stressigen Alltag hat sich bei ihr nach und nach eine richtige Leidenschaft fürs Kochen entwickelt.
Während sich das erste Buch an alle Neulinge ohne grünen Daumen und alle Interessierten ohne großes Selbstversorger-Knowhow richtete und mit anfängergerechten Tipps und unterhaltsamen Erfahrungsberichten vielen als Inspiration zum Homefarming diente, möchte die sympathische Autorin in ihrem neuen Buch die Themen Gemüseanbau und Kochen mit eigenen Lebensmitteln aus dem Selbstversorgergarten miteinander verbinden. Ein sehr vielversprechendes Konzept!
Heraus gekommen ist dabei also ein abwechslungsreiches Kochbuch, das uns durch das gesamte Garten-Jahr begleitet - mit einfachen, schnell umsetzbaren Rezeptideen zum frisch Kochen und Haltbarmachen des in den jeweiligen Monaten erntereifen Gemüses und Obstes. Zugleich ist es aber auch ein bisschen Gartenbuch, denn in jedem Monat gibt es passende Informationen und Tipps zu Aussaat, Anbau und Ernte von Obst und Gemüse aus dem eigenen, nachhaltigen Garten oder vom Balkon in übersichtlicher Kurzfassung. Sehr ausführlich sind die jedem Monat dem Rezeptteil vorangestellten Gartentipps allerdings nicht. Wer also mehr anfängergerechte Hinweise und ausführlicheres Praxiswissen braucht, der muss auf das informative Buch Homefarming zurückgreifen.
Insgesamt rund 100 Lieblingsrezepte mit jeweils saisonalem Bezug hat Rakers für uns zusammengestellt, darunter befinden sich auch einige ihrer Freunde und Familie. Die leckeren Gerichte von süß, über herzhaft bis deftig sind vor allem vegetarisch und für Anfänger leicht umsetzbar. Kochprofis dürften hier eher weniger fündig werden. Von Smoothies, Aufstrichen, Suppen und Salaten bis hin zu Pasta, Aufläufen, Desserts und leckeren Ideen für die Vorratshaltung - hier ist für jeden Geschmack etwas dabei.
Etwas schade finde ich allerdings, dass hier auch Gemüse wie beispielsweise Spargel und Blumenkohl/Brokkoli verwendet wird, das sicherlich nicht jeder Selbstversorger im Garten anbauen wird.
Die monatlichen Rezeptteile sind übersichtlich und abwechslungsreich gestaltet. Die Rezepte sind in der Regel für 2 Personen ausgelegt und haben eine übersichtliche Zutatenliste vorangestellt. Die durchnummerierten Zubereitungsbeschreibungen sind Schritt für Schritt aufgebaut, knapp aber verständlich beschrieben und setzen kaum Vorkenntnisse voraus. Angaben zu Zubereitungszeiten oder den Nährwerten pro Portion fehlen. Zu einigen Rezepten gibt es farblich hervorgehoben, weitere Anregungen oder Vorschläge für Abwandlungsmöglichkeiten. Leider gibt es nicht zu jedem Rezept ein schönes appetitanregendes Foto des zubereiteten Gerichts, was ich schon als großes Manko betrachte.
In vier toll aufbereiteten Jahreszeiten-Reportagen, hat sich Rakers pro Jahreszeit mit echten Profis getroffen, die ihren individuellen Beitrag mit interessanten Interviews zum Kennenlernen, gemeinsamen Kochen und sehr kreativen Homefarming-Gerichten beigesteuert haben. Mit von der Partie waren Sterne-Koch Ralf Haug in Binz, die Kräuterfachwirtin und Unkrautgourmet Marion Putensen aus der Lüneburger Heide, Zweisterne-Koch und TV-Star Alexander Herrmann in Nürnberg sowie Spitzenkoch Marianus von Hörsten auf seinem Demeter-Hof in der Lüneburger Heide. Diese eingeschobenen, sympathischen Portraits haben mir sehr gut gefallen, auch wenn einige Rezeptvorschläge zwar wundervoll anzusehen, aber schon sehr außergewöhnlich und eigentlich zu aufwendig in der Zubereitung sind. Ein absolutes Highlight war für mich das innovative Sommermenü von Marion Putensen, deren sehr fantasievolle und farbenfrohe Kreationen mit Wildgemüse ich gerne ausprobieren möchte!
Das Buch wurde insgesamt sehr ansprechend und liebevoll zusammengestellt. Die vielen stimmungsvollen Farbfotos und gelungenen Schnappschüsse mit schönen Impressionen von Rakers idyllischem Homefarmingparadies, die vor allem von dem genialen Fotografen Frank von Wieding sowie von Patrik Lipke aufgenommen wurden sind eine richtige Augenweide und illustrieren die gut verständlichen, flott und unterhaltsam verfassten Texte perfekt. Dank der tatkräftigen Unterstützung des Hamburger Foodstylisten Marcel Stut sind auch die Kochresultate stets optisch ansprechend präsentiert.

Mit ihrem inspirierenden Buch ist es Rakers erneut hervorragend gelungen, uns ihre Freude am Homefarming und Kochen mit Lebensmitteln aus eigenem Anbau zu vermitteln. Gerne lässt man sich beim Durchblättern inspirieren und möchte am liebsten selbst gleich loslegen. Auch die ansprechende optische Gestaltung des gebundenen Buchs mit farbigen Info-Kästen, übersichtlichen Tabellen sowie liebevollen Illustrationen ist sehr gelungen.
Abgerundet wird das Buch mit einem alphabetischen Register und einem Extra Gastrezepte-Register sowie einer kurzen Danksagung.

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Veröffentlicht am 28.04.2023

Grandiose Zeitreise in das Krisenjahr 1923

1923
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MEINE MEINUNG
Etliche Bücher widmen sich inzwischen dem legendären Weimarer Krisenjahr 1923, das zugleich für viele Deutsche ein Schicksalsjahr war, und in dem viele Weichen für die Zukunft gestellt wurden. ...

MEINE MEINUNG
Etliche Bücher widmen sich inzwischen dem legendären Weimarer Krisenjahr 1923, das zugleich für viele Deutsche ein Schicksalsjahr war, und in dem viele Weichen für die Zukunft gestellt wurden. Augenfällig und erschreckend sind viele Parallelen zur heutigen Zeit, so dass es sich lohnt, sich mit den damaligen Vorboten und unheilvollen Entwicklungen eingehender auseinander zu setzen.
In seinem unterhaltsamen und lehrreichen Sachbuch „1923. Endstation. Alles einsteigen!“ nimmt uns der deutsche Drehbuchautor, Historiker und Schriftsteller Peter Süß mit auf eine faszinierende Zeitreise tief hinein in das geschichtsträchtige Wendejahr 1923 und wirft interessante Schlaglichter auf die damaligen Ereignisse in Politik, Ökonomie, Gesellschaft und Kultur.
Süß versteht es hervorragend, die sorgsam recherchierten historischen Details sehr anschaulich, kurzweilig und humorvoll aufzubereiten und uns einen aufschlussreichen Einblick in dieses denkwürdige Jahr und die historischen Zusammenhänge zu vermitteln. Geschickt szenisch inszeniert können wir mühelos in die damalige verhängnisvolle wie außergewöhnliche Zeit eintauchen und die lebendig gewordenen Geschehnisse vor unserem inneren Auge Revue passieren lassen.
Im monatlichen Verlauf erzählt Peter Süß von turbulenten Ereignissen, Umsturzplänen und erstarkendem Nationalismus -der Ruhrbesetzung, Hyperinflation und dem Hitler-Putsch. An der Seite von exemplarisch ausgewählten, mehr oder weniger prominenten Deutschen (Bertolt Brecht, Kurt Tucholsky, Käthe Kollwitz, Franz Kafka und viele andere) erleben wir jene Zeit voller Kontraste und haben in aufschlussreichen Episoden Anteil an ihren sehr persönlichen Schicksalen, Sorgen und Nöten. Gekonnt führt uns Süß aus immer wieder neuen Perspektiven vor Augen, welche Folgen die Entwertung des Geldes, Arbeitslosigkeit und Verelendung der Bevölkerung mit sich bringen. Hautnah wir können die vielfältigen ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen miterleben und nachvollziehen, wie dicht damals Glanz und Elend beieinander lagen. Kaleidoskophaft fügen sich schließlich die unterschiedlichen Stimmungen, Begebenheiten jener Zeit und historischen Hintergründe zu einem facettenreichen Bild zusammen. Abgerundet wird diese fesselnde Zeitreise durch zahlreiche eingestreute Fotografien.

FAZIT
Eine lehrreiche und sehr unterhaltsame Geschichtsstunde über das unglaublich ereignisreiche Krisenjahr 1923 – hervorragend recherchiert, anschaulich inszeniert und mitreißend erzählt!
Eine grandiose und empfehlenswerte Zeitreise, für alle die ihr Allgemeinwissen auffrischen möchten!

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Veröffentlicht am 09.04.2023

Hochinteressanter autobiografischer Roman

Das glückliche Geheimnis
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MEINE MEINUNG
Bei dem neuen Roman „Das glückliche Geheimnis" des mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichneten österreichischen Schriftstellers Arno Geiger handelt es sich um ein autobiografisches Werk, ...

MEINE MEINUNG
Bei dem neuen Roman „Das glückliche Geheimnis" des mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichneten österreichischen Schriftstellers Arno Geiger handelt es sich um ein autobiografisches Werk, in dem er sehr persönliche, bemerkenswert ehrliche und höchst aufschlussreiche Einblicke in sein Leben gibt.
Hierin blickt er auf sein nunmehr 25jähriges, bewegtes Schriftstellerleben zurück und offenbart uns hierin ein Geheimnis, das er jahrzehntelang beinahe schamvoll geheim gehalten hat, obwohl es ihn anfangs als junger Autor quasi über Wasser gehalten, inspiriert, körperlich ertüchtigt und oftmals richtig glücklich gemacht hat. Eindringlich, selbstironisch und mit erfrischender Offenheit berichtet er uns über sein „schmutziges Montagsgewerbe", seine große Leidenschaft und sein erstaunliches Doppelleben. „Hier das Leben als öffentliche Person. Dort das Leben als Lumpensammler in den Straßen Wiens. Meine neue Normalität.“
Seine Touren führten ihn zu den Altpapiercontainern Wiens, um das, was andere für Wertlos hielten und wegwarfen, zu retten und dem Vergessen zu entreißen. Seine Sammlung von Büchern, Briefkonvoluten, Tagebüchern und Postkarten wurde eine Ressource seiner Arbeit und hat sein eigenes Werk nachhaltig beeinflusst. Äußerst spannend ist es zu erfahren, wie aus den weggeworfenen Fundstücken, insbesondere Lebensberichten völlig fremder Menschen, neue Einsichten erlangen, kreative Anregungen für neue Geschichten herausziehen konnte und dieses Material in seine Werke einfließen ließ.
„Meine künstlerische Entwicklung wurde nicht nur von Weltliteratur vorangetrieben, sondern ganz wesentlich auch von Abfall, von Hingeschmiertem und Verworfenem.“
In seinen Rückblicken gewährt uns der Autor sehr persönliche Einblicke in sein Privatleben, seine chaotische Liebesbeziehungen aber auch seinen spannenden schriftstellerischen Werdegang, der keineswegs einfach war. So lässt er uns Anteil nehmen an seinen erfolglosen Anfängen als Schriftsteller, seinen Selbstzweifeln und Existenzängsten, bis hin zu seinen ersten Erfolgen.
Gekonnt lässt er ebenfalls aufschlussreiches Hintergrundwissen über seine früheren Romane in seine Geschichte einfließen, was mich sehr neugierig auf seine früheren Romane gemacht hat.
FAZIT
Ein hochinteressanter autobiografischer Roman, in dem der Autor nicht nur über sein bisher geheimes Leben erzählt, sondern uns auch spannende Einblicke in seine Werke gibt – unterhaltsam, selbstironisch und sehr persönlich!

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Veröffentlicht am 02.04.2023

Farbenprächtiger historischer Roman

Florentia - Im Glanz der Medici
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MEINE MEINUNG
Nach ihrem großartigen Debüt „Raffael - Das Lächeln der Madonna“ hat die deutsche unter dem Pseudonym Noah Martin schreibende Kunsthistorikerin, Verlagslektorin und Autorin mit „Florentia ...

MEINE MEINUNG
Nach ihrem großartigen Debüt „Raffael - Das Lächeln der Madonna“ hat die deutsche unter dem Pseudonym Noah Martin schreibende Kunsthistorikerin, Verlagslektorin und Autorin mit „Florentia – Im Glanz der Medici“ einen neuen fesselnden historischen Roman vorgelegt.
Gekonnt nimmt uns Martin auf eine Reise in die schillernde, bewegte Zeit der Renaissance in Italien, die zugleich durch grausame Eroberungskriege, Intrigen, Korruption und Mordkomplotte gekennzeichnet war. Diese kulturhistorisch faszinierende Epoche, in deren Blütezeit unzählige einzigartige Kunstwerke, grandiose Bauwerke und bedeutende Gemälde geschaffen wurden, war auch eine Epoche des steten Wandels, die nicht nur Adeligen, sondern auch normalen Bürgern wie Bankiers und Künstler gesellschaftlichen Aufstieg und beachtlichen Wohlstand bescherte.
Dank des lebendigen, anschaulichen Schreibstils tauchen wir rasch ein in die glanzvolle Kulisse des opulenten Florenz der Medici ein und erleben eine mitreißend erzählte, wendungsreiche Geschichte um erbitterte Machtkämpfe, ein skrupelloses Komplott und eine beinahe aussichtslose Liebesgeschichte. Zur besseren Orientierung im historischen Florenz findet sich eine hübsche, farbig illustrierte Karte der Stadt mit den wichtigsten Schauplätzen der Geschichte.
In Anlehnung an historische Quellen entwirft Martin ein äußerst prächtiges und glaubhaftes Bild jener Zeit, in der viele Männer aber auch Frauen Großes geleistet haben. Ihr ist es hervorragend gelungen, ein facettenreiches Sittengemälde jener Zeit zu zeichnen. So erhalten wir neben anschaulich vermittelten kunsthistorischen Details und sorgfältig recherchierten historischen Fakten auch aufschlussreiche Einblicke in die komplexen politischen Verwicklungen, das damalige Alltagsleben sowie die alltäglichen Ängste, Sorgen und Nöte der Menschen.
Die Autorin hat die aus verschiedenen Perspektiven erzählte Handlung über eine Zeitspanne von 10 Jahren angelegt, in die zahlreiche spannende Hintergrundgeschichten eingewoben sind. Die verschiedenen Erzählstränge und häufigen Szenenwechsel sorgen für viel Abwechslung und lassen die Spannung zunehmend ansteigen.
Im Mittelpunkt des Romans steht die berühmte Familie de Medici in Florenz, die als erfolgreiche Bankiersfamilie ein faszinierendes, unglaublich erfolgreiches Familienunternehmen leiteten und über lange Zeit ihre unangefochtene Machtstellung in der Stadtrepublik bewahren und stärken konnten. Mit Lorenzo, dem Prächtigen lernen wie das wohl berühmteste Mitglied der Medici besser kennen, der sich mit großem Ehrgeiz, seiner Begabung als genialen Politiker und uneingeschränkter Opferbereitschaft den Bankgeschäften widmete. Hautnah sind wir dabei, wie die Familie immer wieder gegen die vielen Intrigen, politischen Widerstände, drohende Kriege und hinterlistige Verschwörungen anzukämpfen hat, um die Vorherrschaft in der Signoria und ihren politischen Einfluss zu halten. Dabei mussten sich auch die übrigen Familienmitglieder insbesondere Giuliano als Zweitgeborener immer wieder mit einbringen und sich unter Verzicht auf persönliche Belange den familiären Interessen unterordnen, so dass auch heftige Streitigkeiten nicht ausblieben. Anschaulich widmet sich die Autorin dem engen, vertrauensvollen, aber nicht immer harmonischen Verhältnis zwischen Lorenzo und seinem jüngeren Bruder Giuliano. Sehr fesselnd ist es aus einer weiteren Perspektive mitzuerleben, wie die Pazzis als zweitmächtigste Familie von Florenz und erbitterte Widersacher der Medici geschickt Zwietracht säen und ein undurchsichtiges Netz an Intrigen spinnen, mit dem Ziel, die Medici durch einen großen hinterlistigen Komplott endgültig zu stürzen und die Macht an sich zu reißen.
In einem weiteren Handlungsstrang lernen wir als eine weitere historische Persönlichkeit die ehrgeizige junge Fioretta Gorini kennen, die als Tochter des Medici-Leibarztes im Haushalt der Familie aufwächst und sich aufgrund ihrer Talente vorgenommen hat, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen und Malerin zu werden. Ihre heimliche Liebe zum jungen Giuliano Medici steht aufgrund der Standesunterschiede allerdings unter keinem guten Stern. Fioretta, über die in den Geschichtsbüchern leider wenig überliefert ist, steht stellvertretend für viele bedeutende Künstlerinnen der Renaissance, deren außergewöhnliche Leistungen hinter dem Ruhm ihrer männlichen Künstlerkollegen kaum gewürdigt und meist völlig in Vergessenheit gerieten. Des Weiteren spielen in der Geschichte mit Leonardo da Vinci und Sandro Botticelli auch die beiden berühmten Schüler aus der Werkstatt von Andrea Verrocchio eine wichtige Rolle, die damals als junge Künstler noch am Anfang ihrer Karriere standen. Äußerst spannend ist es dem jungen Leonardo und seiner Sicht auf die Welt zu begegnen, der seinen Weg in der Kunst aber auch in der Liebe noch nicht gefunden hat. Besonders gut haben mir die Passagen gefallen, in denen wir die Erstellung von Kunstwerken wie beispielsweise einiger bekannter Gemälde miterleben und sehr anschaulich künstlerische Stilmittel bezüglich Komposition, Lichtwirkung oder Studien zur Perspektive erläutert bekommen.
Im Laufe der vielschichtigen Handlung begegnen wir vielen fiktiven Figuren und bekannten historisch verbürgten Persönlichkeiten. Die zahlreichen Charaktere sind allesamt mit ihren Stärken und Schwächen vielschichtig ausgearbeitet und wirken sehr authentisch. Glücklicherweise ist dem Roman neben einem Stammbaum der Familie Medici mit dem “Dramatis personae“ ein umfangreiches Personenverzeichnis vorangestellt, so dass man stets den Überblick behält. Wie Martin in ihrem interessanten Nachwort erläutert, hat sie sich weitgehend an die übermittelten historischen Fakten gehalten, hat sich aber auch einige künstlerische Freiheiten bei der Ausgestaltung ihrer Geschichte und der Figuren genommen.
Geschickt verknüpft die Autorin die verschiedenen Handlungsfäden zu einer hochspannenden Geschichte, die schließlich in einem dramatischen Finale gipfelt.

Dieser sehr gelungene historische Roman hat mich nicht nur neugierig auf die Werke der außergewöhnlich talentierten Künstler aus der Renaissance gemacht, sondern auch auf das beeindruckende Wirken und bewegende Schicksal der mächtigen Medici in Florenz, so dass ich mich gerne hierzu noch weiter belesen möchte.

FAZIT
Ein beeindruckender, fesselnder historischer Roman über die Medici in Florenz zu Zeiten der Renaissance – eine facettenreiche, unterhaltsame und äußerst lehrreiche Geschichte, mitreißend erzählt und hervorragend recherchiert. Sehr lesenswert!

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