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Veröffentlicht am 15.01.2021

Schuld verjährt nicht

Der Fall Collini
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Ein brutaler Mord an einem Industriellen in einem Berliner Nobelhotel sorgt für Schlagzeilen. Der Tote Hans Meyer war über achtzig und ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Sein Mörder Fabrizio Collini ...

Ein brutaler Mord an einem Industriellen in einem Berliner Nobelhotel sorgt für Schlagzeilen. Der Tote Hans Meyer war über achtzig und ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Sein Mörder Fabrizio Collini ist italienischer Herkunft, lebt aber seit mehreren Jahren in Deutschland und war bis dato ein unbescholtener Bürger. Er gesteht die Tat, verweigert jedoch jegliche Aussage bezüglich seines Motivs. Keine einfache Aufgabe für den jungen Anwalt Caspar Leinen, der die Pflichtverteidigung in dem Fall übernimmt, vor allem, als es sich herausstellt, dass er den Toten gut kannte. Leinen versucht, Collinis Beweggründe zu verstehen und findet nach einer langen Suche tatsächlich eine Spur...

Ich habe diesen Roman bereits vor einigen Jahren zum ersten Mal gelesen und auch jetzt beim zweiten Mal bin ich genauso beeindruckt von dem Schreibstil des Autors. Ferdinand von Schirachs Prosa ist schlicht, schnörkellos, geradezu karg, aber gerade in dieser Kargheit liegt ihre große Intensität. Die Geschichte, die er erzählt, ist kein gewöhnlicher Krimi. Von Schirach ist für mich ein Meister der leisen Töne, er verzichtet auf drastische Beschreibungen und jegliche Effekthascherei, die bei manchen Autoren zuweilen Überhand nehmen. Und doch ist sein Roman dadurch nicht weniger spannend, ganz im Gegenteil. In nur wenigen Sätzen werden lebendige, höchst bewegende Bilder entworfen, die den Leser nur schwer loslassen. Collinis Fall ist zutiefst tragisch und ging mir unter die Haut. Von Schirach greift so kontroverse Themen wie Schuld, Strafe und Rache auf und tut dies ohne den erhobenen Zeigefinger. Er belehrt nicht und verurteilt nicht, bringt den Leser aber dazu, sich mit wichtigen moralischen Problemen auseinanderzusetzen und seine eigene Meinung zu bilden. Der Autor führt uns auch vor Augen, wie komplex eine menschliche Natur ist und dass keiner von uns weder nur gut oder nur böse ist.

Fazit: Fesselnd geschrieben und zum Nachdenken anregend – bitte unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 09.11.2020

Manchmal ist es nicht einfach, ein ehrlicher Bürger zu sein

Allein unter Dieben – Meine verrückte Verbrecherfamilie und ich
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Eduard Käsebier ist 13 Jahre alt und kommt aus einer Familie, in der das Stehlen und Betrügen eine lange Tradition haben. Seine Verwandten sind stolz darauf und können gar nicht begreifen, dass Eduard ...

Eduard Käsebier ist 13 Jahre alt und kommt aus einer Familie, in der das Stehlen und Betrügen eine lange Tradition haben. Seine Verwandten sind stolz darauf und können gar nicht begreifen, dass Eduard mit der Tradition brechen und ein ehrlicher Mensch werden möchte. Sie sind entsetzt über seinen Entschluss und versuchen, ihn umzustimmen. Eduard lässt sich nicht beirren und ergattert sogar seinen ersten ehrlichen Job. Doch dann stellt es sich heraus, dass sein Chef ein Verbrecher ist und Eduard für seine kriminellen Machenschaften benutzen will...

Ich habe das Buch meinem 10-jährigen Sohn geschenkt, dem es sehr gut gefallen hat. Also habe ich es auch gelesen und bin nicht enttäuscht worden. Das Buch ist sehr witzig und kurzweilig geschrieben, die Geschichte spannend und gut erzählt, das Tempo flott, die Charaktere originell und bis auf den fiesen Chef sehr liebenswürdig. Selbst die ewig nörgelnde Oma Käsebier muss man einfach mögen. Auch das Ende fand ich sehr gelungen. Last but not least punktet „Unter den Dieben“ mit einer tollen grafischen Gestaltung. Das Cover passt perfekt zum Thema, sticht mit der grellen Farbe und dem lustigen Porträt der Käsebier-Familie sofort ins Auge und macht den Leser neugierig auf den Inhalt. Zahlreiche schwarzweiße Illustrationen von Jörg Mühle sind witzig und machen gute Laune.

Fazit: Ein sehr unterhaltsamer Jugendroman, bei dem auch manche Erwachsenen durchaus auf ihre Kosten kommen, ein Lesespaß für die ganze Familie!

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Veröffentlicht am 21.10.2020

Wir sind dann mal weg!

Die Dienstagsfrauen
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Seit einem Französischkurs vor 15 Jahren treffen sich Caroline, Judith, Eva, Estelle und Kiki jeden ersten Dienstag im Monat in ihrem Lieblingsrestaurant. Die fünf Frauen könnten nicht unterschiedlicher ...

Seit einem Französischkurs vor 15 Jahren treffen sich Caroline, Judith, Eva, Estelle und Kiki jeden ersten Dienstag im Monat in ihrem Lieblingsrestaurant. Die fünf Frauen könnten nicht unterschiedlicher sein und trotzdem sind sie eng befreundet und machen sogar jedes Jahr eine gemeinsame Reise. Diesmal kommt aber alles ganz anders. Arne, der Ehemann von Judith, stirbt an Krebs. Vor seinem Tod hatte er vor, nach Lourdes zu pilgern, konnte den Weg aber nicht zu Ende gehen. Judith beschließt, dies an seiner Stelle zu tun und die übrigen „Dienstagsfrauen“ erklären sich solidarisch bereit, mitzumachen. Die gemeinsame Pilgerfahrt stellt ihre Freundschaft auf eine harte Probe, denn nach und nach wird ein Geheimnis gelüftet, das sie unangenehmen Wahrheiten ins Gesicht schauen lässt...

Dieses Buch mit einem netten, aber recht unscheinbaren Cover stand lange in meinem Bücherregal und wartete geduldig darauf, irgendwann gelesen zu werden. Aus einem Impuls heraus griff ich neulich danach und war bereits nach den ersten paar Seiten begeistert. Was für ein kluger, bewegender und dabei auch witziger Roman! Den Plot fand ich auf Anhieb interessant, war dank dem klaren, angenehmen Schreibstil blitzschnell in der Geschichte drin und begleitete gespannt die fünf Frauen auf ihrem abenteuerlichen Weg. Die facettenreichen und lebendig gezeichneten Charaktere wuchsen mir richtig ans Herz und ich litt, fieberte und freute mich mit den Protagonistinnen. Ich musste oft schmunzeln, manche Stellen machten mich aber auch nachdenklich. Und am Ende angekommen, hatte sich mein Wunsch, irgendwann selber auf einem Pilgerweg zu gehen, tatsächlich noch verstärkt

Fazit: Ein gut geschriebener, witziger Roman, der nicht nur prima unterhält, sondern auch zum Nachdenken und zur Selbstreflexion animiert – von mir fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 21.10.2020

Teuflisch gute Geschichten für starke Nerven

NORTHERN GOTHIC
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Bereits als Jugendliche war ich ein großer Fan von Horrorgeschichten und auch heute noch greife ich ab und an zu diesem Genre. Von Andreas Gruber kannte ich bis dato nur seine Krimis, fand sie allesamt ...

Bereits als Jugendliche war ich ein großer Fan von Horrorgeschichten und auch heute noch greife ich ab und an zu diesem Genre. Von Andreas Gruber kannte ich bis dato nur seine Krimis, fand sie allesamt gut und so war ich schon sehr gespannt auf diese Sammlung. Das passend zum Inhalt gestaltete, düster und geheimnisvoll wirkende Cover hat mich in richtige Stimmung gebracht und meine Neugier noch gesteigert. Was soll ich sagen? Die dreizehn unheimliche Geschichten sind ein Volltreffer! Ich hatte beim Lesen jede Menge Spaß, genoss den sanften Grusel und den schwarzen Humor. Besonders beeindruckte mich der Ideenreichtum des Autors. Keine Geschichte ist wie die andere, jede ist auf ihre Art interessant und originell. Dazu haben sie noch genau die richtige Länge, sodass man sie gut einzeln am Stück lesen kann. Von dem Inhalt werde ich nichts verraten, ich sage nur: Man wird öfters überrascht! Mich hat das Buch sehr gut unterhalten und ich bin schon sehr gespannt auf die anderen Horrorgeschichten des Autors!

Fazit: Spannend, düster, mit viel schwarzem Humor und sehr abwechslungsreich – bei Andreas Gruber kommt der Leser voll auf seine Kosten!

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Veröffentlicht am 06.10.2020

Sind wir menschliche Wesen oder Schafe?

2084
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Wir schreiben das Jahr 2084. Auf der Erde herrscht Ausnahmezustand. Die fortschreitende Globalerwärmung hatte drastische Folgen für den Planeten: Überschwemmungen, Dürre, verheerende Brände und der Anstieg ...

Wir schreiben das Jahr 2084. Auf der Erde herrscht Ausnahmezustand. Die fortschreitende Globalerwärmung hatte drastische Folgen für den Planeten: Überschwemmungen, Dürre, verheerende Brände und der Anstieg des Meeresspiegels machten viele Orte unbewohnbar, manche verschwanden sogar ganz von der Weltkarte. Die Menschheit kämpft ums Überleben. Hungersnot, Wasserknappheit, katastrophale hygienische Zustände und Krankheiten sind an der Tagesordnung. Zahlreiche Menschen sehen die Klimamigration als einzige Lösung. Manche Völker versuchen ihre Lage durch den Einsatz von Gewalt zu verbessern, zerstörerische Kriege sind die Folge... Ein 2012 geborener Historiograf setzt sich zum Ziel, entscheidende Ereignisse der jüngsten Menschheitsgeschichte zu dokumentieren, um aufzuzeigen, wie es zu den dramatischen Zuständen auf der Erde gekommen ist. Für sein Buch interviewt er mehrere Personen, darunter namhafte Wissenschaftler und Führungspersönlichkeiten, die bestimmte Aspekte und Folgen des Klimawandels näher beleuchten.

Es ist wahrhaftig ein Alptraum-Szenario, das James Lawrence Powell in seinem Buch erstellt. Seine Zukunftsprognosen für unseren Planeten sind dermaßen düster, dass ich beim Lesen fast durchgehend eine Gänsehaut hatte. Und doch las ich weiter, denn „2084“ hat mich sehr beeindruckt. Es ist ein kluges Buch zu einem brisanten Thema, mit dem sich die meisten von uns leider immer noch kaum beschäftigen. Indem der Autor eine Interview-Form wählt und fiktive Persönlichkeiten zu Wort kommen lässt, die meist verschiedene wissenschaftliche Fächer vertreten und aus unterschiedlichen Ländern kommen, zeigt er auf, dass der Klimawandel ein Problem mit einer ungeheuren Bandbreite ist und die gesamte Menschheit betrifft. Diese Herangehensweise an das schwierige Thema finde ich originell und spannend. Powell nimmt kein Blatt vor den Mund und zeigt schonungslos auf, welche Konsequenzen das rücksichtslose Handeln – bzw. Nichthandeln, wo ein Umdenken und Veränderungen bitter nötig wären – für unsere gemeinsame Zukunft haben könnten. Er appelliert an die Menschen und versucht, ihr Gewissen aufzurütteln und sie dazu zu bringen, aktiv zu werden, bevor es endgültig zu spät ist. Die von Powell vorgeschlagenen Maßnahmen – allen voran der verstärkte Einsatz der Kernenergie – mögen zwar umstritten sein, aber eins ist klar: Es ist tatsächlich höchste Zeit, zu handeln, wenn wir die Erde für unsere Kinder und Enkelkinder erhalten wollen! Wir brauchen unbedingt mehr Politiker und einflussreiche Personen, die den Ernst der Lage verstehen und den Leugnern des Klimawandels die Stirn bieten. Aber auch einfache Bürger – jeder einzelne von uns – kann und sollte einen Beitrag zum Umweltschutz leisten und wenn nötig, Zivilcourage zeigen und nötige Veränderungen fordern. Damit es nicht irgendwann wirklich heißt: „Waren sie menschliche Wesen oder Schafe?“

Fazit: „2084“ ist definitiv kein Buch, das man zwischendurch zur Entspannung lesen kann. Die Lektüre ist nicht einfach und bereitet kein Vergnügen. Und trotzdem ist es wichtig, dass Powells Werk möglichst viele Leser erreicht. Denn nur wenige Bücher haben aus meiner Sicht ähnliches Potenzial, uns Menschen aufzurütteln und zum Handeln zu bewegen. In diesem Sinne: Unbedingt lesen und weitergeben!

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