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Veröffentlicht am 09.04.2021

Regionalkrimi mit wichtiger Thematik

Münchhausenschock
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"Münchhausen Schock" von Deborah Emrath ist als Taschenbuch mit 250 Seiten im März 2021 beim Verlag edition oberkassel erschienen.

Auf einem Campingplatz wird die Leiche der Sonderschullehrerin Carolin ...

"Münchhausen Schock" von Deborah Emrath ist als Taschenbuch mit 250 Seiten im März 2021 beim Verlag edition oberkassel erschienen.

Auf einem Campingplatz wird die Leiche der Sonderschullehrerin Carolin Merker tot in ihrem Wohnwagen gefunden. Auf den ersten Blick deutet zwar nichts auf ein Gewaltverbrechen hin, aber Kriminalhauptkommissarin Emma Stanford glaubt nicht an Suizid, zumal es keinen Abschiedsbrief gibt und 2 gespülte Gläser dastehen.

Emma fängt an zu recherchieren und stößt bald auf einen Unglücksfall, der sich in der Schule für Lernbehinderte 5 Jahre zuvor zutrug, bei dem ein Junge ums Leben kam und Carolin Merker ihre Aufsichtspflicht verletzt hatte - könnte da Rache ein Motiv sein?

Gut gefallen an "Münchhausenschock" hat mir die Thematik rund um die Inklusionsschule, da das eine wichtige Angelegenheit ist, mit der sich die mehrheit der bevölkerung allerdings gar nicht befasst.

Ausserdem enthält der Krimi eine gute Prtion Lokalkolorit, und da ich in der Region Bodenwerder / Hameln selbst schon einige Male gewesen bin, habe ich einige Locations wiedererkannt, das hat Spaß gemacht.

Wenngleich Emma und auch ihr Mann Andreas und ihre Freundin Barbara durchaus sympathische, detailliert angelegte Protagonisten sind, waren ihre Handlungen für mich nicht immer nachvollziehbar und einige Gedankengänge der Charaktere wirkten irgendwie aus der Luft gegriffen. Auch mit dem Schreibstil der Autorin an sich wurde ich bis zum Schluß nicht warm, es passte zwischen mir und dem Buch einfach nicht.

Aber das kann passieren und muss definitiv für andere Leser nicht zutreffen! Wer sich also für die Thematik interessiert und eine erfrischende , sympathische Ermittlerin kennenlernen möchte, der ist bei "Münchhausenschock" sicherlich gut aufgehoben.

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Veröffentlicht am 07.04.2021

Bewegend und erschütternd - die Geschichte von Saul Indian-Horse

Der gefrorene Himmel
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"Der gefrorene Himmel" von Richard Wagamese ist im März 2021 als Hardcover mit 256 Seiten beim Blessing Verlag erschienen.
Der Roman des 2017 verstorbenen Schriftstellers indigener Herkunft hat teils autobiografische ...

"Der gefrorene Himmel" von Richard Wagamese ist im März 2021 als Hardcover mit 256 Seiten beim Blessing Verlag erschienen.
Der Roman des 2017 verstorbenen Schriftstellers indigener Herkunft hat teils autobiografische Elemente.

Wagamese lässt in diesem beeindruckenden und erschütternden Werk den Hauptprotagonisten Saul Indian-Horse, einen Indianer aus dem Stamm der Ojibwe, seine Lebensgeschichte im Rahmen einer Alkohol-Entziehungskur erzählen.
Saul wurde schon als kleiner Junge nach dem Tod seiner Großmutter in eine Residential School gesteckt - die waren dafür gemacht, Kindern indigener Herkunft ihre Wurzeln hart und erbarmungslos auszutreiben. Kalt und gefühllos werden die Kinder dort behandelt, die Nonnen und Priester lassen die Kinder hungern, frieren und misshandeln und mißbrauchen ihre Schutzbefohlenen.
Irgendwann flüchtet sich Saul in den Eishockey, dort kann er die Realität vergessen, wenn er über das Eis gleitet und den Puck fliegen lässt. Er erfährt so ein bisschen Freiheitund das Team wird so etwas wie seine Pflegefamilie, wo er das erste Mal seit dem Tod seiner Großmutter Wärme und Zuneigung erfährt.
Er wird richtig gut in diesem Eissport, ein echter Star, aber mit zunehmendem Alter und Bekanntheitsgrad steigern sich auch der Rassismus und die Angriffslust der Weißen und mit der Zeit schafft Saul es nicht mehr, dagegen zu kämpfen, sondern verfällt dem Alkohol und damit genau dem typischen Klischee...
Auf wirklich erschütternde und bewegende Weise, die mich beim Lesen immer wieder hat innehalten lassen, schildert Wagamese Sauls Geschichte und beispielhaft die Geschichte eines ganzen Volkes.
Wenn Saul Eishockey spielt, kann er alles vergessen und so wird der Sport auf eine poetische und beeindruckende Weise dargestellt, dass man auch als Leser alles um sich herum vergisst, das Knirschen der Schlittschuhe auf dem Eis hört und die Kälte, aber auch den Triumph spüren kann...
Das Erzählen seines Werdeganges während der Therapie hilft Saul, den Absprung vom Alkohol zu schaffen und sich selbst wiederzufinden.
Ein erschütterndes und zugleich wunderbares Werk, das noch lange nachdenklich macht...!

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Veröffentlicht am 06.04.2021

Berlin, 1916: Ein spannender, authentischer, einfach großartiger Krimi um Kommissar Gennat

Kommissar Gennat und die Tote im Reisekorb
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"Kommissar Gennat und die Tote im Reisekorb" von Regina Stürickow ist im Februar 2021 als Taschenbuch mit 272 Seiten beim Elsengold Verlag erschienen und spielt 1916 in Berlin.

Max Kaminski, ein junger ...

"Kommissar Gennat und die Tote im Reisekorb" von Regina Stürickow ist im Februar 2021 als Taschenbuch mit 272 Seiten beim Elsengold Verlag erschienen und spielt 1916 in Berlin.

Max Kaminski, ein junger Reporter, macht ein Praktikum bei der Polizei und ermittelt mit Kommissar Ernst Gennat in Berlin und Stettin - denn in einem Reisekorb findet man in Stettin eine brutal zugerichtete Frauenleiche, die aus Berlin verschickt wurde.

Die Story beruht auf einer wahren Begebenheit und Kommissar Gennat hat es wirklich gegeben, er ist ja bekannt als einer der Vorreiter in der Kriminalanalytik und Spurensicherung. Er war seiner Zeit in vielerlei Hinsicht weit voraus, nahm die Menschen ernst, hatte keine Standesdünkel und war Neuem gegenüber absolut aufgeschlossen.

Schon nach den ersten Sätzen war ich mittendrin in Berlin 1916, Regina Stürickows Schreibstil und ihre liebevollen, detaillierten Beschreiibungen sind einfach klasse. Die Armut in den Berliner Hinterhöfen, der Geruch nach Kohl und der je nach Bildungsgrad immer breitere Dialekt - das kommt hautnah herüber und die schwierigen Zeiten sind deutlich spürbar!

Die Ermittlungen führen ganz tief ins Milieu, was die Angelegenheit natürlich besonders pikant macht - hinzu kommt noch die Tatsache, dass das Opfer eine lesbische Geliebte hatte und offenbar auch Frauen aus den besseren Gesellschaftsschichten "bedient" hat.

Der Mix in den Ermittlungen des erfahrenen Kommissars mit dem "frischen" Spürsinn des Reporters an seiner Seite machen das Geschehen sehr sehr lebendig und auch Max´ Frau Lissy, die sozial schwache Frauen und Familien betreut, bringt ganz neue Ansatzpunkte und Schwung in die Nachforschungen.

Gennat und Kaminski sind wirklich ein tolles Gespann. Der Kommissar muss den eifrigen Journalisten zwar bisweilen etwas ausbremsen, ist aber durchaus aufgeschlossen für dessen Verdachtsmomente und Lösungsansätze, das ist klasse.

Die Atmosphäre, die durch den detaillierten, unaufgeregten Schreibstil entsteht, ist super authentisch.

Das Misstrauen der Menschen, besonders der einfachen Leute, gegenüber der Polizei macht die Ermittlungen nicht gerade einfacher...das kann ich aber gut nachvollziehen, denn die Herren adeliger Kommissare und der Rest, (Gennat ist scheinbar die seltene Ausnahme) waren gegenüber dem "gemeinen" Volk sicher sehr anmaßend und überheblich, das sieht man anfangs schon daran, wie die Vermisstenanzeige zu Martha Franzke aufgenommen wurde....

Der Fall selbst ist äußerst fesselnd, im Verlauf der Handlung gab es einige Verdächtige, aber bis kurz vor dem Ende hatte ich den Täter nicht erraten und es war von Anfang bis Ende spannend.

Ein wirklich großartiger Krimi mit tollen und facettenreichen Charakteren, perfekt recherchiert, fesselnd geschrieben und an wahre Begebenheiten angelehnt - einfach großartig!

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Veröffentlicht am 03.04.2021

Cleverer Anwalt mit feinsinnigem Humor trifft taffe Kommissarin - ein spannender Fall für Jan de Fries

Rattenbrüder für Greetsiel
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“Rattenbrüder für Greetsiel” von Dirk Trost ist im März 2021 als Taschenbuch mit 396 Seiten beim Verlag Edition M erschienen.

Es handelt sich um den achten Fall der Jan de Fries Reihe, der problemlos ...


“Rattenbrüder für Greetsiel” von Dirk Trost ist im März 2021 als Taschenbuch mit 396 Seiten beim Verlag Edition M erschienen.

Es handelt sich um den achten Fall der Jan de Fries Reihe, der problemlos ohne Kenntnis der Vorgängerbände gelesen werden kann.

Jan de Fries hat in Greetsiel, einem beschaulichen ostfriesischen Dorf, seine neue Anwaltskanzlei eröffnet.

Bereits während der Einweihungsfeier bekommt er seine erste Mandantin - Jans guter Freund Onno bittet ihn um anwaltlichen Beistand für seine Freundin Nele, die in Schwierigkeiten steckt, weil sie auf dem Greetsieler Hafenfest einen Mann ordentlich verprügelt hat.

Jan beginnt zu recherchieren und steckt bald mittendrin in einem sehr brisanten Fall, denn Nele hat den Mann nicht grundlos attackiert - er arbeitet in einer Firma von Immobilienhaien, die ahnungslosen Bürgern mit perfiden Tricks ihre attraktiven Seegrundstücke abschwatzt und hat ihre Großeltern skrupellos übervorteilt.

Das ist erst der Anfang einer Verkettung unglücklicher Umstände, die ganz Greetsiel erschüttern - und bald schon befindet sich auch Jan in tödlicher Gefahr, denn offenbar hat er schlafende Hunde geweckt...

Dirk Trost hat einen tollen Schreibstil, der den Leser mit ganz viel Lokalkolorit und Liebe zum Detail direkt an die Nordsee katapultiert.

In Jan de Fries hat er eine super sympathische, clevere und engagierte Hauptfigur erschaffen, die einen scharfen Sinn für Gerechtigkeit hat und sich voll einbringt. Außerdem hat er einen sehr erfrischenden, trockenen Humor, der auf feinsinnige Weise einfließt und selbst in den fesselndster Momenten stets unterschwellig präsent ist.

Im Verlauf der Story trifft der Anwalt des Öfteren auf die neue Hauptkommissaren Doro oldenburg, mit der er sich auf Anhieb bestens versteht und die ihm einen tiefen Einblick in die Ermittlungen der Kripo gewährt - dafür bringt er sie selbst auch maßgeblich nach vorne.

Auch alle anderen Charaktere hat der Autor durch detaillierte Beschreibungen lebendig werden lassen, ob sie nun auf der guten oder bösen Seite standen, ich konnte sie vor meinem inneren Auge sehen wie im Kino!

Der Leser wird mit hier einigen Leichen konfrontiert, die Tötungsarten waren vielfältig und alles andere als zimperlich .

Die sich von Anfang an aufbauende Spannung wird permanent gehalten und steigert sich während des Showdowns enorm - zwischendurch habe ich förmlich an den Nägeln gekaut vor lauter Sorge um Jan...

Ein richtig guter Pageturner, der absolut packend ist und in dem man sich sehr zu Hause fühlt!

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Veröffentlicht am 01.04.2021

Irreführender Klappentext - eher Politkrimi über den Kalten Krieg, die DDR und die Stasi

Geiger
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"Geiger" von Gustaf Skördeman ist im März 2021 als Taschenbuch mit 496 Seiten bei Lübbe erschienen.

Das Buch beginnt total spannend:
Bei den Bromans klingelt das Festnetztelefon. Agneta, die gerade ihre ...

"Geiger" von Gustaf Skördeman ist im März 2021 als Taschenbuch mit 496 Seiten bei Lübbe erschienen.

Das Buch beginnt total spannend:
Bei den Bromans klingelt das Festnetztelefon. Agneta, die gerade ihre Töchter und Enkelkinder verabschiedet hat und die Autos gerade vom Hof rollen sieht, nimmt den Hörer ab, lauscht, und nachdem ihr Gegenüber nichts als "Geiger" gesagt hat, legt sie wieder auf, holt ihre Pistole und erschießt ihren Mann Stellan. Einfach so. Mitten in den Kopf. Dann verschwindet sie.
Nach dem Auffinden des toten Stellan, der vor seiner Pensionierung ein beliebter schwedischer Fernsehmoderator war, wird Sara Nowak zur Aufklärung des Falles hinzugezogen. Sara ist eigentlich Kommissarin bei der Sitte, ist aber quasi bei den Bromans aufgewachsen und kennt die Familie gut. Was liegt hier bloß im Argen?

Nach meinem Empfinden kann der Autor den anfangs erschaffenen Spannungsbogen überhaupt nicht halten und die Story entpuppt sich nicht wie angegeben als Thriller, sondern vielmehr als Politkrimi, der den Kalten Krieg, die ehemalige DDR und die Machenschaften der Stasi thematisiert.
Leider wurde das im Klappentext mit keiner Silbe erwähnt und auch wenn man in den Anfang hineinliest geht man mit vollkommen anderen Erwartungen an das Buch heran.

Es stellt sich heraus, dass Stellan wohl ein Informant der Stasi war. Und Agneta, seine Frau, war auch nicht die nette Hausfrau und Mutter, die sie zu sein scheint.
Die ganze Familie lebte hinter einer merkwürdigen Fassade und hier ist nichts, wie es zu sein scheint.

Im Verlauf der Story kristallisieren sich noch diverse Schweinereien heraus, die im Hause der Bromans gelaufen sind, aber ich will hier nicht Spoilern.
Jedenfalls tun sich in "Geiger" so einige menschliche Abgründe auf...

So sind die Protagonisten der Familie Broman nicht eben sympathisch, aber auch Sara Nowak ist ein sehr schwieriger Charakter, der einem nicht unbedingt ans Herz wächst. Sie hat außerdem mit einigen Problemen zu kämpfen und nach und nach wird der Fall Broman für sie und ihre Familie sehr persönlich.

Das Buch lässt sich zwar flüssig und gut lesen, aber für einen Thriller ist es definitiv zu wenig spannend und für einen Politkrimi ist zuviel persönliche Geschichte der Ermittlern drin.
So ist es irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes.

Ich habe zu keinem Zeitpunkt wirklich mitgefiebert und am Ende - das zwar recht spannend wurde, aber vorher einfach zu verworren war- war ich froh, dass ich durch bin.
Der Auftakt einer Trilogie - für mich wird es aber keinen weiteren Teil der Story geben.

Kann es leider nicht weiterempfehlen. Schade.

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