Profilbild von buecher_heldin

buecher_heldin

Lesejury Profi
offline

buecher_heldin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit buecher_heldin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.04.2020

Auf der Suche nach dem verschollenen Onkel

Goodbye, Bukarest
0

„Es sind wir Menschen, die Ewigkeiten füreinander schaffen.“ (Seite 10)
Was von „Goodbye Bukarest“ am meisten bei mir hängen geblieben ist, sind die Menschen und ihre Geschichten, die sich vor dem Hintergrund ...

„Es sind wir Menschen, die Ewigkeiten füreinander schaffen.“ (Seite 10)
Was von „Goodbye Bukarest“ am meisten bei mir hängen geblieben ist, sind die Menschen und ihre Geschichten, die sich vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges, der Nachkriegszeit und der politisch-gesellschaftlichen Umwälzungen des vergangenen Jahrhunderts abspielen. Astrid Seeberger hat in ihrem – so glaub ich – autobiographischen Roman ein sehr realistisches und bewegendes Bild dieser Jahrzehnte gezeichnet und dabei ihre eigene Familiengeschichte in das Zentrum gerückt. Lange Jahre glaubte Astrid, dass ihr Onkel Bruno vor Stalingrad gefallen und verschollen ist. Doch eines Tages findet sie heraus, dass das eine Lüge war. Doch wer war Bruno eigentlich? Was ist tatsächlich damals geschehen?

Eine spannende Reise beginnt, die mich schon als Leser zutiefst bewegt hat. Astrid begibt sich auf die Suche. Sie begegnet dabei Menschen, die Bruno gekannt haben und über ihre Erlebnisse aus der damaligen Zeit erzählen. Damit greift die Autorin auf ein tolles Stilmittel zurück, nämlich Zeitzeugen berichten zu lassen. Auf einmal wurde für mich die Geschichte greifbar, die Ereignisse bildhaft und die Schicksale dramatisch. Denn als Leser erfahre ich einiges über das Leben in einem stalinistisch-sowjetischen Gefangenlager in der Steppe von Kasachstan, kann den Lebensweg von Bruno über die verschiedenen Zeitzeugenberichte nachvollziehen. Denn seine Odyssee geht von Stalingrad, über Kasachstan, nach Bukarest, wo er eine neue Familie, lebenslange, tiefe Freundschaften und eine neue Liebe in der Ceausescu-Ära findet – bis er schließlich seinen Weg nach Deutschland zurückfindet. Die Geschichten erstrecken sich von den 40er bis zu den 90er Jahren. Ich als Leser bekomme zwar nur Fragmente präsentiert, dennoch ist es die Art, wie die Zeitzeugen ihre Perspektive und Erlebnisse erzählen lassen, die mich fesselt und in die Geschichte eintauchen lässt. Denn jede Geschichte erhält genügend Raum. Zwischendurch gibt es aber auch immer wieder ruhige Momente, in denen Astrid das Gehörte reflektieren kann. Dennoch gelingt es der Autorin, wie ich finde, wunderbar, die Ereignisse nicht zu kommentieren. Das überlässt sie uns – den Lesern.

Was mich besonders bewegt und interessiert hat, waren die Erzählungen rund um die Jahrzehnte in Rumänien, da ich bislang nur wenig über den hoffnungsvollen Start der jungen rumänischen Republik und den anschließenden Absturz in die Diktatur der Ceausecsu-Ära gelesen habe. Ich erfahre am Beispiel von Brunos neuer Familie, wie der rumänische Staat in das Leben seiner Bürger eingreift, wie er versucht, Künstler zu kontrollieren und rigide einzuschränken, so dass diese keinen anderen Ausweg als die Flucht suchen müssen. Auch wenn das nur ein Bruchteil der damaligen Ereignisse sein kann, fand ich die Geschichte bewegend und aufschlussreich.

Astrid Seeberger’s Roman ist vor allem ein ruhig geschriebenes Stück Zeit(zeugen)geschichte. Ihren Schreibstil empfand ich als flüssig, einfühlsam, poetisch und leicht melancholisch. Man muss sich auf die Erzählweise einlassen. Punkten konnte der Roman für mich vor allem durch die Berichte der Zeitzeugen, die teils bewegend, dramatisch, aber auch bildgewaltig waren und es mir dadurch ermöglichten, den Personen nahe zu sein. Für mich ist „Goodbye Bukarest“ ein eindringliches Buch, gegen das Vergessen, das über die Folgen des Krieges berichtet und über Schicksale von Familien, die auseinandergerissen werden – aber keinen moralischen Zeigefinger erhebt oder Urteile fällt. Aber gleichzeitig auch ein Roman mit überraschenden Wendungen ist, in dem es die Autorin schafft als Bindeglied zwischen all diesen erschütternden Einzelschicksalen immer wieder auch die Leidenschaft zur Musik, der Literatur oder der Kunst, einzuflechten – ein kleines Kunstwerk eben, das zwischen all der Dramatik auch ein Ventil für die Schönheit findet.

Mein Fazit: Ein absolut lesenswerter, berührender Roman über ein Familienschicksal, dass durch seine authentischen, emotionalen Zeitzeugenberichte überzeugen konnte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.04.2020

Das Streben nach einer perfekten Welt

Eine fast perfekte Welt
0

Drei Generationen prallen in diesem neuen Roman der italienischen Autorin Milena Agus aufeinander. Ester, ihre Tochter Felicita und deren Sohn Gregorio. Ester hat sich immer danach gesehnt, der ärmlichen ...

Drei Generationen prallen in diesem neuen Roman der italienischen Autorin Milena Agus aufeinander. Ester, ihre Tochter Felicita und deren Sohn Gregorio. Ester hat sich immer danach gesehnt, der ärmlichen und beklemmenden Enge ihres kleinen sardischen Bergdorfes zu entkommen. Zusammen mit ihrem Mann Raffaele lässt sie Sardinien hinter sich und geht nach Genua und später nach Mailand. Doch auch dort wird sie nicht glücklich. Vielmehr zieht es sie in ihre Heimat Sardinien zurück, nach der wilden Schönheit und den bekannten Traditionen. Ihrer Tochter Felicita soll es einmal besser gehen, doch die geht unverheiratet und mit einem Kind in Cagliari ihre eigenen Wege. Der Enkel Gregorio träumt hingegen von einem Leben als Pianist, und verlässt für diesen Traum seine Heimat, um in New York sein Glück zu finden…
Über drei Generationen spannt die Autorin diesen gefühlvollen und nachdenklich stimmenden Roman, in dem sie ihrer Heimat und seinen alten Traditionen eine Bühne bietet. Dennoch kommt das italienische Flair, in dem die Kultur und Bräuche, das Leben in den kleinen sardischen Bergdörfern zum Leben erweckt wird, für meinen Geschmack etwas zu kurz. Vielmehr geht es um die Menschen, um Ester, Felicita und Gregorio. Allen ist das scheinbar unerfüllte Streben nach Glück gemeinsam. Ich fand alle drei gut charakterisiert, dennoch wirken sie auf mich zum großen Teil unzufrieden mit ihrem Leben. Vor allem Ester erscheint mir als diejenige, die mit ihrem Leben und ihrem Schicksal am stärksten hadert und sich nichts sehnlicher wünscht, als dass es ihrer Tochter mal besser geht und diese vielleicht nicht uneigennützig, ihrer Familie zu einem besseren Leben verhilft. Ein trauriger Konflikt, der so manchen Leser sicherlich bekannt vorkommen wird. Felicita wirkt dahingegen auf mich fast schon etwas trotzig und hoffnungsvoll. Sie träumt auch von einem besseren Leben, sie schafft es aber besser, sich mit ihrem Leben zu arrangieren und mit den kleinen Dingen zufrieden zu sein.
Wer die Botschaft der Autorin für dieses Buch verstehen will, muss zwischen den Zeilen lesen. Hier geht es nicht um die Darstellung einer Familiengeschichte vor dem Hintergrund politischer und sozialer Veränderungen in Italien/Sardinien im 19. Jahrhundert. Es erscheint mir eher wie eine Parabel. Es geht um Wünsche, Träume, Hoffnungen und unerfülltes Glück. Das Streben nach Glück, nach einem besseren Leben zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte und spiegelt sich in jeder Generation unerbittlich wider. Und das macht es fast schon zu einem Buch mit poetischem, philosophischem Inhalt. Jeder, der diese Art von Lektüre mag, ist hier sehr gut aufgehoben. Wer eine lockere, leichte Lektüre bevorzugt, eher weniger.
„Eine fast perfekte Welt“ ist für mich kein leicht zugänglicher Roman. Ich hatte anfangs starke Schwierigkeiten. Der Anfang wirkte auf mich zäh, nicht so richtig fesselnd und das hat sich über große Strecken leider fortgesetzt. Das Ende wirkte auf mich auch etwas willkürlich, und nicht wirklich als ein Abschluss, der offene Fragen klärt. Aber vielleicht war das auch die Intention der Autorin. Eben den Leser mit offenen Fragen zu entlassen und ihm zum Nachdenken über seine Haltung zum Glück zurückzulassen. Deshalb bin ich auch hin und hergerissen. Die Autorin verzichtet überwiegend auf wörtliche Rede, was es meiner Meinung nach schwierig macht, sich mit den Charakteren und deren Gefühlen zu identifizieren und in die Geschichte so richtig einzutauchen. Dennoch ist der Roman flüssig geschrieben und stellenweise sogar humorvoll. Manche Zeitsprünge erschienen mir auch etwas unglaubwürdig, denn es tauchen zum Beispiel technische Neuerungen wie das Smartphone auf, die es rein rechnerisch zum Zeitpunkt, in der sich die Geschichte der Hauptpersonen abspielt, noch gar nicht geben konnte, vor allem wenn man das Alter der jeweiligen Person heranzieht. Ich kann darüber aber hinwegsehen, weil es für die Handlung nicht ins Gewicht fällt.
Mein Fazit: Ein durchaus lesenswertes, nachdenklich stimmendes Buch über die (unerfüllte) Suche nach dem, was Glück für jeden einzelnen bedeutet. Ein Buch, das mich leider mit offenen Fragen zurückgelassen hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.03.2020

Was am Ende wirklich zählt

Eine kurze Geschichte vom Fallen - Was ich beim Sterben über das Leben lernte
0

„In solchen Momenten wirkte der Raum still, und alles ist ruhig. Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, so einen Frieden zu erkennen. Zu erkennen, dass ich nicht mehr bin als dieser Körper.“ (S. 116)
Joe ...

„In solchen Momenten wirkte der Raum still, und alles ist ruhig. Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, so einen Frieden zu erkennen. Zu erkennen, dass ich nicht mehr bin als dieser Körper.“ (S. 116)
Joe Hammond erzählt die Geschichte seiner eigenen schweren motoneuronischen Erkrankung. Einer unheilbaren Krankheit, die ihm am Ende das Leben kosten wird. Als verheirateter Vater mit zwei kleinen Söhnen hat er alles, was er sich wünschen kann. Er lebt glücklich mit seiner Familie in Portugal, als er eines Tages anfängt seine Beine nicht mehr zu spüren. Der Anfang eines langen schweren Prozesses…
Joe Hammond macht es uns als Leser in seiner autobiographischen Erzählung nicht leicht. Das Buch ist kein Roman über einen Dritten und ich war sehr gespannt darauf, was mich erwartet, als ich den Klappentext und die Leseprobe gelesen hatte. Mir war klar, dass wird keine leichte Erzählung. Denn der Autor ist selbst Betroffener und erzählt in klaren, ehrlichen, selbstreflektierenden Worten, wie ihn eine tödliche Krankheit Stück für Stück seiner Lebensqualität und seiner Würde beraubt. Dennoch verliert Joe nie den Humor und auch nicht den Kontakt zu denjenigen, die er am meisten liebt – seiner Familie. Es bleibt am Ende offen, was aus ihm geworden ist. Aber jeder Leser kann sich den Ausgang nach den schonungslosen Schilderungen ohnehin vorstellen. Es bleibt eine Lücke zurück und die Gewissheit, wie schnell alles vorbei sein kann und man am Ende womöglich genug Zeit hat, wie Joe, dem eigenen Verfall bei vollem Bewusstsein zuzuschauen. Obwohl ich ehrlich sagen muss, dass ich mit der Schreibweise und auch der teilweise sprunghaften Handlung so meine Schwierigkeiten hatte, fand ich die Erzählung insgesamt erschütternd und bewegend. Der Autor reflektiert viel, berichtet über die Beziehung zu seiner Familie, dem schwierigen Verhältnis zu seinen Eltern und wie er selbst sich mit der Krankheit abfindet. Teilweise ist er sehr metaphorisch, was sicherlich nicht jedem Leser entgegenkommt und es auch nicht jedem mit der Lektüre leicht macht. Aber darauf kommt es ihm hier sicherlich nicht an. Der Autor möchte Mut machen und zum Nachdenken über das Leben und seinen Sinn anregen. Und wenn man bedenkt, dass er das Buch schrieb, als er schon längst am Rollstuhl gefesselt und künstlich ernährt wurde, ist das eine bemerkenswerte Leistung. Und das ist für mich die entscheidende Quintessenz, die das Buch für mich lesenswert macht: nie den Mut zu verlieren und in jedem Augenblick das Leben zu genießen.
Mein Fazit: Ein schonungslos, ehrlicher und tief bewegender Roman über das Leben, der Mut gibt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.03.2020

Frauen in einer neuen Zeit

Violet
0

England in den 30iger Jahren. Violet ist eine alleinstehende Frau. Unverheiratet und kinderlos ist sie für die Gesellschaft das, was man als „alte Jungfer“ bezeichnet. Seit dem Tod ihres Verlobten im Ersten ...

England in den 30iger Jahren. Violet ist eine alleinstehende Frau. Unverheiratet und kinderlos ist sie für die Gesellschaft das, was man als „alte Jungfer“ bezeichnet. Seit dem Tod ihres Verlobten im Ersten Weltkrieg versucht sie sich ihr eigenes Leben in Winchester aufzubauen, um ihrer herrischen Mutter zu entkommen und ohne der Familie ihres Bruders zur Last zu fallen. Sie schließt sich einer Gruppe von Stickerinnen an, die für die Kathedrale Sitz- und Kniekissen anfertigen. Schnell werden die Frauen und das neue Hobby zu Violet’s Lebensmittelpunkt und nicht zuletzt gibt die Nähe zum älteren Glöckner Arthur ihr den Lebensmut, sich ihrem Leben zu stellen und an ihr Glück zu glauben…
Tracy Chevalier zeichnet in ihrem Roman die Rolle der Frau in den 30igern des 19. Jahrhunderts einfühlsam nach. Es war kein leichtes Leben für die Frauen, da sie oft auf finanzielle Unterstützung durch ihre Familien angewiesen waren und nur allzu oft für ihren emanzipierten Lebensstil von der Gesellschaft naserümpfend ausgestoßen oder gemieden wurden. Es geht um Verlust, Emanzipation, Freiheit und die Auseinandersetzung zwischen alten konservativen Ansichten und neuen selbstbewussten Lebensweisen. Ich fand die Figur der Violet wunderbar gezeichnet. Eine junge, selbstbewusste Frau auf der Suche nach Anerkennung und Liebe, nicht ohne Zweifel an dem, was sie tut, aber dennoch fest entschlossen, sich dem Leben und den an sie gestellten Herausforderungen zu stellen. Violet wird oft von Selbstzweifeln geplagt und sie ist nach wie vor an die Normen und an die familiäre Verantwortung gebunden - eine Rolle, die ihr auch ihr geliebter Bruder aufzwingt. Aber meiner Meinung nach gelingt es der Autorin sehr gut, dass sich ändernde Frauenbild im Spiegel der Zeit und gefangen in den nach wie vor festen Normen zu zeichnen. Unaufgeregt, ruhig und glaubwürdig ist der Schreibstil der Autorin. Gleichzeitig empfand ich, dass die Autorin nie versucht hat, die dargestellten Frauen zu überhöhen. Vielmehr sind es die leisen zwischenmenschlichen Freundschaften – auch die homosexuelle Beziehung zwischen zwei Frauen-Figuren im Buch – die zeigen, wie sich Frauen in der Gesellschaft ihren Platz erkämpfen, trotz aller Widerstände, und welchen enormen Beitrag sie gerade durch den hohen Verlust an Männern im Krieg beim Aufbau ihres Landes geleistet haben. Sozusagen kann man Chevaliers einfühlsamen Roman als eine wunderbare, liebevolle Ode an die Rolle der emanzipierten Frau in den 30iger Jahren verstehen. Wer einen Liebesroman erwartet, wird allerdings nicht auf seine Kosten kommen. Zwar deutet sich eine zarte Bindung zwischen Violet und dem älteren Glöckner Arthur an, aber die Autorin lässt diese Beziehung bewusst und auch wegen vieler konventioneller Umstände außen vor. Vielmehr geht es um Violet und ihren Weg zu einer freien, selbstbewussten Frau, die als ein Vorbild verstanden werden kann. Einen kleinen Abzug muss ich leider beim Tempo der Handlung geben. Obwohl ich die Geschichte wunderbar erzählt empfand, war mir die Entwicklung des Spannungsbogens an manchen Strecken etwas zu langatmig, und die Beschreibungen einzelner Situationen zu detailreich. Klar hat sich die Autorin hier bei der Recherche der Geschichte über die Stickerinnen der Kathedrale von Winchester oder über die Arbeit der Glöckner unglaublich viel Mühe gemacht. Die Einblicke waren interessant und lehrreich, persönlich hätte ich sie aber für die Entwicklung der Figur von Violet nicht gebraucht. Aber das ist meine persönliche Meinung.

Mein Fazit: Ein historischer, einfühlsamer Roman über die Suche einer Frau nach Selbstverwirklichung und persönlichem Glück, in einer Zeit dramatischer gesellschaftlicher Umbrüche. Lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.03.2020

Zusammen ist man nicht allein

Geteilt durch zwei
0

Nadja lebt ein normales und zufriedenes Leben. Sie ist glücklich verheiratet, hat eine erwachsene Tochter. Doch seit ihrer Kindheit spürt sie, dass sie nicht komplett ist, zumal sie weiß, dass sie von ...

Nadja lebt ein normales und zufriedenes Leben. Sie ist glücklich verheiratet, hat eine erwachsene Tochter. Doch seit ihrer Kindheit spürt sie, dass sie nicht komplett ist, zumal sie weiß, dass sie von ihren aktuellen Eltern adoptiert ist. Eines Tages entdeckt sie durch Zufall ihre Zwillingsschwester Pia. Für beide ist es ein merkwürdiges Gefühl des sich Kennenlernens und sich Wiederfindens. Sie wollen die Wahrheit, die zu ihrer Trennung geführt hat herausfinden. Denn eines ist klar, ihre Adoptiveltern wissen mehr, als sie zugeben...

"Ich suchte trotzdem weiter. Ich wollte wissen, woher ich kam. Aber je mehr ich suchte, desto mehr entfernte ich mich von den Wurzeln, die ich hatte." - Barbara Kunath ist ein sehr einfühlsamer Roman gelungen über die Suche nach der eigenen Identität, nach der anderen Hälfte. Man kann nur erahnen, wie es sich für einen Zwilling anfühlen muss, getrennt zu werden, oder wie es ist adoptiert zu werden und seine eigentlichen Eltern nicht zu kennen. Diesem Thema widmet sich die Autorin mit viel Feingefühl und lässt dabei auch mir als Leserin Freiraum zu berurteilen. Denn es fällt auf, dass die Autorin meist sehr sachlich schreibt, was mich zwar etwas irritiert hat, dennoch aber dem Leser viel Raum lässt ... mit zu fühlen. Denn für Nadja als Protagonistin und Erzählerin ist es alles andere als leicht, sich in der neuen Situation zu finden. Pia reagiert meist anders als erwartet und teils abweisend, was auch mit einer Krankheit zu tun hat, von dem ich als Leserin erst später in der Geschichte erfährt. Dennoch läuft Nadja immer wieder gegen Wände aus Schweigen. Das machte für mich die Geschichte noch emotionaler und auch spannend. Nicht zuletzt baut die Autorin in Rückblenden die Ereignisse ein, die bis zur Geburt der Zwillinge und letztlich zur Adoption geführt haben. Erst dadurch erhält der Leser das komplette Bild der Geschichte, versteht Hintergründe und kann Reaktionen nachvollziehen. Ich fand es wunderbar, wie die Autorin der Gefühlswelt von Nadja Raum lässt und sich auch eher auf die emotionalen Folgen einer Adoption konzentriert und was dieser Vorgang für die betroffenen Menschen bedeutet. Für mich war - neben dem emotionalen Aspekt - die Handlung in sich stimmig und ruhig erzählt. Das Cover ist wunderbar gestaltet und ein schöner Hingucker. Mein Fazit: Eine bewegende Geschichte über die Suche nach sich selbst, zum Nachdenken und Mitfühlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere