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Veröffentlicht am 28.09.2017

sehr eigen

Stille
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Was ist Stille? Wo ist sie? Warum ist sie heute wichtiger denn je?

Mit diesen 3 Fragen beschäftigte sich der Autor über Jahre und bot nun mit seinem Werk darüber einen Lösungsansatz mit 33 Versuchen einer ...

Was ist Stille? Wo ist sie? Warum ist sie heute wichtiger denn je?

Mit diesen 3 Fragen beschäftigte sich der Autor über Jahre und bot nun mit seinem Werk darüber einen Lösungsansatz mit 33 Versuchen einer Beantwortung an.

Das ließ mich gespannt auf das Buch werden. Dennoch muss ich nun eingestehen, daß ich nach dem Lesen die Versuche überhaupt nicht als diese wahrgenommen habe.
Der Autor beschreibt vielmehr sein eigenes Empfinden auf seinen Reisen, wechselt dabei auch recht spontan und unstrukturiert durch verschiedene Themengebiete und deutet nur vage an, anstatt "Anleitungen" aufzuzeigen, deren man folgen könnte.
Daß allerdings nicht jeder, der sich vom allumgebenden Lärm verfolgt fühlt, mal eben zu den Polen reisen kann, noch dazu allein, sollte jedem klar sein. Denn Erling Kagge beschreibt dies als (s)einen Weg, die Stille (wieder-) zu finden.

Dennoch erzählt der Autor sehr unterhaltsam aus den verschiedensten Bereichen Anekdoten, sodaß ich dieses Buch eher als Unterhaltungsliteratur denn als Ratgeber wahrnahm. Der Schreibstil ist locker und leicht gehalten, obwohl auch Religion und Philosophie miteinflossen.
Die Zitate und Bilder empfand ich als passend und wohl ausgesucht.
Besonders die Aufmachung ist hervorzuheben- der Kontrast zwischen dem schlichten Cover und den farbigen Einbänden ist ein Überraschungsmoment, den ich so noch nicht erlebt habe.

Das Buch ist recht eigenwillig und bietet definitiv keine allgemeingültige Lösungen an. Leider. Denn das hatte ich eigentlich erwartet.
Dennoch ein interessantes Buch zu einem Thema, das nicht oft genug Gehör findet.

Veröffentlicht am 04.09.2017

skurrile Familie

Der Vater, der vom Himmel fiel
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Kann eine Geschichte, die mit einem tödlichen Unfall beginnt, dennoch humorvoll sein? Ohja, J. Paul Hendersons "Der Vater, der vom Himmel fiel" kann!

Der seit Jahren verwitwete Lyle Bowman stirbt durch ...

Kann eine Geschichte, die mit einem tödlichen Unfall beginnt, dennoch humorvoll sein? Ohja, J. Paul Hendersons "Der Vater, der vom Himmel fiel" kann!

Der seit Jahren verwitwete Lyle Bowman stirbt durch ein irrwitziges Missgeschick. Dabei hat er das Gefühl, daß er vieles noch nicht erledigt hat. Seine Söhne, Greg und Billy, sind seit langem verstritten, der Ältere lebt seit Jahren in Amerika. Lyles Bruder Frank scheint an Demenz erkrankt zu sein oder warum stellt er sich der Polizei wegen Vergehen, die er nicht beging?

Sie alle treffen auf Lyles Beerdigung aufeinander und es gibt noch weitere offene Fragen- wer war die junge Frau bei der Rede des Pfarrers- hatte Lyle etwa eine Geliebte? Wenn ja, wer ist sie?

Um das Haus des Vaters zu verkaufen will Greg es zuvor renovieren. Billy ist mit seiner Familie und seinem Job zu sehr eingespannt, sagt er.
Denn jeder in dieser Familie hat Geheimnisse und Sehnsüchte, deren Auflösungen manchmal so obskur sind, daß man nicht weiß, ob man Lachen oder doch eher Mitgefühl haben soll. Und so macht Greg eine "übersinnliche" Erfahrung in seinem Elternhaus, die ihn dazu verleitet, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und somit den letzten Willen seines Vaters zu erfüllen.

Henderson gelingt es in seiner Geschichte viele Emotionen aufzugreifen und dennoch weiterhin einen äußerst spannenden Unterhaltungsroman abzuliefern. Es wird nie langweilig!
Liebevoll zeichnet er seine Figuren, ohne den Zeigefinger zu erheben oder zu urteilen.
Sein Roman besticht neben dem Humor, den überraschenden Wendungen und den skurrilen Akteuren vor allem mit einer überraschenden Tiefe.

Denn schlußendlich lautet das Fazit: es ist nie zu spät, dein Leben zum Besseren zu verändern!

Veröffentlicht am 21.08.2017

Der glückliche Graf

Ein Gentleman in Moskau
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Das Cover ist eher schlicht in seiner (Farb-)Gestaltung, jedoch darin passend auf den Inhalt abgestimmt- so zurückhaltend, höflich, gebildet und von einer ausgesuchten Integrität wie der Graf dargestellt ...

Das Cover ist eher schlicht in seiner (Farb-)Gestaltung, jedoch darin passend auf den Inhalt abgestimmt- so zurückhaltend, höflich, gebildet und von einer ausgesuchten Integrität wie der Graf dargestellt wird.

(Der) Graf Alexander Rostov hat ein genußfreudiges Leben in Müßiggang geführt. Das soll sich nun grundlegend ändern.
Im Rußland der 20er Jahre wird er von der Revolutionsregierung unter lebenslangen Hausarrest gestellt, allerdings im legendären Moskauer Hotel Metropol. Nur bewohnt er dort nicht weiter seine Suite, sondern eine winzige Dachkammer.

Das privilegierte Leben gewohnt, richtet er sich in seinen neuen Lebensumständen ein. Trotz aller Beschränkungen führt er weiterhin ein beschauliches Dasein. Bis er Nina kennenlernt.
Das kleine Mädchen, dessen Vater zur neuen Regierung gehört, lebt ebenfalls im Hotel und begeistert Alexander durch ihre Neugierde.
Durch sie lernt Alexander, hinter die Kulissen des Hotels zu schauen. Dieses kleine, in sich geschlossene, Universum- in dem es nicht um eine Masse geht, sondern um jeden Einzelnen.

Das ist auch die Parallele zu diesem Buch, in dem der Hauptprotagonist zum großen Star avanciert- und das mit leisen Tönen.
Mutig stellt er sich dem Leben, erinnert sich dabei stets an seine "gute Kinderstube", stellt seine Bedürfnisse hinter denen anderen hintenan.
Und dennoch schafft er es, dabei ein zufriedenes Glück auszustrahlen, das in unserer Zeit seinesgleichen sucht.

Der Autor Amor Towles sagt, er hätte diesen Roman geschrieben, um von der Bestimmung zu sprechen, die jeder für sich finden muß.
Alexander ist dies gelungen. Und Amor Towles mit seiner Wahl, uns von Alexander zu erzählen ebenso.

Der Schreibstil ist so lebendig, dabei ironisch, jedoch mit ganz viel Charme versetzt, sodaß man gar nicht anders kann, als mit dem Grafen zu sympathisieren.

Ein pures (Lese-)Vergnügen!

Veröffentlicht am 21.08.2017

außergewöhnlich

Sieh mich an
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Die Hauptprotagonistin des Romans, Katharina, fand sofort meine Sympathie.
Sie weiß seit kurzem, daß sie nicht mehr lange leben wird, dennoch bewältigt sie ihren Alltag mit einer humorvollen Kraft, die ...

Die Hauptprotagonistin des Romans, Katharina, fand sofort meine Sympathie.
Sie weiß seit kurzem, daß sie nicht mehr lange leben wird, dennoch bewältigt sie ihren Alltag mit einer humorvollen Kraft, die mir tiefen Respekt abverlangte. Es ist kein kurzweiliger Roman, sondern verspricht Tiefe und die Akteure überzeugten bereits zu Beginn durch Authentizität.

Das Cover ist etwas untypisch mit der Hervorhebung einer Fuchs-grafik, die jedoch einen Bezug zur Handlung hat.

Katharina ist 40, Mutter von 2 (eigentlich eher 3, ihr Mann verhält sich kindisch) Kindern, verheiratet mit Costa und lebt an der Ostsee.... sie hält ihr Leben für recht normal- und dann entdeckt sie ein "Etwas" in ihrer Brust und nichts ist wie zuvor.

Ihr ist aufgrund von familiärer Häufung der Erkrankung sofort klar: Sie wird sterben. Doch sagt sie es niemanden- noch nicht.
Sie möchte die letzten Tage genießen, bevor die "unschönen" auf sie alle zukommen.
Und so stellt sie sich mehrfach an diesem Tag die Frage, ob ihr Leben das ist, was sie sich vorgestellt hatte.

Dabei muß sie dringend ihre Tochter Helli aus der Schule abholen, sie hat ADHS und benötigt viel Aufmerksamkeit, nebenbei ihren Nebenjob kurzfristig absagen und sich dabei fragen, ob das der Job ist, den sie wirklich machen will.

Sie realisiert, daß sie bei ihrem Sohn doch nicht mehr an allem Teilhabe hat und daß sie sich von Costa durch die Wochenendbeziehung immer mehr entfremdet, ihre Ehe auf dem Spiel steht.
Ein befreundeter Nachbar erleidet einen Unfall, auch hier unterstützt Katharina.... aber wer ist für sie da?

Die Geschichte wird in der Ich-Form erzählt. Es lebt von und durch Katharina- ihren Gedanken, wie sie versucht, mit ihren Erkenntnissen zurechtzukommen, mit ihrer Familie, mit sich selbst.

Es ist unglaublich berührend.
Dieser einzige Tag enthält so vieles... Hoffnungen, Innehalten, Zweifel, Fragen, Mut, Kraft.
Vor allem zeigt es eine starke Frau, die nun zugeben muß, daß sie jetzt auch mal Hilfe benötigt- und zwar dringend und ohne Ausflüchte.

Der Schreibstil der Autorin ist dabei locker, klar und leicht verständlich, die Seiten flogen nur so dahin, um der Geschichte Raum zu geben.

Ein sehr empfehlenswertes Buch, das viel Emotionen anspricht und sich mit dem Thema Tod auseinandersetzt, das zu oft verschwiegen wird.

Veröffentlicht am 21.08.2017

Killer mit Herz

Projekt Orphan
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"Projekt Orphan" ist der Folgeroman nach "Orphan X" um den Hauptakteur Evan Smoak. Da ich den ersten Band vorher nicht kannte, kann ich sagen, daß man diese Teile auch einzeln, ohne Zusammenhang, lesen ...

"Projekt Orphan" ist der Folgeroman nach "Orphan X" um den Hauptakteur Evan Smoak. Da ich den ersten Band vorher nicht kannte, kann ich sagen, daß man diese Teile auch einzeln, ohne Zusammenhang, lesen und nachvollziehen kann.

Das Cover wirkt im Vergleich zum dramatischen Inhalt für meinen Geschmack zu schlicht, denn die Handlung ist dramatisch und brisant.

Evan, der als "Nowhere Man" verzweifelten Menschen in ausweglosen Situationen hilft- auch durch Mord an ihren Peinigern- ist Hauptprotagonist des Thrillers.
Doch aufgrund seiner Vergangenheit ist er nun selbst in Gefahr.

Als 12-jähriger nahm er am Orphan-Programm teil und wurde dabei zu einem Killer ausgebildet. Nach vielen Jahren der Auftragsmorde im Namen der Regierung unter strengster Verschwiegenheit stieg er aus.... doch ist einem Killer das möglich?
Da er nach seinem Austieg gejagt wird ist Evan besonders vorsichtig und lebt äußerst zurückgezogen und mit vielen Sicherheitsvorkehrungen.
Nach der Erledigung eines neuen Auftrages wird er dennnoch überwältigt und gefangen gehalten. Aber wer steckt hinter der Entführung- sein früherer Auftraggeber oder jemand, der Rache nehmen will?

Hauptperson des Buches ist Evan Smoak: intelligent, charmant und sympatisch- obwohl er mordet und Selbstjustiz übt.
Detailliert beschreibt der Autor den Charakter einzelner Personen und stellt Szenen immer nachvollziehbar dar.
Man fühlt sich z.T. an James Bond erinnert und Evan Smoak braucht den direkten Vergleich nicht zu scheuen. Die Spannung ist dauerhaft präsent, ohne Schwächen und die Handlung äußerst vielschichtig.

In kurzen Rückblenden, die deutlich als Nebenhandlung gekennzeichnet sind, erfährt der Leser, warum die Nebendarsteller sich an Evan rächen wollen. Diese Rückblenden wirken jedoch immer sich selbst erklärend und nie störend im Verlauf der Erzählung.

"Projekt Orphan" ist ein knallharter, temporeicher und sehr spannender Thriller, der sich nicht vor passenden Actionszenen scheut. Spannung und Nervenkitzel werden hier in einer ansprechenden Geschichte verpackt, die auch mein Mitgefühl für Evan ansprach und deshalb sehr empfehlenswert ist.