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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.05.2020

Düster und spannend

Der Schatten
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Die Journalistin Norah zieht aus privaten und beruflichen Gründen von Berlin nach Wien um. Gerade dort angekommen, begegnet sie einer Straßenbettlerin, die ihr eine höchst sonderbare und verstörende Mitteilung ...

Die Journalistin Norah zieht aus privaten und beruflichen Gründen von Berlin nach Wien um. Gerade dort angekommen, begegnet sie einer Straßenbettlerin, die ihr eine höchst sonderbare und verstörende Mitteilung macht: Am 11. Februar soll Norah am Prater aus „freien Stücken“ und „mit gutem Grund“ einen Mann töten. Sein Name sei Arthur Grimm. Norah kennt keinen, der so heißt und obwohl sie die Begegnung zuerst als merkwürdigen Zufall abtun möchte, fängt sie schließlich doch an, nach einer Erklärung zu suchen. Bei ihren Recherchen wird sie mit einem Alptraum aus ihrer Jugend konfrontiert...

Ich habe vor einigen Jahren den Roman „Die Falle“ von Melanie Raabe gelesen, der mir sehr gut gefallen hat und so ist meine Erwartungshaltung bei diesem Buch recht hoch gewesen. Die kurze Inhaltsangabe auf der Rückseite versprach erneut eine spannende Unterhaltung und das Cover eine düstere Atmosphäre, die ich bei diesem Genre ganz besonders mag. „Der Schatten“ hat tatsächlich beides zu bieten. Die Autorin liefert eine interessante Story und weiß diese packend zu erzählen, wobei ein regelmäßiger Wechsel der Erzählperspektive die Spannung erhöht. Mein persönliches Highlight ist der Handlungsort: Da Wien eine meiner Lieblingsstädte ist, fand ich es schön, einige mir vertraute Plätze auf den Buchseiten wiederzufinden. Leider haben mich die Charaktere nicht wirklich überzeugt und die Geschichte kam mir irgendwann ein wenig langatmig vor. Dies wurde zum Glück durch das überraschende und aus meiner Sicht absolut gelungene Ende wieder wettgemacht.

Mein Fazit: Zwar reicht „Der Schatten“ meines Erachtens nicht ganz an „Die Falle“ heran, trotzdem finde ich das Buch gut geschrieben und spannend. Ich bleibe ein Fan von Melanie Raabe und bin schon neugierig auf ihre nächsten Bücher.

Veröffentlicht am 26.05.2020

Segen und Fluch der Andersartigkeit

Nele oder Das zweite Gesicht
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Nele ist 14 und wohnt mit ihrer Familie in einem Dorf an der Nordsee. Ihre Eltern und Großeltern sind Bauern und harte Arbeit gewohnt. Nele hilft ihnen gerne, denn sie mag die Natur, Tiere und und das ...

Nele ist 14 und wohnt mit ihrer Familie in einem Dorf an der Nordsee. Ihre Eltern und Großeltern sind Bauern und harte Arbeit gewohnt. Nele hilft ihnen gerne, denn sie mag die Natur, Tiere und und das einfache Landleben. Sie versteht sich gut mit ihren Verwandten, besonders mit der Oma und hat auch einen guten Freund, mit dem sie sich regelmäßig trifft. Alles könnte perfekt sein, doch Nele verfügt über besondere Fähigkeiten, die sie selbst und ihre Mitmenschen verunsichern und sogar ängstigen. Das sensible Mädchen kann Schmerzen lindern und zuweilen Dinge voraussehen, auch wenn sie das gar nicht will und sich dagegen wehrt. Ihre Gabe belastet sie nämlich und angewendet raubt sie Nele ihre Kraft und ihre Gesundheit. Doktor Krill, ein berühmter Spezialist für Parapsychologie, will Neles Fall untersuchen. Gegen die Bedenken ihrer Familie entscheidet sie sich mitzumachen, in der Hoffnung, Hilfe zu bekommen. Doch will der Wissenschaftler ihr wirklich helfen?

Ich habe mich schon als junges Mädchen für die Parapsychologie interessiert und so fand ich das Buch nach einem kurzen Blick auf die Inhaltsangabe auf Anhieb interessant. Die Autorin Monika Feth war mir bereits bekannt durch die Krimireihe, zu der „Der Erdbeerpflücker“ gehört. Ich hatte sie vor Jahren sehr gerne gelesen und den Schreibstil der Autorin gemocht. Ich war gespannt, wie sie dieses besondere Thema – übersinnliche Fähigkeiten bei einem jungen Mädchen – literarisch umsetzt, hoffte auf eine interessante Lektüre und wurde tatsächlich nicht enttäuscht. Monika Feth erzeugt Emotionen, ohne große Worte zu benutzen. Ihre Sprache ist schlicht und doch vermag sie es, den Leser zu berühren. Sie erzählt Neles Geschichte sehr einfühlsam und stellt ihre innere Zerrissenheit so glaubwürdig dar, dass man mit dem Mädchen leidet und ihm am liebsten helfen möchte... Man kann sehr gut nachvollziehen, dass Nele ihre eigene Andersartigkeit zu schaffen macht und dass sie diese nicht als Segen, sondern als Last empfindet. Sehr überzeugend fand ich auch die Figur des Dr. Krills, der als passionierter Wissenschaftler in der Hoffnung auf spektakuläre Ergebnisse das seelische Wohl des Mädchens außer Acht lässt. Er sieht Nele lediglich als Forschungsobjekt und merkt nicht, wie sehr er ihr schadet. Ich kann mir vorstellen, dass ähnliche Konflikte in der Welt der Wissenschaft keine Seltenheit sind.

Alles in allem fand ich das Buch gutgeschrieben und lesenswert. Ich würde es gerne allen empfehlen, die offen für Dinge sind, die man nicht mit dem bloßen Auge sehen kann.

Veröffentlicht am 10.09.2019

Historischer Krimi trifft sanften Grusel

MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal - Band 1
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Wir schreiben das Jahr 1699. Der Richter Isaac Woodward kommt mit seinem jungen und scharfsinnigen Gerichtsdiener Matthew Corbett in die kleine Stadt Fount Royal, die erst vor wenigen Jahren in den amerikanischen ...

Wir schreiben das Jahr 1699. Der Richter Isaac Woodward kommt mit seinem jungen und scharfsinnigen Gerichtsdiener Matthew Corbett in die kleine Stadt Fount Royal, die erst vor wenigen Jahren in den amerikanischen Carolina-Kolonien gegründet wurde. In der Stadt geschehen seit einer Weile merkwürdige und erschreckende Dinge: ungeklärte Morde, Brände und seltsame Krankheiten, die die Bevölkerung dezimieren und viele zur Abreise bewegen. Die verbleibenden Einwohner, allen voran der Bürgermeister und Stadtgründer Mr. Bidwell, glauben die Ursache der Misere zu wissen: Sie geben die Schuld daran einer jungen Frau, die sie für eine Hexe halten. Woodward soll ihr einen Prozess machen und am besten schnell auf den Scheiterhaufen schicken – die meisten in der Stadt können dies kaum erwarten. Doch ist die schöne und kluge Rachel Howarth tatsächlich schuldig oder eher ein Opfer? Matthew, der sich von Rachel seltsam angezogen fühlt und an ihre Unschuld glaubt, geht der Sache auf den Grund und stößt dabei auf weitere rätselhafte und verstörende Sachen. In Fount Royal treibt das Böse tatsächlich ihr Unwesen und er will nun herausfinden, wer oder was dahinter steckt...

Ich habe mir dieses Buch aufgrund der vielen begeisterten Kritiken zugelegt. Der Klappentext hörte sich in der Tat sehr interessant an und auch das Cover fand ich sehr ansprechend. Geheimnisvoll und düster, regt es die Phantasie der Leser an, kündigt eine Gänsehaut-Atmosphäre an und macht neugierig auf den Inhalt.
Nun bin ich mit der Lektüre des Buches fertig und muss feststellen, dass es meine Erwartungen nicht ganz erfüllt hat. Ich habe mich auf den wohligen Schauer gefreut, ich wollte mich gruseln. Vielleicht bin ich inzwischen zu abgebrüht, weil ich etliche Thriller gelesen und geschaut habe, die öfters nichts für Zartbesaitete waren. Die Tatsache ist, beim Lesen der „Hexe von Fount Royal“ wollte sich die von mir erhoffte Stimmung nicht einstellen. Im Gegenteil: Manche Passagen haben mich zum Schmunzeln gebracht, weil sie meines Erachtens herrlich witzig geschrieben sind und viel Situationskomik enthalten. Ist das jetzt schlecht? Nein, ganz und gar nicht. Denn auch wenn mich der Roman in einer Hinsicht etwas enttäuscht hat, so hat er mich andererseits auch positiv überrascht. Die um die Wende zum 18. Jahrhundert in Carolina angesiedelte Geschichte ist tatsächlich spannend und enthält überraschende Wendungen. Der Autor schreibt flüssig und die von ihm erschaffenen Charaktere wirken oft sehr lebendig, so dass man sie sich mühelos vorstellen oder sogar in sie hineinversetzen kann. Ich konnte sehr gut die Neugier des cleveren Titelhelden Matthew Corbett nachvollziehen und begleitete ihn gerne bei seinen Ermittlungen, litt mit dem kranken Richter Woodward, empfand Mitgefühl für die arme Rachel und entwickelte eine Abneigung gegen den eitlen und egoistischen Mr. Bidwell. Das Buch punktet auch durch den von mir bereits erwähnten – zugegeben, oft recht derben – Humor und vermittelt am Rande interessante Informationen zum Leben der amerikanischen Pioniere.
Da der erste Band mit einer neuen und für Corbetts Ermittlung wichtigen Entdeckung endet, der er im Band zwei nachgehen will, ist man als Leser gespannt, wie die Geschichte weitergeht. Ich jedenfalls freue mich auf die Fortsetzung

Mein Fazit: Auch wenn ich von dem Roman nicht restlos begeistert bin, so finde ich ihn durchaus unterhaltsam und kann ihn allen empfehlen, die eine Vorliebe für historische Krimis mit einem Hauch Gänsehaut haben.

Veröffentlicht am 17.05.2019

Eine interessante Idee, spannend umgesetzt

Thalamus
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Ein Motorradunfall stellt das Leben des 17-jährigen Timo auf den Kopf. Zwar überlebt er die schwere Operation, kann aber vorerst weder sprechen noch laufen. Auf Anraten seines Arztes wird er in der abgelegenen ...

Ein Motorradunfall stellt das Leben des 17-jährigen Timo auf den Kopf. Zwar überlebt er die schwere Operation, kann aber vorerst weder sprechen noch laufen. Auf Anraten seines Arztes wird er in der abgelegenen Rehaklinik Markwaldhof untergebracht, wo sich ein Team aus Ärzten, Fachtherapeuten und Pflegepersonal um Patienten wie er kümmert. Die Einrichtung genießt einen guten Ruf und tatsächlich scheint sich Timo recht schnell von den Folgen des Unfalls zu erholen. Seine Genesung wird aber von merkwürdigen Nebenwirkungen begleitet, die Timo Angst machen. Genauso wie sein Zimmernachbar, der tagsüber ein Koma-Patient ist, nachts aber aufsteht und kein angenehmer Zeitgenosse ist. Zu dumm, dass Timo keinem davon erzählen kann, denn mit dem Sprechen hat er immer noch große Probleme. Bald macht er weitere, ähnlich beängstigende Entdeckungen und spätestens jetzt wird ihm klar, dass im Markwaldhof etwas faul ist...
Ursula Poznanski, die sich mit ihren Jugend- und Erwachsenenthrillern bereits mehrmals in die Bestsellerlisten geschrieben hat, gelang mit diesem Roman ein weiteres fesselndes Buch, das mit einem interessanten Plot, lebendigen Charakteren und einer ordentlichen Portion Spannung punktet. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass "Thalamus" vor allem älteren Jugendlichen gefallen wird, da sie vermutlich empfänglicher für die Thematik sind und sich mit Timo und seinen Freunden besser identifizieren können. Ich bin zwar schon deutlich älter, aber auch mir hat die Lektüre Spaß gemacht und einige unterhaltsame Stunden beschert. Zwar halte ich die Idee, die der Handlung zugrunde liegt, für ziemlich abwegig, konnte mich aber damit arrangieren und es hat mich nicht weiter gestört. Im Gegenteil: Ursula Poznanski schreibt so fesselnd und glaubhaft, dass man ihr auch scheinbar absurde Ideen abkauft und in ihre Geschichten eintaucht. So war es für mich auch bei diesem Buch.

Zu erwähnen wäre aus meiner Sicht noch das originell und wunderschön gestaltete Cover, das sofort ins Auge springt und neugierig auf den Inhalt macht.

Fazit: Ein spannender Jugendthriller, gut geschrieben und mit überraschenden Wendungen, für alle Fans des Genres und vor allem für jüngere Leser sehr zu empfehlen!

Veröffentlicht am 16.05.2019

Die Magie des Erzählens

Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte
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Was für ein zauberhaftes Buch! Mein erstes von Rafik Schami und ich bin richtig begeistert von der Kraft, Lebendigkeit und Schönheit seiner Sprache! Der Autor, der in Syrien aufgewachsen ist, kam als junger ...

Was für ein zauberhaftes Buch! Mein erstes von Rafik Schami und ich bin richtig begeistert von der Kraft, Lebendigkeit und Schönheit seiner Sprache! Der Autor, der in Syrien aufgewachsen ist, kam als junger Mann nach Deutschland, studierte Chemie, promovierte und bekam einen guten Job beim einem Weltkonzern. Den hat er jedoch aufgegeben, um seinen Traum zu verwirklichen und Erzähler zu werden. Wie es dazu gekommen ist, dass Erzählen seine größte Leidenschaft wurde, berichtet er in diesem Buch.
Rafik Schami nimmt uns Leser auf eine abenteuerliche Reise nach Damaskus seiner Kindheit und entwirft dabei ein faszinierendes Porträt einer Stadt und seiner Einwohner. Es sind vor allem einfache Menschen, von denen er spricht: Kutscher, Frisöre, Verkäufer... All diese Menschen haben eins gemeinsam: Sie erzählen gern und hören auch gern zu. Einige von ihren Geschichten können wir hier nachlesen. Sie sind durchaus spannend und unterhaltsam. Es wird uns aber bei der Lektüre klar, dass sie beim Niederschreiben viel von ihrem Zauber verlieren. Man müsste sie mit eigenen Ohren hören, erwartungsvoll dem Verlauf jeder Geschichte folgen, den Erzähler, seine Mimik und Gestik beobachten, ihn zwischendurch anfeuern, über den möglichen Ausgang der Geschichte spekulieren... Rafik Schamis Buch ist eine Lobeshymne auf die Kunst des mündlichen Erzählens, das in so gut wie jeder Kultur und gerade im Orient eine lange Tradition hat. Er betont ihre wichtige Rolle, die sie für die Identität und den ethnischen Zusammenhalt einzelner Völker spielt. In einem wissenschaftlichen Exkurs setzt sich der Autor mit der mündlichen und schriftlichen Erzählweise auseinander und erklärt die Unterschiede dazwischen. Er verdeutlicht, wie sich die mündliche Kunst im Laufe der Zeit verwandelte und macht uns darauf aufmerksam, dass gerade jetzt, im Zeitalter der Digitalisierung, das Erzählen und Zuhören eine Art Renaissance erleben. Die mündliche Kunst ist wieder in, wenn auch in veränderter Form. Ein Beweis dafür sind Erfolge, die Kabarettisten, Comedians und andere Wortkünstler feiern und ganz besonders die große Popularität von Hörbüchern. All diese Erkenntnisse werden einleuchtend und interessant dargestellt. Am besten haben mir an dem Buch aber die eingestreuten Geschichten und Anekdoten gefallen. Wie gerne würde ich jetzt eine Lesung mit Rafik Schami besuchen, um diese direkt von ihm zu hören...

Fazit: Ein interessantes und erkenntnisreiches Buch für alle, die Spaß am Erzählen und Zuhören haben und sich für Sprachen und Kulturen interessieren.