Auf der Suche nach dem verschollenen Onkel
Goodbye, Bukarest„Es sind wir Menschen, die Ewigkeiten füreinander schaffen.“ (Seite 10)
Was von „Goodbye Bukarest“ am meisten bei mir hängen geblieben ist, sind die Menschen und ihre Geschichten, die sich vor dem Hintergrund ...
„Es sind wir Menschen, die Ewigkeiten füreinander schaffen.“ (Seite 10)
Was von „Goodbye Bukarest“ am meisten bei mir hängen geblieben ist, sind die Menschen und ihre Geschichten, die sich vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges, der Nachkriegszeit und der politisch-gesellschaftlichen Umwälzungen des vergangenen Jahrhunderts abspielen. Astrid Seeberger hat in ihrem – so glaub ich – autobiographischen Roman ein sehr realistisches und bewegendes Bild dieser Jahrzehnte gezeichnet und dabei ihre eigene Familiengeschichte in das Zentrum gerückt. Lange Jahre glaubte Astrid, dass ihr Onkel Bruno vor Stalingrad gefallen und verschollen ist. Doch eines Tages findet sie heraus, dass das eine Lüge war. Doch wer war Bruno eigentlich? Was ist tatsächlich damals geschehen?
Eine spannende Reise beginnt, die mich schon als Leser zutiefst bewegt hat. Astrid begibt sich auf die Suche. Sie begegnet dabei Menschen, die Bruno gekannt haben und über ihre Erlebnisse aus der damaligen Zeit erzählen. Damit greift die Autorin auf ein tolles Stilmittel zurück, nämlich Zeitzeugen berichten zu lassen. Auf einmal wurde für mich die Geschichte greifbar, die Ereignisse bildhaft und die Schicksale dramatisch. Denn als Leser erfahre ich einiges über das Leben in einem stalinistisch-sowjetischen Gefangenlager in der Steppe von Kasachstan, kann den Lebensweg von Bruno über die verschiedenen Zeitzeugenberichte nachvollziehen. Denn seine Odyssee geht von Stalingrad, über Kasachstan, nach Bukarest, wo er eine neue Familie, lebenslange, tiefe Freundschaften und eine neue Liebe in der Ceausescu-Ära findet – bis er schließlich seinen Weg nach Deutschland zurückfindet. Die Geschichten erstrecken sich von den 40er bis zu den 90er Jahren. Ich als Leser bekomme zwar nur Fragmente präsentiert, dennoch ist es die Art, wie die Zeitzeugen ihre Perspektive und Erlebnisse erzählen lassen, die mich fesselt und in die Geschichte eintauchen lässt. Denn jede Geschichte erhält genügend Raum. Zwischendurch gibt es aber auch immer wieder ruhige Momente, in denen Astrid das Gehörte reflektieren kann. Dennoch gelingt es der Autorin, wie ich finde, wunderbar, die Ereignisse nicht zu kommentieren. Das überlässt sie uns – den Lesern.
Was mich besonders bewegt und interessiert hat, waren die Erzählungen rund um die Jahrzehnte in Rumänien, da ich bislang nur wenig über den hoffnungsvollen Start der jungen rumänischen Republik und den anschließenden Absturz in die Diktatur der Ceausecsu-Ära gelesen habe. Ich erfahre am Beispiel von Brunos neuer Familie, wie der rumänische Staat in das Leben seiner Bürger eingreift, wie er versucht, Künstler zu kontrollieren und rigide einzuschränken, so dass diese keinen anderen Ausweg als die Flucht suchen müssen. Auch wenn das nur ein Bruchteil der damaligen Ereignisse sein kann, fand ich die Geschichte bewegend und aufschlussreich.
Astrid Seeberger’s Roman ist vor allem ein ruhig geschriebenes Stück Zeit(zeugen)geschichte. Ihren Schreibstil empfand ich als flüssig, einfühlsam, poetisch und leicht melancholisch. Man muss sich auf die Erzählweise einlassen. Punkten konnte der Roman für mich vor allem durch die Berichte der Zeitzeugen, die teils bewegend, dramatisch, aber auch bildgewaltig waren und es mir dadurch ermöglichten, den Personen nahe zu sein. Für mich ist „Goodbye Bukarest“ ein eindringliches Buch, gegen das Vergessen, das über die Folgen des Krieges berichtet und über Schicksale von Familien, die auseinandergerissen werden – aber keinen moralischen Zeigefinger erhebt oder Urteile fällt. Aber gleichzeitig auch ein Roman mit überraschenden Wendungen ist, in dem es die Autorin schafft als Bindeglied zwischen all diesen erschütternden Einzelschicksalen immer wieder auch die Leidenschaft zur Musik, der Literatur oder der Kunst, einzuflechten – ein kleines Kunstwerk eben, das zwischen all der Dramatik auch ein Ventil für die Schönheit findet.
Mein Fazit: Ein absolut lesenswerter, berührender Roman über ein Familienschicksal, dass durch seine authentischen, emotionalen Zeitzeugenberichte überzeugen konnte.