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Veröffentlicht am 30.01.2024

Familiengeheimnisse

Die vier Gezeiten
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Manchmal müssen Dinge kaputtgehen, damit wir sie reparieren können.

Anne Prettins DIE VIER GEZEITEN erzählt eine großartige Familiengeschichte, die von vier Schwestern, aber auch von vier Generationen ...


Manchmal müssen Dinge kaputtgehen, damit wir sie reparieren können.

Anne Prettins DIE VIER GEZEITEN erzählt eine großartige Familiengeschichte, die von vier Schwestern, aber auch von vier Generationen erzählt. Ich verrate es gleich, mich hat dieser Roman von der ersten bis zur letzten Zeile gefesselt, fasziniert, nicht mehr losgelassen. Ein Roman mit Suchtfaktor.

Inhalt:

Die Kießlings gehören zu Juist wie die Gezeiten. Als Patriarch Eduard das Bundesverdienstkreuz erhält, kommen sie alle zusammen: Eduards Frau Adda, die drei Töchter, sowie Großmutter Johanne. Doch in die Generalprobe platzt Helen aus Neuseeland, die behauptet, mit der Sippe verwandt zu sein. Und tatsächlich: Sie ist Adda wie aus dem Gesicht geschnitten. Gemeinsam gehen sie dem Rätsel ihrer Herkunft nach. Denn Adda ahnt: Der Schlüssel zur Wahrheit liegt im familieneigenen Hotel de Tiden, dort, wo vor 75 Jahren alles begann.

Meine Meinung:

Die Autorin hat mit ihrem Juister-Familienroman bei mir voll auf den Nerv getroffen. Der Erzählstil hat mich mitgenommen, die Handlung ohnehin. Da ist wirklich alles drin. Spannung und Geheimnisse, die es aufzudecken gilt, Lachen und Weinen, mitfiebern und mitfühlen. Die Handlungsstränge führen uns immer wieder in die Vergangenheit. Denn die Lügen der Vergangenheit beeinflussen die Zukunft. Die Familie Kießling ist scheinbar eine zusammengeschweißte Familie. Nach außen vielleicht. Nach innen kämpft jeder für sich allein. Die vier Schwestern könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie sind wie Ebbe und Flut und geben dem Roman den Namen. Und sie haben ihre Geheimnisse. In dieser Familie wird nicht miteinander geredet, man macht alles mit sich selbst aus. Irgendwo hieß es, die Nachkriegsgeneration lässt Gefühle nicht zu. Die Großmutter Johanne ging mit Gefühlen sparsamer um, als mit Geld. Die Protagonisten sind facettenreich angelegt. Ich mochte besonders Johanne und Adda. Beides starke Frauen. Dafür kommt Eduard, Jubilar und Familienoberhaupt, als aufgeblasener, selbstherrlicher Strippenzieher rüber. Die Insel-Atmosphäre wurde gut eingefangen.

Viele Sätzen stießen Gedanken zum Nachdenken an. Ich frage mich, hat die Vergangenheit meiner Mutter, meiner Großmütter Spuren in mit hinterlassen? Und können manchmal Sekunden über unser Leben entscheiden?
Fazit: Ein Lese-Highlight.

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Veröffentlicht am 20.01.2024

Eine fast wahre Geschichte

Das Philosophenschiff
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Frau Professor Anouk Perleman-Jacoby, eine der bedeutendsten europäischen Architektinnen, feiert ihren 100. Geburtstag. Der Schriftsteller erhält überraschen dazu eine Einladung. Die Jubilarin möchte, ...


Frau Professor Anouk Perleman-Jacoby, eine der bedeutendsten europäischen Architektinnen, feiert ihren 100. Geburtstag. Der Schriftsteller erhält überraschen dazu eine Einladung. Die Jubilarin möchte, dass er ihre Biografie schreibt. Sie hat sich erkundigt. Er hat einen guten Ruf, aber man weiß auch, dass er Dinge erfindet und behauptet sie seien wahr. Deshalb glaubt man ihn oft nicht, wenn er die Wahrheit schreibt. Und genau deshalb ist er der richtige Mann für ihre Biografie. ‚Wenn es keiner glaubt, umso besser. Aber erzählt soll sie werden.‘

Anouk Perleman-Jacoby wird 1922 auf Befehl von Lenin persönlich zusammen mit ihren Eltern und einer Handvoll anderer Intellektuellen aus St. Petersburg auf einen riesigen Luxusdampfer gebracht und in den Westen abgeschoben. Ohne Gerichtsverfahren, da ihnen formell nichts anzulasten war. Leo Trotzki schrieb: „Wir haben diese Leute ausgewiesen, da es keinen Anlass gab, sie zu erschießen, aber sie noch länger zu ertragen, war unmöglich.“ Er nannte es einen Akt der Humanität. Zehn Menschen zittern um ihr Leben, sind im Ungewissen, was mit ihnen geschehen wird. Nachdem das Schiff fünf Tage und Nächte lang auf dem Finnischen Meerbusen treibt, wird ein letzter Passagier an Bord gebracht und in die Verbannung geschickt: Es ist Lenin selbst.

Michael Köhlmeier serviert uns hier eine fesselnde Geschichte, in der die Grenzen historischer Realität und Fiktion verschwimmen. Er schreibt in knappen Sätzen, aber genau auf den Punkt. Er lässt uns absteigen in eine andere Welt. Diese Philosophenschiffe hat es tatsächlich gegeben. Es waren mindestens fünf Schiffe, mit denen im Jahr 1922 unliebsame Personen in großer Zahl aus Sowjetrussland ins Ausland abgeschoben wurden. Ärzte, Professoren, Lehrer, Wissenschaftler, Ingenieure, Rechtsanwälte, Richter, Schriftsteller und Journalisten befanden sich auf diesen Schiffen. Kommt uns das nicht bekannt vor? Weltweit ist in totalitären Regimen zu beobachten, dass Intellektuelle für ihre Länder als Bedrohung angesehen werden. Auch Hitler sah in Schriftstellern eine Gefahr und ließ ihre Bücher verbrennen. Ein Blick ins heutige Russland oder China genügt. Frau Professor Anouk Perleman-Jacoby bemerkt: Paranoia erzeugt Paranoia, denn wie jeder Schüler schon weiß, Gedichte sind mehrdeutig.

Über die Zeit der russischen Revolution war mir im Grunde wenig bekannt, doch dieses Buch animierte mich, mich näher damit zu befassen und nachzulesen.

Ich möchte die junge und auch die hundertjährige Anouk sehr. Die Altersweisheit der Hundertjährigen ist mit Humor gespickt. So sagt sie: ‚Mein ganzes Leben habe ich vom Leben nichts erwartet. Das ist die beste Voraussetzung für ein langes Leben.‘ Die Handlung hat zwar einige Längen, aber die Stimmung unter den Menschen auf dem Schiff ist greifbar zu spüren. Ich bin Lenin begegnet und ich mochte ihn nicht. Auf diesem Schiff war er ein einsamer kranker Mann, im Rollstuhl sitzend, isoliert von den übrigen Passagieren. Er hatte nur Anouk, die ihn heimlich aufsuchte. War er nun ihr „Freund“ oder ihr „Feind“?

Fazit: Unterhaltsam verpackte Historie animiert, sich näher mit den Hintergründen zu befassen.

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Veröffentlicht am 18.01.2024

Debütroman mit viel Herz

Das Leben ist eins der Härtesten
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In Giulia Beckers Debütroman ‚Das Leben ist eins der Härtesten‘ begegnen wir recht unterschiedlichen Charakteren. Alle habe eines gemeinsam. Sie habe Probleme. Und alle wollen am liebsten ihren Problemen ...


In Giulia Beckers Debütroman ‚Das Leben ist eins der Härtesten‘ begegnen wir recht unterschiedlichen Charakteren. Alle habe eines gemeinsam. Sie habe Probleme. Und alle wollen am liebsten ihren Problemen davonlaufen: Silke ihrem Exmann, Willy-Martin vor einem sabbernden Hund, Renate vor einem Berg Teleshopping-Impulskäufen und Frau Goebel vor dem Tod. Sie beschließen gemeinsam zum Paradies Tropical Island zu fahren.

Die Autorin hat die Charaktere liebevoll gezeichnet. Ich mochte vor allem Silke mit dem großen Herzen für Menschen. Ich musste trotz aller Tragik oft schmunzeln. Es sind Menschen, die nicht unbedingt vom Schicksal verwöhnt wurden, keine Helden, keine Erfolgsmenschen, eher das Gegenteil und deshalb umso menschlicher. Die Story ist schon ein bisschen irre, aber ich hatte Spaß, trotzdem ist es kein Klamauk. Das Buch wurde übrigens ausgezeichnet mit dem Debütpreis der lit.Cologne 2019!

Fazit: Ich habe das Buch aber mit Freude gelesen und kann es nur empfehlen.

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Veröffentlicht am 15.01.2024

Du bist du und ich bin ich

Ich bin genug
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Vom wunderschönen Cover mit dem bezaubernden Mädchen fühlte ich mich sofort angesprochen. Das Buch ist optisch ein Juwel, hochwertig ausgestattet mit liebevollen Illustrationen. Die Zeichnungen sind ...



Vom wunderschönen Cover mit dem bezaubernden Mädchen fühlte ich mich sofort angesprochen. Das Buch ist optisch ein Juwel, hochwertig ausgestattet mit liebevollen Illustrationen. Die Zeichnungen sind voller Wärme. Wir sehen Kinder mit unterschiedlichen Hautfarben, die miteinander spielen und glücklich sind, die sich gegenseitig trösten und unterstützen, die lernen und was wagen. Die einfach nur Kinder sind. Zitat: ‚Ich weiß, wir sehen nicht gleich aus: unsere Körper, unsere Haare, unsere Augen, unsere Haut.‘ Die Botschaft der Autorin Grace Byer 'Ich bin genug' kommt sehr gut rüber. Es geht um Selbstliebe, Freundlichkeit und Respekt gegenüber anderen.

Die kurzen Texte regen zum Nachdenken an. Sind wir nicht alle genug – genauso wie wir sind? Wir müssen nicht gleich sein. Das wäre ja langweilig. Die Kinder haben das verstanden. Ich wünschte, die Erwachsenen auch. Zu Recht ist dieses Buch ein NEW YORK TIMES-BESTSELLER

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Veröffentlicht am 15.01.2024

Atemberaubende Welten

Mit Bike und Boot zur Beringsee
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Wie schön, Richard Löwenherz nimmt mich wieder mit auf einen spannenden Abenteuertrip. Bereits seine verwegene Radexpedition „Eis. Abenteuer. Einsamkeit. - Mit dem Fahrrad in die sibirische Arktis“ die ...



Wie schön, Richard Löwenherz nimmt mich wieder mit auf einen spannenden Abenteuertrip. Bereits seine verwegene Radexpedition „Eis. Abenteuer. Einsamkeit. - Mit dem Fahrrad in die sibirische Arktis“ die ihn im Winter 2017 von Jakutiens in die sibirische Arktis bis zum Polarmeer führte, hat mich dermaßen fasziniert, dass ich mich auf das neue Unternehmen "Mit Bike und Boot zur Beringsee" total gefreut habe. Und richtig, auch diesmal hat mich wieder das (Mit-) Reisefieber gepackt.

Richard Löwenherz treibt die Sehnsucht nach Weite, Wildnis und Wanderleben immer wieder an den Rand Eurasiens. Diesmal ist es der nördlichste Zipfel Russlands, gleich gegenüber von Alaska, dem Land der Tschuktschen. Ein weitgehend unbesiedeltes Land. Dort gibt es noch Menschen, die ganzjährig mit ihren Rentieren umherziehen und in Zelten aus Tierhäuten leben. Sprichwörtlich ans Ende der Welt, dort wo alle Wege enden. Hier trennt die Beringstraße den europäischen vom amerikanischen Kontinent.

So ein Abenteuer zu wagen ist nicht nur unglaublich mutig, es birgt auch viele Gefahren. Ich möchte keinen Bären gegenüberstehen. Richard Löwenherz verlässt sich hier auf seine Erfahrungen und sein Gespür, um die richtige Entscheidung zu treffen.

Tschukotka - das Ende der Welt – scheint aber auch ein Ort der besonderen Begegnungen zu sein. So begegnen wir einem Arbeitertrupp. Einer der Männer verrät Löwenherz sein Geheimrezept zur Herstellung von Wodka. Boah, davon würde ich ehrlich gesagt abraten, wenn einem sein Augenlicht lieb ist. Oder das Tramperpaar Sergej und Jana. Die beiden überqueren mit ihrem selbstgebauten Katamaran die Beringstraße, um weiter von Alaska nach Südamerika zu trampen. Sie wollen zu Fuß die Welt umrunden. Was für außergewöhnliche Menschen.

Interessant auch, dass man anscheinend überall in Russland Ramstein liebt, den brachialen Gesang von Till Lindemann. Schmunzeln musste ich über den Ausdruck ‚kontaktfreudige Mücken‘. Hier blitzt der Humor des Autors durch. Denn diese Biester haben ihn in Schwärmen überfallen und ihn bis aufs Blut getriezt. Richard Löwenherz schreibt auch viel über die die Geschichte und die Kultur der Orte die er aufsucht. Er hat im Vorfeld seiner Reise natürlich schon immense Recherchearbeit betrieben.

Der Autor schreibt nicht nur leicht lesbar, nein er schreibt unglaublich fesselnd und mitreißend. Teilweise hatte ich beim Lesen Herzklopfen. Das passiert mir nur bei spannenden Krimis. Die beeindruckenden Landschaftsfotos in diesem Band erzeugen Sehnsucht.

Fazit: Die Aussicht, etwas zu wagen das zuvor wahrscheinlich noch niemand probiert hat, begeistert Abenteurer Richard Löwenherz und wirkt ansteckend auf mich. Richard Löwenherz hält es wie Pippi Langstrumpf „Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.“ Auch er ist überzeugt, dass es ihm gelingen wird. Ich wünsche ihn noch viele tolle Abenteuer und freue mich darauf von ihnen zu lesen.







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