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Veröffentlicht am 11.10.2023

Hässlichkeit ist politisch!

Hässlichkeit
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In Hässlichkeit von Moshtari Hilal treffen Essay, Poesie und Bildkunst aufeinander und schaffen so Raum um das Geschriebene, wirken zu lassen, zu durchdenken und aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. ...

In Hässlichkeit von Moshtari Hilal treffen Essay, Poesie und Bildkunst aufeinander und schaffen so Raum um das Geschriebene, wirken zu lassen, zu durchdenken und aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. In ihre Betrachtungen fließen popkulturelle Bezüge ebenso mit ein wie wissenschaftliche Texte, und nicht zuletzt ihre sehr persönlichen Erfahrungen und Emotionen.

Deutlich wird, beim Konzept von Hässlichkeit geht es letztlich um Hass, und damit in seiner politischen Dimension auch um Macht, Deutungsmacht und Unterdrückung. Dies wird nicht nur bei den offensichtlichen Beispielen im Kolonialismus deutlich, sondern auch im Alltag, es geht um Über- und Unterordung, andere zu degradieren aufgrund ihres Aussehens, Zugänge einzuschränken oder gar vollständig zu verweigern. Immer wieder schafft Hilal Bezüge zur Funktion von Hässlichkeit im Kapitalismus, für Rassismus und Verhinderung von Gleichberechtigung.

Die anekdotenhafte Referenz zu anderen Autoren und insbesondere wissenschaftlichen Theorien und Veröffentlichungen, war mir jedoch oft zu oberflächlich. Hier hätte ich mir mehr wirkliche Auseinandersetzung und Analyse gewünscht.

Wirklich stark wird das Buch, wenn Hilal über ihre eigenen Erfahrungen berichtet, persönlich wird, und deutet. Hiervon hätte ich mir mehr gewünscht und denke es hätte das Buch bereichert.

So bleibt für mich ein wenig verschenktes Potential bei diesem wichtigen Thema und, mit kleinen Abstrichen, durchaus gelungenen Buch von Moshtari Hilal!

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Veröffentlicht am 10.10.2023

Bergwandern und Alltagsphilosophie in 10 Etappen

Gipfelrausch
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Gipfelrausch - so der Titel des Werks von Philipp Laage, beschreibt nur einen Ausschnitt dieses wundervollen Buchs. Ein Rausch kann es tatsächlich sein einen Gipfel zu erklimmen, doch ebenso frustrierend ...

Gipfelrausch - so der Titel des Werks von Philipp Laage, beschreibt nur einen Ausschnitt dieses wundervollen Buchs. Ein Rausch kann es tatsächlich sein einen Gipfel zu erklimmen, doch ebenso frustrierend wenn die Natur dem Menschen Grenzen aufzeigt und letztlich ist der Aufenthalt in den Bergen, die Auseinandersetzung in und mit der Natur so viel mehr als ein Rausch, oft das komplette Gegenteil, ein Innehalten, eine Einladung zum Nachdenken über die Welt, den Berg, sich selbst und die eigene Ortung in diesem Kosmos. All diese Facetten durchleben wir mit Philipp Laage in den zehn beschriebenen Gipfeltouren.

Das Buch ist wirklich wunderschön gebunden und auch das Kapitellayout mit dem Foto inkl. Höhenmetern des jeweiligen Bergs auf einer Doppelseite vor dem Bericht gefällt mir sehr gut. Das Buchformat erinnert an ein Tagebuch und so habe ich es auch gelesen, indem ich mir für jeden Berg Zeit genommen habe zum Lesen aber auch um danach das Gelesene wirken zu lassen.

In jedem Kapitel wird von einer Bergbesteigung erzählt, jeweils eingebettet in Gedanken und Informationen zum jeweiligen Land, Mitreisenden, Reisebekanntschaften und dem Bergsteigen (und letztlich dem Leben) als solches. Nebenbei gibt es noch nützliche Tipps zum richtigen Umgang mit der Höhe und ein paar unfreiwillige Lektionen, was man vielleicht lieber unterlassen sollte, wie das Durchfeiern der Nacht vor dem Bergstieg.

Die Wanderungen fand ich wirklich sehr schön beschrieben, insbesondere die Gefühle, die das Wandern, der Kontakt zur Natur und nicht zuletzt die Verbindung zum Berg auslösen. Besonders hat mir das Sinnieren über die Motivation zum Bergsteigen gefallen. Ich glaube gerade in der Moderne ist es das absolut Zweckfreie dieser Unternehmung und der Natur, die den wohltuenden Kontrast zu einem rationalen, utilitaristischen Zeitgeist gibt. Mit dem Satz, zu hören „was der Berg einem zu sagen hat“, hat der Autor dies wundervoll auf den Punkt gebracht.

Emotional bin ich persönlich sehr nah beim Autor, für mich sind die Berge Magie, strahlen Ruhe aus, geben Kraft, ohne dass ich jedoch den Respekt vor ihnen verlieren würde.

Das Buch von Philipp Laage hat mir schöne Stunden in den Bergen und Gedanken zum Sinnieren beschert und ist unbedingt zu empfehlen - auch oder gerade weil es die Sehnsucht nach den Bergen und der Natur weckt!

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Veröffentlicht am 07.10.2023

Ein Leben erzählt in Begegnungen

Die Details
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Woran erinnern wir uns, wenn wir auf unser Leben zurückblicken? Wie werden wir zu der Person, die wir sind? Es sind die Menschen, denen wir begegnen und die Beziehungen zu diesen, oft lediglich Details, ...

Woran erinnern wir uns, wenn wir auf unser Leben zurückblicken? Wie werden wir zu der Person, die wir sind? Es sind die Menschen, denen wir begegnen und die Beziehungen zu diesen, oft lediglich Details, die jedoch zusammengesetzt ein Gesamtbild ergeben. In Die Details setzt die namenlose Ich-Erzählerin in einem Fiebertraum ein solches Bild aus vier Begegnungen mit wichtigen, für sie prägenden Menschen, ihres Lebens zusammen.

Die Sprache ist präzise und bildlich zugleich, jedes Wort sitzt da wo es hin soll, kein Wort zu wenig, keines zu viel.

Jede Erinnerung wirkt wie ein Psychogramm der Person, bis ins kleinste Detail beobachtet und deutet die Erzählerin die Person und die Beziehung aus, um die „Details jenseits der Oberfläche“, wie sie es nennt, aufzuspüren, auszuleuchten. Doch viel wichtiger als die vorgestellten Personen, ist das was sie mit der Erzählerin machen, wie sie ihr Leben, ihre Haltungen und ihre eigene Entwicklung geprägt haben. So beschreibt sie an einer Stelle das Ich als Spuren der Menschen, denen wir begegnen, und man gewinnt den Eindruck, dass es der Erzählerin genau darum geht, aufzuzeigen, dass und auf welche Weise soziale Beziehungen und andere Menschen uns prägen, uns zu uns selbst machen, wie wir unsere Identität im Wechselspiel zwischen Identifikation und Abgrenzung mit anderen ausbilden.

Ein wirklich besonderes Buch, dass mit seiner Sprache und dem aufmerksamen Blick auf die Details, die uns und unsere sozialen Beziehungen ausmachen, vollkommen überzeugt.

Ich habe das Buch als Hörbuch gehört. Die Stimme ist sehr angenehm. Trotzdem würde ich das nächste Mal eher zum Buch greifen. Da sowohl der Inhalt als auch der Stil der Autorin mit vielen klugen Gedanken, zum Innehalten und Nachdenken anregt, was für mich bei einem Buch besser funktioniert. In dem Fall keine Kritik, sondern im Gegenteil, ein Buch, dass man einfach im Regal haben sollte, um immer wieder in den Gedanken darin zu verweilen.

Für Die Details und Ia Genberg eine ganz klare Empfehlung von mir!

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Veröffentlicht am 06.10.2023

Wie kann etwas ein Zuhause sein, wo nicht richtig gekocht wird?

Der berühmte Tiefpunkt
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Dies fragt sich Marieke, als sie die vakuumverpackten Beutel mit undefinierbarem und ungenießbarem Mittagessen im Pflegeheim betrachtet, in dem sie arbeitet. Doch nicht nur dort, auch mit ihrem Freund ...

Dies fragt sich Marieke, als sie die vakuumverpackten Beutel mit undefinierbarem und ungenießbarem Mittagessen im Pflegeheim betrachtet, in dem sie arbeitet. Doch nicht nur dort, auch mit ihrem Freund Blok und in ihrer Familie wurde ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht (mehr) gekocht. Das Zuhause(Gefühl), es fehlt nicht nur im Pflegeheim, auch in Mariekes Privatleben.

Marieke identifiziert sich mit den Seniorinnen, träumt vom Vergessen, Nichts tun, das Leben, Erinnerungen sammeln, möchte sie hinter sich haben, denn offensichtlich spürt sie schon lange, dass die Richtung in die ihr Leben sich entwickelt hat, sie nicht glücklich macht, sie womöglich sogar zerstört. Ihre Partnerschaft, ihre Beziehung zu Mutter, Schwestern und Vater, die katastrophalen Zustände im Pflegeheim, auf all diesen Ebenen hat sie immer nachgegeben, sich angepasst, und sich dabei allmählich selbst verloren oder nie die Chance gehabt sich selbst zu entdecken. Wie es zu dem berühmten Tiefpunkt gekommen ist und wie Marieke sich daraus herauszuarbeiten versucht, beschreibt Amarylis de Gryse in kurzen Kapiteln im Wechsel von Gegenwart, Rückblicken und Träumen. Ihre Sprache ist dabei unglaublich sensibel, nie zu viel oder zu wenig, manchmal traurig, manchmal traurigkomisch, und manchmal entlockt sie ein Lächeln.

Die Beschreibung von Gerichten und ihrer Zubereitung lassen eintauchen in Genuss- und immer parallel auch Gefühlswelten, Lebenswelten und Gemütszustände. Nahrung, Kochen ist Leben in diesem Buch und spiegelt ganz selbstverständlich Glück und Zufriedenheit ebenso wie Traurigkeit und Verlust wider.

Die Einbettung von Pflegealltag und Thematisierung von Rationalisierung der Pflege und Pflegenotstand und seinen Konsequenzen für Personal und Senior*innen finde ich sehr gelungen, und ich kenne bisher keinen Roman, der sich diesem, in unserer Gesellschaft allgegenwärtigen Thema, annimmt. Alleine dieser Aspekt, wäre für sich schon ein Grund das Buch zu lesen. Und es gibt noch so viele Gründe mehr!

Für mich ist dies die schwerste Rezension, die ich bisher geschrieben habe. Weil das Buch so besonders ist, so viele Aspekte und Themen, so klug umsetzt, und man es einfach selbst gelesen haben muss! Ein wunderbares, besonderes Buch!

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Veröffentlicht am 06.10.2023

Tradition, Queerness, Liebe und Mord - und das alles im traumhaften Bozen

Der Bozen-Krimi: Familienehre
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Die Zutaten in Familienehre sind vielversprechend - und Simone Dark macht einen wunderbaren Krimi für spannende (Handlung) und entspannende (Kulisse) Stunden zugleich daraus. Bereits die ersten Seiten ...

Die Zutaten in Familienehre sind vielversprechend - und Simone Dark macht einen wunderbaren Krimi für spannende (Handlung) und entspannende (Kulisse) Stunden zugleich daraus. Bereits die ersten Seiten lassen in die stimmungsvolle Bozner Altstadt mit ihren Laubengängen an einem lauen Herbstabend eintauchen. Eine queere Sängerin, ein Streit mit einem Mann, am nächsten Morgen ist ein anderer Mann, DER Eishockeystar der Region tot. Im Verlauf tauchen viele Verdächtige auf und werden nach strengem Verhör von Sonja Schwarz entlassen. Die Idylle der Bergwelt trügt, ein Motiv scheint es an so vielen Stellen im Umfeld des Toten zu geben. Es macht Spaß Sonja Schwarz und ihrem Team bei den Ermittlungen zu folgen.

Die Parallelgeschichte mit Ziehtochter Laura und dem Weingut ist wunderbar in die Haupthandlung eingewebt und lässt in schöne Landschaftsausblicke ebenso wie die eigene Familiengeschichte von Sonja Schwarz eintauchen.

Einige Passagen hätten allerdings gern etwas ausführlicher ausfallen können, sowohl in der Handlung als auch in der Charakterisierung der Protagonistinnen und Protagonisten. Hier fehlten mir manchmal ein paar Informationen, zum Beispiel ist der Schmerz und Verlust von Sonja Schwarz recht kurz abgetan.

Sehr informativ fand ich die Danksagung am Ende, in der die Autorin kurz auf die Originalschauplätze eingeht, die sie inspiriert haben.

Insgesamt ein gelungener Krimi in traumhafter Kulisse!

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