Cozy Solarpunk in hoffnungslosen Zeiten
Ein Gebet für die achtsam SchreitendenRezension für beide Teile der Dilogie:
Es ist ein ganz komisches Gefühl, in diesen Zeiten hoffnungsvolle Solarpunk zu lesen. Während ganze Gletscher abbrechen und uns der x-te Jahrhundertsommer bevorsteht, ...
Rezension für beide Teile der Dilogie:
Es ist ein ganz komisches Gefühl, in diesen Zeiten hoffnungsvolle Solarpunk zu lesen. Während ganze Gletscher abbrechen und uns der x-te Jahrhundertsommer bevorsteht, fällt es mir immer schwerer, nicht komplett bitter zu werden.
Die Geschichte vom Teemönch Dex und dem Roboter Helmling legt den Finger irgendwie nochmal mehr in die Wunde. Mit einer Karotte an einer Rute halten sie mir unglaubliche Möglichkeiten für ein utopisches, gutes Miteinander für alle vor die Nase, nur um mich nach 200 Seiten wieder in die Realität zu entlassen.
Die Bitterkeit ist jedoch auch Bestandteil von Dex‘ und Helmlings Reise, denn immer wieder wird darauf verwiesen, wie schlecht die Menschheit zu sich und ihrem Planeten war – mit Betonung auf war, denn sie hat sich für einen weniger zerstörerischen Weg entschieden.
Und: dass das, obwohl es vielleicht gerade anders scheint, gar nicht so unmöglich ist, denn wie auch schon bei der Wayfarer-Reihe bringt Chambers immer wieder Hinweise zu Theorien aus der Anthropologie und Ansätze aus solidarischen Strukturen ein, die es tatsächlich schon gibt.
Sie geht zwar nicht detailliert auf die einzelnen Aspekte ein, aber es ist schön zu sehen, dass so etwas wie alternative Wirtschaftsmodelle, Commons und solidarische Schenkökonomien, aber auch z.B. Survivalist*innen-Gruppen in ihrer Welt Platz finden.
Genau das würde ich mir auch vom Cozy-Fantasy-Genre wünschen; einfach weiterzudenken als Eskapismus im Sinne von „ein Café/Shop wird eröffnet, in dem man etwas kaufen und konsumieren muss.“
Ich habe die Dilogie sehr genossen, dennoch auch ein wenig Kritik, die für Utopien nicht unwichtig zu erwähnen ist: die gezeigte Gesellschaft ist zwar egalitär, aber gleichzeitig sind die menschlichen Individuen alle ziemlich „gleich“ – die Gesellschaft ist homogen, fast monokulturell. Wahrscheinlich braucht man für so einen Weltenbau dann mehr als eine kurze Dilogie aus zwei Novellen, aber es ist halt ein Thema, dass in vielen Utopien problematische (z.B. ableistische) Annahmen beinhaltet. Ich will absolut nicht sagen, dass Chambers da reinfällt – ich hätte mir eher gewünscht, dass sie diesen Punkt noch stärker in den Fokus nimmt und problematisiert.
Trotzdem ist das Buch wirklich wie eine kleine Auszeit, wie eine heiße Tasse Kräutertee am Morgen im Garten 🍵