Cover-Bild Der Gentleman
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Aufbau
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 296
  • Ersterscheinung: 11.04.2017
  • ISBN: 9783351036737
Forrest Leo

Der Gentleman

Roman
Cornelius Reiber (Übersetzer)

London, Pocklington Place, um 1850: Lionel Savage, Dichter, gerade einmal 22 Jahre alt, hat beschlossen, Selbstmord zu begehen, da er des Geldes wegen geheiratet hat und danach feststellen musste, dass er seitdem keine Zeile mehr zu Papier bringen kann. Er zieht seinen Butler Simmons zurate, weil er nicht weiß, wie er den Selbstmord genau angehen soll. Der einfachste Weg scheint ihm der Tod durch Kopfschuss zu sein. Doch Simmons gibt zu bedenken, dass dabei allerlei Körperflüssigkeiten austreten würden, die jemand aufwischen müsste. Da Savage seinem treuen Butler eine solche Schweinerei nicht zumuten will, muss er eine andere Lösung für sein Problem finden. Just in dem Moment spaziert ein freundlicher Gentleman in sein Arbeitszimmer, der sich als der Teufel höchstpersönlich entpuppt. Und bevor er sich versieht, hat Savage seine Ehefrau an ihn verkauft. So glaubt er zumindest. Doch kaum ist die Ehefrau verschwunden, stellt Savage fest, dass sie die Liebe seines Lebens ist. Er muss sie wiederfinden. Nur wo zum Teufel soll die Hölle sein?

Faule Aristokraten, ein Butler, der Teufel, eine hinterlistige kleine Schwester, Duelle und Beinahe-Duelle, Arktisexpeditionen und Scotland Yard. "Der Gentleman" ist ein rasanter Abenteuerroman und eine feine kleine Tollerei.

In seinem Debütroman gelingt es Leo, die Konventionen viktorianischer Fiktion zu parodieren. Wahnsinnig witzige Dialoge und komische Komplikationen runden die Geschichte ab.«
Publishers Weekly

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.08.2017

Großartig und geistreich!

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Lionel Savage, ein nicht gerade sehr arbeitsamer Aristrokrat im zarten Alter von 22 Jahren, hat soeben beschlossen, sich das Leben zu nehmen. Vor einem Jahr hat er, um seiner äußerst prekären finanziellen ...

Lionel Savage, ein nicht gerade sehr arbeitsamer Aristrokrat im zarten Alter von 22 Jahren, hat soeben beschlossen, sich das Leben zu nehmen. Vor einem Jahr hat er, um seiner äußerst prekären finanziellen Lage zu entfliehen, reich geheiratet, doch ist seine Gemahlin, davon musste sich der hervorragende Dichter überzeugen, absolut geistlos. Darüber hinaus hat Lionel seit der Hochzeit keinen einzigen Vers mehr zu Papier gebracht, denn offenbar hemmt der Ehestand seine künstlerischen Fähigkeiten enorm. „Dichter sind zum Träumen und Tanzen im Mondschein bestimmt und für die verzweifelte Liebe“ (S.70) Darüber hinaus ist er für ein eheablehnendes Gemüt prädestiniert – immerhin starben seine Eltern an ihrem Hochzeitstag. Kein Wunder also, dass seine unmögliche Situation einzig und allein auf Vivien Lancaster, jetzige Savage, zurückzuführen ist, die vergnügungssüchtig einen Lionel verhassten Maskenball nach dem nächsten veranstaltet.
Doch stellt sich nun ein neues Problem ein: Wie soll er seinem Leben ein Ende setzen? Gegen seine Idee, sich zu erschießen, wendet der wohl weltbeste Butler namens Simmons ein, dass er, da er die wenig appetitlichen Körperflüssigkeiten nach einem Kopfschuss aufwischen müsste, von jenem Vorschlag nicht gerade begeistert sei. Wieder allein gelassen – während unten ein Maskenball wütet – überlegt Lionel also, welche Alternativen des Selbstmordes sich ihm wohl böten. Just in diesem Moment betritt ein sehr freundlicher, etwas schüchterner aber sich durchaus als sympathisch herausstellender Gentleman das Zimmer des Aristokraten. Er ist gekommen, um sich bei Lionel zu bedanken, der ihn zuvor beim Pfarrer kurz in Schutz genommen habe. Die Verwirrung ist groß als sich herausstellt, dass der werte Herr der Teufel persönlich ist.
Die beiden Gentlemen – wobei der objektive Betrachter anzweifeln darf, ob diese – vom Dichter für auf sich passend befundene – Beschreibung tatsächlich zutreffend ist – unterhalten sich wunderbar bis die Sprache irgendwann unweigerlich auf Lionels Verdammnis, seine Ehefrau, fällt. Am liebsten würde er sie loswerden und stattdessen lieber wieder auf die Höhen seiner dichterischen Fähigkeiten gelangen.
Tatsächlich ist, kurz nachdem der Teufel verschwunden ist, Vivien Savage unauffindbar. Hat Lionel seine Frau ohne es ausdrücklich gewollt oder gesagt zu haben an den Teufel verkauft? Oder sogar einfach verschenkt? Da ihn das schlechte Gewissen plagt und er feststellen muss, dass er ohne Vivien vielleicht auch nicht der erfolgreichste Dichter ist, beschließt er, sie aus der Hölle zu befreien. Auf seiner abenteuerlichen Reise wird er von seinem Schwager, dem Entdecker Ashley Lancaster, seinem Butler Simmons und seiner kessen und neugierigen kleinen Schwester Lizzie begleitet und noch von einigen weiteren Charakteren unterstützt. Doch wo soll man die Rettungsaktion starten? Wo zum Teufel ist die Hölle? Und ist es vielleicht schon zu spät für Vivien?

Das Buch spielt im viktorianischen London um 1850. Forrest Leo ist es vorzüglich gelungen, den Snobismus und die Dekadenz der Aristokraten sowie für diese Zeit typische Geflogenheiten ironisch und perfekt auf den Punkt gebracht darzustellen. Generell überzeugt dieses Werk mit sehr viel geistreichem und pointiertem Humor, was mir ausgesprochen gut gefallen hat. Da Lionel eine äußerst skurrile Figur ist und beinahe ständig aneckt, dennoch aber blitzgescheit und wohl gebildet ist, kommt es regelmäßig zu mehr als gelungenen Schlagabtäuschen, die so köstlich sind, dass man sich ein Schmunzeln oder Lachen nur schwerlich verkneifen kann.
In meinen Augen der größte Clou des Buches ist, dass der angeheiratete Cousin des Protagonisten dieses Werk herausgegeben haben soll. Zur Einführung merkt dieser jedoch bereits an: „Ich wurde beauftragt, diese Seiten herauszugeben und ihre Veröffentlichung zu besorgen. Ich tue es nicht gerne und möchte festgehalten wissen, dass ich es für besser hielte, wenn sie verbrannt worden wären.“ Warum dem so ist, erfährt der Leser mit jeder Seite die er verschlingt, da sich Hubert Lancaster die Freiheit genommen hat, die Geschichte über die reichliche Verwendung grandioser Fußnoten zu kommentieren. Dabei fällt auf, welch eine verquere (Selbst-)Wahrnehmung der Schreiberling Lionel Savage doch zu haben scheint. Darüber hinaus haben Huberts trockene und sarkastische Bemerkungen mich immer wieder zum Lachen gebracht, was bei Büchern zugegebenermaßen viel zu selten geschieht. Meist ist mir das Rumgeulke in Büchern, die den Anspruch erheben, unterhaltsam zu sein, zu krampfhaft gewollt, hier wirkt hingegen so ziemlich jede der vielen unterhaltsamen Aussagen sehr geistreich und lang erdacht.
Von der ersten Seite an konnte ich in die Erzählung abtauchen, da die Geschichte an sich schon so packend und dann auch noch wunderbar fesselnd geschrieben worden ist. Mit dem stark leidenden Lionel konnte ich bestens mitfühlen und ich habe ihn – wie auch sämtliche anderen Charaktere – schon bald in mein Herz geschlossen. Sie alle sind so wunderbar liebevoll gezeichnet, haben allesamt ihre Ecken und Kanten dass sie tatsächlich echt wirken; selbst wenn man merkt, dass einige phantastische Elemente so in der Realität kaum angetroffen werden könnten. Lionel Savage ist so unfassbar von sich überzeugt, bringt Anderen oftmals wenig Respekt entgegen, wird aber dennoch immer wieder davon übermannt, wie poetisch ein Ort, ein Satz oder ein Mensch doch ist, dass man ihm gar nichts übel nehmen kann. Für mich war es ein großer Genuss den Kontrast zwischen seiner Beschreibung und den Anmerkungen des Herausgebers erfahren zu dürfen und die Entwicklung, welche er durchläuft, mitzuerleben. Er ist eine so skurrile, versnobte, kauzige, geniale und liebenswerte Persönlichkeit, wie ich es selten in Büchern erlebt habe.
„Im Herzen bin ich Revolutionär.“ (S.57)
„Ich bereue meine Schroffheit zwar sofort, aber Simmons hat diese sehr unangenehme Angwohnheit, meine Gedichte kleiner zu machen als sie sind. Ich mag es nicht, wenn ich dichte und mich erhaben fühle und dann jemand des Weges kommt und es liest und für dürftig befindet.“ (S.91)
Der Schreibstil ist ganz vorzüglich: Forrest Leo bedient sich einer zauberhaften Wortwahl, die weder eingestaubt noch in die Kategorie „neumodischer Kram“ fällt, sondern sich perfekt in die Geschichte schmiegt und ausgezeichetn zu den Figuren, den Orten sowie der Handlung passt. „Lieber ein geistreicher Narr (…) als ein närrischer Geist.“ (S.130) Viel Wortwitz und zahlreiche Gedanken zur Lyrik und Kunst ebenso wie spitze Bemerkungen, Sarkasmus oder intelligente Dialoge machen jeden Satz zu einem Genuss.
Ich könnte noch stundenlang darüber referieren, weswegen ich „Der Gentleman“ so großartig und absolut gelungen finde, mich beschleicht allerdings die Befürchtung, dass diese Ausführungen dann doch etwas zu weit gehen und sowieso nicht mehr gelesen würden, weswegen ich jetzt zu einem Ende kommen werde. Ganz kurz zusammenfassend muss ich aber noch bemerken, dass dies ein wunderbar skurriles, humorvolles, geistreiches Buch mit liebevoll gezeichneten Charakteren, die man, gerade wegen ihrer Unperfektheit zügig ins Herz schließt, ist, dass einen nicht mehr los lässt – auch wenn man die letzte Seite bereits beendet hat. Anmerken möchte ich zudem, dass ich mich bei vielen Passagen über hervorragendes Kopfkino freuen konnte und mir dachte, dass „Der Gentleman“ sicherlich auch für die Bühne geeignet wäre, um dann in der Danksagung zu erfahren, dass dieses Buch zuerst auch ein Theaterstück gewesen ist.

Von mir gibt es für dieses vielschichtige Buch über Abenteuer, Liebe, Familie, die Ehe, „Duelle und Beinahe-Duelle“, Lyrik und Literatur, Dichter, Erfinder und Entdecker, den Teufel und die Aristokraten sowie zahlreiche weitere Themen definitiv weiterempfehlen. Es zählt sicherlich zu den besten Werken, die ich je gelesen habe und teilt sich zur Zeit mit „Willkommen in Night Vale“ meinen persönlichen Platz 1.
Ich vergebe 5 euphorisch am Himmel funkelnde und ihre Funken versprühende Sterne für dieses meisterliche Werk!

Veröffentlicht am 03.08.2017

Ein tolles und verrücktes Debüt des Autors!

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Im viktorianischen London um 1850: Der blutjunge Lionel Savage, Hauptfigur des Romans, ist ein mittelmäßig berühmter Dichter, der bereits seine Erfolge hatte und mittlerweile nur noch vom einstigen Vermögen ...

Im viktorianischen London um 1850: Der blutjunge Lionel Savage, Hauptfigur des Romans, ist ein mittelmäßig berühmter Dichter, der bereits seine Erfolge hatte und mittlerweile nur noch vom einstigen Vermögen zehrt. Die Finanzierung von Herrenhaus, Butler und dem Internat der kleinen Schwester bringt ihn in finanzielle Not und er sieht nur einen Ausweg…eine wohlhabende Gattin. Da kreuzt die vermögende Vivien Lancaster gerade zur rechten Zeit seinen Weg. Leider ist ihm mit der Hochzeit jegliche Inspiration abhandengekommen und kein Vers will ihm mehr gelingen. Verantwortlich dafür macht er ausschließlich seine Frau. Inzwischen ist Savage so verzweifelt, dass er einen Selbstmord in Erwägung zieht. Die möglichen Varianten verwirft er jedoch schnell, als ihm sein treuer Butler vor Augen führt, wie schwierig es für ihn sei, hinterher alles zu beseitigen. Während dieser Grübeleien betritt plötzlich ein Gentleman sein Arbeitszimmer - und stellt sich noch als der Teufel in Person heraus. Savage schüttet dem Teufel sein Herz aus und kaum ist der vermeintliche Freund wieder gegangen, teilt der Butler Lionel mit, dass seine Gattin spurlos verschwunden ist. Die notwendige Kreativität für seine Dichterkunst kehrt endlich zurück. Durch einige Wendungen muss Savage aber schnell feststellen, dass er Vivien eigentlich nur oberflächlich gekannt hat. Je mehr er über sie erfährt, desto deutlicher erkennt er, dass er seine Frau vermisst und sogar liebt. Er muss sie retten…


Von der ersten Seite an war ich inmitten der Geschichte. Es ist durchweg einfach fantastisch zu lesen, wie Forrest Leo in seinem Debütroman das viktorianische London mittels Ausdrucksweise und das Verhalten seiner Akteure gekonnt realistisch aufleben lässt. Schreibstil und Wortwahl passen perfekt zur Handlung und der damaligen Zeit.

„Der Gentleman“ ist überwiegend von Dialogen durchzogen, was überhaupt nicht negativ verstanden werden soll. Genau diese Dialoge machen das Buch so gelungen. Geprägt von Wortwitz, sarkastischen Plaudereien, trockenen Kommentaren und einem Schuss schwarzem Humor liest sich das Buch locker und flüssig, man fliegt förmlich durch die Ereignisse. Langeweile kommt definitiv nicht auf. Wahrscheinlich werden manchem Leser genau diese speziellen Unterhaltungen nur bedingt zusagen. Leider erst am Ende des Buches erfährt man, dass die Geschichte zunächst als Theaterstück entstanden ist. Würde dies am Anfang stehen, wäre dem Leser direkt klar, warum die Dialoge so sind, wie sie eben sind…halt speziell. Ebenso das Finale ist typisch für Theater: Alle Protagonisten sind auf der Bühne versammelt und klären das Verschwinden von Vivien auf.

Eine besondere Auflockerung der Geschehnisse bringt die Unmenge von Fußnoten. Hier darf der „Herausgeber“, ein weitläufiger Verwandter von Savage, zu Wort kommen. Dieser ist allerdings vom großen Dichter nicht wirklich begeistert und zögert nicht, uns dies durch die stetigen Einschübe sehr deutlich und extrem amüsant zu zeigen.

Die bunte Mischung an Charakteren ist sehr stimmig und gleicht sich perfekt aus. Alle haben ihre Ecken und Kanten und wirken dadurch sehr menschlich und nahe der Realität. Der Hauptcharakter Lionel Savage wächst einem trotz seiner überheblichen, versnobten, weltfremden Art schnell ans Herz…vielleicht liegt es daran, dass er ja doch irgendwann seinen netten Kern zeigt. Dazu gesellen sich dann auch bemerkenswert starke Nebenakteure, die den skurrilen Haufen komplettieren und alle das komplette Gegenteil zum kauzigen Hausherren sind. Da hätten wir zum Beispiel einen den stets kompetenten und beeindruckend allwissenden Butler Simmons oder aber auch die kleine Schwester - ein absoluter Wildfang.

Zum skurillen Cover muss wohl letztlich nichts weiter gesagt werden…passt perfekt zum Inhalt.

Ein tolles und verrücktes Debüt des Autors!
Absolut empfehlenswert!

Veröffentlicht am 30.05.2017

Ein ganz besonderer Gentleman

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"Der Gentleman“ ist eine geniale Persiflage! Der Autor Forrest Leo parodiert sehr gelungen den viktorianischen Roman und zitiert aus der Literaturgeschichte.
Goethes Faust gefällig??
Gute Literatur zeichnet ...

"Der Gentleman“ ist eine geniale Persiflage! Der Autor Forrest Leo parodiert sehr gelungen den viktorianischen Roman und zitiert aus der Literaturgeschichte.
Goethes Faust gefällig??
Gute Literatur zeichnet sich meines Erachtens häufig durch Intertextualität aus, so auch hier.
Die Handlung ist um das Jahr 1850 angesiedelt und spielt – wie könnte es anders sein – in London. Der vergeistigte Poet Lionel Savage kann von seiner Kunst leider nicht leben, und so ist der einzige Ausweg eine Heirat. (Jane Austen und Maria Theresia lassen grüßen). Seine Auserwählte ist natürlich wohlhabend! Dummer Nebeneffekt – seit der Hochzeit wird der Protagonist von einer ausgewachsenen Schreibblockade geplagt. Lionel beginnt, seine Ehefrau heimlich zu hassen, sieht in ihr den Grund für seine Unfähigkeit, etwas zu Papier zu bringen. Feinste Misogynie, wie ich finde!
Nicht die Liebe und die Exaltiertheit wie bei Goethes Werther kommt hier ins Spiel, sondern das Gegenteil: Savage (Nomen est Omen?) sieht im Freitod den einzigen Ausweg. Klassisch, mit Pistole. Jedoch würde das Beseitigen des Blutes dem treuen Butler Simmons (very British, methinks!) zu viel abverlangen. Also muss eine saubere Methode her!
Eine unverhoffte Lösung in Form eines Gentleman, der Savage seine Ehefrau abnimmt, tut sich auf, doch kaum hat Lionel einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, entdeckt er seine Liebe für die ehemals verhasste Gattin.
Will man nicht immer das haben, was so fern scheint?!
Der weltfremde Dichter muss die Hölle finden, wenn er sein Liebchen wieder sein nennen will …
Ich hatte beim Lesen viel Spass, Stil und Sprache sind wirklich klasse.
Der Roman ist eine echte Entdeckung! Ein fantastischer Genremix, vielleicht mit alter ego (Lionel/Leo), eine Karikatur des perfiden Albion, eine Persiflage auf Jane Austen und die stiff upper lip, was für ein grandioser Lesespass! Es macht bei diesem Ideenfeuerwerk ein wenig Mühe, den Faden nicht zu verlieren, trotzdem ist der „Gentleman“ 5 volle Sterne wert.

Veröffentlicht am 26.09.2017

Ein durchweg amüsanter, historischer Abenteuerroman

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London um das Jahr 1850: Der 22jährige Lionel Savage ist ein Dichter, wie ihn sich unsereins zu jener Zeit wohl vorstellt. Adlig, völlig lebensunpraktisch, egozentrisch und den Kopf voller Gedanken, die ...

London um das Jahr 1850: Der 22jährige Lionel Savage ist ein Dichter, wie ihn sich unsereins zu jener Zeit wohl vorstellt. Adlig, völlig lebensunpraktisch, egozentrisch und den Kopf voller Gedanken, die mit der realen Welt so gut wie nichts zu tun haben. Als er feststellen muss, dass sein Vermögen gänzlich verbraucht ist, plant er reich zu heiraten. Gesagt, getan, die schöne, reiche Vivian wird seine Frau. Doch kurz nach der Hochzeit muss Lionel feststellen, dass er nicht mehr schreiben kann. Seine Kreativität ist versiegt. Voller Verzweiflung verflucht er seine Heirat bzw. seine Gemahlin (die der Grund dafür sein muss) und als während eines Maskenballes, den seine Frau veranstaltet, plötzlich der Teufel bei ihm auftaucht, klagt er diesem sein Leid. Unmittelbar nach dessen Besuch ist Vivian nicht mehr auffindbar und Lionels Kreativität beginnt wieder zu fließen, bis er zu seinem Entsetzen feststellen muss, dass ihm seine Gemahlin fehlt. Schlimmer noch: Er liebt sie heiß und innig. Doch wie soll er sie aus der Hölle holen, wo sie sich zweifelsohne befindet?
Kaum zu glauben, dass der Autor ein US-Amerikaner ist. Denn die komplette Geschichte wirkt so typisch britisch, dass ich mir fast sicher war, nur ein Einheimischer könne ein solches Buch schreiben. Im Stil einer Screwball-Komödie sind die Protagonisten ziemlich exzentrisch, aber dennoch liebenswert. Da gibt es Ashley, der Bruder Vivians, ein gutaussehender, muskelbepackter Abenteurer, der nur selten in England weilt, aber gerade jetzt zu Besuch kommt. Lizzie, die 16jährige, völlig unkonventionelle Schwester Lionels, vor der die Männerwelt erzittert. Und Simmons, der mustergültige Butler Lionels, der immer und sofort für Alles eine Lösung und Antwort parat hat. Lionel, der als Ich-Erzähler fungiert, erzählt die Erlebnisse mit einer (vermutlich) umfänglichen Ehrlichkeit und jugendlichen Naivität, sodass ich ihn trotz seiner Egozentrik einfach gernhaben musste.
Systematisch machen sich die Drei auf die Suche nach der Hölle, beginnen mit Kunst und Literatur, und einigen sich schließlich darauf, in Island mit einem Vulkan zu beginnen. Dorthin wollen sie mit der Hilfe eines Erfinders gelangen, der ein wundersames Fluggerät konstruiert hat und sich im Club Hefestaeum aufhält, einer wundersamen Lokalität: "Ich könnte mir vorstellen, dass hier vor langer Zeit einmal ein zweigeschossiges Haus stand; und dass dann ein ehrgeiziger, aber ungelernter Architekt entschieden hatte, einen Turm auf das Haus zu bauen; und dass einige Zeit danach ein weniger ehrgeiziger, aber gelernter Architekt den Turm in so etwas wie ein anständiges Gebäude umzuwandeln begann, aber vor der Fertigstellung verstarb und niemandem mitgeteilt hatte, wie es weitergehen sollte, und die Arbeit dann von einem geisteskranken Hafenarbeiter mit einem Hang zur Flasche fortgeführt wurde, woraufhin die Lage völlig außer Kontrolle geriet." Zudem unterliegt der Club einer besonderen Regelung der Feuerwehr: "Das Hefestaeum hatte so oft die Hilfe der Städtischen Feuerwehr bemüht, dass sich schließlich die Regierung einschaltete und ein Bußgeldsystem einführte. Dem Club wurden pro Jahr zwei Feuer zugestanden, deren Löschung die Feuerwehr unentgeltlich übernimmt. Jedes weitere Feuer zieht eine hohe Gebühr nach sich." Es gibt noch eine ganze Menge weiterer Verwicklungen und Gefahrensituationen (Duelle, Schießereien, Gefangennahmen), wobei Lionel völlig überrascht ein bisschen den Abenteurer in sich entdeckt.
Diese herrlich schrägen und liebenswerten Figuren bei ihren Erlebnissen zu begleiten, ist ein rundweg abwechlungsreiches und unterhaltsames Lesevergnügen.

Veröffentlicht am 10.05.2023

Zum Teuf’l aber auch, wo steckt bloß Vivien

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London, Mitte 19. Jahrhundert. In seinem Haus am vornehmen Pocklington Place lebt der Adlige Lionel Savage in der Überzeugung, er sei ein toller Hecht und ein begnadeter Dichter. Er ist 22 Jahre jung, ...

London, Mitte 19. Jahrhundert. In seinem Haus am vornehmen Pocklington Place lebt der Adlige Lionel Savage in der Überzeugung, er sei ein toller Hecht und ein begnadeter Dichter. Er ist 22 Jahre jung, sieht gut aus, ist sehr kultiviert aber auch sehr faul und lebt gerne über seine Verhältnisse. So muss ihm sein treuer Butler Simmons eines Tages mit Bedauern mitteilen, dass das Geld ausgegangen sei. Nun hat Lionel zwei Möglichkeiten, zu arbeiten oder eine reiche Frau heiraten. Ersteres kommt für den Gentleman ja nicht infrage, also bleibt nur der zweite Weg aus dem Desaster. Eine passende junge Dame aus vermögendem Hause ist bald gefunden, es wird geheiratet und Vivien zieht in das Haus am Pocklington Place ein.

Geld ist zwar nun vorhanden, doch Lionel ist seiner Angetrauten bald überdrüssig. Er empfindet sie als geistlos und nörglerisch, verachtet und hasst sie. Zu allem Übel kommt noch seine Schreibblockade hinzu, er kann nicht mehr dichten und ist verzweifelt. Als einzigen Ausweg sieht er seinen Selbstmord, doch die Umstände, die er seinem treuen Butler dadurch machen würde, halten ihn zunächst davon ab. Während er noch nach einer Lösung sucht, beehrt ihn ein eleganter Gentleman mit seinem Besuch, der sich selbst als Teufel vorstellt. Die beiden unterhalten sich freundschaftlich – und als der Teufel gegangen ist, ist auch plötzlich Vivien verschwunden …

Der US-amerikanische Autor Forrest Leo wurde 1990 in Alaska geboren, wo er auch aufwuchs und mit dem Hundeschlitten zur Schule fuhr. Später machte er einen Bachelor in Schauspiel an der New York University und arbeitete in verschiedenen Berufen. Er war erst 27 Jahre alt, als er sein Debüt „Der Gentleman“ schrieb, das von dem 1973 in Göttingen geborenen Literaturwissenschaftler Cornelius Reiber ins Deutsche übersetzt wurde.

Mit viel Witz und spöttischer Ironie werden wir in die Gepflogenheiten der Londoner Oberschicht im viktorianischen Zeitalter eingeführt – oder was man sich heute darunter vorstellt. Wie am Schluss des Buches zu lesen ist, wurde die Geschichte zunächst als Theaterstück konzipiert, was besonders in der furiosen Schlussszene, in der sämtliche Akteure noch einmal zusammenkommen, zu merken ist. Eine Besonderheit ist auch, dass die Geschichte von Lionel Savage selbst erzählt wird und der Herausgeber des Werkes, Mr Hubert Lancester, ein Verwandter von Savage, in zahlreichen Fußnoten seinen Kommentar dazu abgibt bzw. dessen Aussagen richtigstellt.

Eine Figur nach der anderen betritt die „Bühne“, rasch wechseln die „Kulissen“, es werden allerlei Abenteuer erlebt, Duelle ausgefochten und witzige, schlagfertige Dialoge ausgetauscht. Wir machen die Bekanntschaft mit dem besten Butler Großbritanniens, mit einem Erfinder von Flugmaschinen, mit einem gutaussehenden, kräftig gebauten Abenteurer, mit Lizzie, der quirligen jüngeren Schwester von Lionel, mit Vivien, Lionels schöner und intelligenter Frau – und nicht zuletzt mit dem Teufel, der sich als Buchliebhaber und Literaturkenner entpuppt und Dante Alighieri bei sich zu Hause als Gärtner beschäftigt.

Fazit: Eine intelligente Boulevardkomödie mit viel Witz, selbstverständlich leicht übertrieben, aber immer mit Stil – sehr unterhaltsam und äußerst amüsant.

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