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Veröffentlicht am 21.01.2025

Familienclan

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Der bekannte und schwerreiche Snæberg-Clan verabredet sich für ein gemeinsames Wochenende anlässlich des hundertsten Geburtstages des Familienpatriarchen Ingólfur, der vor einigen Jahren verstorben ist. ...

Der bekannte und schwerreiche Snæberg-Clan verabredet sich für ein gemeinsames Wochenende anlässlich des hundertsten Geburtstages des Familienpatriarchen Ingólfur, der vor einigen Jahren verstorben ist. Treffpunkt ist ein supermodernes, stilistisch sehr nüchtern gehaltenes Hotel im Westen Islands. Es fließt der Alkohol, es wechseln die Stimmungen, bis ein Familienmitglied fehlt und eine Leiche im felsigen Lavafeld gefunden wird.

Die erste Überraschung trifft den Leser bei der Angabe der Jahreszahl, denn dieser Band spielt noch vor dem ersten Teil der interessanten Reihe „Mörderisches Island“ und muss somit ohne die Ermittlerin Elma auskommen. Aber auch Sævar und Hörður haben diesmal nicht allzu viel zu tun, denn hauptsächlich geht es um die Familienfeier der Snæbergs und deren verstrickte persönliche Angelegenheiten. Knappe Kapitel beleuchten das große Familientreffen, für welches das gesamte Hotel gemietet ist, wodurch nur enge Verwandte und ausgewähltes Personal den Ort der Handlung betreten. Die abgeschiedene Lage, das immer schlechter werdende Wetter und Menschen, die einander nicht nur freundschaftliche Gefühle entgegenbringen, sorgen für die angespannte Atmosphäre, die von Eva Björg Ægisdóttir gut vermittelt wird. Dazu kommen bedenkliche Nachrichten für die minderjährige Lea aus dem weltweiten Netz, wo sie eigentlich mit Birgir einen netten Freund gefunden zu haben glaubt.

Ein gewohnt angenehmer, eher ruhiger Schreibstil mit kurzen Abschnitten und wechselnden Sichtweisen führt durch die Handlung, Verborgenes und Geheimes dringen langsam an die Oberfläche. Trotz der unheilschwangeren Stimmung kommt aber keine wirklich bemerkenswerte Spannung auf, auch die persönliche Entwicklung von Sævar und Elma, die man bei den späteren Ermittlungen begleiten darf, findet hier keinen Raum; Elma wird überhaupt erst in den letzten Zeilen als künftige Nachfolgerin von Pétur genannt. Man muss also seine Erwartungen schnell beiseiteschieben, um nicht enttäuscht zu werden. Das Buch, für sich allein gesehen, ist aber durchaus lesenswert.

Fazit: ein unterhaltsames Prequel zu den folgenden Island-Fällen, bei welchen schlussendlich Elma und Hörður gemeinsam ermitteln und sich auch persönlich weiterentwickeln. Ungewohnt, anders, aber dennoch gut zu lesen, wenn man sich des Unterschieds bewusst ist.

Veröffentlicht am 20.01.2025

Offene Rechnung

Die Schanze
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Ellen hat ihr Heimatdorf verlassen, um Ärztin zu werden. Nach der Trennung von ihrem Freund kehrt sie dorthin zurück und sieht gleich in der ersten Nacht einen Toten von der Schischanze hängen. Ist das ...

Ellen hat ihr Heimatdorf verlassen, um Ärztin zu werden. Nach der Trennung von ihrem Freund kehrt sie dorthin zurück und sieht gleich in der ersten Nacht einen Toten von der Schischanze hängen. Ist das ihr Willkommensgeschenk? Wer hat hier noch eine offene Rechnung zu begleichen?

Mit einem brutalen Prolog eröffnet Lars Menz diesen Thriller und fesselt damit sofort seine Leser. Danach besteht die Spannung weitgehend aus der düsteren Atmosphäre im Dorf und den unterschwelligen Andeutungen, welche Tragödie sich einst zugetragen hat. Gibt es da etwa einen Zusammenhang mit dem Toten oder mit der Rückkehr Ellens? Sonderbare Figuren schleichen durch die Gegend und wecken Misstrauen durch ihr Verhalten, die Kälte, der Schnee, das Eis am Rande der Alpen tun ihr Übriges zur beklemmenden Stimmung. Geschickt lenkt Lars Menz den Verdacht auf unterschiedliche Personen und untermauert all die entsprechenden Überlegungen mit logischen Details. Am Ende hin gibt es wieder brutalere Bilder, bis endlich die Wahrheit ans Licht kommt.

Die Schanze ist ein gelungener Spannungsroman, der da und dort vielleicht noch mehr Nervenkitzel vertragen hätte, aber durch die interessanten Charaktere und Verdächtigen durchaus punkten kann. Mir hat das Lesen jedenfalls viel Spaß bereitet, weshalb ich das Buch gerne weiterempfehle.

Veröffentlicht am 18.01.2025

Sieg

Die Anwältin
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Zielstrebig, konsequent und unerbittlich ist Kelly McCann als Anwältin, spezialisiert auf die Verteidigung von Männern, welche für Sexualdelikte angeklagt werden. Ihr Ziel ist es stets, die Vorwürfe zu ...

Zielstrebig, konsequent und unerbittlich ist Kelly McCann als Anwältin, spezialisiert auf die Verteidigung von Männern, welche für Sexualdelikte angeklagt werden. Ihr Ziel ist es stets, die Vorwürfe zu entkräften, Beweise als falsch darzustellen und einen Freispruch zu erwirken, einen Sieg einzufahren. Als sie allerdings selbst zum Opfer wird, sinnt Kelly nach Rache.

Tempo und Überraschungen stehen bei diesem Thriller im Mittelpunkt, Bonnie Kistler versteht es, Spannung aufzubauen und hoch zu halten bis hin zur letzten Seite. Das Motiv, möglicherweise schuldige Männer zu verteidigen, wird ebenso herausgearbeitet wie das Bestreben vieler Frauen, sich nicht an die Behörden zu wenden, um sich vor weiteren Demütigungen zu schützen. Dazu kommen noch andere wesentliche Themenkomplexe, denen ich hier nicht vorgreifen möchte. Mit diesem bestens konzipierten Grundgerüst schafft die Autorin ein überaus realistisches Szenario, das den Leser kaum zu Atem kommen lässt und völlig gefangen nimmt von der Materie. Obwohl die ganze Angelegenheit bald abgehandelt zu sein scheint, hängt Kistler raffiniert noch etliche Kapitel an und verblüfft einen immer wieder, genau so, wie auch Kelly ob der Geschehnisse am Ende erstarrt.

Ein überaus gelungenes Buch, welches durch Bonnie Kistlers Zeit als Prozessanwältin realitätsnah und lebendig wird, somit kommt von mir eine klare Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.01.2025

Zwei Taschen

Regen
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Endlich kann sich Elisabeth dazu aufraffen, zum Supermarkt zu fahren, als - soeben dort angekommen - heftiger Regen einsetzt. Aus dem Auto vor ihr steigt ein telefonierender Mann aus und deponiert zwei ...

Endlich kann sich Elisabeth dazu aufraffen, zum Supermarkt zu fahren, als - soeben dort angekommen - heftiger Regen einsetzt. Aus dem Auto vor ihr steigt ein telefonierender Mann aus und deponiert zwei Taschen am Boden, ehe er wieder wegfährt. Nach langem Zögern, was zu tun sei, nimmt Elisabeth die beiden Taschen an sich und fährt nach Hause, aber das existiert nur mehr zur Hälfte, die andere Hälfte hat der tosende Bach mit sich gerissen. Sich selbst zerrissen fühlend, fährt sie ziellos Richtung Süden und landet auf einer süddeutschen Alpe, wo sie sich schließlich vor ihrem Ehemann und zwei Herren in schwarzen Anzügen versteckt.

Sowohl Titelbild als auch Klappentext wecken Neugierde auf diesen außergewöhnlichen Roman, dem auch etwas Kriminalistisches anhaftet. Und tatsächlich wird man erst einmal nicht enttäuscht, denn die melodievolle Sprache Claire Beyers nimmt einen sofort gefangen. Auch die Handlung beginnt spannend, wie Elisabeth so nachdenklich im Auto sitzt. Der prasselnde Regen lässt Melancholie aufkommen, das davongerissene Haus einen Entschluss fassen, die wohlerzogene Versicherungsangestellte bricht aus ihrem bisherigen Leben aus. Was nun folgt, ist zuweilen langatmig, an anderer Stelle phantasiebehaftet und schließlich wenig glaubhaft. Dennoch ist ihre Welt, in welche sich Elisabeth zurückzieht, bildhaft geschildert und lässt den Leser teilhaben an ihrer Flucht aus vormals engen Fesseln.

Regen – ein Roman, der sich deutlich vom Durchschnitt abhebt, mich aber trotz allem nicht zu berühren vermag. Elisabeth bleibt mir über all die gemeinsamen Stationen bis in den Süden Italiens hin fremd. Ich bin aber überzeugt, dass andere Leser ganz anders empfinden und auf die Fortsetzung gespannt sind.


Veröffentlicht am 16.01.2025

Brautmord

Die Villa
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Dani leidet noch immer unter der Tatsache, dass der Mörder ihrer besten Freundin Aoife nicht gefunden werden konnte. Nun, drei Jahre später, organisiert sie eine Rückkehr nach Marbella, wo sie, gemeinsam ...

Dani leidet noch immer unter der Tatsache, dass der Mörder ihrer besten Freundin Aoife nicht gefunden werden konnte. Nun, drei Jahre später, organisiert sie eine Rückkehr nach Marbella, wo sie, gemeinsam mit drei weiteren Freundinnen, Aiofes Junggesellinnenabschied gefeiert hat. Wird sie am dritten Todestag dem Geheimnis näherkommen, die Abläufe in Andalusien rekonstruieren können?

Aus den Blickwinkeln der fünf Freundinnen Aoife, Dani, Tiff, Beth und Celine wird abwechselnd erzählt, teils auf aktueller Zeitebene, teils drei Jahre zuvor, beim ausgelassenen Junggesellinnenabschied. Dani möchte so viel wie möglich ganz ähnlich gestalten wie damals, um ihrem Gedächtnisverlust endlich beizukommen. Die Ungewissheit um den grausamen Mord an Aoife soll endlich ein Ende haben. Wir treffen die fünf jungen Frauen also am Flughafen, besteigen einen weißen Seat Ibiza und fahren die kurvenreiche Straße zur Villa Floriana hinauf. Dort hat sich kaum etwas geändert und somit sprudeln ganz unterschiedliche Gefühle hervor. Während es Rufe gibt nach sofortiger Abreise, wünscht sich Dani zumindest eine gemeinsame Nacht im Unglückshaus.

In knappen Sequenzen führt uns Jess Ryder durch die Handlung und gibt manchmal mehr Rätsel auf als gelöst werden. Obgleich man für eine solche Reise fünf eng befreundete Frauen erwartet, gibt es doch einige Differenzen, ja sogar Geheimnisse und Hinterlistigkeiten, die natürlich nicht gleich offenbar werden. Und auch im heißen Andalusien sind nicht nur ehrenwerte Einheimische unterwegs. Spannende Stunden mit einem steten Hin und Her zwischen den Jahren, unterhaltsame Spielchen und strömender Alkohol, sowie Trauer und die Suche nach Klarheit beherrschen die Handlung, welche den Leser stets mitnimmt in ein weiteres Kapitel, weil die Neugierde einfach groß ist.

Ein tödlicher Junggesellinnenabschied und die Suche nach dem „warum“ – unblutig, aber spannend und wendungsreich.