Profilbild von brauchnix

brauchnix

Lesejury Star
offline

brauchnix ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit brauchnix über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.05.2017

sehr lesenswert

Der Näher
1

Martin Abel ist Fallanalytiker. Diese Damen und Herren mag ich in Krimis immer besonders gerne. Sie sind nicht, wie die Gerichtsmediziner, fürs Grobe zuständig, sondern für die Psyche eines Täters. Und ...

Martin Abel ist Fallanalytiker. Diese Damen und Herren mag ich in Krimis immer besonders gerne. Sie sind nicht, wie die Gerichtsmediziner, fürs Grobe zuständig, sondern für die Psyche eines Täters. Und da gibt es meist Spannendes zu entdecken. So auch hier in meinem ersten Roman von Rainer Löffler. Ohne Vorkenntnis der ersten beiden Bände hatte ich trotzdem keine Probleme in die Geschichte rein zu finden. Hilfreich war vielleicht, dass Abel diesmal an einen anderen Ort als seinen angestammten berufen wird und da mit fremden Kollegen zu tun hat. Er ist zur Unterstützung in Gummersbach.

Durch die wechselnden Perspektiven und schnelle Szenenwechsel erhält das Buch ein hohes Tempo und man bekommt viele verschiedene Eindrücke und hat auch mal mehr Wissen, als die Ermittler und Abel. Dadurch ist es besonders unterhaltsam mitzuerleben, wie sie diesen Rückstand wieder wett machen und dem Täter nach und nach auf die Schliche kommen. Der Plot hat ein paar Überraschungen und eine gelungene Auflösung.

Ich finde selten Krimis und Thriller aus deutschen Landen, die sich mit den internationalen Bestsellerautoren direkt vergleichen lassen. Dies liegt auch daran, dass die Deutschen vor allzu viel Blut und Gewalt oft zurückschrecken. Dieses Problem hat Herr Löffler aber nicht. Man muss sich auf einige ziemlich harte Szenen gefasst machen und ich fühlte mich an Chris Carter und ähnliche erinnert. Da ich nicht so empfindlich bin, hatte ich damit kein großes Problem. Ob es immer unbedingt nötig gewesen wäre, sei dahingestellt. Mir hat der Krimi ausgesprochen gut gefallen und ich werde mir demnächst die Vorgänger genehmigen. Dicke Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 02.05.2017

schöner historischer Roman

Die fremde Königin
0

Endlich geht es weiter mit Otto dem Ersten. Im „Haupt der Welt“ konnten wir seine ersten Regierungsjahre erleben, haben seine Brüder kennen- und seine Freunde lieben gelernt. Im zweiten Band ist Otto verwitwet. ...

Endlich geht es weiter mit Otto dem Ersten. Im „Haupt der Welt“ konnten wir seine ersten Regierungsjahre erleben, haben seine Brüder kennen- und seine Freunde lieben gelernt. Im zweiten Band ist Otto verwitwet. Sein erster Sohn Liudolf bereits ein junger ungestümer Mann. Otto hegt den Wunsch, sein Reich um Italien zu vergrößern, ja, er strebt nach der Kaiserkrone, die ihm der Papst verleihen könnte. Deshalb heiratet er die junge italienische Königin Adelheid. Aber nicht jeder ist von dieser Wahl begeistert und als sie die ersten Söhne zur Welt bringt, begehrt Liudolf aus Angst vor dem Verlust seiner älteren Rechte auf und das Reich droht im Familienstreit zu zerfallen.

Wie immer wählt Rebecca Gablé eine fiktive Figur als Hauptdarsteller. Diesmal ist es der Panzerreiter Gaidemar, der den hohen Herrschaften an die Seite gestellt ist und sie schon mal aus brenzligen Situationen retten muss, dem König treu dient und sich nach und nach zu einem veritablen Helden entwickelt. Interessant sind diesmal aber vor allem die geschichtsträchtigen Personen für mich gewesen. Otto I., den seine Untertanen ob seiner tiefen Gläubigkeit und seiner gewonnenen Schlachten verehren, seine junge und kluge Frau Adelheid, die als starkes Eheweib den König mit Rat und Tat maßgeblich unterstützt, diverse eheliche und uneheliche Söhne, der intrigante und bitterböse Bruder Henning und jede Menge anderer Nebenfiguren, die durch Persönlichkeit bestechen und in diesem historischen Schauspiel teilweise sehr wichtige Rollen spielen.

Es wird geliebt und gelitten, gekämpft und gestritten. Hass und Missgunst, Ehrgeiz und Intrige, politische Raffinesse und hinterhältige Giftanschläge, aber auch Ehre und Anstand, Treue und Liebe gibt es in dieser Geschichte zu finden. Rebecca Gablé hält die Zügel fest in der Hand und führt den Leser sicher und mit einigen großen und kleinen Überraschungen durch das Buch.

Wenn man das Werk von Rebecca Gablé über die letzten 16 Jahre verfolgt und wie ich alle Bücher von ihr gelesen hat, dann ist man beeindruckt von der Kontinuität, mit der sie Bestseller abliefert. Allen Büchern – so auch diesem – ist die hervorragende Recherche anzumerken und der Erzählstil ist über die Jahre gereift und ein Genuss. Alle ihre Romane gehören zur Oberliga der historischen Romane. Aber natürlich hat man Lieblinge darunter, an denen man die anderen Bücher messen möchte. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass „Die fremde Königin“ nicht ganz an „Das Haupt der Welt“ herankommt. Manche Dinge waren für mich etwas vorhersehbar und Gaidemar ist unter den ganzen Gablé-Männern fast ein wenig eindimensional ausgefallen. Das ist natürlich „Jammern auf hohem Niveau“. Ich habe das Buch dennoch gerne gelesen und kann es empfehlen. Ich würde mich sehr freuen, wenn es nicht das Letzte Buch über die Ottomanen ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Gefühle
  • Recherche
  • Schreibstil
Veröffentlicht am 28.04.2017

stimmungsvoll

Die Strandräuberin
0

Nachdem mir „Die Walfängerin“ von Ines Thorn so gut gefallen hat, war ich gespannt auf „Die Strandräuberin“, die ja ebenfalls auf Sylt spielt. Allerdings zeitlich früher, was mich erst etwas überrascht ...

Nachdem mir „Die Walfängerin“ von Ines Thorn so gut gefallen hat, war ich gespannt auf „Die Strandräuberin“, die ja ebenfalls auf Sylt spielt. Allerdings zeitlich früher, was mich erst etwas überrascht hat, da ich irrtümlich dachte, es könnte eine Fortsetzung sein. Was mir von Anfang an gefallen hat, war wieder die Stimmung, die die Autorin meiner Meinung nach perfekt einfängt. Durch die karge Landschaft und die Härte des Lebens durch die Unbillen der Natur ist immer eine melancholische Grundstimmung zu spüren. Die Entfernung zum Festland reduziert zwangsläufig die Darsteller auf ein Mindestmaß und den Menschen geht es um die grundlegenden Dinge des Lebens. Um Freundschaft, Liebe und das nackte Überleben. Das spürt man ganz stark auch wieder bei der zweiten Insel-Geschichte und ich empfand diese Reduzierung auf das Wesentliche sehr angenehm und entspannend.
Es ist ein Buch über eine schwierige Jugendfreundschaft, die an der Gesellschaft aber auch an der Verschiedenheit der beiden jungen Frauen zerbricht. Beide ringen nach der Liebe und Nähe, erst zur Freundin, später zu einem Mann. Historische Kleinigkeiten und Fakten geben dem Setting den nötigen Schliff. Ein relativ schmales und deshalb schnell zu lesendes Buch, welches mir ausgezeichnet gefallen hat. Ich mag diesen unaufgeregten Stil der menschliche Dramen ohne viel Kitsch und Tamtam beschreibt.

Veröffentlicht am 28.04.2017

very british

Der Gentleman
0

„Der Gentleman“, das Erstlingswerk des englischen Autors Forrest Leo, ist durch und durch very british. Schon am Cover mag der aufmerksame Käufer erahnen ,dass das Buch sich nicht so einfach in ein Genre ...

„Der Gentleman“, das Erstlingswerk des englischen Autors Forrest Leo, ist durch und durch very british. Schon am Cover mag der aufmerksame Käufer erahnen ,dass das Buch sich nicht so einfach in ein Genre einordnen lässt. Der sarkastische Plauderton ist sehr trocken und es reiht sich dabei Scherz an Pointe, schlauer Spruch an Randbemerkung. Der Hauptcharakter des Dichters Lionel Savage ist borniert, exaltiert, auf aristokratische Weise stinkfaul und überheblich und er bringt dies auf unnachahmlich elegante Weise auch zum Ausdruck. Und nicht genug, wird aus der Teilperspektive des treuen Butlers Simmons durch unzählige, mal längere mal knapp gehaltene, Fußnoten den Erzählungen seines Arbeitgebers noch etwas angemerkt, wobei dieser meist wiederspricht oder klar stellt, wie es wirklich war.

Nachdem ich mir bewusst gemacht habe, dass wir uns ja im London 1850 befinden, konnte ich mir Savage lebhaft vorstellen in seinem gepflegten Haus am Pocklington Place, wo er über seine Zweckehe und seine Schreibblockade jammert und seine Frau zum Teufel wünscht, da er sie für alles Negative in seinem Leben verantwortlich macht. Damit löst er allerdings Geschehnisse aus, die er so nicht bedacht hat und er macht sich auf die Suche nach seinem Eheweib, wobei ihm die energische Schwester und der Schwager zu Hilfe eilen.

Ich hatte ja mit einer ungewöhnlichen Geschichte gerechnet, aber zeitweise ist sie wirklich sehr durchgeknallt und schräg. Man muss sich von Anfang an auf Lionel Savage und seinen Charakter einlassen, sonst wird die Sache etwas anstrengend. Als ausgleichender Pol ist der Butler immer mit geerdeter Ruhe und Gelassenheit bei der Hand und am besten hat mir sowieso die Schwester gefallen, die als quirlige 16-jährige ihren unterkühlten Bruder aus seiner Lethargie herausreist.

Wie gesagt – very british.

Veröffentlicht am 26.04.2017

wunderschön und lebensklug

Die Sommer, die wir hatten
0

„Die Sommer, die wir hatten“ ist der dritte Band einer wunderschönen historischen Buchreihe der englischen Autorin Louisa Young. Und hoffentlich nicht der letzte. Sicherlich kann man auch quereinsteigen ...

„Die Sommer, die wir hatten“ ist der dritte Band einer wunderschönen historischen Buchreihe der englischen Autorin Louisa Young. Und hoffentlich nicht der letzte. Sicherlich kann man auch quereinsteigen und mit diesem Teil anfangen. Aber damit vergibt man sich auf jeden Fall das Vergnügen des ersten Buches „Eins wollt ich dir noch sagen“ - dem Beginn einer der schönsten Liebesgeschichten, die ich je gelesen habe. Und auch der Nachfolger „Alles, worauf wir hofften“ sollte vorher genossen werden.

Auch im dritten Teil findet die Autorin einen angenehmen, sprachlich brilliantenTon, mit dem sie die teils tragischen und dramatischen Geschehnisse ebenso einfühlsam und ehrlich erzählt, wie die scheinbaren Unzulänglichkeiten des ganz normalen Alltags. Die großen und kleine Sorgen einer ungewöhnlichen Patchwork-Familie haben mich schon nach wenigen Seiten wieder so gefesselt, dass mir beim Lesen das Herz aufging. Die Autorin ist eine hervorragende Beobachterin und lässt ihre Protagonisten vor dem inneren Auge des Lesers lebendig werden. Und man muss sie lieben, die Hauptdarsteller. Neben Riley und Nadine, die man schon aus den Vorgängern gut kennt, sind es diesmal vor allem die Kinder Tom und Kitty und die italienischen Bekannten, allen voran Nenna, die in einer Zeit aufwachsen, die zwischen zwei Weltkriegen eine ganz besondere ist. Die jüdische Gemeinde in Rom spielt ebenso eine große Rolle wie der neu aufflammende Antisemitismus in weiten Teilen Europas und die politischen Entwicklungen in Italien - mit dem drohenden Gespenst des zweiten Weltkrieges. Aber es ist natürlich auch die Geschichte einer weiteren großen Liebe, die in den sonnendurchfluteten Straßen Roms ihren Anfang nimmt und über alle gesellschaftlichen und räumlichen Grenzen hinweg nach einem glücklichen Ende verlangt.

Das Buch ist frei von jeder Art von Kitsch. Es ist ergreifend und wunderschön. Es ist erschreckend in seiner Ehrlichkeit, lebensklug und voller menschlicher Wärme. Louisa Young schreibt sich mit jedem neuen Buch weiter in meinen ganz persönlichen Olymp der besten Schriftsteller, die ich kenne und schätze. Ich wünsche diesen drei Büchern möglichst viele Leser und Leserinnen. Damit steigt auch für mich die Chance, dass noch viele Romane von ihr in Deutschland erscheinen. Hier auch ein Lob an die Übersetzung. Ohne das Original persönlich zu kennen, scheint es mir doch eine sehr gelungene Transkription des Ursprungstextes.