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Veröffentlicht am 18.11.2020

Mitreißender Generationenroman

Die zitternde Welt
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INHALT

Hochschwanger reist Maria 1896 nach Anatolien und überrumpelt damit den werdenden Vater. Wilhelm hat sich heimlich dorthin aufgemacht, um als Ingenieur am Bau der Bagdadbahn zu arbeiten, die Berlin ...

INHALT

Hochschwanger reist Maria 1896 nach Anatolien und überrumpelt damit den werdenden Vater. Wilhelm hat sich heimlich dorthin aufgemacht, um als Ingenieur am Bau der Bagdadbahn zu arbeiten, die Berlin mit Bagdad verbinden soll. Er, der seine Bleistifte stets streng nach deren Stärken ordnet, ist fasziniert von der eigensinnigen und unberechenbaren Frau. Fernab der trüben Enge des Dorfes, aus der Maria stammt, leben die beiden in der anatolischen Freiheit in wilder Ehe, gründen eine Familie. Von der alten Heimat bleibt bald nichts mehr als eine fahle Erinnerung - bis der Erste Weltkrieg ausbricht.
Droht der Selbstbestimmung und der frei gewählten Heimat nun ein Ende?

(Quelle: Haymon Verlag)

MEINE MEINUNG

In ihrem historischen Roman „Die zitternde Welt“ erzählt die österreichische Autorin Tanja Paar eine bewegte und ergreifende Familiengeschichte mit all ihren Höhen und Tiefen. Obwohl diese fesselnde Geschichte in einem historischen Kontext eingebunden ist, behandelt sie dennoch ganz zeitlose, aktuelle Themen und spürt gekonnt dem Stellenwert von Heimat, Identität und Nationalität im Leben sowie den Auswirkungen von Flucht nach.
Der äußerst vielschichtige Generationenroman spannt einen weiten Bogen von den Jahren um die Jahrhundertwende um 1900 bis ins Jahr 1940. Die ereignisreiche Handlung führt uns ins wilde Anatolien und zu weiteren spannenden Orten im Osmanischen Reich, ins slowenische Kaarstgebiet während des Großen Kriegs, ins krisengeschüttelte Wien, nach Istanbul in Atatürks junger Türkei bis hin in den unwirtlichen Irak während des Ölbooms der 1930er Jahre.
Tanja Paar zeichnet anhand sorgsam recherchierter, historischer Fakten ein facettenreiches Panorama einer bewegten, von großen Umstürzen gezeichneten Zeit während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Gekonnt entführt sie uns in die faszinierend fremde Welt des Orients und lässt uns eintauchen in das blühende, exotische Leben im Osmanischen Reich zu Zeiten des Fin de Siècle. Zugleich verwebt die Autorin ihre Geschichte geschickt mit dem Zeitgeschehen jener Epoche; lässt uns am Bau der legendären Bagdadbahn und ihren unterschiedlichen Phasen teilhaben, dem fatalen 1. Weltkrieg, dem Zerfall des Osmanischen Reichs und den anschließenden, radikalen Umwälzungen, die schließlich eine Neuordnung von Europa und dem Orient nach sich zogen.
Der sehr vielschichtig angelegte Roman wird in zwei Teilen erzählt, die sich vom Schreibstil deutlich unterscheiden. Im ersten Teil erhalten die beiden Protagonisten Maria und Wilhelm zwei gleichberechtigte Erzählstimmen, in denen wir ihre recht unterschiedlichen Persönlichkeiten und ihre Gedankenwelt allmählich besser kennenlernen. Maria, die beeindruckende weibliche Hauptfigur, ist eine willensstarke, selbstbewusste und lebenshungrige junge Frau mit sehr modernen Lebensvorstellungen, die an ihrem paradiesischen Zufluchtsort in der anatolischen Fremde ein selbst bestimmtes Leben führen möchte, in wilder Ehe lebt und sich viele Freiheiten herausnimmt. Wilhelm hingegen, Eisenbahningenieur bei der Bagdadbahn, erleben wir als einen nüchternen, pflichtbewussten Familienvater und Langweiler, der in seiner Arbeit für das zukunftsweisende Jahrhundertprojekt aufgeht.
Wie eine Zäsur empfindet man den zweiten Teil des Romans, in dem mit den beiden Söhnen die nächste Generation der Familie in den Vordergrund tritt. Verbunden ist dies mit einem Wechsel der Perspektiven und einem veränderten, oftmals fragmentarischen Erzählstil, der durch viele Auslassungen, Handlungs- und Zeitsprünge gekennzeichnet ist. Ein Umbruch in vielfältiger Weise und mit vielen Leerstellen, der die Lektüre nicht einfach macht, aber mit seiner Intensität dennoch in seinen Bann zieht.
Faszinierend und bedrückend zugleich ist es mitzuerleben, wie der plötzliche Wandel des Zeitgeschehens Marias Freiheiten, ihrer Unbeschwertheit und der euphorischen Aufbruchsstimmung ein jähes Ende bereiten und die Charaktere und ihre persönlichen Schicksale unentrinnbar in einen fatalen Strudel gezogen werden. Marias weiteres Leben wird bestimmt von äußeren Zwängen; Verluste und unabwendbare Schicksalsschläge bewirken eine dramatische Verwandlung ihrer Persönlichkeit. Schicksalhafte Wendungen fordern große Opfer, die einst glückliche Familie wird durch den 1. Weltkrieg zerrissen und ist zusehends einer Entwurzelung und Entfremdung ausgeliefert.
Abwechslungsreich und äußerst eindringlich erzählt sie eine bewegende und bedrückende Geschichte über Freiheit und Selbstbestimmung, Flucht, zerrissenen Familien, Tod, Neuanfängen, Verdrängung und Scheitern angesichts jener schwierigen Zeiten aber auch der verzweifelten Suche nach Glück oder Geborgenheit. Trotz des beklemmenden, realistischen Endes lässt die Autorin ihren Roman mit einem leicht hoffnungsvollen und versöhnlich stimmenden Epilog ausklingen. Mir werden die unvergessliche Romanheldin Maria und das bewegende Schicksal ihrer Familie, das sehr eindrücklich mit den zeitgeschichtlichen Ereignissen verbunden ist, noch länger in Erinnerung bleiben.

FAZIT
Ein faszinierender historischer Generationenroman, eine ergreifende Familiengeschichte und ein facettenreiches Panorama einer bewegten, von großen Umstürzen gezeichneten Zeit - vielschichtig, bewegend und mitreißend erzählt! Lesenswert!

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Veröffentlicht am 16.11.2020

Ergreifende Familiengeschichte

Was uns verbindet
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INHALT
Nachdem Jaya als vielgereiste Tochter eines indischen Diplomaten Ende der 80er-Jahre den amerikanischen Banker Keith Olander in einem Londoner Pub kennenlernt, geht alles ganz schnell: Sie kaufen ...

INHALT
Nachdem Jaya als vielgereiste Tochter eines indischen Diplomaten Ende der 80er-Jahre den amerikanischen Banker Keith Olander in einem Londoner Pub kennenlernt, geht alles ganz schnell: Sie kaufen ein Haus in einem Vorort, heiraten und bekommen zwei Kinder, Karina und Prem. Alles scheint perfekt, bis an einem Nachmittag ihr Glück durch einen tragischen Unfall unwiderruflich zerstört wird…
(Quelle: Kiepenheuer & Witsch)

MEINE MEINUNG
In ihrem jüngsten Roman »Was uns verbindet« erzählt die kanadische Bestsellerautorin Shilpi Somaya Gowd die ergreifende Geschichte einer Familie, die durch eine unerwartete Tragödie ihren Zusammenhalt verliert und auseinanderbricht. Es ist zugleich aber auch eine anrührende und fesselnde Coming-of-age Geschichte, die sehr zum Nachdenken anregt.
Äußerst einfühlsam und anschaulich zeigt die Autorin auf, welche einschneidenden Veränderungen ein derartiger Schicksalsschlag nach sich zieht, wie jeder einzelne mit Schmerz, Trauer und Schuldgefühlen umgeht und ganz individuell versucht mit dem schmerzvollen Verlust umzugehen. Gekonnt und voller Empathie zeichnet die Autorin das facettenreiche Portrait einer zerbrochenen Familie in einem tragischen Ausnahmezustand, lässt uns teilhaben an ihren leidvollen Erfahrungen und ihrem langen Weg zurück in den Alltag und in eine hoffnungsvolle Zukunft, die schließlich auch die Familie wieder zusammenfinden lässt.
Aus drei verschiedenen Perspektiven begleiten wir die individuelle, aufwühlende Reise von Jaya, Keith und ihrer Teenager-Tochter Karina mit all ihren Tiefen, Abgründen und Kämpfen mit ihren inneren Dämonen aber auch ihren hilfreichen Erkenntnissen auf ihrem Weg aus der schmerzvollen Lebenskrise. Zudem erleben wir in einer weiteren Perspektive die Gedanken und Einschätzungen von Prem, der aus einem fernen Ort das weitere Schicksal seiner Familie verfolgt.
Rasch ist man von der eindringlichen und aufwühlenden Geschichte gefesselt und verfolgt gebannt das beklemmende Schicksal der verschiedenen Charaktere und ihrem verzweifelten Ringen um Normalität und neuem Halt im Leben. Sehr differenziert und authentisch hat die Autorin ihre Figuren ausgearbeitet. Auch ihre schrittweise Entwicklung zeigt sie sehr glaubwürdig auf. Während Jaya völlig aus der Realität abdriftet und Trost in der Spiritualität findet, konzentriert sich Keith auf seine Karriere. Die eigentliche Hauptfigur des Romans ist die junge Karina, deren Schicksal sehr berührt und zu Herzen geht. Sehr ergreifend und empathisch schildert die Autorin, die verschiedenen leidvollen Stationen in ihrem weiteren Leben, ihre schweren Schuldgefühle, Einsamkeit und ihre Suche nach Geborgenheit, Zugehörigkeit, Liebe und Trost, die sie auf Abwege führt und ihr weitere herbe Enttäuschungen beschert. Sehr nachdrücklich bringt die Autorin uns Karinas Kampf gegen ihre inneren Dämonen näher, konfrontiert uns mit den dunklen Abgründen ihrer instabilen Psyche und lässt uns aber schließlich auch an ihrem wachsenden Selbstvertrauen teilhaben und dem Wiederentdecken ihrer eigenen Stärke.
Die Autorin beendet ihren aufwühlenden, sehr nachdenklich stimmenden Roman mit einem bewegenden und hoffnungsvollen Ausklang.

FAZIT
Ein eindringlich geschriebener, bewegender Roman mit einer aufwühlenden Familiengeschichte. Sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 15.11.2020

Super frisch, (super) schnell und super lecker

Super fresh
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MEINE MEINUNG
Mit ihrem jüngsten, bei Gräfe & Unzer erschienenen Kochbuch „Super fresh“ präsentiert uns Australiens führende Kochbuch- und Bestseller-Autorin Donna Hay ihre neuesten Kreationen rund um ...

MEINE MEINUNG
Mit ihrem jüngsten, bei Gräfe & Unzer erschienenen Kochbuch „Super fresh“ präsentiert uns Australiens führende Kochbuch- und Bestseller-Autorin Donna Hay ihre neuesten Kreationen rund um ihr Motto „Simple made special“. Einfachheit kombiniert mit dem gewissen Extra - das klingt wirklich verlockend! Wie der Untertitel „Schnelle und frische Gerichte für jeden Tag“ bereits andeutet, steht Donna Hay für eine gesunde Küche also mit nahrhaften, köstlichen Mahlzeiten steht, die sich schnell und unkompliziert aus einfachen Zutaten zubereiten lassen. Als berufstätige Mutter von zwei Teenagern scheint sich die „Queen of Simple“ auf leckere, alltagstaugliche und stresserprobte Rezepte zu verstehen und möchte uns dabei helfen, gesunden Lifestyle ganz einfach in den hektischen Alltag zu integrieren.
Ein kurzer Blick in das sehr stylisch und eher unkonventionell aufgemachte Buch mit den perfekt fotografierten und äußerst appetitlich präsentierten Gerichten zeigt, dass wir es hier mit einem ungewöhnlichen Kochbuch zu tun haben. Die originellen Kapitel-Überschriften wie „einfach ausgetauscht“, „die big bowl“ oder „quick fix“, machen sehr neugierig auf die hier in Szene gesetzten Themengebiete, die tollen, sich dahinter verbergenden Rezepte und köstlichen Inspirationen. Obwohl viele der Rezepte sicherlich nichts Neues sind, verleihen einige echt innovative Abwandlungen dem Gericht oft das gewisse Etwas. Gut gefallen haben mir auch die vielen asiatischen und mediterranen Einflüsse von Hays Küche, in der neben der Einfachheit stets auch auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung geachtet wird.
Eine strikte, traditionelle Sortierung nach Vorspeisen, Hauptgerichten und Süßspeisen bzw. Kuchen sucht man hier vergeblich, so dass man die Gliederung beim ersten Stöbern als etwas unübersichtlich empfindet. Für die Auswahl der Gerichte sollte man sich definitiv etwas Zeit nehmen – bekommt beim Durchblättern aber schnell Lust darauf, sich in die Küche zu begeben, um sofort loszulegen und viele der sehr raffinierte Rezepte auszuprobieren.
Zum schnelleren Auffinden der Rezepte ist am Ende auch ein ausführliches Register angehängt.
Unter den köstlichen Rezepten findet man jede Menge Anregungen für leckere, unkomplizierte Mahlzeiten bis hin zu kreativen und etwas anspruchsvolleren Gerichten.
Ob nun “Supergrüner gebackener Risotto” aus dem Kapitel AUS PFANNE UND OFEN, “Spinat-Souffle-Omlette” unter RUCK-ZUCK-DINNER, die drei Lasagne-Variationen unter EINFACH AUSGETAUSCHT, die Spaghetti-Kürbis-Bowl mit Halloumi-Croutons bei DIE BIG BOWLS oder den Schoko-Fudge-Kuchen unter SÜSSES - die Auswahl ist wirklich sehr kreativ, unglaublich vielseitig und absolut ansprechend, so dass wirklich für jeden Geschmack etwas dabei sein sollte. Auch Vegetarier werden hier einige interessante, fleischlose Gerichten finden, die allerdings nicht speziell gekennzeichnet sind.
Großes Know-how ist für die Zubereitung der Gerichte nicht erforderlich. Die meisten Zutaten hat man als Grundausstattung schon zuhause im Vorratsschrank, es werden allerdings auch viele exotische Zutaten verwendet, die man bei uns sicherlich nicht so einfach besorgen kann.
Alle von mir ausprobierten Rezepte ließen sich problemlos zubereiten; die zubereiteten Wohlfühlgerichte waren äußerst schmackhaft, originell und haben mich wirklich begeistert. Einige darunter waren allerdings nicht ganz so unkompliziert und schnell in der Zubereitung wie versprochen, aber entschädigt wird man hierfür mit einer gesunden, nahrhaften, leckeren und absolut kreativen Bereicherung des Speiseplans.
Der Rezeptteil ist mit hochwertigen, Appetit-anregenden und wirklich aussehenden Fotos äußerst ansprechend aufgemacht. Auch wenn man sich an die weiße Schrift auf dem fast durchgängig grau-schwarzen Hintergrund erst gewöhnen muss – das Styling und Layout mit unterschiedlichen Schrifttypen ist innovativ und definitiv etwas anders. Die Rezepte sind in der Regel für 2 oder 4 Personen ausgelegt, allerdings fehlen die Angaben zu Zubereitungszeit, Nährstoffzusammensetzung und die Kalorienzahl pro Portion, was bei einigen sehr üppigen Gerichten insbesondere bei den köstlichen, „fast“ gesunden Desserts sicher auch von Vorteil ist. Die einzelnen Zubereitungsschritte sind zwar recht knapp, aber verständlich und nachvollziehbar erklärt. Leider wirkt die Gliederung etwas unübersichtlich, so dass man beim Kochen aufpassen muss, nicht etwas zu überlesen.
Bei der sehr ansprechenden Aufmachung und einfach spektakulären Bebilderung der tollen Gerichte nimmt man dieses Kochbuch nicht nur zum Nachkochen, sondern auch gerne einfach nur zum Stöbern in die Hand.

FAZIT
Ein geniales Kochbuch mit Feelgood Food für jeden Tag, in dem es jede Menge Inspirationen zu entdecken gibt und das eine bunte Vielfalt an schnellen, innovativen und gesunden Rezepten für jede Lebenslage bietet.

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Veröffentlicht am 15.11.2020

Unterhaltsame Fortsetzung und kenntnisreiches Sittengemälde

Fräulein Gold: Scheunenkinder
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INHALT
1923: Die Berliner Hebamme Hulda Gold wird zu einer Geburt ins Scheunenviertel nach Mitte gerufen. Obwohl die jüdische Familie dort nach ihren ganz eigenen, strengen Regeln lebt, gewinnt Hulda ...

INHALT
1923: Die Berliner Hebamme Hulda Gold wird zu einer Geburt ins Scheunenviertel nach Mitte gerufen. Obwohl die jüdische Familie dort nach ihren ganz eigenen, strengen Regeln lebt, gewinnt Hulda das Vertrauen der jungen Mutter. Und als das Neugeborene nach wenigen Tagen verschwindet, wird sie unvermittelt in die rätselhafte Suche nach ihm verstrickt. Wie kann ein Kind in dieser engen Gemeinschaft einfach so verlorengehen? Je hartnäckiger Hulda den Spuren folgt, desto stärker stößt sie auf Widerstand, denn die Bewohner des Viertels haben ihre gut gehüteten Geheimnisse.
Bald zeigt sich, dass die Berliner Polizei zur gleichen Zeit nach Kinderhändlern fahndet, und Hulda ahnt einen Zusammenhang. Kann Kommissar Karl North ihr helfen, das Neugeborene zu finden? Doch dann entlädt sich im Scheunenviertel der Judenhass in einem Pogrom, und Hulda selbst gerät in höchste Gefahr.
(Quelle: Rowohlt)
MEINE MEINUNG
Nach dem gelungenen Auftakt der großartigen historischen Roman-Trilogie rund um die Berliner Hebamme Hulda Gold hat die deutsche Autorin Anne Stern mit „Fräulein Gold-Scheunenkinder“ einen nicht weniger faszinierenden zweiten Teil vorgelegt. Diese spannende und lehrreiche historische Saga, die vor der schillernd ambivalenten Kulisse der 1920er Jahre in Berlin angesiedelt ist, hat mich wieder von Beginn an in ihren Bann gezogen.
Auch wenn es diesmal keinen richtigen Kriminalfall gibt, bei dem Hulda und ihr Freund Kommissar Karl North gemeinsam ermitteln, konnte mich die Autorin mit dem hervorragend recherchierten, zeitgeschichtlichen Hintergrund und ihrer dichten Milieuzeichnung sehr fesseln. Sehr facettenreich kreist die Geschichte um die Thematik Verschwinden und Vergessen und so ist es auch an Hulda sich mit ihrer eigenen Familiengeschichte und ihren jüdischen Wurzeln auseinanderzusetzen.
Die unterhaltsame wie fesselnde Geschichte um die aufgeweckte, selbstbewusste Hauptfigur Hulda Gold, deren Arbeit als Hebamme sie diesmal ins ärmliche Berliner Scheunenviertel führt, hat mir erneut sehr gut gefallen. Das spurlose Verschwinden des von ihr entbundenen Neugeborenen lässt Hulda keine Ruhe und so beginnt sie, eigene Nachforschungen anzustellen. Die streng geheimen Ermittlungen ihres Freunds Kommissar North scheinen sich um skrupellose Kindermakler zu drehen, denen das Verschwinden und die Ermordung zahlreicher Kinder zur Last gelegt wird.
Dank des lebendigen, sehr bildhaften Schreibstils fällt es nicht schwer, in die historische Vergangenheit des für Deutschland sehr dunklen Jahres 1923 einzutauchen. Gekonnt entführt uns Stern in die damalige Hauptstadt der Weimarer Republik Berlin, die sich gerade auf dem Höhepunkt der Inflation in einer gewaltigen Krise befindet. Allgegenwärtig sind die Auswirkungen des gnadenlosen Wertverfalls des Gelds sichtbar, eine aufgeheizte Stimmung herrscht in der Bevölkerung angesichts der Wucherpreise, Mangelversorgung, der immer weiter um sich greifenden Not, bitterer Armut und beständigem Hunger nicht nur bei den armen Leuten.
Stern vermittelt insgesamt ein sehr stimmiges, authentisches und recht düsteres Bild der damaligen Zeit. Atmosphärisch dicht portraitiert Stern das bedrückende Alltagsleben in all seinen Facetten, lässt uns hautnah am Schicksal der Bevölkerung teilhaben und gibt uns darüber hinaus erschreckende Einblicke in die um sich greifende radikale Stimmung, die als Sündenbock die Juden verantwortlich macht. So haben wir unmittelbar Anteil an einem historisch verbürgten Ereignis, das sich im November 1923 im Scheunenviertel ereignete - dem gewalttätigen Pogrom gegen die Ost-Juden dieses Elendsviertels, angezettelt von der rechten Völkischen, unterstützt von Teilen der Polizei sowie von der damaligen Pressen bagatellisiert und verfälscht dargestellt. Sehr eingehend hat Stern auch die chaotischen Zustände im damaligen Berliner Scheunenviertel recherchiert und äußerst lebendig und anschaulich mit ihrer Handlung verwoben. In ihrem ausführlichen Nachwort geht die Autorin auf die bewegte Geschichte des heute weitgehend in Vergessenheit geratenen Scheunenviertels ein. Faszinierend ist insbesondere das bunte Gemisch der unterschiedlichsten, nebeneinander lebenden Kulturen, unter anderem war das Scheunenviertel auch ein Refugium der Ost-Juden, und einzigartig ihr ausgeprägter Gemeinschaftssinn.
Huldas Ermittlungen führen uns zu den abgründigen Seiten der Gesellschaft, dorthin wo Elend, Armut, Prostitution, Alkoholismus und Verbrechen allgegenwärtig sind. Nach einigen unvorhersehbaren Wendungen kommt die Auflösung des Falls fast schon etwas zu unspektakulär daher.
Die Geschichte lebt neben der lebendig eingefangenen, zeitgeschichtlichen Kulisse vor allem von seinen vielschichtig angelegten Figuren. Die verschiedenen Charaktere sind allesamt detailliert und liebevoll ausgearbeitet, so dass sie sehr lebensnah wirken. Hervorragend gefallen hat mir vor allem die sympathische, clevere und selbstbewusste Hulda, die als ledige, berufstätige Hebamme und mit ihren fortschrittlichen Einstellungen ihrer Zeit weit voraus ist. Sie ist eine sehr mitfühlende, hilfsbereite Frau, die sich nicht nur für ihre Freunde einsetzt, sich durchzusetzen weiß und aber sich auch so manches Mal in Schwierigkeiten bringt.
Ihr Freund Kommissar Karl North bleibt weiterhin eine recht rätselhafte und unnahbare Figur. Ein schwieriger Charakter, der oft mit seiner Herkunft und Vergangenheit hadert, aber durchaus sympathisch mit seine Ecken und Kanten ist. Die Beziehung zwischen den beiden hat sich zwar intensiviert, doch gleichen ihre Begegnungen einer emotionalen Achterbahnfahrt mit ungewissem Ausgang. Auch die vielen Nebenfiguren angefangen von Huldas guten Freund Bert, dem liebenswerten Zeitungsverkäufer vom Winterfeldtplatz in Schöneberg über Huldas neugierige, aber erstaunlich patente Vermieterin bis hin zur faszinierenden Apothekerin Jette Langhans – sie alle sind sehr warmherzig und facettenreich ausgearbeitet sind, so dass man sie bald in sein Herz schließt und sich schon auf ein baldiges Wiedersehen freut.
FAZIT
Eine gelungene Fortsetzung der neuen Hebammen-Saga mit einer historisch fundiertem Hintergrund, atmosphärisch dichtem Berliner Lokalkolorit und lebendigen, sympathischen Charakteren!
Eine fesselnde Zeitreise ins Berlin der 1920ger Jahre und lehrreiche Geschichtsstunde!

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Veröffentlicht am 14.11.2020

Fesselnder, tiefgründiger Krimi

Helvetia 1949
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INHALT

Chur im Visier des Bösen
Chur 1949: Während der Festlichkeiten des Eidgenössischen Schützenfestes wird der Stadtpräsident erschossen aufgefunden. Neben ihm liegt die Leiche der besten Schützin ...

INHALT

Chur im Visier des Bösen
Chur 1949: Während der Festlichkeiten des Eidgenössischen Schützenfestes wird der Stadtpräsident erschossen aufgefunden. Neben ihm liegt die Leiche der besten Schützin der Schweiz. Alles deutet darauf hin, dass sie die Täterin ist, die sich danach selbst gerichtet hat. Doch die Spur führt Landjäger Caminada in die Schlucht am Stadtrand, ins ominöse Quartier Täli, für dessen Bewohner andere Gesetze zu gelten scheinen. Zwischen Altstoffhändlern, Gastarbeitern und Trödlern entdeckt er in einem verruchten Tanzlokal Hinweise, die ihn erschaudern lassen. Dann wird eine weitere Tote im Bergwald der Schlucht gefunden ...

(Quelle: Emons)

MEINE MEINUNG

Der zeitgeschichtliche Kriminalroman „Helvetia“ vom Schweizer Autoren Philipp Gurt ist bereits der zweite Band der Krimi-Reihe rund um die interessante Hauptfigur Landjäger Walter Caminada und seinen jungen Kollegen Erkennungsfunktionär Marugg. Erneut ist Gurt ein äußerst fesselnder Krimi gelungen, der nicht nur durch die spannenden Ermittlungen sondern auch durch die starken Charaktere zu überzeugen vermag.

Angesiedelt ist die packende Handlung, in der es gleich um mehrere aufsehenerregende und rätselhafte Kapitalverbrechen geht, in der Bündner Metropole Chur während des Eidgenössischen Schützenfestes im Jahre 1949.

Schon der Auftakt mit dem schockierenden Prolog, in dem der Leser hautnah Zeuge des kaltblütigen und dramatischen Mordes an einer jungen Frau wird, lässt rasch Spannung aufkommen. Der sehr bildhafte und lebendige Schreibstil des Autors liest sich sehr angenehm. Aufgrund der vielen Schwyzerdütschen Ausdrücke und Redewendungen und der oftmals im Dialekt geführten Dialoge dauerte es anfangs etwas, mich in die Geschichte hineinzufinden, dann wurde ich aber vollkommen von dem besonderen Charme der Sprache und dem authentischen Flair gefangengenommen.

Gekonnt lässt der Autor den Leser ins Graubünden der Nachkriegszeit eintauchen und sorgt mit seinen bildhaften Beschreibungen für ein interessantes Lokalkolorit. Sehr eindrucksvoll portraitiert er die Stadt Chur an der Plessur mit den verschiedenen Schauplätzen und seinem Quartier Täli, in dem ganz eigene Gesetzmäßigkeiten herrschen. Der hervorragend eingefangene Zeitgeist und das interessante Gesellschaftsportrait sind anschaulich in die Handlung eingebunden, so dass man ein stimmiges, authentisches Bild der damaligen Zustände vor Augen hat. Insbesondere die lebendigen und sehr stimmigen Schilderungen zur mühseligen Ermittlungsarbeit der Landfeldjäger und die Anfänge der kriminaltechnischen Ermittlungen und der damals noch sehr rückständigen Ausstattung der Polizei, bei der Einsatzfahrzeuge, Telefone oder Schreibmaschinen noch nicht verbreitet waren, konnten mich begeistern. Kaum zu glauben, dass Fingerabdrücke damals erst als Beweismittel zugelassen wurden und ihnen mit großer Skepsis begegnet wurde.

Trotz der zunächst recht ruhig verlaufenden Kriminal-Ermittlungen gelingt es Gurt hervorragend, einen subtilen Spannungsbogen aufzubauen, der zum Ende hin immer mehr gespannt wird. Der Autor hält einige überraschende Wendungen und unvorhersehbare Verwicklungen für uns bereit, so dass man gebannt der Aufklärung der Mordfälle entgegensieht.

Philipp Gurt versteht es, seine Hauptfiguren Caminada und Marugg sehr facettenreich, individuell und lebensnah zu zeichnen. Auch ohne den Vorgängerband zu kennen, wird man recht schnell mit den Charakteren vertraut. Mit den Hintergrundgeschichten und ihrer faszinierenden Persönlichkeit mit so manchen Ecken und Kanten wirken sie sehr authentisch und lebendig, so dass man sehr schnell ein Bild von ihnen vor Augen hat. Auch die übrigen Nabenfiguren sind entsprechend ihrer Rollen sehr glaubwürdig und interessant angelegt. Insbesondere die zwielichtigen Figuren konnten mich mit ihrer sehr differenzierten Ausarbeitung überzeugen. Ein absolutes Highlight ist für mich die ambivalente und tiefgründige Figur des Diakon Anselmo Veranzze, dessen tragischer Lebensweg mich sehr berührt hat. Sein religiöser Fanatismus, seine zunehmende geistige Umnachtung – das alles geht unter die Haut und ist unglaublich eindringlich geschildert.

Ich würde mich sehr freuen, wenn es bald einen neuen spannenden Fall für Landjäger Caminada und seinen Kollegen Marugg im Chur der Nachkriegszeit gäbe.


FAZIT
Ein tiefgründiger, überaus spannender Kriminalroman vor dem fesselnden zeitgeschichtlichen Hintergrund der Churer Nachkriegszeit - mit einem fesselnden Fall, stimmig eingefangenem Lokalkolorit und überzeugenden Charakteren!

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