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Veröffentlicht am 25.06.2025

Cozy Solarpunk in hoffnungslosen Zeiten

Ein Gebet für die achtsam Schreitenden
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Rezension für beide Teile der Dilogie:

Es ist ein ganz komisches Gefühl, in diesen Zeiten hoffnungsvolle Solarpunk zu lesen. Während ganze Gletscher abbrechen und uns der x-te Jahrhundertsommer bevorsteht, ...

Rezension für beide Teile der Dilogie:

Es ist ein ganz komisches Gefühl, in diesen Zeiten hoffnungsvolle Solarpunk zu lesen. Während ganze Gletscher abbrechen und uns der x-te Jahrhundertsommer bevorsteht, fällt es mir immer schwerer, nicht komplett bitter zu werden.

Die Geschichte vom Teemönch Dex und dem Roboter Helmling legt den Finger irgendwie nochmal mehr in die Wunde. Mit einer Karotte an einer Rute halten sie mir unglaubliche Möglichkeiten für ein utopisches, gutes Miteinander für alle vor die Nase, nur um mich nach 200 Seiten wieder in die Realität zu entlassen.

Die Bitterkeit ist jedoch auch Bestandteil von Dex‘ und Helmlings Reise, denn immer wieder wird darauf verwiesen, wie schlecht die Menschheit zu sich und ihrem Planeten war – mit Betonung auf war, denn sie hat sich für einen weniger zerstörerischen Weg entschieden.

Und: dass das, obwohl es vielleicht gerade anders scheint, gar nicht so unmöglich ist, denn wie auch schon bei der Wayfarer-Reihe bringt Chambers immer wieder Hinweise zu Theorien aus der Anthropologie und Ansätze aus solidarischen Strukturen ein, die es tatsächlich schon gibt.
Sie geht zwar nicht detailliert auf die einzelnen Aspekte ein, aber es ist schön zu sehen, dass so etwas wie alternative Wirtschaftsmodelle, Commons und solidarische Schenkökonomien, aber auch z.B. Survivalist*innen-Gruppen in ihrer Welt Platz finden.

Genau das würde ich mir auch vom Cozy-Fantasy-Genre wünschen; einfach weiterzudenken als Eskapismus im Sinne von „ein Café/Shop wird eröffnet, in dem man etwas kaufen und konsumieren muss.“

Ich habe die Dilogie sehr genossen, dennoch auch ein wenig Kritik, die für Utopien nicht unwichtig zu erwähnen ist: die gezeigte Gesellschaft ist zwar egalitär, aber gleichzeitig sind die menschlichen Individuen alle ziemlich „gleich“ – die Gesellschaft ist homogen, fast monokulturell. Wahrscheinlich braucht man für so einen Weltenbau dann mehr als eine kurze Dilogie aus zwei Novellen, aber es ist halt ein Thema, dass in vielen Utopien problematische (z.B. ableistische) Annahmen beinhaltet. Ich will absolut nicht sagen, dass Chambers da reinfällt – ich hätte mir eher gewünscht, dass sie diesen Punkt noch stärker in den Fokus nimmt und problematisiert.

Trotzdem ist das Buch wirklich wie eine kleine Auszeit, wie eine heiße Tasse Kräutertee am Morgen im Garten 🍵

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Veröffentlicht am 10.06.2025

Eine emotionale Familiengeschichte

Beeren pflücken
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Beerenpflücken von Amanda Peters, übersetzt von Brigitte Jakobeit, erzählt die Geschichte eines Mi’kmaq-Mädchens, das in der Pflücksaison 1962 in Maine spurlos verschwindet, und die ihres Bruders Joe, ...

Beerenpflücken von Amanda Peters, übersetzt von Brigitte Jakobeit, erzählt die Geschichte eines Mi’kmaq-Mädchens, das in der Pflücksaison 1962 in Maine spurlos verschwindet, und die ihres Bruders Joe, der sich noch Jahre später Vorwürfe deshalb macht.

Mehr will ich gar nicht sagen, denn es handelt sich hier zwar nicht um einen Mystery-Thriller (wie ich vorher fälschlicherweise angenommen habe), aber die Geschichte lebt dennoch davon, einem jahrzehntelang gehüteten Geheimnis zusammen mit der Protagonistin auf die Spur zu kommen.

Peters erzählt davon, was es mit einem persönlich anstellt und welche Traumata entstehen, wenn ein Kind aus seiner Familie, seiner Zugehörigkeitsgruppe, gerissen wird. Sie schreibt davon, wie sich k0loniale, rass1stsche und klassistische G3walt in seinen Intersektionen intergenerational fortsetzt.

Der Verlust von Kindern und Familienmitgliedern wird hier auf mehrere Ebenen eingebracht und miteinander verknüpft. Insbesondere thematisiert Peters den “Sixties Scoop” - das g3waltsame Rauben indigener Kinder aus ihren Familien und die darauf folgende Zwangsadoption in weiße Familien. Besonders gut umgesetzt fand ich, wie die Rolle von weißen Frauen als Mittäterinnen dieses Systems dargestellt wurde. Dass sie trotz selbst erfahrener Misogynie eben auch Vorteile für ihre auf K0lonialismus und R.ssismus aufbauenden ideellen Werte hatten und ein unterstützender Teil dieses Systems waren (und sind).

Trotz deutlich benannter Themen schlägt Peters keinen offensiven konfrontativen oder wütenden Ton an, sondern bleibt sanft, hoffnungsvoll, zeigt die Überlebensstrategien betroffener Personen und die Resilienz indigener Communities.

Trotzdem wurde ich emotional nicht so angesprochen, wie ich es mir erhofft hatte - ich hätte mir einen etwas spannenderen Schreibstil und vor allem Aufbau der Geschichte gewünscht. Die Lebensgeschichten der Figuren stehen hier im Mittelpunkt, jedoch wurden genauso ganze Jahrzehnte aus ihren Biografien übersprungen; das Ende bzw. die Auflösung der Konflikte kam plötzlich und wurde leider zügig abgehakt.

Ich könnte mir vorstellen, dass man Beerenpflücken super verschenken kann. Es soll nicht irgendwie abwertend klingen, aber es wäre eine easy Empfehlung für z.B. Mütter, Tanten und Omas, die z.B. ansonsten eher emotionale, historische Familiensagas lesen. Die Balance aus zugänglicher Erzählweise und wichtigen, realitätsnahen Lebensgeschichten, geschrieben von einer Own-Voice-Autorin, die Mischung gefällt glaube ich sehr vielen!

Von mir gibt es 3,5 Sterne für Beerenpflücken. 🍓

Rezensionsexemplar von HarperCollins

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Veröffentlicht am 26.05.2025

Süß, aber nichts für mich

Fence 3
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Zusammenfassende Rezension Fence 1-3 (Crocu Editionen):

Diese doch eigentlich recht süße Comic-Reihe mit Sport-(Romance?)-Thematik trifft nur so mäßig meinen Geschmack. Ich persönlich bin irgendwie inzwischen ...

Zusammenfassende Rezension Fence 1-3 (Crocu Editionen):

Diese doch eigentlich recht süße Comic-Reihe mit Sport-(Romance?)-Thematik trifft nur so mäßig meinen Geschmack. Ich persönlich bin irgendwie inzwischen nicht mehr so gehyped auf komplett Casual Queerness, irgendwie kommen mir die Charaktere zusammenhängend damit und auch generell recht oberflächlich/underdeveloped und "tropy" vor. Dieses ständige Wettkampf-Ding und der Druck, der damit einhergeht, kam mir ebenfalls recht unhinterfragt vor, da hätte ich mir schon in diesen Volumes mehr von erhofft. Der Art Style begeistert mich auch nicht so wirklich, da war definitiv zu wenig Abwechslung drin, in der Colorierung z.B.

Es deutet sich an, dass das in den nächsten Bänden vielleicht weiter ausgearbeitet wird, aber naja.
Who am I to judge, vielleicht würde mein Teenager-Ich die Reihe total mögen.

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Veröffentlicht am 26.05.2025

Eine unangenehme Mischung aus Sally Rooney, “Tschick” und deutschen Wohlfühl-RomComs.

22 Bahnen
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Eine unangenehme Mischung aus Sally Rooney, “Tschick” und deutschen Wohlfühl-RomComs.

In einem Interview mit Elke Heidenreich (ja, die, die sich ständig über “Gendersprache” aufregt) erzählt Wahl, dass ...

Eine unangenehme Mischung aus Sally Rooney, “Tschick” und deutschen Wohlfühl-RomComs.

In einem Interview mit Elke Heidenreich (ja, die, die sich ständig über “Gendersprache” aufregt) erzählt Wahl, dass sie einen Roman schreiben wollte, aber partout nicht über sich selbst, sondern etwas Existenzielleres, Zeitloses schaffen. Und genau da liegt der Knackpunkt für mich - "sie sind fern von jeglicher Betroffenheitsliteratur", wie Heidenreich positiv bemerkt, ich finde den Ansatz aber einfach schrecklich, sorry not sorry.

Kurzer Rewind zum Positiven: Sprachlich fand ich es durchaus ansprechend, diese kurzen Sätze und Repetitionen. Caro Wahl hat es definitiv geschafft, ein Alleinstellungsmerkmal als Autorin für sich zu finden. Und ja, das Buch vermittelt definitiv eine Leichtigkeit und Wohlfühligkeit, das viele bestimmt als tröstend empfinden (ich war aber irgendwann nur noch genervt tbh)

Was mir gar nicht gefallen hat: dieser matthias-schweighöferliche Verklärungsfilter, der über dem ganzen Buch liegt. Zentrale Themen hier sind Armut und der Alkoholismus der Mutter. Ich fand diese Themen unterrecherchiert, nicht feinfühlig genug ausgearbeitet und die Figuren klischeehaft und flach. Es wurde sich auf die falschen Details fokussiert - Gut und Günstig-Produkte als Indikator für Armut? Haftbefehl gleich Alkoholiker-Musik? Der drogendealende Russe? - anstelle da wirklich reinzugehen und z.B. gesellschaftliche Ansichten auf Armut darzustellen, oder gar zu hinterfragen, den Finger in die Wunde zu legen, auch bei den Leserinnen.

Ich glaube trotzdem, Caro Wahl macht mit ihren Alleinstellungsmerkmalen viel richtig: Der besondere Schreibstil, die Melancholie in ihren Texten, zwischen Jugend- und Erwachsenenliteratur bzw. New Adult zu sein - das ist insgesamt eine gute Zielgruppendefinition und ist sicherlich ansprechend für viele.

Fazit. In der letzten Zeit entsteht bei mir der Eindruck, dass immer, wenn Autor
innen davon sprechen, etwas Existenzielles, Zeitloses, Universelles schaffen zu wollen, es für mich einfach bei Oberflächligkeiten und wischi-waschi-politics bleibt. Ich denke, die Autorin hier ist eher nichts für mich :D

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Veröffentlicht am 26.05.2025

Hätte mehr Nuancen vertragen

After Woke
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War okay, ich bin generell keine große Liebhaberin von (politischen) Essays - besonders, wenn sie sich an Begriffen und Theorien abarbeiten. Auch wenn die Zielgruppe jetzt eher eine breitere ist und der ...

War okay, ich bin generell keine große Liebhaberin von (politischen) Essays - besonders, wenn sie sich an Begriffen und Theorien abarbeiten. Auch wenn die Zielgruppe jetzt eher eine breitere ist und der Essay zugänglich sein soll, manches war doch ziemlich pauschal gehalten und teilweise hatte ich das Gefühl, es wurde sich eher auf Internetdiskussionen bezogen, was okay ist, aber das wurde dann nicht so richtig eingeordnet. Indigenität wurde so z.B. sehr einseitig dargestellt, was ich auch schon in Balzers letztem Essay kritisiert habe (außerdem wurde wieder das I-Wort ausgeschrieben, why...). Wichtig anzumerken ist auch, dass sich Balzer hier eher auf eine US-Amerikanische und europäische Perspektive der Post Colonial Studies bzw. dem Postkolonialismus bezieht, nicht auf eine dekoloniale Forschungsperspektive (die in anderen Teilen der Welt eher verbreitet ist). Trotzdem finde ich die Kernaussage natürlich super wichtig - dass selektive Solidarität unter uns "woken" definitiv kritisiert gehört und dass es das höchste Gut sein sollte, eine universalistische Solidarität anzustreben - die Handlungsaufforderung am Ende, dass es dringend (utopische) Gegenentwürfe zu reaktionären Kräften braucht, war richtig gut.

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