Profilbild von clematis

clematis

Lesejury Star
offline

clematis ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit clematis über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.02.2024

Hürden im schottischen Hochland

Dich hatte ich nicht auf dem Wunschzettel
0

Maya Bashir kehrt heim ins schottische Dorf Glenavie, nachdem die kleine Steuerberatungsfirma, in der sie angestellt gewesen ist, zugesperrt und sie sich obendrein von ihrem Freund getrennt hat. Vorübergehend ...

Maya Bashir kehrt heim ins schottische Dorf Glenavie, nachdem die kleine Steuerberatungsfirma, in der sie angestellt gewesen ist, zugesperrt und sie sich obendrein von ihrem Freund getrennt hat. Vorübergehend bezieht sie wieder ihr Kinderzimmer und sieht sich dem Ehrgeiz des Vaters ausgesetzt, da Omar sie schnell in einer großen Kanzlei unterbringen möchte, während Maya jedoch voller Freude in der örtlichen Schischule einspringt. Aber sogar dort lauern Hürden auf die Mittzwanzigerin, denn im Sportzentrum arbeitet auch Sam, der Zwillingsbruder ihrer besten Freundin, in den sie vor einigen Jahren ziemlich verliebt war.

Herzlich und humorvoll ist Zoe Allisons Schreibstil, der uns in den stürmischen Winter des schottischen Hochlands entführt und gleichzeitig in eine kuschelige Decke hüllt, die wohlig wärmt. Berufliche und persönliche Rückschläge im Klappentext lassen erstmals auf eine durchschnittliche Liebesgeschichte schließen, aber weit gefehlt – dieses Buch kann sehr viel mehr! Liebenswerte Figuren und ein, zwei schwierigere Zeitgenossen bringen Schwung ins Ganze, Missverständnisse und falsche Zurückhaltung führen schon einmal auf unglückliche Irrwege. Einige Szenen regen zum Nachdenken an, andere wiederum haben mich herzhaft lachen lassen, Mayas und Livs Vorliebe für Jane Austen-Romane ist gekonnt ins Geschehen eingebaut und sorgt ebenfalls für so manches Schmunzeln. Das Hin und Her zwischen Maya und Sam ist perfekt gelungen, stets kurzweilig und gut nachvollziehbar, Mayas Zwiespalt zwischen Karriere im trockenen Finanzwesen und vergnüglichem Unterricht im Schnee genauso. Man kann das Knistern zwischen den Zeilen spüren, einmal bläst kräftiger Wind durch die Seiten, dann wieder sprühen klopfende Herzen vor prickelnder Hitze.

Zoe Allison hat mit diesem gefühlvollen Roman eine wunderbare, bezaubernde Geschichte zu Papier gebracht, welche mich rundum überzeugt und mir eine ganz besondere Lesezeit geschenkt hat. Ich empfehle dieses Buch – nicht nur in der Vorweihnachtszeit – sehr gerne weiter!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.02.2024

Im Kampf gegen die Kinderlähmung

Kinderklinik Weißensee – Geteilte Träume (Die Kinderärztin 4)
0

Im geteilten Berlin der Nachkriegsjahre spielt sich dieser vierte Band der Reihe Kinderklinik Weißensee ab. Während Marlene 1948 in den Westen flüchten muss, bleibt ihre Schwester Emma in der Sowjetzone, ...

Im geteilten Berlin der Nachkriegsjahre spielt sich dieser vierte Band der Reihe Kinderklinik Weißensee ab. Während Marlene 1948 in den Westen flüchten muss, bleibt ihre Schwester Emma in der Sowjetzone, in welcher Weißensee mit der im Jahre 1911 eröffneten Klinik liegt. Diesmal stehen weniger die beiden Schwestern, sondern vielmehr Emmas Tochter Lissi als eifrige Assistenzärztin im Mittelpunkt, welche gegen die stark steigende Zahl an Fällen von Kinderlähmung ankämpfen muss. Allerdings scheint ihr, die selbst aufgrund einer überstandenen Polioinfektion an einer leichten Gehbehinderung leidet, der Klinikdirektor nicht freundlich gewogen, insbesondere die Therapie mit Tieren lehnt der gestrenge Direktor Nowikow strikt ab.

Wunderbar fügt sich dieser Teil an seine Vorgänger an, das Wiedersehen mit alten Bekannten bereitet wohl jedem Leser der Serie große Freude. Auch diesmal gibt es wieder schwierige Zeiten zu überstehen, insbesondere zwischen Marlene und Emma kriselt es gewaltig, sodass der gewohnte Zusammenhalt nach dem frühen Tod von Mutter Elisabeth ernsthaft gefährdet ist. Dazu kommen genauestens recherchierte Details aus dem Klinikalltag mit konkreten Operationstechniken und dem Kampf gegen die sich ausbreitende Kinderlähmung. Therapien mit Sauerstoffbombe und Eiserner Lunge werden ebenso lebendig ins Geschehen eingefügt wie die wöchentliche Musikstunde, welche zur raschen Genesung der kleinen Patienten beitragen soll. Missverständnisse, Gerüchte und stolzer Eigensinn sorgen für Spannung, durch überraschende Wendungen bleibt das Buch bis zum Ende hin fesselnd und aufregend.

Mit der Kinderklinik Weißensee spannt Antonia Blum einen großen Bogen von Marlenes und Emmas entbehrungsreicher Kindheit im Heim bis hin zu deren erfolgreichen Karrieren als Kinderärztin bzw. Pflegeleiterin. Vor stürmischem politischem Hintergrund erlebt das kleine Krankenhaus Höhen und Tiefen, für Marlene und Emma beginnt und endet die bewegende Geschichte mit dem besten Streuselkuchen Berlins. Das heißt, auch jeder, der nun neugierig geworden ist, sollte ganz von vorne beginnen und die gesamte Reihe in vollen Zügen auskosten. Ich empfehle „Kinderklinik Weißensee“ jedenfalls sehr gerne weiter und vergebe überzeugt fünf verdiente Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.02.2024

Hinkemädchen

Sturmmädchen
0

In ihren Kindertagen verbringen Elli, Margot und Käthe unbeschwerte Tage in der Eifel und schwören einander ewige Freundschaft und immerwährende Treue. 1938 jedoch kommt es zum Bruch, Käthe, die mit ihrem ...

In ihren Kindertagen verbringen Elli, Margot und Käthe unbeschwerte Tage in der Eifel und schwören einander ewige Freundschaft und immerwährende Treue. 1938 jedoch kommt es zum Bruch, Käthe, die mit ihrem Vater und ihren Brüdern aufwächst, fühlt sich zum Frauenbund der Nationalsozialisten hingezogen, Margot gerät alsbald in den Strom der Judenverfolgung und auch Elli steht aufgrund ihrer Gehbehinderung auf der Beobachtungsliste der Nazis. Das Hinkemädchen, wie Elli hinter vorgehaltener Hand genannt wird, sieht es als ihre Pflicht, Margot und ihrer jüdischen Familie zu helfen, ebenso, wie das Handwerk der Hebamme und der Heilkräuterkunde von ihrer Mutter Alma zu erlernen. Die Gefahren, jüdischen Verfolgten zu helfen, werden jedoch von Tag zu Tag größer, selbst die frühere Freundin Käthe steht nun aufseiten des Feindes.

Aus dem Blickwinkel Ellis schildert Lilly Bernstein eine erschütternde Zeit, sorgfältige Recherchen in der Natur der Eifel und in entsprechenden Archiven lassen die Jahre 1938 – 1940 lebendig werden mit all ihren Grausamkeiten einerseits und großer Hoffnung andererseits. Behutsam wählt sie ihre Worte, um den wahren Begebenheiten gerecht zu werden, welche diesen fiktiven Roman leider auf ein sehr realistisches Fundament stellen - im interessanten Nachwort erfährt der Leser ein wenig mehr darüber. Sehr eindrücklich erzählt Bernstein, wie bislang gern gesehene Dorfbewohner plötzlich geschnitten werden, wie nach dem Dominoprinzip mitgegrölt wird bei Judenbeschimpfungen, wie sich immer mehr Menschen abwenden und nicht mehr beim „Judenpack“ einkaufen, obwohl sie das jahrelang zur höchsten Zufriedenheit getan haben. Von schlimmen Details über die „Aufbewahrung“ in Judenhäusern ist hier zu lesen, wobei man sich das wahre Ausmaß der tatsächlichen Zustände wohl kaum wirklich ausmalen kann. Aber auch über innige Freundschaft und Standhaftigkeit dürfen wir mehr erfahren, obwohl Misstrauen und Argwohn stets zunehmen, schließlich darf man in diesen Tagen niemandem vertrauen.

Spannende Schicksale, aufregende Wendungen und berührende Szenen lassen den Leser Kapitel um Kapitel verschlingen, ich habe das Buch mehr oder weniger in einem Schwung gelesen und spüre meine Emotionen noch Achterbahn fahren. Schön, dass es dieses traurige und zugleich aber auch hoffnungsvolle Buch gibt, sodass diese Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.01.2024

Sterbedoula

Dieses schöne Leben
0

Den ganz besonderen Beruf einer Sterbedoula (Sterbebegleiterin) hat sich Clover ausgesucht, nicht allein deshalb, weil sie beim Tod ihres Großvaters am anderen Ende der Welt gewesen ist. So ist sie ganz ...

Den ganz besonderen Beruf einer Sterbedoula (Sterbebegleiterin) hat sich Clover ausgesucht, nicht allein deshalb, weil sie beim Tod ihres Großvaters am anderen Ende der Welt gewesen ist. So ist sie ganz für ihre Klienten da, erledigt bisweilen sogar Dinge, welche diese nicht mehr geschafft haben und schlüpft somit in verschiedene Rollen. Allein ihr eigenes Leben scheint irgendwie an ihr vorbei zu gleiten. Das soll sich ändern, als eine neue Nachbarin einzieht und Claudia kurz vor ihrem Tod Clovers Hilfe annimmt.

Nach dem tragischen Unfalltod ihrer Eltern wächst Clover bei ihrem Großvater in New York auf. In unregelmäßiger Abfolge berichtet die Mittdreißigerin einmal aus ihrem jetzigen Leben und einmal aus ihrer Kindheit. Als begeisterte Leserin zieht sie sich gerne zurück und schließt kaum Freundschaften. Ihr Beruf nimmt sie vollends in Anspruch, sodass sie nicht merkt, dass ihr soziale Kontakte fehlen, Kinofilme und gelegentliche Spieleabende mit Leo, einem Freund des mittlerweile ebenfalls verstorbenen Großvaters genügen ihr. Detailliert beschreibt Mikki Brammer das einsame Leben Clovers und die hingebungsvolle Begleitung für ihre Klienten. Allerdings dreht sich die Handlung hier immer wieder im Kreis. Weder Clover noch der Leser kommen voran. Obwohl etliche interessante Szenen geschildert werden, fehlen mir Gefühl und Nähe. Die Hauptfigur, ebenso wie etliche andere, bleibt stets etwas distanziert, lediglich Claudia strahlt Wärme und Herzlichkeit aus. Leider erst sehr spät findet Clover zu sich selbst, der Weg dorthin ist eher langatmig. Dennoch finden sich auch anregende Details zum Thema Leben und Sterben in einigen Kapiteln, sodass das Buch durchaus seine schönen Seiten hat.

Fazit: Für einen schönen Tod braucht es ein schönes Leben, das man nicht verpassen soll.

Veröffentlicht am 27.01.2024

Schicksalsjahre nach dem Krieg

Die Straße des Glücks
0

Katharina und Frank wachsen im schwäbischen Erbingen auf. Bald nachdem sie einander näher kennengelernt haben, muss Frank allerdings in den Krieg ziehen und gerät am Ende in russische Gefangenschaft. Als ...

Katharina und Frank wachsen im schwäbischen Erbingen auf. Bald nachdem sie einander näher kennengelernt haben, muss Frank allerdings in den Krieg ziehen und gerät am Ende in russische Gefangenschaft. Als Katharina kaum noch Hoffnung auf ein Wiedersehen hat, kehrt Frank unversehrt zurück und ehelicht seine Verlobte. Katharinas Glück weicht jedoch recht schnell einer inneren Leere, denn als verheiratete Frau vermisst sie ihren Beruf als Schneiderin und Modezeichnerin, Heim und Garten erfüllen sie nicht wie erhofft.

Schon der Prolog dieses wunderbaren Buches eröffnet dem Leser den flüssigen und sehr angenehm zu lesenden Schreibstil von Bettina Pecha – melodisch und bildreich erschafft sie lebendige Szenen und wirft eine Reihe an Fragen auf. Der gelungenen Eröffnung folgt eine berührende Geschichte, die in ihrer Chronologie immer wieder Rückblenden enthält auf Ausschnitte während des Krieges, auch wenn sich der überwiegende Handlungsverlauf in den Jahren des Wirtschaftswunders abspielt. Insbesondere die rechtliche Situation einer verheirateten Frau zur damaligen Zeit lässt uns heute die Haare zu Berge stehen, war deren Berufstätigkeit doch an das Einverständnis des Ehemannes gebunden, ebenso wie das Erlangen eines Führerscheins. Die gesellschaftlichen Konventionen sahen die Mutter am Herd vor, die hübsch gekleidete Gattin als Aufputz an der Seite ihres Mannes. Unzufrieden mit dieser Konstellation, zeigt Katharina Mut und Stärke, aber ob das für entscheidende Veränderungen reicht?

Gut recherchierte politische Hintergrundinformationen und Gespräche mit Zeitzeugen lassen dieses Buch zu einem wahren Lesevergnügen werden. Sämtliche Personen sind überaus authentisch gezeichnet und vermitteln ein recht realistisches Gefühl für die damalige Lebensweise. Nicht zuletzt spürt man die Lebendigkeit in der Geschichte durch Aenne Burda oder Konrad Adenauer. Pecha gelingt es mühelos, ihre Leser in die 1950er-Jahre zurückzuversetzen, in eine Zeit, die sich so stark von heute unterscheidet und einer verheirateten Frau so viel an Einschränkung aufbürdet. Ich finde diesen Roman ausgesprochen empfehlenswert und bin gespannt, wie es mit Katharina im folgenden Buch weitergeht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere