Das Grauen wohnt nebenan
Mitten in der StadtEs ist nach "Trümmerkind", das mich restlos begeistert hat, mein zweiter Roman von Mechtild Borrmann und ich muss gestehen, dass ich erneut sehr beeindruckt bin.
Das Cover - eine einsame Bank in einem ...
Es ist nach "Trümmerkind", das mich restlos begeistert hat, mein zweiter Roman von Mechtild Borrmann und ich muss gestehen, dass ich erneut sehr beeindruckt bin.
Das Cover - eine einsame Bank in einem menschenleeren Park - sieht auf den ersten Blick nicht besonders nach Spannung aus. Auch das Ereignis, das die Handlung einleitet - ein Einbruch bei einem Juwelierladen - ist verglichen mit den meisten Krimis und Thrillers, die auf dem Markt sind, nicht besonders spektakulär. Und doch ist die Story, die uns die Autorin hier erzählt, fesselnd und von einer seltenen Intensität. Abwechselnd schildert sie die Versuche der Polizei, den Fall zu lösen und die Geschichte eines italienischen Restaurantbesitzers, der zufällig Zeuge des Überfalls wurde und dessen Leben von da an aus den Fugen gerät. Der dritte Handlungsstrang handelt von der Frau eines Alkoholikers und Verbrechers, der an dem Raub beteiligt war. Besonders ihr trauriges und bewegendes Schicksal ist eine exzellente psychologische Studie; Mechtild Borrmann schildert die Personen - allen voran die Gestalt von Martina Koller - und ihre Handlungen so plastisch und realistisch, dass man sie quasi vor Augen hat, sich mit ihnen identifizieren und – in dem Fall – leiden muss. Dabei bleibt ihr Schreibstil ruhig, schlicht und lapidar. Man findet keine überflüssigen Beschreibungen oder Kommentare, kaum kräftige Ausdrücke. Vieles bleibt ungesagt, zwischen den Zeilen und wirkt dadurch umso stärker. Die Autorin ist für mich eine absolute Meisterin der leisen Töne, die aber einen aufmerksamen Leser berühren und erschüttern. Denn es ist nicht eine fremde, exotische Welt, in der sich ihre Geschichten zutragen – es könnte auch um die Ecke passiert sein. Und die handelnden Personen sind Leute von nebenan – zum Beispiel eine stille Frau und Mutter, die man vielleicht auf der Straße kaum wahrnimmt, die aber ein schreckliches Geheimnis mit sich herumträgt... Genau das macht das Buch so besonders – man kann nach der Lektüre nicht einfach ausatmen und sagen: „Gott sei dank alles nur Fiktion“, wie man das nach dem Anschauen eines Holywood - Streifens macht; nein, es rüttelt uns wach, denn solche Geschichten passieren wirklich und manchmal könnten wir vielleicht durch mehr Interesse für unsere Mitmenschen und mehr Sensibilität dazu beitragen, dass sie nicht in Katastrophe enden...
Mein Fazit: Ein sehr interessantes, bewegendes und toll geschriebenes Buch, sehr zu empfehlen!