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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.11.2018

Wie viel Glück kann ein Mensch haben?

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
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So viel Gutes hatte ich schon von diesem Buch gehört und wollte mich nun doch einmal selbst von der humoristischen Qualität überzeugen. Oft ist mein persönlicher Humor nicht kompatibel mit dem allgemein ...

So viel Gutes hatte ich schon von diesem Buch gehört und wollte mich nun doch einmal selbst von der humoristischen Qualität überzeugen. Oft ist mein persönlicher Humor nicht kompatibel mit dem allgemein verbreiteten Lachlevel, doch vom Hundertjährigen wurde ich nicht enttäuscht.

Allan Karlsson wird 100. Doch das kümmert ihn wenig und er beschließt seine langweilige Altersheim-Residenz zu verlassen und noch einmal in die Welt hinaus zu ziehen. Dies erscheint einem nur allzu logisch, wenn man im Laufe des Buches von seiner äußerst bewegten Vergangenheit erfährt.

Der Hunderjährige begann in frühen Jahren schon auf eigenen Beinen zu stehen und mit gefährlichem Sprenggut zu hantieren. Als Autodidakt auf diesem und vielen weiteren Gebieten, brachte er es auch ohne Schulabschluss weit, und dann noch immer einen Schritt weiter. Auf diesem Lebensweg, auf dem er auch äußerst bedeutenden politischen Personen begegnete, und auch in der gegenwärtigen Periode seines Daseins schlittert er immer wieder von einem verhängnisvollen Ereignis ins nächste, ohne auch nur irgendwie zu Schaden zu kommen. Seine skurrilen Lösungswege sind es, die mich beim Hören dieses Hörbuch so köstlich lachen ließen. Und nebenbei lernt man auch noch ein wenig über die Geschichte.
Man darf hier nicht unbedingt realistische und glaubwürdige Situationen erwarten, da würde man wohl enttäuscht werden. Aber wenn man sich einlässt auf die rundum abwegigen Begebenheiten und dem sympathischen und chaotischen alten Herren folgt, wird man belohnt.

Zum Abschluss bleibt mir noch ein kurzes Wort über den Sprecher (Otto Sander) zu sagen, der mir leider in manchen Bereichen nicht so gut gefiel, da einige Worte zu undeutlich ausgesprochen wurden.

Veröffentlicht am 15.11.2018

Gedanken über Handgebäck und Brotagonisten

Ca. 750 g Glück – Das kleine Buch über die große Lust sein eigenes Sauerteigbrot zu backen
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Lutz Geißler ist ein Brotbackgenie und hat bereits mehrere erfolgreiche Sachbücher über die Herstellung der nahrhaften Laibe verfasst. Aber hier haben wir kein einfaches Sachbuch in der Hand, sondern eine ...

Lutz Geißler ist ein Brotbackgenie und hat bereits mehrere erfolgreiche Sachbücher über die Herstellung der nahrhaften Laibe verfasst. Aber hier haben wir kein einfaches Sachbuch in der Hand, sondern eine Hommage an das sinnliche Verfahren der Sauerteigherstellung und -verarbeitung. Für dieses Neuwerk hat er sich Judith Stoletzky an die Seite geholt, um mit ihr dieses kleine aber feine Werk zu schaffen.
Man darf keine genauen Anleitungen erwarten, aber das Büchlein wird einen mit seiner leidenschaftlichen und humorvollen Art auf jeden Fall mit dem Sauerteig-Fieber anstecken. Man erfährt, wie es sich anfühlt, Mutter oder Vater eines Lebewesens zu sein, dass gefüttert und gepflegt werden will, und am Ende bekommt man sogar saftiges, gesundes Brot zurück.
Mir hat "ca. 750 g Glück" nicht nur gut gefallen, weil ich selbst schon Erfahrung im Brotbacken habe, sondern vor allem, weil es mich oft zum Schmunzeln brachte und der ein oder andere "Ja-Stimmt, so fühle ich das auch"-Moment auftauchte, den ich nie so in wundervolle Worte hätte fassen können. Einige neue Dinge habe ich zusätzlich auch noch gelernt.

Insgesamt ist dieses Buch für all jene zu empfehlen, die wissen wollen, wie der zur Entschleunigung beitragende Sauerteig tickt und dabei noch gut unterhalten werden wollen.

Veröffentlicht am 05.11.2018

Deutsche Geschichte unterhaltsam erklärt

Der Tag X
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Ein Stück jüngerer deutscher Geschichte wird in „Der Tag X“ gefühlvoll mit menschlichen Schicksalen und den dazugehörigen Geheimnissen verwoben. Wir begegnen Nelly, einem jungen Mädchen, dessen Vater 1946 ...

Ein Stück jüngerer deutscher Geschichte wird in „Der Tag X“ gefühlvoll mit menschlichen Schicksalen und den dazugehörigen Geheimnissen verwoben. Wir begegnen Nelly, einem jungen Mädchen, dessen Vater 1946 von sowjetischen Soldaten verschleppt wurde. Diese traumatische Erfahrung wird sie prägen und lässt Skepsis gegenüber der staatlichen Macht der DDR in ihr wachsen. Wie sie sich in den 1950ern in Ostberlin nicht mit den verordneten sozialistischen Einheiten arrangieren will und stattdessen in der Jungen Gemeinde nach Gleichgesinnten sucht, erzählt Titus Müller sehr einfühlsam und auch realitätsnah.

Doch nicht nur die Probleme und Träume der Normalbürger spielen in dem Roman eine Rolle, sondern auch große politische Aktionen. Die Machtübernahme Berias nach Stalins Tod und seine Einflussnahme auf die DDR lassen einen tief eintauchen in die Zeit der Neuordnung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Während Westdeutschland versucht Anschluss an Großbritannien, Frankreich und die USA zu finden, leiden Land und Leute in der DDR noch, geschwächt durch die Reparationszahlungen, die sie an die Sowjetunion abtreten müssen. Dies führt dazu, dass die Menschen unzufrieden werden und schließlich den Aufstand am 17. Juni 1953 wagen.

Es gibt im Buch verschiedene Hauptcharaktere und auch Erzählstränge, die aber sehr stimmig und abwechslungsreich zusammengesetzt wurden. Neben verschiedensten Liebesbeziehungen, erfahren wir auch von einem Spion, der in Deutschland für die Sowjetunion arbeitet und seinen haarsträubenden Einsätzen, einem jungen Uhrmacher, der von der Stasi gezwungen wurde, für sie zu arbeiten und einer allein erziehenden Mutter, die alles für ihre Kinder tun würde. Die Vielfalt an Personen und Themen, war das, was mir am Buch besonders gut gefallen hat. Denn durch die Perspektivwechsel erfährt man umfassend, was zu dieser Zeit passierte und was die Menschen zu ihren jeweiligen Handlungen getrieben hat. Ich würde behaupten, dass ich nun das historische Geschehen viel besser verstehen kann. Trotzdem war es keine schwere Kost, es war unterhaltsam und kurzweilig. Deswegen möchte ich dieses Buch jedem ans Herz legen.

Veröffentlicht am 05.11.2018

Liebe ein Leben lang

Das rote Adressbuch
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Alm, Doris: Hauptprotagonistin in "Das rote Adressbuch", dem Debütroman der schwedischen Schriftstellerin Sofia Lundberg.

In ähnlich alphabetischer Ordnung tauchen in Doris' Erinnerung jene Menschen auf, ...

Alm, Doris: Hauptprotagonistin in "Das rote Adressbuch", dem Debütroman der schwedischen Schriftstellerin Sofia Lundberg.

In ähnlich alphabetischer Ordnung tauchen in Doris' Erinnerung jene Menschen auf, die ihr im Leben begegneten und ihren Eindruck hinterließen. Dieser ist oft nicht nur mit positiven Gefühlen verbunden, sondern manchmal auch ziemlich tragisch. Alles in allem gestalten die verschiedenen Personen und Orte, an denen sie lebte, Doris' Leben, und damit auch das Buch sehr vielfältig und interessant.

Die beiden Sprecherinnen Beate Himmelstoß und Susanne Schroeder vertonen jeweils die reife bzw. die junge Doris und geben ihr genau die richtige Nuance, gefühlvoll und freundlich.

Die Umsetzung als Hörbuch finde ich sehr gelungen, die Gestaltung des Covers sehr schön und die Kapitel übersichtlich. Inhaltlich muss ich allerdings einige Abstriche machen, denn auch wenn das Leben in der Zeit zwischen den Weltkriegen für alleinstehende Frauen nicht unbedingt leicht war, so kam mir Doris doch etwas wenig zielstrebig vor. Hin- und Her geworfen durch familiäre Unglücke reist sie von Land zu Land, ohne sich selbst verwirklichen zu wollen. Man erfährt nicht, ob sie gern etwas gelernt hätte oder andere Träume hatte. Nur, dass sie für einen Mann alles stehen und liegen lässt um ihm über den Ozean zu folgen. Ein sehr riskantes Unterfangen.

Trotz allem handelt es sich hier nicht um einen reinen Liebesroman. Doris passieren noch viele andere Dinge in ihrem langen Leben. Die Familie spielt immer eine große Rolle. Und am Ende blickt sie zurück, friedlich und in Liebe.

Veröffentlicht am 05.11.2018

Toller Roman über Freundschaft, Liebe und ein süßes Teegeschäft

Der kleine Teeladen zum Glück
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Manuela Inusas Auftakt zur neuen "Valerie Lane"-Reihe hat mich durch seine liebevolle Covergestaltung schnell gefangen genommen. Das dort zu sehende hellblau gestrichene Tee-Lädchen lädt einen geradezu ...

Manuela Inusas Auftakt zur neuen "Valerie Lane"-Reihe hat mich durch seine liebevolle Covergestaltung schnell gefangen genommen. Das dort zu sehende hellblau gestrichene Tee-Lädchen lädt einen geradezu dazu ein, sich mit einer dampfenden Tasse des Heißgetränks zurück zu lehnen und in die Geschichte einzutauchen.

Dort treffen wir auf Laurie, die in ihrem eigenen, innig geliebten Teeladen in der Valerie Lane in Oxford auf den richtigen Mann wartet. Doch vielleicht hat sie ihn insgeheim schon gefunden? Denn seit kurzem geht ihr ihr neuer Teelieferant, der jeden Dienstag Morgen in ihrem Laden erscheint, nicht mehr aus dem Kopf. Doch geht es ihm genauso? Bisher hat sich Laurie nicht getraut, ihn auf persönlicher Ebene anzusprechen. Aber vielleicht können ihr ihre 4 besten Freundinnen, die alle ebenfalls ein eigenes Geschäft in der Straße haben, helfen.

Mir hat nicht nur die Gestaltung und Beschreibung der Straße gefallen, die nach einer fast legendären Valerie benannt wurde, die zu früheren Zeiten allerhand hilfreiche Aktionen für die Bedürftigen im Ort ins Leben gerufen hat, sondern auch die Art, wie die jungen Geschäftsführerinnen dieser Valerie versuchen nachzueifern.

So spielt im Roman neben der aufkeimenden Liebe zwischen Laurie und Barry, dem Teelieferanten, auch die Hilfsbereitschaft zwischen den Bewohnern der Valerie Lane eine besondere Rolle. An manchen Stellen gerieten die Gedanken Lauries, die sich um Barry drehten, etwas kitschig und klangen vielmehr nach einem unausgereiften Jugend-Roman (z.B. davon träumen, mit ihrem Traumprinzen auf einem Pferd zu reiten), als einem guten Frauenroman. Doch dies gab sich mit der Zeit. Die Autorin schaffte es auch nebenbei noch einige lustige Dialoge einzubauen und gegen Ende auch noch ein klein wenig Spannung aufzubauen. Davon hätte es gern noch ein wenig mehr geben können.

Vielleicht wird das in den folgenden Romanen der Reihe noch besser. Als nächstes werde ich sicher "Die Chocolaterie der Träume" lesen, in der es um Keira, eine der Freundinnen Lauries geht. Ich empfehle das Buch Lesern, die gern Tee trinken, lockere Liebesgeschichten mögen oder gern älteren Damen helfen.