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Veröffentlicht am 04.12.2018

Nur ein Körnchen Staub im Laufe der Geschichte

Bernsteinstaub
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Für denjenigen, der sich langweilt, scheint die Zeit nur so dahinzukriechen. Für denjenigen, der sich mit Freude und Eifer einer Sache widmet, vergeht die Zeit wie im Flug. Das sich dahinter nicht einfaches ...

Für denjenigen, der sich langweilt, scheint die Zeit nur so dahinzukriechen. Für denjenigen, der sich mit Freude und Eifer einer Sache widmet, vergeht die Zeit wie im Flug. Das sich dahinter nicht einfaches Zeitempfinden, sondern etwas ganz anderes, viel größeres verbirgt, erfährt Ophelia, als sie beginnt Staub zu sehen. Nicht nur ein paar Flusen in der Ecke, sondern Ströme von Staub, die offenbar zielgerichtet fließen. Ophelia gehört zu den Zeitlosen, die Zeitströme sehen und beeinflussen können. Allerdings scheint die Zeit auf der Welt ordentlich durcheinander gekommen zu sein und Ophelia soll an einem Turnier teilnehmen, dessen Aufgaben darin besteht, dieses Chaos wieder in Ordnung zu bringen.

Mechthild Gläser gelingt es in „Bernsteinstaub“ wunderbar, ein so komplexes und schwer greifbares Thema wie Zeit verständlich und logisch zu einer Geschichte zu verweben. Dabei lässt sie die Geschichte sich in ihrer eigenen Dynamik entwickeln, wodurch man Einblick in die einzelnen Motivationen der Charaktere, aber auch über das Konstrukt der Zeit an sich erhält. Protagonistin der Geschichte ist ganz klar Ophelia, allerdings wird abwechselnd sowohl aus ihrer als auch aus der Sicht von Leander, ebenfalls Zeitloser und Teilnehmer des Turniers, erzählt. Erwartungsgemäß entwickelt sich zwischen den beiden eine Liebesgeschichte, die allerdings weder besonders betont noch in den Fokus gerückt wird. Hauptthema der Geschichte ist ganz klar die Zeit, der Umgang mit ihr und ihre Verwirrung.

Einige Figuren sind erkennbar auf das Hauptmotiv des Buches ausgerichtet, was auch zu „sprechenden“ Namen führt. Diese geben bei dem einen oder anderen Charakter auch Aufschluss über das Verhalten, was bei Shakespeare- oder Mythologiekennern für Vermutungen sorgt, wie die Geschichte denn wohl ausgehen könnte. Allerdings weiß Mechthild Gläser, vor allem zum Ende der Geschichte hin, auch noch die eine oder andere überraschende Wendung einzubauen. Zwar ist die Geschichte von Verlagsseite ab 12 Jahren empfohlen, was eher auf ein Jugendbuch schließen lässt, allerdings sorgen das Thema Zeit sowie der eine oder andere Verweis auf eben Shakespeare oder die Mythologie dafür, dass sicherlich auch erwachsene Leser gerne in „Bernsteinstaub“ eintauchen.

Veröffentlicht am 14.11.2018

Hundert Vorbilder mehr

Good Night Stories for Rebel Girls 2
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Manche Dinge sind so gut, dass man mehr davon haben möchte. Nachdem in „Good Night Stories for Rebel Girls – 100 außergewöhnliche Frauen“ schon einige Frauen vorgestellt wurden, die Besonderes geleistet, ...

Manche Dinge sind so gut, dass man mehr davon haben möchte. Nachdem in „Good Night Stories for Rebel Girls – 100 außergewöhnliche Frauen“ schon einige Frauen vorgestellt wurden, die Besonderes geleistet, sich für ihre Rechte eingesetzt und damit andere inspiriert haben, erzählt „Good Night Stories for Rebel Girls 2 – Mehr außergewöhnliche Frauen“ von weiteren 100 Frauen, die als Vorbilder gelten können.

Francesca Cavallo und Elena Favilli haben in dem zweiten Band der Gute-Nacht-Geschichten für rebellische Mädchen Geschichten versammelt, auf die sie, nach eigenen Angaben, durch die Leserinnen und Leser des ersten Bandes gestoßen wurden. Geschichten, die schon immer da waren, aber erst durch die Geschichten des ersten Bandes als Geschichten über Rebel Girls wahrgenommen wurden. Auch der zweite Band motiviert und inspiriert nicht nur dazu, den rebellischen Heldinnen nachzueifern, sondern sorgt auch dafür, das Außergewöhnliche in den Biografien vieler Frauen zu erkennen. Unabhängig davon ob diese eine Berühmtheit ist, wie etwa Beyoncé oder Ellen DeGeneres oder eine nicht ganz so bekannte Wissenschaftlerin ist, wie beispielsweise Alice Ball oder Sara Seager.

Sortiert sind die Geschichten über außergewöhnliche Frauen dabei nach dem Anfangsbuchstaben des Vornamens. Jeder Frau sind eine Seite und eine Illustration gewidmet. Der Erzählstil ist dabei für jüngere Leserinnen ausgelegt, fasziniert aber Erwachsene genauso. Zumal viele der vorgestellten Frauen vielleicht auch gar nicht bekannt sind. Die Bereiche, in denen die porträtierten Frauen rebellisches geleistet haben, reichen dabei von Sport über Musik über Schauspielerei über Kunst und Literatur über Wissenschaft bis hin zu Politik und machen deutlich, dass jede Frau auf ihrem Gebiet eine Heldin sein kann. Zu den faszinierenden und teilweise aufschlussreichen Geschichten kommen die farbigen Illustrationen, die von 60 Künstlerinnen aus aller Welt gezeichnet wurden. Ein Buch, das jüngeren Leserinnen Mut macht ihre Träume zu verwirklichen und erwachsenen Leserinnen noch einiges über spannende Frauen beibringt.

Veröffentlicht am 11.11.2018

Männer und Frauen und die Gesellschaft an sich

Spinster Girls – Was ist schon normal?
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Evie leidet unter einer Zwangsstörung und wünscht sich nichts sehnlicher, als einfach nur normal zu sein. Mit Freundinnen treffen, Partys besuchen, mit Jungs rumknutschen,… Einfach Dinge zu machen, die ...

Evie leidet unter einer Zwangsstörung und wünscht sich nichts sehnlicher, als einfach nur normal zu sein. Mit Freundinnen treffen, Partys besuchen, mit Jungs rumknutschen,… Einfach Dinge zu machen, die jede normale Sechzehnjährige halt so macht. Zwischen Genesungsprozess und Gefühlschaos ist Normalsein aber gar nicht so einfach. Und was ist schon normal?

Holly Bourne versammelt in „Spinster Girls – Was ist schon normal?“ einige wichtige Themen. Dazu gehören Selbstfindung, Umgang mit psychischen Krankheiten, Liebe, Freundschaft und Feminismus. Das erscheint zwar viel, allerdings überlädt die Themenvielfalt die Handlung dabei nicht. Eher wird dadurch deutlich, mit wie vielen Aspekten sich Jugendliche sich im Prozess des Erwachsenwerdens auseinanderzusetzen haben. Im Zusammenhang mit der Selbstfindung wird die titelgebende Frage „Was ist schon normal?“ gestellt und man stellt schnell fest, dass sich das gar nicht so einfach beantworten lässt. Vor allem nicht, da Holly Bourne auf das wichtige Thema Feminismus verweist. Die Geschichte reflektiert, indem sie Situationen aufzeigt, bei denen man sich unwillkürlich selbst ertappt fühlt. Und am Ende steht die Erkenntnis, dass das gesellschaftlich Normale gut daran täte sich zu ändern.

Am Anfang muss man sich ein wenig auf das Buch einlassen. Nicht, weil die Geschichte langweilig oder der Schreibstil unzugänglich ist, sondern aufgrund der besonderen Erzählstruktur. Die Geschichte beginnt mit Evies Genesungstagebuch und setzt dann mit der eigentlichen Handlung ein, die aus der Sicht der Protagonistin erzählt wird. Wodurch man einen umfassenden Einblick in Evies Gedankengänge erhält. Auch der Erzählton ist einem sechzehnjährigen Mädchen angemessen. Zwischendurch tauchen immer wieder Seiten aus Evies Genesungstagebuch auf, die durch die Datierung auch eine zeitliche Orientierung bieten. Stilistisch gesehen wird die Handlung durch diese Einschübe unterbrochen, allerdings wird die Erzählung durch die Informationen zu Evies Genesungsstand trotzdem weitergeführt, sodass der Lesefluss nur unterbrochen wird, um aufmerksam zu machen. „Spinster Girls – Was ist schon normal?“ ist eine wichtige und und äußerst lesenswerte Geschichte, die eigentlich auch zur Schullektüre gehören sollte. Nicht nur für Mädchen.

Veröffentlicht am 02.11.2018

Eulen, Wunder, Angst und Hoffnung

Wie Eulen in der Nacht
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Eulen sind weise. Deshalb wissen sie auch immer ganz genau, wann in Bicho Raro wieder ein Wunder bevorsteht. Dabei muss jeder der Pilger, der dorthin kommt, zwei Wunder erleben. Eines, dass sein Problem ...

Eulen sind weise. Deshalb wissen sie auch immer ganz genau, wann in Bicho Raro wieder ein Wunder bevorsteht. Dabei muss jeder der Pilger, der dorthin kommt, zwei Wunder erleben. Eines, dass sein Problem sichtbar macht und eines, dass erst eintritt, wenn er sich mit diesem Problem auseinandergesetzt hat. Die Mitglieder der dort lebenden Familie Soria dürfen sich nicht in die Wunder einmischen, weshalb sie den Kontakt zu den Pilgern größtenteils meiden. Als Pete Wyatt nicht als Pilger in die Stadt kommt und auch kein Wunder erleben will, beginnen sich die Dinge zu ändern.

Maggie Stiefvaters „Wie Eulen in der Nacht“ ist mehr als nur eine Fantasygeschichte. In der 1962 in Colorado angesiedelten Handlung geht es um zwischenmenschlichen Umgang und die Auseinandersetzung mit eigenem Fehlverhalten sowie den inneren Dämonen. Im Roman wird das als Dunkelheit bezeichnet und die kann sehr erdrückend werden. Die Dunkelheit ist es auch, die das Verhalten der Bewohner von Bicho Raro maßgeblich beeinflusst. Bicho Raro hat zwei Arten von Bewohnern, die Pilger und die Familie Soria, deren Familiengeschichte ebenfalls Einfluss auf die Ereignisse hat.

Am Ende des Romans stehen verschiedene Erkenntnisse. Erstens, dass man mitunter Hilfe braucht, um bestimmte Dinge an sich selbst zu erkennen und zu ändern, Zweitens, dass es hilfreich sein kann miteinander zu sprechen oder manches laut auszusprechen. Drittens, dass es wichtig ist, ab und zu seine Angst zu überwinden, da Angst jede Hoffnung ersticken kann. „Wie Eulen in der Nacht“ umfasst zwar nur knapp 300 Seiten ist aber keine Geschichte, die sich schnell weglesen lässt. Dazu ist die Handlung zu vielschichtig und die Probleme der Pilger bieten viel zu viel Anlass zum Nachdenken, als dass man diese als gegeben hinnehmen könnte. Gerade diese Aspekte lassen die Geschichte jedoch tiefgründiger werden und machen ihren Reiz schließlich aus.

Veröffentlicht am 23.10.2018

Mit ein wenig Abstand betrachtet

Der Apfelbaum
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Der Roman beginnt 1915, als Hauptcharakter Otto geboren wird. 1932 lernt er seine große Liebe Sala kennen. Sechs Jahre später zwingt Salas familiärer Hintergrund sie zur Flucht, als der Krieg beginnt, ...

Der Roman beginnt 1915, als Hauptcharakter Otto geboren wird. 1932 lernt er seine große Liebe Sala kennen. Sechs Jahre später zwingt Salas familiärer Hintergrund sie zur Flucht, als der Krieg beginnt, wird Otto von der Wehrmacht eingezogen. Ab da beginnt eine Odyssee, die die beiden erst Jahre später wieder zusammenführt.

„Der Apfelbaum“ beginnt mit einem Vorspann, der als wegweisend für die folgenden Ereignisse gelten kann. Ein Kind beobachtet, wie alte Bäume gefällt werden, ein knorriger Apfelbaum bleibt allerdings stehen. Der Apfelbaum kann hier nicht nur als Sinnbild für einen Familienstammbaum stehen, sondern auch für die Personen im Roman, die alle eine eigene Last zu tragen haben und dennoch aufrecht stehen. Dabei gliedert sich der Roman in zwei Teile. Einen erzählenden in der Vergangenheit und einen gegenwärtigen, der stellenweise den Eindruck einer Kommentarfunktion vermittelt. Die Verknüpfung zwischen beiden ist der Erzähler, der sich als Ich-Erzähler selbst in die Gegenwartshandlung schreibt.

Hinter dem Roman steckt intensive Recherche, was vor allem daran deutlich wird, dass der Zeitgeist der Vergangenheit, die Lebensumstände der beschriebenen Personen und deren Beziehungen zueinander fast schon detailliert erzählt werden. Die Schonungslosigkeit mit der sowohl menschliche Abgründe als auch bedingungslose Liebe geschildert werden, macht den Reiz des Romans aus. Die Perspektivenwechsel sorgen in diesem Zusammenhang immer wieder für ein kurzes Auftauchen und Innehalten beim Lesen. Diese bewusst gesetzte Unterbrechung des Leseflusses lässt den Leser aber auch aufmerksam werden und kurz über das Gelesene nachdenken. Wer sich das Buch aufgrund des Prominenzbonus kauft, wird sicherlich enttäuscht sein, da man über Christian Berkel selbst nicht viel erfährt. „Der Apfelbaum“ ist die fiktionalisierte Geschichte seiner Eltern und teilweise auch seiner Großeltern. Wovon man allerdings nur schwerlich enttäuscht sein kann, ist die Erzählung selbst. Diese ist fesselnd und von ihrer Struktur her spannend zu lesen.