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Veröffentlicht am 06.05.2019

In der Sonne geflogen

Irgendwann verlor ich meine Flügel
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Liebe ist wohl eines der menschlichsten Gefühle und gleichzeitig das Gefühl, nach dem wir uns am meisten sehnen. Nicht umsonst geht es in ungezählten Hollywoodfilmen darum, die große Liebe zu finden und ...

Liebe ist wohl eines der menschlichsten Gefühle und gleichzeitig das Gefühl, nach dem wir uns am meisten sehnen. Nicht umsonst geht es in ungezählten Hollywoodfilmen darum, die große Liebe zu finden und zu zweit glücklich bis ans Ende seiner Tage zu leben. Die Gedichte von Nadine Kapp zeigen dieses Glück jemanden zu finden, den man liebt, der einen ebenfalls liebt und der einen im positivsten Sinne verändert. Die Gedichte zeigen aber auch, was passiert, wenn dieses Glück keine „happily ever after“ ist und eine Beziehung zerbricht.

„Der Liebe leichte Schwingen trugen mich…“ heißt es in der zweiten Szene des zweiten Akts von Romeo und Julia. Und tatsächlich ist die Liebe ein so erhabenes Gefühl, dass sie in der Literatur den Liebenden nicht selten Schwingen oder Flügel verleiht. Dieses Bild greift auch Nadine Kapp auf, lässt aber offen, ob „du“ der ganz besondere Mensch ist, oder jemand, der sie nach nach diesem ganz besonderen Menschen wieder aufgefangen hat. Unerheblich eigentlich, denn in ihren Gedichten verarbeitet sie leise aber dafür umso intensiver ihre Erfahrungen von der Liebe, über den Bruch, bis hin zu Weitergehen.

„Irgendwann verlor ich meine Flügel“ ist dabei nicht chronologisch aufgebaut. Das tut der Intensität der Gedichte allerdings keinen Abbruch. Nadine Kapp schafft es mit wenigen, exakt gesetzten Worten und einem guten Gespür für Rhythmus und Form den Leser in den Bann zu ziehen und an dem Gefühl und Ausdruck des jeweiligen Gedichts teilhaben zu lassen. Kleine Vignetten, die sich entweder auf die Liebe oder auf verschiedene Textstellen beziehen, regen zusätzlich dazu an, über den Text nachzudenken, da sich auch deren Bedeutung manchmal nicht auf den ersten Blick offenbart. Definitiv ein Buch, dass man häppchenweise genießen sollte und über dessen Texte man noch einen Moment innehält.

Veröffentlicht am 17.04.2019

Wenn du nur lange genug in den Abgrund schaust…

Das Leuchten am Rande des Abgrunds
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…schaut der Abgrund irgendwann zurück.Sam wurde von seiner Freundin und seiner Ersatzfamilie verlassen und als wäre das nicht schon schlimm genung, erfährt er von einer Katastrophe, die unzählige Menschen ...

…schaut der Abgrund irgendwann zurück.Sam wurde von seiner Freundin und seiner Ersatzfamilie verlassen und als wäre das nicht schon schlimm genung, erfährt er von einer Katastrophe, die unzählige Menschen das Leben kosten könnte. Während er einen Plan entwickelt, um die Katatstrophe aufzuhalten, wird er mit seiner Vergangenheit konfrontiert und muss feststellen, dass vieles, dass er für wahr gehalten hat, nicht der Wahrheit entspricht.Parallel dazu kümmert er sich um eine mysteriöse junge Frau, der er das Leben gerettet hat und die an einer seltsamen Krankheit zu leiden scheint. Alexis liebt alte Geschichten und scheint über eine Art kollektives Bewusstsein zu verfügen. Je mehr Sam über sie erfährt, desto erstaunlicher erscheint sie ihm und Sam wird immer bewusster, dass er womöglich nicht einmal sich selbst trauen kann.

Wenn man der Schöpfungsgeschichte glaubt, dann wurde die Welt in sieben Tagen erschaffen. Beziehungsweise in sechs Tagen und einem Sonntag. In „Das Leuchten am Rande des Abgrunds“ kehrt Autorin Stella Delaney dieses Prinzip um. Protagonist Sam erfährt ganz zu Anfang, dass er nur sieben Tage Zeit hat, um eine Katastrophe zu verhindern, die das Ende der Welt bedeuten könnte. Die Umkehrung der Schöpfungsgeschichte wenn man so will. Darüber hinaus finden sich im Text immer wieder Anklänge von Hans Christian Andersens Kunstmärchen „Die kleine Meerjungfrau“ und „Frankenstein“ von Mary Shelley. Dier Kernaussagen der beiden Geschichten spielen im Laufe der Handlungsentwicklung eine nicht ganz unwichtige Rolle.

Stella Delaney verdeutlicht in ihrem dystopischen Roman, wie wichtig Hoffnung für den Mensch als Individuum ist. Der Titel „Das Leuchten am Rande des Abgrunds“ beschreibt treffend das Gefühl einer falschen Hoffnung, an die man sich dennoch klammert. Neben dem Thema Hoffnung wird in der Geschichte aber auch immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es ist Macht und Forschung nicht zu missbrauchen. Ein eindringlicher Roman, der sich auf einer schmalen Linie zwischen Dystopie und Science-Fiction bewegt und immer wieder die Frage nach Ethik und Moral stellt.

Veröffentlicht am 05.04.2019

Für ein selbstbestimmtes Leben

Cainstorm Island – Der Gejagte
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Der siebzehnjährige Emilio lebt auf Cainstorm Island. Einer überbevölkerten, von Armut geprägten Insel, in der Hand von Gangs. Auf der anderen Seite des Meeres befindet sich das Festland: Asaria ist das ...

Der siebzehnjährige Emilio lebt auf Cainstorm Island. Einer überbevölkerten, von Armut geprägten Insel, in der Hand von Gangs. Auf der anderen Seite des Meeres befindet sich das Festland: Asaria ist das genaue Gegenteil. Reich, technologisch ganz weit vorn und in der Hand des Unternehmens Eyevision. Der Name ist Programm, wer bei Eyevision mitmacht, bekommt einen Chip in den Kopf implantiert und sendet jeden Tag eine halbe Stunde lang, die Welt durch seine Augen. Emilio trägt so einen Chip, seine waghalsigen Kletteraktionen kommen beim asarianischen Publikum an, bis er in Notwehr ein Gangmitglied tötet. Von da an ist er nicht nur vor der Gang auf der Flucht, denn Eyevision hat keine Skrupel alles für Zuschauerzahlen zu tun.
Stellenweise merkt man es „Cainstorm Island – Der Gejagte“ an, dass Autorin Marie Golien als Spieleentwicklerin arbeitet. Die rasante Handlung erinnert teilweise an Jump’n’Run Sequenzen aus Action-Adventurespielen. Dazu passend ist das Erzähltempo entsprechend hoch und lässt dem Leser kaum Atempause, nichtsdestotrotz bleibt genug Zeit für die Beschreibung von Emilios Welt und Charakterentwicklungen. Die Handlung ist leicht verständlich und nachvollziehbar, allerdings liegt der Fokus eindeutig auf den Figuren und der Botschaft des Inhalts.
Marie Golien beschreibt in „Cainstorm Island – Der Gejagte“ eine dystopische Welt, in der die negativen Effekte technischer Möglichkeiten und Sensationslust sehr deutlich werden. Zwar ist es in unserer Welt (bisher noch) nicht möglich, Chips in Köpfe zu verpflanzen, die Schaulust ist bei vielen aber durchaus vorhanden und manchmal geht vielleicht auch die Einschätzung, ob etwas real oder gestellt ist, verloren. Insofern greift die Geschichte ein wichtiges Thema auf. Auch wenn die Handlung in einer fiktiven Welt spielt, lassen sich die im Roman beschriebenen technischen Möglichkeiten problemlos in unsere Welt übertragen und regen dadurch gründlich zum Nachdenken an.

Veröffentlicht am 01.04.2019

Brüchige Welt(en)

Die Spiegelreisende 1 - Die Verlobten des Winters
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Eigentlich wäre Ophelia manchmal ganz gerne unsichtbar. Die zurückhaltende und etwas schüchterne junge Frau macht sich nichts aus Mode, versteckt sich gern hinter ihrer Brille und einem Schal, der, nun ...

Eigentlich wäre Ophelia manchmal ganz gerne unsichtbar. Die zurückhaltende und etwas schüchterne junge Frau macht sich nichts aus Mode, versteckt sich gern hinter ihrer Brille und einem Schal, der, nun ja, etwas besonders ist und ein gewisses Eigenleben führt. Allerdings passt er damit gut zu seiner Besitzerin. Auch Ophelia hat besondere Fähigkeiten. Sie kann Gegenstände lesen und durch Spiegel reisen. Auf ihrer Heimatarche Anima führt sie das Familienarchiv, bis man ihr verkündet, dass man sie mit einem jungen Adligen namens Thorn verlobt hat. Der lebt auf der eisigen Arche des Pols, was auch bald Ophelias Heimat sein soll. Ganz abgesehen davon, dass weder Ophelia noch Thorn in Anbetracht der Verlobung in Beifallsstürme ausbrechen, scheinen aber auch noch andere etwas gegen die Ehe zu haben.

In ihrem ersten Band „Die Verlobten des Winters“ der Reihe über die „Die Spiegelreisende“ führt Christelle Dabos sehr geschickt in die Handlung ein. Ophelia ist nicht nur Protagonistin, sondern auch Sympathieträgerin der Handlung und gemeinsam mit ihr kommt man nach und nach hinter die Motive der verschiedenen Hofintrigen am Pol. Dabei macht es die Autorin ihrem Hauptcharakter keinesfalls leicht, sondern erschafft eine Welt, die Ophelia immer wieder vor Probleme stellt, sie mit Rückschlägen konfrontiert und himmelschreienden Ungerechtigkeiten aussetzt. Die Geschichte besticht dabei vor allem durch ihr Konfliktpotenzial. Nicht nur die Archen sind Scherben einer zerbrochenen Welt, auch die Gesellschaft wirkt brüchig. Um zivilisierte Umgangsformen ist, zumindest gegenüber Ophelia, kaum jemand bemüht.

Dadurch, dass die Geschichte personal aus der Sicht von Ophelia erzählt wird, ergreift man als Leser automatisch Partei für sie, auch, weil einem die Handlungsmotive der anderen Charaktere fremd bleiben. Das macht die Geschichte jedoch nicht einseitig. In der Interaktion der Figuren untereinander ergeben sich immer wieder neue Handlungsdynamiken, wodurch die anderen Charaktere miteinbezogen werden. Hinzu kommt Christelle Dabos‘ Schreibstil, der einen vollkommen in die Geschichte eintauchen lässt und den Leser in die Welt der Archen entführt.

Veröffentlicht am 14.03.2019

Reise zu sich selbst

Der Atlas der besonderen Kinder
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Eines vorweg: Jacob Portman ist nicht verrückt, sondern nur besonders. Auch, wenn es seinen Eltern schwerfällt, das einzusehen und sie ihn eine psychiatrische Anstalt bringen wollen. Daraus wird allerdings ...

Eines vorweg: Jacob Portman ist nicht verrückt, sondern nur besonders. Auch, wenn es seinen Eltern schwerfällt, das einzusehen und sie ihn eine psychiatrische Anstalt bringen wollen. Daraus wird allerdings nichts, weil Miss Peregrine und die anderen besonderen Kinder plötzlich bei Jacob auftauchen. Erst einmal davor sicher in eine Psychiatrie gebracht zu werden, hilft Jacob seinen Freunden nicht nur sich in der heutigen, modernen Welt zurechtzufinden, sondern begibt sich auf Spurensuche, um hinter die Geheimnisse seines Großvaters zu kommen. Diese Suche führt ihn auf einen Roadtrip durch Amerika bei dem er schnell feststellen muss, dass nicht nur andere Länder andere Sitten haben, sondern auch andere Zeiten.

Nachdem in den bisherigen Bänden der Fokus eher auf der Vergangenheit lag, spielt „Der Atlas der besonderen Kinder“ zu großen Teilen in der Gegenwart. Hauptcharakter Jacob hat ein sehr persönliches Handlungsmotiv: Die Geheimnisse seines Großvaters zu entschlüsseln, um herauszufinden, wer Abe Portman eigentlich wirklich war. Der Roadtrip auf den Spuren des Großvaters wird für Jacob aber auch zu einer Reise zu sich selbst und man hat den Eindruck, dass er am Ende der Geschichte ein ganzes Stück erwachsener und verantwortungsbewusster geworden ist.

Ransom Riggs schafft auch hier wieder sehr facettenreiche und differenzierte Charaktere. Zu den bereits Bekannten kommen neue hinzu, die wiederum sehr individuell agieren. Stilistisch bleibt er sich treu, sodass der vierte Band, obwohl er Beginn einer neuen Trilogie ist, nahtlos an die anderen anknüpft. Die Erzählstränge werden logisch miteinander verknüpft und auch, wenn die Reise im Mittelpunkt steht, bleibt immer noch genug Raum für Interaktionen der Freunde untereinander und neue Bekanntschaften mit anderen Besonderen. Zwischendurch hat die Geschichte allerdings ein paar Längen, was vermutlich auch dem Roadtrip selbst geschuldet ist. Auf langen Autofahrten kann man auch schon mal im Stau stehen. In der Summe ist der Auftakt zur neuen Trilogie aber sehr gelungen und schürt definitiv die Erwartungen auf die Folgebände.