Profilbild von clematis

clematis

Lesejury Star
offline

clematis ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit clematis über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.08.2021

Wenn das Licht ausgeht

Die Leuchtturmwärter
0

1972: Vor der Küste Cornwalls verschwinden in der Silvesternacht alle drei Männer vom Leuchtturm Maiden. Die dicke Stahltür ist von innen verriegelt, der Tisch gedeckt, zwei Uhren sind um Viertel vor neun ...

1972: Vor der Küste Cornwalls verschwinden in der Silvesternacht alle drei Männer vom Leuchtturm Maiden. Die dicke Stahltür ist von innen verriegelt, der Tisch gedeckt, zwei Uhren sind um Viertel vor neun stehen geblieben. Bestürzt bleiben drei Frauen zurück, die auch zwanzig Jahre später noch keine Gewissheit haben.

In eindrucksvoller Art und Weise präsentiert Autorin Emma Stonex diesen Roman, indem sie Erzählungen, Logbucheinträge, Briefe und Interviews geschickt miteinander zu einer spannenden Collage verquickt und so Stück für Stück düstere Geheimnisse offenbart, wobei am Ende doch wieder ein Rest an Ratlosigkeit zurückbleibt.

Alles beginnt mit einer Fahrt hinaus aufs offene Meer: wie seit vielen Jahren steuert Jori sein Motorboot zum Turm, um dort einen jungen Mann abzusetzen, der einen der drei Wärter auf der Maiden ablösen soll. Aber – der Turm ist leer, von den Leuchtturmwärtern keine Spur, und das ausgerechnet auf der Maiden, die immer schon berühmt-berüchtigt war für eine ganz besonders seltsame Stimmung. Schnell werden Gerüchte laut, verbreiten sich Klatschgeschichten, ein Schuldiger muss immer gefunden werden. Schließlich werden die Ermittlungen von Seiten der Betreibergesellschaft Trident eingestellt, lediglich regelmäßige Zahlungen als Unterstützung für die Hinterbliebenen bleiben aufrecht.

Mit wunderbar plastischen und anschaulichen Vergleichen setzt Stonex jede Szene ins rechte Licht, sei es die gewaltige Gischt, die den Leuchtturm zum Beben bringt oder die träge dahinfließenden Stunden an Tagen wo das Meer ölglatt kein noch so leises Plätschern hervorbringt und die Männer nichts weiter zu tun haben als einem trägen Zeitvertreib nachzugehen. Gefühlvolle und sehr tiefe Einblicke in das Leben am Turm vermittelt die Autorin, indem sie die Wärter selber zu Wort kommen lässt und ihre Faszination von ihrem Beruf und ihr Verantwortungsbewusstsein ebenso wie ihr Unbehagen oder ihre Ungeduld kurz vor der Ablösung darstellt.

Abseits von der Enge im Turm gibt es ein „Leben in Freiheit“, am Land, wo die Frauen und Kinder auf die Rückkehr der Wärter warten. Als zwanzig Jahre nach dem Unglück ein Reporter die Geschichte wieder aufrollen will, um ein Buch darüber zu schreiben, löst sich die Starre, werden alte Wunden wieder aufgerissen und wird erneut nach der Wahrheit gesucht. Die Dialoge mit dem Journalisten kommen als Monolog daher, spiegeln den Schmerz wider, der sich über viele Jahre aufgestaut hat und nun in einem unaufhaltsamen Schwall hervorbricht.

Gleich einem Fischernetz wird immer bloß ein Teil der Vorfälle aus der Tiefe geborgen und jede Figur hat ihre eigene Sicht auf die Wahrheit. Nur langsam fügen sich auch für den Leser die anfangs teils verwirrenden Puzzleteile zu einem runden Ganzen, das von einer realen Begebenheit inspiriert worden ist.

Fazit: Interessante Einblicke in Einsamkeit, Eintönigkeit und Isolation auf dem Leuchtturm sowie in den recht unterschiedlichen Umgang mit Verlust, Schmerz und Trauer liefert dieser Roman, der wohltuend hervorsticht aus der breiten Masse.



Titel Die Leuchtturmwärter

Autor Emma Stonex

ISBN 978-3-10-397037-1

Sprache Deutsch

Ausgabe gebundenes Buch, 432 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 25. August 2021

Verlag S. Fischer

Originaltitel The Lamplighters

Übersetzer Eva Kemper

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.08.2021

Teuflisches Ende

Die Salbenmacherin und der Fluch des Teufels
0

Olivera, die sympathische und einfühlsame Salbenmacherin und Kräuterkennerin, sieht sich im Jahre 1412 einer seltsamen und unbekannten Krankheit gegenüber, der auch der neue Medicus nichts entgegenzusetzen ...

Olivera, die sympathische und einfühlsame Salbenmacherin und Kräuterkennerin, sieht sich im Jahre 1412 einer seltsamen und unbekannten Krankheit gegenüber, der auch der neue Medicus nichts entgegenzusetzen hat. Als die beiden der Tochter eines hohen Ratsherren nicht helfen können, entsteht der Verdacht, der Teufel hätte den Nürnbergern eine Strafe auferlegt und müsse schleunigst ausgetrieben werden.

Mit diesem sechsten Band rund um Olivera erleben wir nun ein letztes Mal spannende Abenteuer mit einer inzwischen liebgewonnenen Figur. Geschickt verknüpft Stolzenburg Gefahren aus früheren Episoden mit einem neuen Problem und schildert fesselnd die Diskussion um Krankheit oder Besessenheit. Erneut taucht der Leser in aufregende Zeiten ein, in denen man wohl eher nicht gelebt haben möchte. Die Handlung ist stimmig aufgebaut und der Schreibstil fließt gewohnt flott dahin. Die kurzen Kapitel lassen keinerlei Langeweile aufkommen und verleiten eher dazu, noch ein Stückchen weiterzulesen bis die Spannung ihren Höhepunkt erreicht und mit einem zufriedenstellenden Ende leider auch das gesamte Ende der Salbenmacherin kennzeichnet.

Natürlich ist auch dieser Teil in sich abgeschlossen, jedoch empfiehlt sich das Lesen der gesamten Serie, die in Konstantinopel ihren Ausgang nimmt und über Tübingen nach Nürnberg führt, wobei man die Figuren über mehrere Jahre begleiten und deren Entwicklung beobachten kann. Das Verständnis für die eine oder andere Handlung und die detaillierte Charakterzeichnung der Figuren wird über die gesamte Geschichte ebenfalls deutlich verstärkt.

Mit einem interessanten Nachwort über Fakten und Fiktion, die Silvia Stolzenburg stets zu unterhaltsamen und informativen Szenen verschmolzen hat, verabschieden wir uns nun endgültig von Olivera in der Hoffnung, dass ihr Leben vielleicht künftig ein wenig ruhiger verläuft.



Titel Die Salbenmacherin und der Fluch des Teufels

Autor Silvia Stolzenburg

ISBN 978-3-8392-0017-9

Sprache Deutsch

Ausgabe Gebundene Ausgabe, 344 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Reihe Die Salbenmacherin

Erscheinungsdatum 4. August 2021

Verlag Gmeiner

Veröffentlicht am 17.08.2021

Ein Denkmal für Margarete

Das letzte Bild
0

Autorin Eva Berghoff kauft gerade beim Bäcker Butterbrezeln für sich und ihren Sohn Justus, als ihr Blick auf die BILD-Zeitung fällt. “War die unbekannte Tote eine Deutsche?“ titelt das Revolverblatt, ...

Autorin Eva Berghoff kauft gerade beim Bäcker Butterbrezeln für sich und ihren Sohn Justus, als ihr Blick auf die BILD-Zeitung fällt. “War die unbekannte Tote eine Deutsche?“ titelt das Revolverblatt, wie Eva das Journal nennt. Aber nicht der Text lässt sie aufmerken, es ist das Phantombild darunter, das sie irritiert. Kann es denn sein, dass diese Person ihrer Mutter zum Verwechseln ähnlich sieht? Oder bildet sie sich das alles nur ein? Nein, als Schriftstellerin ist sie es gewohnt, exakt zu recherchieren und zu hinterfragen – und genau das wird sie nun tun, besonders deshalb, weil ihre Mutter die Vergangenheit immer großzügig ausblendet.

In einem packenden und faszinierenden Roman thematisiert Anja Jonuleit die „Isdal-Frau“, die Tote im Eistal: eine Frau, die nahe Bergen am 29. November 1970 tot aufgefunden wurde und deren Identität nach wie vor ungeklärt ist. In diesem Buch bekommt die Unbekannte einen Namen und eine bewegende Geschichte, die der Leser über einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren begleiten darf. Sprachlich sehr einfühlsam schildert Jonuleit gleich zu Beginn ein kleines Mädchen, fast scheint es, als ob man in ein Märchen eintaucht. Und schon steckt man mitten drinnen in einer aufregenden Suche nach der Familie, raffiniert aufgebaut in zwei Zeitebenen, wobei sowohl Tante als auch Nichte [und sogar die Autorin selbst, wie sich im Nachwort herausstellt] den selben Spuren folgen und auf unfassbare Dinge stoßen.

Die Personen sind so klar und in ihrer Handlungsweise so realistisch und glaubwürdig dargestellt, dass man sich in jede von ihnen sofort hineinversetzen kann. Auch die jeweiligen Lebensumstände sind der Zeit entsprechend ins passende Licht gerückt und vermitteln das Umfeld der kleinen Margarete ebenso gut wie später die wilden 1960er-Jahre der erwachsenen jungen Dame. Durch hervorragende Recherche erfährt der Leser viele interessante Details aus den letzten Kriegsjahren, allgemeine Tatsachen ebenso wie ganz persönliche Schicksalsschläge und kann gar nicht anders, als mit beiden Frauen mitzufiebern. Gekonnt wechseln die Szenen und werden je nach Zeitschiene im Präsens und im Präteritum geschildert, wobei immer häufiger die Übergänge so dargestellt werden, dass die Bilder den Anschein erwecken, ineinanderzufließen.

Durchgehend von der ersten bis zur letzten Seite fesselt der eingängige Schreibstil und lässt einen das Buch kaum aus der Hand legen. Die Verquickung von wahren Begebenheiten und Dichtung ist perfekt gelungen, eine Fülle an ungewöhnlichen und rätselhaften Einzelheiten führt mit einer logisch aufgebauten Handlung zu einem beeindruckenden Ganzen. Der mysteriöse Kriminalfall von Norwegen ist damit keineswegs geklärt, jedoch bekommt Margarete durch diesen tollen Spannungsroman ein würdiges Denkmal. Absolute Leseempfehlung! *****



ISBN 978-3-423-28281-9

Sprache Deutsch

Ausgabe Gebundenes Buch, 480 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 20. August 2021

Verlag dtv Verlagsgesellschaft

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.08.2021

Ein Märchen für Erwachsene

Mittwochs am Meer
0

Maurice ist Anwalt und Insolvenzverwalter. Um eine Fabrik in der Bretagne vor dem sicheren Konkurs zu bewahren, fährt er jeden Mittwoch in das kleine Hafenstädtchen Cancale. Routiniert und gewissenhaft ...

Maurice ist Anwalt und Insolvenzverwalter. Um eine Fabrik in der Bretagne vor dem sicheren Konkurs zu bewahren, fährt er jeden Mittwoch in das kleine Hafenstädtchen Cancale. Routiniert und gewissenhaft führt er dort seine Verhandlungen, die einfachen Fischer und Arbeiter halten skeptisch Abstand. Woche für Woche spielt sich gleich ab, bis eines Mittwochs eine andere Dame an der Hotelrezeption wartet und partout keine Reservierung findet für Maurice. Hingerissen von dem ruhigen Anwalt aus Paris, der die Situation gelassen nimmt, schickt sie ihm einen Liebesbrief und einen Gedichtband von Rimbaud und alles ändert sich.

In sehr ruhigen, fast bedächtigen Worten schildert Alexander Oetker diese wundervolle Geschichte, entführt den Leser an die entlegene Küste zwischen Saint-Malo und Le Mont-Saint-Michel. Poetisch und bildhaft zaubert der Autor Austernbänke und malerische Cafes, felsiges Gestein und liebliche Häuschen vor unser geistiges Auge, lässt einen zarten Windhauch über die nackten Arme streifen und die Melodie der Gezeiten ans Ohr dringen. Mit frischen Meeresfrüchten, knusprigem Baguette und ausgewähltem Wein werden schließlich auch noch die Geschmacksknospen zum Klingen gebracht.

Oetkers Roman kommt mit wenigen Figuren aus, diese sind jedoch sehr treffend charakterisiert und durchleben in diesem schmalen Büchlein einen bemerkenswerten Wandel. Vom zauberhaften Titelbild bis zum überraschenden Ende kann man hier tief eintauchen in die Gefühlswelt von Maurice und Dominique, den typischen Lebensstil der Bretagne inhalieren und abdriften in ein wahrhaftiges Märchen.

Wer also eine recht untypische Liebesgeschichte sucht, einen ganz anderen Sommer erleben möchte, dem empfehle ich sehr gerne „Mittwochs am Meer“.



Titel Mittwochs am Meer

Autor Alexander Oetker

ISBN 978-3-455-01096-1

Sprache Deutsch

Ausgabe Gebundenes Buch, 176 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 5. Mai 2021

Verlag Atlantik

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.08.2021

Es wird nicht leichter

Die Heimkehr der Störche (Die Gutsherrin-Saga 2)
0

Der Krieg ist zu Ende, Dora Twardy und ihre Familie haben ihre Heimat, den Gutshof in Ostpreußen, verloren und fristen ihr Leben nun mehr schlecht als recht in der Dachkammer einer mürrischen, verwitweten ...

Der Krieg ist zu Ende, Dora Twardy und ihre Familie haben ihre Heimat, den Gutshof in Ostpreußen, verloren und fristen ihr Leben nun mehr schlecht als recht in der Dachkammer einer mürrischen, verwitweten Bäuerin in der Lüneburger Heide. Schließlich taucht ein Lichtblick am Horizont auf: Dora bekommt eine Einladung zum Vorstellungsgespräch an der Humboldt-Universität in Ostberlin, wo sie ein Studium zur Tierärztin absolvieren möchte. Die Auflagen in der sozialistischen Volksdemokratie sind allerdings herausfordernd und beim Aufstand im Juni 1953 gerät Dora wieder einmal zwischen die Fronten.

Die Fortsetzung der Gutsherrin-Saga ist ebenso fesselnd wie ihr Vorgänger „So weit die Störche ziehen“. Mit beeindruckenden Details aus der Nachkriegszeit verquickt Autorin Theresia Graw Erinnerungen ihrer eigenen Familie mit einer fiktiven Handlung, deren Figuren jedoch ebenso realistisch und lebendig gezeichnet sind, als handelte es sich um tatsächlich existierende Personen. Während jedoch die früheren Jahre trotz des Krieges in gewisser Weise bunt erschienen, so legt sich das Leben in der DDR wie ein grauer düsterer Schleier über Dora, die mit der Erziehung Claras eine verantwortungsvolle Aufgabe übernommen hat und nun auch nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren noch vor leeren Geschäften steht und samt Lebensmittelmarken kaum das Wichtigste kaufen kann.

Mit sympathischen Menschen an ihrer Seite findet Dora immer wieder Kraft zum Durchhalten, auch wenn Spitzeltum und Scheinheiligkeit das Leben in der DDR prägen und man kaum abschätzen kann, wer Feind ist und wer Freund. So schildert Theresia Graw auf weitern 650 kurzweiligen Seiten das Schicksal der mutigen und tapferen jungen Dora. Immer wieder münden schwerwiegende Entscheidungen in Sackgassen, muss sie sich neu orientieren und um liebgewonnene Weggefährten bangen.

Fesselnd und berührend zugleich kann man sich als Leser dieser Geschichte nicht entziehen, beruht sie doch auf wahren Begebenheiten und spiegelt das Schicksal vieler Kriegsflüchtlinge und Vertriebenen wider. In jeder einzelnen Szene liegt ein großes Maß an Gefühl und Authentizität, sodass man Graws Herzblut für diesen Roman wahrhaftig spüren kann, ihren Wunsch, Erinnerungen am Leben zu halten und nichts in Vergessenheit geraten zu lassen.

Auch wenn dieser zweite Band nicht direkt an den ersten Teil anknüpft, sondern erst sieben Jahre später einsetzt, und hier immer wieder Erklärungen zu früheren Geschehnissen einfließen, so ist doch das Leser in der „richtigen“ Reihenfolge sinnvoll, da man sonst wahrscheinlich einiges an interessanten Querverweisen überliest und möglicherweise das Verständnis für so manche Handlungsweise nicht aufbringt. Das aufreibende Leben von Dora Twardy als Gesamtheit zu verfolgen, ist jedenfalls eine Empfehlung wert.

Titel Die Heimkehr der Störche

Autor Theresia Graw

ISBN 978-3-86493-170-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 656 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Reihe Die Gutsherrin, Teil 2

Erscheinungsdatum 2. August 2021

Verlag Ullstein Taschenbuch Verlag

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere