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Veröffentlicht am 11.03.2018

Was bleibt ist Freundschaft

Die Geschichte des verlorenen Kindes
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Ich habe schon viel von den begeisterten Rezensionen und Pressestimmen gelesen, die diese vierteilige Reihe von Elena Ferrante begleiten. Leider ist es mir bis dato nie gelungen, auch nur eine Seite dieser ...

Ich habe schon viel von den begeisterten Rezensionen und Pressestimmen gelesen, die diese vierteilige Reihe von Elena Ferrante begleiten. Leider ist es mir bis dato nie gelungen, auch nur eine Seite dieser Geschichte zu lesen. Bis jetzt! Und ich muss gestehen, dass ich super neugierig auf die Geschichte war. Elena Ferrante schließt mit dem vierten Band "Die Geschichte des verlorenen Kindes" eine über viele Jahrzehnte andauernde Reise der zwei Freundinnen Lila und Elena ab und schlägt dabei gekonnt den Bogen zwischen dem ersten Band und dem letzten.

Im Zentrum stehen die 70er Jahre bis in die Gegenwart - und dem Verschwinden Lila's. Aus der Perspektive Elena`s erleben wir, wie diese ihren Mann verlässt und mit ihrer großen Jugendliebe Nino zusammenkommt und dabei gegen jegliche Konventionen verstößt. Wir erleben ihre Unsicherheit als Schriftstellerin, bevor sie den Erfolg mit ihren Büchern hat, den sie sich wünscht. Gleichzeitig erfahren wir aber, dass sie Zeit ihres Lebens an ihrer schriftstellerischen Begabung zweifelt. Wir erleben Elena als Mutter heranwachsender Töchter. Und begleiten sie auf ihren Weg zurück nach Neapel und damit zu Lila, die es selbst nie geschafft hat, sich der Enge und dem mafiösen Beziehungsgeflechts des Rione zu entziehen. Trotz des Versuchs sich von Lila zu lösen, vielleicht auch im Versuch sich selbst eine eigene Identität zu geben, gelingt es Elena nie ganz sich von der Meinung und dem Einfluss von Lila zu lösen, die wiederum im Bezug auf Elena eine eigene Agenda zu haben scheint.

Diese sehr bewegende und komplizierte Freundschaft überbrückt dabei Höhen und Tiefen. Ja, ich möchte sogar sagen, beide verbindet eine Art Hassliebe. Denn Lila's Zynismus und offene - teils verletztende - Ehrlichkeit stößt Elena ab, wie sie sie anzieht. Beide bilden auf ihre eigene Art eine wunderbare Symbiose. Vor dem Hintergrund italienischer Geschichte und der gesellschaftlich-sozialen Veränderungen, die Italien in den Jahrzehnten, die wir verfolgen, erlebt, ist Ferrante ein wirklich außergewöhnlicher Roman gelungen. Die Sprache ist teilweise sehr getragen mit viel indirekter Rede und durch den berichtenden Erzählstil Elena's vielleicht für den einen oder anderen Leser nicht einfach. Auch ich hatte am Anfang meine Probleme in den Lesefluss zu finden. Der gesamte Roman wirkt insgesamt etwas schwerfällig, nicht im negativen Sinne, sondern Ferrante benutzt diesen Stil, um die sich verändernden Lebensverhältnisse der beiden Frauen zu schildern. Beide sind reifer geworden, Familienmenschen, die Trennungen hinter sich haben, Schicksalsschläge erleben und ihren eigenen Weg finden müssen. Beide sind nüchterner und haben keinen verträumten Blick mehr auf das Leben. Das wird vor allem in vielen Aussagen von Lila sehr deutlich. Und überträgt sich nicht zuletzt auf die Sprache und Grundstimmung des Buches. Das gelingt meines Erachtens nicht jedem Autor.

Ich für meinen Teil kann dieses Buch ohne Bedenken weiterempfehlen. Ferrante ist eine wirklich großartiges Stück der Gegenwartsliteratur gelungen. Eine große Geschichte von Freundschaft, Liebe und Hass in einer impulsiven Stadt wie Neapel - mit Suchtpotenzial, denn ich werde mit Sicherheit die anderen drei Bände noch lesen.

Veröffentlicht am 25.02.2018

Aus Spaß wird ernst

Nackt über Berlin
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Jannik ist ein normaler Sechzehnjähriger aus Berlin. Normal? Fast. Jannik liebt klassische Musik und komponiert gern. Und er ist in der sexuellen Orientierungsphase, denn er merkt, dass er für seinen vietnamesischen ...

Jannik ist ein normaler Sechzehnjähriger aus Berlin. Normal? Fast. Jannik liebt klassische Musik und komponiert gern. Und er ist in der sexuellen Orientierungsphase, denn er merkt, dass er für seinen vietnamesischen Kumpel und Mitschüler Tai schwärmt, ein IT-Genie, der immer mit der Kamera bewaffnet, Momente einfängt, um sie so digital auf einem Datenträger festzuhalten. Beide sind Außenseiter und kämpfen sich mehr schlecht als recht durch den schulischen Alltag. Eines Abends begegnen sie ihrem Schuldirektor Jens Lamprecht, einem äußerst strengen und moralisch festen Zeitgenossen, der sturzbetrunken durch Berlin taumelt. Kurzerhand entführen sie ihn in seine Wohnung und schließen ihn dort ein. Was als kleiner Jungenstreich für Jannik begann, wird bald ernst. Denn Tai spielt sein eigenes Spiel mit dem Direktor, was so perfide ist, dass dieser in einer Art Seelenstriptease eine Höllenfahrt der Gefühle durchlebt - mit einem Ziel, die Wahrheit über den Tod einer Mitschülerin zu erfahren.

Was am Anfang der Geschichte mit einer lockeren und leichten Erzählung beginnt, entwickelt sich für den Leser im Verlauf tatsächlich zu einer tiefgründigen und ernsten Geschichte, die mich als Leserin angesprochen und zum Nachdenken angeregt hat. Mich hat die Geschichte der beiden Freunde sehr überzeugt. Denn Axel Ranisch gelingt es auf eine sehr humorvolle und teils skurile Art und Weise sehr authentische Charaktere zu zeichnen, die mit ihrer Sprache und Handlungsweise überzeugen können. Jannik ist mir von Anfang an sehr sympathisch und auch seine Entwicklung - seine Zweifel und sein innerer Kampf, ob er das Richtige tut und nicht zuletzt seine Gefühle zu einem gleichaltrigen Jungen, die in einem genialen Coming-Out-Moment vor seinen Eltern gipfelt, machen ihn zu einem sehr glaubhaften Helden und Protagonisten. Tai bleibt hingegen durchaus undurchsichtig, weil seine eigentlichen Motive immer irgendwie im Verborgenen bleiben. Aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt - der von Jannik und des Schuldirektor Jens Lamprecht - wird der Leser auf einer turbolenten Achterbahnfahrt mitgenommen, die durchaus ernste Töne anschlägt. Die Entwicklung des Schuldirektors hin zum reuigen "Sünder" wirkt zwar teilweise etwas überspannt, aber passt letztlich doch in diese schnell erzählte und dynamische Geschichte. Die lockere Sprache, die teils skurilen, unterhaltsamen Momente und nicht zuletzt ein wirklich toll gestaltetes Cover machen dieses Buch aus meiner Sicht zu einer echten Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 25.02.2018

Dämonen der Vergangenheit

Böse Schwestern
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Die langerwartete Fortsetzung von Bestellerautorin Mikaela Bley um die Kriminalreporterin Ellen Tamm aus Schweden ist endlich da. Ellen Tamm kehrt nach vielen Jahren in ihren Heimatort zurück.Traumatisiert ...

Die langerwartete Fortsetzung von Bestellerautorin Mikaela Bley um die Kriminalreporterin Ellen Tamm aus Schweden ist endlich da. Ellen Tamm kehrt nach vielen Jahren in ihren Heimatort zurück.Traumatisiert vom frühen und mysteriösen Tod ihrer Zwillingsschwester versucht sie sich den Dämonen ihrer Vergangenheit zu stellen und professionelle Hilfe anzunehmen. Im Ort stolpert sie quasi per Zufall über den Mord an einer jungen Frau. Sexualverbrechen? Oder Zufallstat eines Wahnsinnigen? Ellen stürzt sich in die Ermittlungen, auch um den schwierigen Konfrontationen mit ihrer Mutter aus dem Weg zu gehen. Dabei stößt sie auf ein Netz aus Lügen und Gewalt und auf eine Familie, die eine seltsame Beziehung zueinander pflegt. Auf der Suche nach der Wahrheit gerät Ellen dabei mehr als einmal in Gefahr...

Ich war sehr gespannt auf die Fortsetzung der Bestellerautorin aus Schweden, hat mich doch schon der erste Fall "Glücksmädchen" gefesselt und begeistert. Leider kommt aus meiner Sicht diese Geschichte an Spannung nicht komplett an den ersten Teil heran. Und leider fehlen der Geschichte oftmals genau die Momente, die einen guten Thriller ausmachen. Auch wenn es einen soliden und guten Handlungssplot gibt, der so einige spannende Momente aufweist. Mit diesem Teil gewinnt der Leser dieses Mal einen sehr persönlichen Einblick in das Leben von Ellen Tamm und das persönliche Trauma um den Tod der eigenen Schwester. Mich hat sehr bewegt, wie Ellen versucht mit dieser Tragödie umzugehen, aber bin auch fasziniert davon, dass es nach so langer Zeit immer noch offene, ungeklärte Fragen gibt. Ich bin sicher, das liefert noch jede Menge Stoff für einen dritten Teil. Zumal das Ende nicht nur überrascht, sondern auch noch einiges offen lässt. Alle Figuren sind psychologisch gut durchdacht und fein und authentisch gezeichnet. Der Handlungsplot um die Hausfrau Alexandra und die Lehrerin Hanna ist gut gelungen. Beide leben eine hochkomplexe Lüge und dabei zuzusehen, wie dieses Gespinst aus Liebe, Lügen und scheinbarer Perfektion langsam in sich zusammenfällt, macht diese Geschichte durchaus interessant. Dennoch muss ich persönlich sagen, dass im Gesamtkontext betrachtet, "Böse Schwestern" mich nicht so begeistern konnte, wie es der erste Teil geschafft hat.

Veröffentlicht am 17.02.2018

Wenn die Vergangenheit dich einholt

Echo der Toten. Ein Fall für Friederike Matthée (Friederike Matthée ermittelt 1)
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Deutschland im Januar 1947: Die Menschen im zerbombten Nachkriegsdeutschland kämpfen in einem harten Winter ums Überleben. Lebensmittel sind streng rationiert. Wer eine Bleibe gefunden hat, muss oft eine ...

Deutschland im Januar 1947: Die Menschen im zerbombten Nachkriegsdeutschland kämpfen in einem harten Winter ums Überleben. Lebensmittel sind streng rationiert. Wer eine Bleibe gefunden hat, muss oft eine kleine Wohnung mit anderen teilen. Friederike Matthée, die mit ihrer traumatisierten Mutter aus Ostpreußen geflohen ist, muss sich als weibliche Polizistin in der britischen Besatzunszone durchschlagen. Als junge Frau aus einer eins wohlhabenden Familie eine unfassbare Umstellung auf neue Lebensumstände. Als in der Eifel ein grausamer Mord geschieht, wird sie von dem Engländer Richard Davies, der bei der Royal Military Police arbeitet und mit der Lösung des Mordfalls beauftragt wird, als Assistentin angefordert. Der einzige Zeuge ist ein sechsjähriger traumatisierter Junge aus Ostpreußen, den Friederike befragen soll. Es gelingt ihr den stummen Jungen zum Sprechen zu bringen und gemeinsam mit Richard Davies macht sie sich auf die Suche nach dem Täter in einer Gesellschaft, die so manches "Geheimnis" zu verbergen hat und mit ihrer eigenen Vergangenheit und Schuld kämpft.

Beate Sauer ist meiner Meinung nach ein wirklich unterhaltsamer, spannender Krimi gelungen, der mich als Leser in das Nachkriegsdeutschland entführt hat. Die ersten Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges sind an sich schon eine spannende Zeit, in der es um die Bewältigung von Schuld und Trauer, um Rache und Vergebung und vor allem um viele Geheimnisse geht. Und das ist auch der Grundtenor dieses Krimis. Die Geschichte liest sich dabei sehr flüssig und eingängig. Die Charaktere sind sehr glaubwürdig und authentisch gelungen. Vor allem Friederike ist mir als Hauptcharakter sehr sympathisch. Ihre eigenen schrecklichen Erlebnisse auf der Flucht machen sie zu einem verwundbaren Charakter, dem es durchaus gelingt, trotz aller widrigen Umstände stark zu bleiben und das Beste aus dem Neuanfang zu machen. Selbst Richard Davies erhält eine verwundbare Seite und verbirgt dabei gekonnt ein erschütterndes Geheimnis. Auf der Suche nach Rache neigt er zu unbeherrschten Wutausbrüchen und wird dadurch zu einem komplexen, interessanten Charakter.

Beate Sauer versteht es zudem die Lebensumstände der damaligen Zeit gekonnt und sehr glaubhaft in Szene zu setzen. Es fiel mir beim Lesen sehr leicht, mir die damaligen Verhältnisse vorzustellen und mich auch in die Motivation der handelnden Personen hineinzuversetzen. Schließlich ist jeder von uns in irgendeiner Art und Weise durch die eigene Großeltern-Generation von den damaligen Ereignissen betroffen und kennt so manch eigene Geschichte. Daher wirken die Ereignisse auch für mich sehr nah und realistisch.

Mein Fazit: Insgesamt ist das ein gelungener, empfehlenswerter Krimi, der gekonnt mit komplexen Charakteren spielt und spannend ein wichtiges Kapitel unserer Vergangenheit in Szene setzt.

Veröffentlicht am 17.02.2018

Wohlfühlen auf Schwedisch

Highway to heaven
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... Oder wie man als alleinerziehende Mutter mit 40 ein neues Leben anfängt. So ergeht es Anette, als ihre 19-Jährige Tochter Emma fürs Studium das traute Heim verlässt. Anette und Emma waren bis dahin ...

... Oder wie man als alleinerziehende Mutter mit 40 ein neues Leben anfängt. So ergeht es Anette, als ihre 19-Jährige Tochter Emma fürs Studium das traute Heim verlässt. Anette und Emma waren bis dahin ein unzertrennliches Gespann und Anette hätte sich niemals vorstellen können, das sich das mal ändern wird. Anette führt auch sonst ein ruhiges und beschauliches Leben: Sie arbeitet in einer schwedischen Kleinstadt in einem Supermarkt, wo sie auch ihre beiden besten Freundinnen hat und kümmert sich nicht gerade hingebungsvoll um ihre demente Mutter. Auch sonst kommt Anette ihr Leben nach Emmas Auszug mehr als trist vor. Dennoch beschließt sie ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen und nimmt nicht nur Motorradstunden, sondern übernimmt auch die Organisation des Stadtfests "Skogahammar-Tag"...

Mit "Highway to Heaven" liefert Katarina Bivald uns einen typischen Frauenroman aus dem schwedischen Nirgendwo. Unterhaltsam, humorvoll und mit einem durchaus ironischen Blick auf das Leben, wird der Leser in das Leben von Anette entführt, die mit Ende 30 vor der Herausforderung und auch Chance steht, ihre einstigen Träume erneut in Angriff zu nehmen. Dabei greift die Autorin durchaus auf gut funktionierende Klischees zurück: die alleinerziehende Mutter, der jüngere Liebhaber/Freund und natürlich die wichtige Frage aller Frauen, die sich hier mit Sicherheit angesprochen und auch gut verstanden fühlen - was passiert mit dem eigenen Leben, wenn das eigene Kind nicht mehr der Mittelpunkt des bisherigen Lebens ist. Die Geschichte ist dabei ausnahmslos aus der Perspektive von Anette geschrieben. Dadurch konnte ich mich wunderbar in die Gedanken- und Gefühlswelt von Anette hineinversetzen. Auch sonst ist Anette ein wunderbar, warmherziger Charakter, der mir persönlich auf Anhieb sympathisch war. Sie ist leicht überspannt und chaotisch in ihrem Tun, dabei auch unglaublich loyal gegenüber ihren Freundinnen. Ein bisschen traut sie sich selbst nicht so ganz über den Weg, aber sie ist auch eine Kämpfernatur, die sich am Anfang unfreiwillig doch später gern dem Großprojekt Skogahammer-Tag widmet und dabei Organisationstalent beweist. Die Geschichte lässt sich dabei flüssig und schnell lesen. Sie startet zwar zu Beginn etwas langsam, aber gewinnt zum Ende hin durchaus an Tempo und Spannung.

Mein Fazit: "Highway to Heaven" ist ein kurzweiliger Roman, der zwar nicht zu den literarischen Höhepunkten aus Schweden zählt, aber durch eine angenehm zu lesende, locker, leichte Geschichte überzeugt.