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Veröffentlicht am 29.10.2024

Die Lembergs II

Böhmische Schicksalstage
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Mit dem Jahre 1938 nehmen politische Umwälzungen in Böhmen ihren Lauf, Tschechen und Sudentendeutsche geraten immer öfter aneinander, die gegenseitigen Anfeindungen werden aggressiver. Mittendrinnen befindet ...

Mit dem Jahre 1938 nehmen politische Umwälzungen in Böhmen ihren Lauf, Tschechen und Sudentendeutsche geraten immer öfter aneinander, die gegenseitigen Anfeindungen werden aggressiver. Mittendrinnen befindet sich die angesehene Familie Lemberg mit ihrer Weberei, die mittlerweile wieder besser läuft. Nun sind es jedoch die Arbeiter unterschiedlicher Herkunft, welche dem Unternehmer und Besitzer des Werkes mit ihren politisch motivierten Streitereien Probleme bereiten. Während Carl nicht nur in diesem Zusammenhang Lösungen sucht und etwas verbirgt, hüten auch seine Frau Emilie und seine vier Kinder mehr oder weniger aufregende Geheimnisse.

Die Lemberg-Saga nimmt mit diesem zweiten Teil ihren Lauf. Auch wenn einige frühere Ereignisse ins Geschehen einfließen, so empfiehlt es sich doch, mit Band 1, Böhmische Hoffnung, zu beginnen, um alle Figuren noch besser kennen zu lernen und deren Entwicklung optimal mitverfolgen zu können. Höchst lebendig, teils gar turbulent, geht es diesmal zu. Die Szenen wechseln einander flott ab, sodass verschiedenste Familienmitglieder begleitet werden und gleichzeitig der Spannungsbogen auf hohem Niveau gehalten wird, wenn Kapitel mit offenen Fragen enden. Unterschwellig fügt Karin Lindberg so manches Detail in die Handlung ein, sodass zuweilen der Leser mehr Informationen hat oder sich diese eher zusammenreimen kann, als es den Personen im Buch möglich ist. Das zaubert einem so manches Schmunzeln ins Gesicht, wenn man dann die Aktionen und Reaktionen der einzelnen Charaktere betrachtet. Neben der exzellent entworfenen Familie Lemberg überzeugen auch deren Wegbegleiter durch ihre realistische Darstellung, das Leben zur damaligen Zeit wird mit gesellschaftlichen und politischen Themen anschaulich wiedergegeben. So ist es kaum verwunderlich, dass man sich schnell in Lindbergs Zeilen verliert und mit dem Ehepaar Lemberg und den vier Kindern, Ferdinand, Alba, Charlotte und Kilian mitfiebert. Sie alle stehen vor großen Herausforderungen und müssen sich den Gegebenheiten stellen, welche Standesunterschiede und Zeitgeist vorgeben. Allen voran aber begleiten wir die willensstarke Alba, welche keinesfalls nur eine Rolle als Ehefrau und Mutter anstrebt, sondern vielmehr eine berufliche Tätigkeit im väterlichen Webereiunternehmen vor Augen hat, was sich wiederum für eine Unternehmertochter nicht geziemt. Man sieht, Reibereien sind vorprogrammiert.

Auch dieser Teil der Lemberg-Saga hat mich ausgezeichnet unterhalten, Schatten und Ungewissheiten schweben über der Familie, manche Fragen werden beantwortet, andere warten auf den nächsten Band. Ich habe so meine Hoffnungen, wie sich die eine oder andere Angelegenheit weiterentwickelt, ob diese erfüllt werden, wird sich weisen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt und empfehle in der Zwischenzeit die bisher erschienenen Bücher im bewährt bildhaften Schreibstil Karin Lindbergs sehr gerne weiter.

Veröffentlicht am 28.10.2024

Seiden - Raupen

Der Seidenweber
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Im Jahre 1820 erblick Gustav als viertes Kind seiner Mutter das Licht der Welt und gerät in turbulente Zeiten: die Seidenweberei erlebt einen Aufschwung, Telegrafie, Eisenbahn und Dampfmaschinen verändern ...

Im Jahre 1820 erblick Gustav als viertes Kind seiner Mutter das Licht der Welt und gerät in turbulente Zeiten: die Seidenweberei erlebt einen Aufschwung, Telegrafie, Eisenbahn und Dampfmaschinen verändern die Zeit und bald darauf bricht die Konjunktur drastisch ein. Torsten Weiler erzählt aus Gustavs Pullers Leben und damit die Geschichte seiner Vorfahren.

Tatsächlich stellt Weiler historische Figuren in einen Mix aus realen und hinzuerfundenen Elementen, sodass ein schlüssiger Bericht entsteht. Dabei beschränkt sich der Autor auf wesentliche Szenen und Episoden, mitunter mit größeren Zeitsprüngen, sodass keine langatmigen, sich wiederholenden Aufzählungen den Lesefluss stören. Von der Geburt bis zu seinem Tod dürfen wir Gustav begleiten, seine Familie und Freunde kennenlernen. Das Dasein für den Bäckersohn ist einfach, aber nicht unglücklich. Sowohl mit dem ärmeren Webersohn Willi als auch mit den wohlhabenden Kindern von Gut Cracau vergnügt er sich in Kindertagen, entdeckt am Ende seiner Schulzeit die Liebe zu feinen Stoffen und Mustern und erlernt alsdann den Beruf eines Seidenwebers. Die beschwerlichen Tage mit mitunter 16 Stunden Arbeit pro Tag, die Aufstände während des Wirtschaftseinbruches, den Zusammenhalt innerhalb der Familie und vieles mehr verpackt Torsten Weiler in ein abwechslungsreiches Buch, welches uns die Zeit damals sehr gut vor Augen führt. Ein wenig mehr aus der Gefühlswelt der einzelnen Personen hätte mir noch besser gefallen, aber vielleicht zeigt dies genau das, was im 19. Jahrhundert vonnöten war: Lohnkürzungen, Kindstod, Ernteausfälle und andere Schicksalsschläge mutig annehmen und nach vorne schauen, denn das Leben muss einfach weitergehen. Die Entwicklung der Raupe zum Schmetterling wird in diesem Zusammenhang ausgezeichnet in die Handlung eingebettet.

Ein interessanter Querschnitt aus dem Leben einfacher Bürger und Arbeiter in Krefeld, welches für spannende Lesestunden sorgt.

Veröffentlicht am 26.10.2024

Beste Oblaten

Flucht nach Karlsbad
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1894, Bunzelwitz, Böhmen: Die Leitner Burgl (Walburga) hat sich immer gut mit ihrem Bruder Franz verstanden, bis die Eltern gestorben sind und Franz die Schustertochter Josefa heiratet. Einerseits soll ...

1894, Bunzelwitz, Böhmen: Die Leitner Burgl (Walburga) hat sich immer gut mit ihrem Bruder Franz verstanden, bis die Eltern gestorben sind und Franz die Schustertochter Josefa heiratet. Einerseits soll sie nun rasch den Krämerladen und das Haus verlassen, andererseits spekulieren Franz und Josefa auf ein Sparbuch, das Burgl von einer Verwandten geerbt hat. Von verschiedensten Seiten bedrängt, flieht das junge Madl zu ihrer Tante Zöpfel, welche in Karlsbad Hausdame des renommierten Hotels Adonis ist.

Die erste Häfte des Buches handelt von Burgls Leben in Bunzelwitz und geht detailliert auf die Schwierigkeiten der Waise ein, danach führt uns der weitere Verlauf in die weithin bekannte Kurstadt Karlsbad mit ihren geräumigen Trinkhallen und imposanten Häusern an der Tepl. Während anfangs nicht nur Franz über das Leben seiner Schwester bestimmen möchte, zeigt Tante Zöpfel später dem fleißigen Mädchen, wie es auch allein einen vernünftigen und zukunftsweisenden Weg finden kann. Immerhin kann sie hervorragend kochen und backen und Zöpfel kennt die Herstellerin der besten Oblaten in Karlsbad. Die Atmosphäre in beiden Teilen ist großartig eingefangen, sehr gut kann man sich die Gegebenheiten und die handelnden Personen vorstellen. Dies insbesondere dann, wenn man bereits Ada Caines Karlsbad-Trilogie gelesen hat und so manche Figur in der Kurstadt schon kennt.

Flott fließen die Zeilen dahin, bildhafte Beschreibungen und bestens gezeichnete Charaktere sorgen für Spannung und Lebendigkeit. Der Charme der Zeit wird rasch offenbar, unterschiedlichste allgegenwärtige Themen wie Erbschaftsstreit, Neid oder die Schwierigkeiten alleinstehender Frauen werden wie nebenbei angesprochen und verleihen dem Geschehen Authentizität.

So fällt es leicht, das Buch in wenigen Tagen durchzulesen und sich in eine vergangene Zeit zurückversetzen zu lassen. Burgl und Tante Zöpfel sorgen für gelungene Unterhaltung, nun heißt es warten, ob es dem Mädl in Karlsbad gelingt, erfolgreich ins Oblatengeschäft einzusteigen.

Veröffentlicht am 24.10.2024

Halloween und Hexenzauber

Villa Obscura
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Eine Villa im Harz, der Brockengipfel im Nebel, die Kulisse für eine aufregende Halloweennacht ist perfekt, die Gäste erscheinen in atemberaubenden Kostümen. Aber was als spaßige Party für junge Leute ...

Eine Villa im Harz, der Brockengipfel im Nebel, die Kulisse für eine aufregende Halloweennacht ist perfekt, die Gäste erscheinen in atemberaubenden Kostümen. Aber was als spaßige Party für junge Leute beginnt, endet in einer Geiselnahme von sechs Gästen und entwickelt sich rasch zu einem spannenden Wettlauf um die Zeit. Haben die gruseligen Legenden und Hexenzaubergeschichten aus der Gegend mit der Entführung zu tun?

Unterschiedliche Blickwinkel der Partyteilnehmer sorgen beim Leser für Abwechslung und gute Einblicke ins Geschehen. Erst werden die Kostüme abgelichtet und die handelnden Figuren vorgestellt (welche ich mir aufgrund der Kurzinfo etwas jünger vorgestellt habe), dann erst passieren sonderbare Dinge, wie im Klappentext beschrieben. Interessant ist jedenfalls der Aspekt, dass man über geraume Zeit so gar keine Ahnung hat, was warum geschieht, welche Motive sich hinter all dem verbergen könnten. In große, übersichtliche Abschnitte gegliedert, tasten sich Geiseln und Leser eher langsam an die wahren Beweggründe der Entführer heran und erleben so manche Überraschung, die wiederum Lebendigkeit und aufregende Momente ins Spiel kommen lassen. Ich persönlich hätte jedenfalls nicht mit diesem Verlauf der Dinge gerechnet und bin, speziell im letzten Drittel, noch mit unvorhersehbaren Wendungen konfrontiert worden.

Fazit: ein unterhaltsamer Thriller für Jugendliche ab 14 Jahren, der genau zu den aktuell kürzer werdenden Tagen und der bevorstehenden Halloweennacht passt. 4 Sterne.

Veröffentlicht am 20.10.2024

Banküberfall

Wer mit den Wölfen heult
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In der Dover Police Station geht ein Alarm ein – Banküberfall. Im flotten Einsatz fällt ein Schuss, abgefeuert von Police Sergeant Martin Gordon, direkt auf seinen Kollegen Clark Jarrett. Notwehr oder ...

In der Dover Police Station geht ein Alarm ein – Banküberfall. Im flotten Einsatz fällt ein Schuss, abgefeuert von Police Sergeant Martin Gordon, direkt auf seinen Kollegen Clark Jarrett. Notwehr oder Absicht? Das ist hier die Frage, Psychotherapeutin Lily Brown soll ein Gutachten über die Dienstfähigkeit von Gordon erstellen und sticht dabei in ein Wespennest.

Spannend beginnt der neue Canterbury-Fall mit einem Prolog zum Banküberfall aus der Ich-Perspektive. Noch weiß niemand, welche Ursachen und welche Folgen der Schuss aus einer SIG Sauer hat, aber Lily könnte eventuell Licht ins Dunkel bringen. Zumindest soll sie einen Befund erarbeiten im Auftrag des Vorgesetzten von Martin Gordon und Clark Jarrett. Neben Lilys Blickwinkel kommt natürlich auch Martin zu Wort, nach und nach wird immer tiefer gegraben und vergangene Szenen erhellen das Bild. Aber die Angelegenheit soll ja kurzweilig und authentisch bleiben, weshalb auch eine andere Klientin Lilys große Aufmerksamkeit bekommt bei ihrer Angst vor plötzlichem Kindstod und selbstverständlich spielt auch Dan wieder – wie schon im Vorgängerband - eine Rolle und lässt uns teilhaben an seiner Arbeit als Profiler bei der Londoner MET. Nicht zu kurz kommt auch Lily Browns Privatleben, welches das interessante und überaus fesselnde Geschehen perfekt abrundet.

Anders als in klassischen Krimis geht es hier nicht um ein einzelnes Verbrechen, das aufgeklärt werden muss, nein, vielmehr darf der Leser die selbständig tätige Lily in ihrem Alltag begleiten, welcher von Tessa Duncan in brillanter Art und Weise dargestellt wird. Die Autorin, selber promovierte Psychologin und ausgebildete Therapeutin, bringt ihr feines Gespür für Zwischenmenschliches auch diesmal durch ihren bemerkenswerten Schreibstil zu Papier, verwebt tatsächlich geschehene Verbrechen gekonnt mit einer fiktiven Handlung und erzielt mit diesem Vorgehen größtmögliche Authentizität. Die gewählten Themen spannen einen großen Bogen über Kameradschaft, bei Polizei und Marine Korpsgeist genannt, über plötzlichen Kindstod bis hin zu einem Leben als Patchworkfamilie. Auch Kater Mick darf natürlich nicht fehlen, dass es ein reales Vorbild für ihn gibt, ist kaum zu überlesen. ☺ So reiht sich ein aufregendes Kapitel an das nächste, hält die unvorhersehbare Handlung den Leser in Atem. Wie im wahren Leben gibt es Gewinner und Verlierer – und natürlich eine offene Frage am Ende des Buches, welches zwar die kriminalistischen Details zu einem runden und logischen Abschluss bringt, aber offen lässt, wie es mit Lily im Privaten weitergeht. Das wird uns hoffentlich bald ein weiterer Teil dieser großartigen Reihe beantworten.

Wie schon Band Eins, hat mich auch „Wer mit den Wölfen heult“ restlos begeistert. Tessa Duncans Herangehensweise an schwierige Fachgebiete und Problemstellungen (Achtung: plötzlicher Kindstod, Mobbing, Gewalt gegen Frauen) ist ausgezeichnet, insbesondere, wie sie das alles in eine romanhafte Handlung einbettet. Nicht nur die geschilderten Geschehnisse, auch der Ohrwurm „Don‘t Pay the Ferryman“ von Chris de Burgh werden mich noch einige Zeit begleiten. Mir bleibt nun nur mehr, eine Empfehlung für beide bisher erschienenen Bände der Canterbury-Fälle auszusprechen und gebannt auf eine Fortsetzung zu warten.

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